
In Polen hat sich ein Rechtsradikaler bei der Präsidenten-Stichwahl knapp durchgesetzt. Auch bei uns ist ein Erfolg der Rechtsextremen nicht ausgeschlossen, wenn die neue Regierung nicht ihre Reformen in der Migrations-, Sozial- und Wirtschaftspolitik verwirklicht.
Polen ist neben Deutschland und Frankreich eines der wichtigsten EU-Länder. Deshalb war die Freude auch hierzulande groß, als das europafreundliche Reformlager von Donald Tusk 2023 die rechtsnationalistische PiS-Regierung ablöste. Nun aber wird wieder einer der ihren Präsident und kann die Regierung weiter blockieren und der PiS damit den Weg zurück an die Macht ebnen. Schlechte Aussichten für Europa und die Ukraine, der der frühere Türsteher Nawrocki Unterstützung entziehen will. Und auch für den Nachbarn Deutschland.
Ausschlagebend für den Erfolg des PiS-Kandidaten waren offenbar die Unzufriedenheit vieler Polen, dass die Tusk-Regierung ihre Reformversprechen kaum umgesetzt hat (auch wenn der bisherige Präsident Duda dafür mitverantwortlich ist), die scharfe Spaltung besonders zwischen Stadt und Land sowie die mangelnde Mobilisierung auf der Linken, weil etliche dem liberalen Kandidaten Trzaskowski verübelten, dass er einige Positionen seines Gegners in der Migrations- und Sozialpolitik übernommen hatte, um ihm rechten Lager zu fischen.
Polen könnte, wenn es zu einer vorgezogenen Parlamentswahl kommt, schon bald in das Bündnis mit Orbans Ungarn und der Ficos Slowakei gegen die Brüsseler EU-Politik zurückfallen – allerdings ohne deren Putin-Unterstützung, die auch für die PiS nach den Erfahrungen in der Stalin- und Sowjetzeit ein NoGo ist. Doch die Zeit, in der Tusk mit Kanzler Merz und Frankreichs Präsident Macron nach Kijv fährt, um Druck auf Putin zu machen, einem Waffenstillstand in der Ukraine zuzustimmen, dürfte dann vorbei sein.
Das Alles als Besonderheiten in Mittelosteuropa abzutun, wäre jedoch verfehlt. Dafür reicht schon der Blick auf Ostdeutschland. Nicht nur da hat die AfD, die der PiS in vielem ähnelt, weiterhin starken Rückhalt, auch wenn sie nach den ersten kräftigen Auftritten von Merz und den ersten Reformschritten von Schwarz-Rot in der Migrationspolitik leicht zurückgefallen ist. Doch das muss nicht so bleiben.
Nagelprobe Haushalt
Wenn der Reformwillen der Merz-Regierung ebenfalls erlahmen sollte und die SPD weiter querschießt, die Wirtschaft nicht aus dem Quark kommt, noch mehr Arbeitsplätze verloren gehen sollten und die Zahl der irregulären Einwanderer nicht spürbar weiter sinkt, dürften die Rechtsextremen wieder Zulauf bekommen. Und diejenigen, auch im CDU-Lager, die mit der militärischen Unterstützung der Ukraine und der Wiederertüchtigung der Bundeswehr unzufrieden sind, erst recht, wenn der russische Krieg noch lange dauern sollte.
Der Kanzler muss deshalb Standvermögen beweisen, nicht nur in der Außen- und Sicherheitspolitik, sondern auch und besonders bei den innen-, wirtschafts- und sozialpolitischen Reformen. Gut deshalb, dass sich der Koalitionsausschuss in seiner ersten Sitzung verständigt hat, rasch Erleichterungen für die Unternehmen umzusetzen, damit die wieder mehr im Inland investieren. Die Nagelprobe kommt jedoch, wenn SPD-Chef und Finanzminister Klingbeil seinen Entwurf für den Haushalt 2025 vorlegt. Schon werden wie zu befürchten Rufe laut, Gelder aus dem Infrastruktur-Schuldentopf zweckzuentfremden für Hilfen an die Kommunen oder neue Sozialleistungen, über die Wohltaten hinaus, die SPD und CSU im Koalitionsvertrag durchgesetzt haben, Stichworte: Rentengarantie, Mütterente, Pendlerpauschale, Agradiesel. Dem muss Merz widerstehen.
Wenn in Frankreich, wo die Lage noch ernster ist, 2027 der Le-Pen-Kandidat siegt, dann sieht es für Europa wirklich düster aus. Noch ist es nicht verloren. Doch Putin und Trump warten nur darauf.