WAZ Watching – Die Lokalzeitung in der PR-Falle

Die Lokalredakteurin Elisabeth Höving berichtet in der Gelsenkirchener Ausgabe der WAZ am Samstag von einem besonderen Ereignis. „Gefeiert wie ein Popstar“ ist ihr Artikel über den Besuch von Schalke-Trainer Felix Magath beim Schalker Gymnasium überschrieben. Mit Lokaljournalismus hat der Beitrag allerdings wenig zu tun und fällt eindeutig in die Rubrik Gefälligkeits-Berichterstattung.

Wie viele andere Unternehmen hat der FC Schalke 04 ein Projekt der Schule gefördert, dass den Oberstufenschülern wird professionelle Studien- und Berufsberatung bietet. So diktiert der Meistertrainer in die Blöcke der anwesenden Journalisten: „Schließlich gehört die Entscheidung für eine schulische oder berufliche Weiterbildung zu den wichtigsten im Leben“. Soviel Lebensweisheit trübt schon mal die Erinnerungsfähigkeit und das kritische Bewusstsein, denn der Fall Julian Draxler liegt erst wenige Wochen zurück. Da hatte Felix Magath das 17jährige Fußballtalent und seine Eltern dazu überredet, die Schulausbildung abzubrechen und lieber erfolgreich vor die Kugel zu treten. Getreu dem Motto: Der Junge braucht kein Abi. Das hat bundesweite für Kritik gesorgt und nicht nur die Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VdV) hat Schalke 04 einen „unverantwortlichen Umgang mit dem Jungstar“ vorgeworfen.

Erst das Schulgesetz in NRW hat das Ausbildungsende verhindert und die schulische Laufbahn geht für Draxler nach den Sommerferien an der Gesamtschule Berger Feld weiter. Die gilt gemeinhin als Musterschule bei der Ausbildung von Profifußballern, die auch neben dem Platz etwas lernen wollen. Schulleiter Georg Altenkamp zeigte sich nach dem Gespräch mit dem Profi dann auch sehr überrascht: „Ich hatte den Eindruck, dass er über die Möglichkeiten der Schule gar nicht richtig informiert war.“ Dabei kooperiert die Gesamtschule schon lange mit Schalke 04 und die Trainingsplätze des Vereins liegen direkt nebenan. Gestandene Profis wie Manuel Neuer, Alexander Baumjohann und Mesut Özil haben hier die Schulbank gedrückt. Im Juni 2007 wurde die Gesamtschule Berger Feld als vierte deutsche Schule vom DFB als „Eliteschule des Fußballs“ ausgezeichnet.

Das könnte auch Felix Magath wissen. Ein paar kritische Fragen der Lokaljournalistin kann erwarten, wenn der Trainer plötzlich die schulische Ausbildung und mit dem Scheck winkt. Das fehlt in der Berichterstattung allerdings vollständig. „Ein Popstar ist nichts dagegen“ begeistert sich die Kollegin dagegen an dem tollen Termin. So geht die Gelsenkirchener Lokalredaktion ohne Gegenwehr der Schalker PR-Offensive auf den Leim. Die setzt derzeit auf Angriff nicht nur in sozialen Netzwerken wie facebook auf Angriff. Das Image des Vereins und des Meistertrainers haben in der letzten Zeit arg gelitten.

Kein Wunder, dass immer mehr Leser der Zeitung den Rücken kehren und man sich als Abonnent immer öfter erklären muss. Zwar bestätigten Zeitungsforscher der WAZ-Gruppe im letzten Jahr steigende journalistische Qualität, aber Leser und selbst die Redakteure in den Redaktionen sehen das anders. So ist die Redaktion in Gelsenkirchen am Wochenende manchmal nur mit einem Redakteur besetzt. Das merkt man dann an der unzureichenden Berichterstattung in der Montagsausgabe. Zwar gibt es jetzt ein Rechercheblog der WAZ im Internet, aber mehr Personal und mehr journalistisches Handwerk wären noch besser.

Singen oder singen lassen

Im Normalfall singe ich manchmal bei Kindergeburtstagen und das meist recht leise. Ansonsten erhebe ich meine Stimme alle 14 Tage für „Blau und weiß, wie lieb ich dich“ und die erste Strophe des Steigerlieds im Stadion. Demnach bin ich der ideale Kandidat für den „Day of Song“. Nachdem meine Frau begeistert von der gelungen Eröffnungsveranstaltung im Musiktheater im Revier zurückkehrte, haben wir uns am Samstag kurzfristig zum Gang in die Arena auf Schalke entschlossen, wo das musikalische Finale auf dem Plan stand.

Das weite Rund war mit 56 000 mehr oder weniger Gleichgesinnten gut gefüllt, aber viele Plätze blieben dennoch leer. Eine Stunde vor Beginn begann das Einsingen mit Anleitung und das machte den Besuchern schon hörbar Spaß. Das Programm begann mit „Gück Auf“ und „Let it be“ auch ganz mitsingfreundlich. Ich ließ mich von der guten Stimmung anstecken und folgte mit gemäßigter Lautstärke den Textzeilen im SING-Songbook. Die erste Freude hielt allerdings nicht lange an, denn der Schwierigkeitsgrad stieg beständig an. Zwar wollte ich immer schon den Gefangenchor von Nabucco singen und auch Habanera aus Carmen steht bereits lange auf meiner Liste, aber das überstieg meine zugebenermaßen recht bescheidenen Fähigkeiten recht deutlich. Allerdings traf das auf die meisten anderen willigen Sänger im Block 11 ebenfalls zu, denn es wurde recht still um mich herum. Die Opernsängerin Vesselina Kasarova füllte das Vakuum dann gewohnt stimmgewaltig aus.

So wurde das Programm immer mehr von den Profis bestimmt und kaum von den Amateuren. Schließlich konnten nur noch die trainierten Chöre im Innenraum halbwegs mithalten. Am Ende war es dann mehr eine professionelle Leistungsshow und weniger ein Mitmach-Event. Mit den Wise Guys und dem ChorWerk Ruhr kamen allerdings noch zwei unerwartete Highlights. Bereits im Vorfeld gab es in Gelsenkirchen Ärger mit einigen Chören, die am geplanten Programm nicht mehr teilnehmen wollten. Die Lokalredaktion der WAZ berichtete zwar darüber, aber man verzichtete auf weitere Recherche und die Gründe blieben unklar. Die Begeisterung der Zuschauer war dennoch bis zum Ende ungebrochen, aber die Moderatoren konnten sich nicht mal zu einer Zugabe aufraffen.
Die gab es dann wenigstens auf dem Heimweg in der Straßenbahnlinie 302 mit allen vier Strophen des Steigerlieds. Immerhin weiß ich jetzt wie es ausgeht: „Wir Bergleute sein kreuzbrave Leut. Denn wir tragen das Leder vor dem Arsch bei der Nacht. Und saufen Schnaps.“ Mehr ist nicht zu sagen und ich finde, wir sollten jetzt auch im Stadion alle vier Strophen singen.

Glück auf!

Politik, Fußball und Projektion

Wäre eine Ampel in NRW eine Perversion? Ist die Linkspartei eine moderne linke Partei? Der VfL Bochum das St. Pauli des Ruhrgebiets? Die FDP marktradikal? Vor allem wenn wir  Zuneigung erfinden sehen wir nur was wir wollen.

Frank Goosen hat vor ein paar Tagen einen schönen Text über den VfL Bochum geschrieben. Er beschrieb den VfL als einen piefigen Kleinstadtverein ohne Ambitionen, geführt von dicken, alten  Männern ohne Visionen, der eigentlich nur eines erfolgreich kann: Seine Fans enttäuschen.

Andere haben im vergangenen Jahr die FDP gewählt und gingen davon aus, ihre Stimme strammen Marktwirtschaftlern gegeben zu haben. Die Enttäuschung über die gewährten Steuersubventionen für Hotelbesitzer  war schnell ebenso groß wie über die Rücknahme der vorsichtigen Liberalisierungen auf dem Arzneimittelmarkt.

Und auch hier bei den Ruhrbaronen ist in den Kommentaren oft viel Wut zu spüren, wenn die Linkspartei in NRW nicht als Schutzmacht der kleinen Leute, als moderne, freche Alternative zur SPD geschildert wird, sondern als Versorgungsprojekt für in Bedeutungslosigkeit ergraute Trotzkisten wie Zimmermann oder Stalinisten wie Böth. Die soll nun auch noch Landtagsvizepräsidentin werden.

In der Vorstellung ihrer Anhänger sind die Jusos links, ja, zum Teil linksradikal, wie das Werbebild der Jusos aus Esslingen zeigt und nicht eine biedere Parteijugend. Wahrscheinlich glauben auch viele CDU-Anhänger die CDU wäre konservativ. Fußballfans wollen glauben, Schalke sei ein Arbeiterverein und der FC St. Pauli der  verlängerte Fuß der Hamburger Subkultur.

Gerade beim Fußball und der Politik fällt es vielen schwer, mit der Wirklichkeit zurecht zu kommen – vor allem wenn Leidenschaft im Spiel ist und machen wir uns nichts vor: Ohne Leidenschaft macht weder die Beschäftigung mit Fußball noch mit Politik Spaß.

Bei näherer Betrachtung ist alles so entsetzlich banal: Schalke ist ein mäßig geführter Verein, der seinen Zielen seit Jahrzehnten hinterherläuft. Die FDP ist vor allem eine Klientelpartei, die an Marktwirtschaft und Wettbewerb so viel Interesse hat wie RWE und E.ON. Gerade in der Energiewirtschaft sitzen ja bekanntermaßen die größten Feinde des Kapitalismus.

St. Pauli ist das Muster des gentrifizierten Fußballvereins.  In der ach so konservativen Union treffen notorische Fremdgeher auf Schwule und Lesbierinnen. Die größte Sammlung an Ferrari-Büchern habe ich in der Wohnung eines grünen Fundis gesehen.

Wähler wollen das alles nicht so genau wissen. Fußballfans auch nicht. Die meisten zumindest. Sie sind mit Leidenschaft ihrer Partei oder ihrem Verein verbunden. Diese Leidenschaft bezieht sich allerdings eher auf eine Projektion als auf die Wirklichkeit. Die eigenen Wünsche, das eigene, in der Regel ja schon arg konstruierte, Selbstbild wird mit Partei, Verein oder beidem verbunden. Die banale Wirklichkeit wird ausgeblendet. Dabei ist diese Banalität ein großer zivilisatorische Fortschritt: Alle wurschteln herum, versuchen irgendwie durchzukommen und machen komische Kompromisse. Das wird auch bei der Regierungsbildung in NRW passieren – oder bei der Wahl eines neuen Trainers für den Vfl Bochum. Die Wirklichkeit in Deutschland ist immer eher grau und langweilig. Das ist gut. In einem spannenden Land zu leben, in dem die Leidenschaft regiert ist  ziemlich anstrengend. Und manchmal auch gefährlich.

Mohamed war ein Prolet…

 . . . und ein paar weitere heitere Fußballgeschichten, weil es gleich wieder losgeht!!!

abb: stadtwerke bo/ ruhr nachrichten

RWE/ Für mehr als 30 Millionen Euros soll Traditionsclub und Viertligist Rot-Weiß Essen nun endlich doch ein neues Stadion bekommen kick. Ein Steinwurf entfernt vom alten Georg-Melches Stadion fällt deshalb am Samstag, High Noon, der feierliche symbolische Startschuss für die neue rot-weiße Spielstätte. Eine der letzten Amtshandlungen des scheidenden OB Wolfgang Reiniger (CDU). Immerhin ist das neue Stadion mit vier Tribünen geplant und damit gegenüber dem bisherigen Traditionsbau (3) klar im Vorteil. Klar im Nachteil sind Fußballtraditionalisten im Essener Norden. Statt Georg Melches – dem für die meisten vor allem nur noch rätselhaften Namen des Cluburvaters kick – soll die neue Arena laut "derwesten" einen Namenssponsor aus der Wirtschaft bekommen kick. Allerdings handelt es sich dabei um das allerunauffälligste Sponsoring der Fußballgeschichte: Die neue Anlage wird schlicht "RWE-Arena" heißen. Rheinisch-Westfälischer Kapitalismus, man muss ihn einfach lieben!

VfL/ Zwanzig Kilometer ostwärts heißen die Dinge schon längst anders. Namenssponsor des Rewirpower-Stadions sind die Stadtwerke Bochum und nach der Umbenenung des Ruhrstadion hat der kommunale Versorger nun die nächste Verwandlung ins Auge gefasst. In einer Anzeige haben sich die Bochumer Lizenzspieler in Haka-Pose ablichten lassen. Auffällig: Die Spieler aus der zweiten Reihe posen besonders grimmig. Auch die eher witzigen Ankündigungsplakate für die VfL-Spiele, die bislang die Abenteuer der Bochumerin Gerda zeigten, machen nun einem neuen Motiv Platz. Etwas Fankurve ist zu sehen und dazu das Motto: "Andere haben Trophäen, wir haben Euch!" Angesichts der chronischen Unzufriedenheiten mancher Bochumer Fanseele (kick) kann das allerdings auch als Klage verstanden werden.

BVB/ Im Pokal hat Lucas Barrios bereits getroffen, der neue Weltttorjäger des BVB, doch nun macht ihm Don Alfredo Pöge, Erbsenzähler des Weltfußballs den Titel streitig kick. Zu Pöge und seinen Fußballstistikern ist schon viel geschrieben worden, zum Beispiel im Spiegel.
Persönlich glaube ich ja, die alten Männer und der Republikflüchtling sind eine Art Fußballfreimaurerloge, die den Fußball unterwandern wollen, seine Geschichtschreibung monopolisieren um die ewige Herrschaft des Bösen einzuleiten.

S04/ Schalke hat(te) bekanntlich dieses interkulturelle Problem mit seinem Vereinslied. Für mich nur wieder ein Beispiel von "misheard lyrics". Auf der Nordkurve singen sie seit Jahren klar und eindeutig "Mo-ha-med war ein Prolet". Und was man so von Mohamed weiß – erst am Feuer, Walzwerk, Mannesmann, dann auf Stütze, nebenbei Taxi – muss ich sagen, sie haben recht!  

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Der Bilderbuchtorwart

Manuel Neuer hat sich jemand ausgedacht. Der Fußballgott? Ein Forscher? Vielleicht die Fügung. "Der Junge" (Werner Hansch) ist der perfekte Torhüter. Auf Jahrzehnte unbesiegbar. Ein Jahrhunderttalent. Und jetzt wollen ihn die Bayern. Natürlich. Eine Hommage aus gegebenem Anlass.

Grafik: ruhrbarone.de

Manuel Neuer ist Ian Thorpe unter den Fußballtorleuten. Hände wie Bratpfannen, Finger wie Bratwürste. Statt Arme Adlerschwingen. Ein Schrank von Kerl. An Neuer ist kein Vorbeikommen, wenn er sich groß macht, breit, wenn er auf die Stürmer zuhüpft, aufrecht, zögernd, wie ein Riesenochsenfrosch. Neuer hat Fäuste wie Diamant, eine Sprungkraft wie Spiderman. Dazu Herz, Gemüt, Zähne, ein Grinsen.

Manuel Neuer hat gejubelt und geweint mit Schalke. "Der Junge" (Werner Hansch) aus Gelsenkirchen-Buer hat noch die Eurofighter siegen sehen und die Meisterschaft flöten gehen. Wenn er sich freut, rennt er selbst die Zäune vor Fankurven weg, überwindet Wassergräben, fünfzehn Meter hohe Stufen, und dann herzt er die alten Freunde von der "Buerschenschaft". Manuel Neuer ist so schnell, er kann sich gleichzeitig anfeuern und durch den Strafraum segeln. Neuer ist nicht von dieser Welt.              

Manuel Neuer hat diese magischen Momente. In der Champions League in Portugal, ganz alleine hat er sich 534 Angreifern entgegen geworfen, sein Tor sauber gehalten. Der Blondschopf, der Recke, Drachentöter, Siegfried unter den Kickern. In der Höhle des Löwen hat er die Bayern besiegt, in der Schlangengrube hat er den Titan gegeben, die Eckfahne gewuchtet, die Bayern verhöhnt. Und jetzt?

Manuel Neuer ist ein Fußballmärchen. Selbst auf dem Trainingsplatz dehnt er sich bis zu einer Spannweite von 7,32. Von Pfosten zu Pfosten. Ich habs gesehen. Irgendwann gibt es keine Gegentore mehr für einen wie ihn. Modellathlet. Mit dem rechten Bein stößt er sich ab in den blauen Himmel über der Ruhr. Lacht bis die Geschäftsstellenscheiben klirren, der Gute-Laune-Manuel, ein Bilderbuch von Keeper, ansteckend.

Das wissen sie auch vor den sieben Bergen, jeder sieht es, ohne Neuer keine Zukunft, nur Butt und Rensing, keine Turniersiege, keine Stimmung, keine Legende, keine Champions League. Bayern München ist also "interessiert" an "dem Jungen ausm Kohlepott" (Werner Hansch). Und der? Was macht er?

Sagt, dunkle Schatten auf der rosigen Wange, "war auf Asienreise, kann dazu nichts sagen, denke, die Vereine haben gesprochen." Der Berater sagt, wenn Bayern fragt, würde sich jeder Spieler, Achtung, Gedanken machen. Nein, tu es nicht! Man möchte brüllen: Manuel, Manuel, MANUEL, mach Dir alles, nur keine Gedanken. Bleib Du, bleib Weltwundertorbeschützerschalkerdurchunddurchsonnenkindfußballborisbecker. Doch der Herr Berater sagt, Schalke sei jetzt "am Zug". Ein Drama?

Aber auf Schalke haben sie zum Glück mehr Weltwunder. Einen Weltfleischer und den Weltfelix. Was die sagen? "Es gibt keine Schmerzgrenze." (Neu-Trainer Felix Magath) Oder:  "Ich sehe es hundertprozentig wie Felix Magath. Wir lassen uns von den Bayern nicht das Gesicht wegreißen!“ (Boss Clemens Tönnies). Nicht das Gesicht wegreißen, gut gesagt. Puh!

Puh, update (!):

Neuer im Kicker, Thema Bayern ist durch (1). Bin durch (2) und durch (3; sic!) Schalker. Hab Vertrag bis 2012.

Finale Trainerdiskussion

"Noch zwei Siege, dann ist der Drops gelutscht."
(Felix Magath)

Ich mochte Schalkes Trainer Fred Rutten, das Rudi-Völler-Double, der sich nicht nur der Bundesliga übervorsichtig näherte. Ich habe mit ihm einmal in der Arena warme Curry-Suppe aus einem Glasfläschchen gesaugt, als er mich fragte, "waas is daas". Ich anwortete: "Suppe." Rutten: "Ah, Schuuppe." Es ist wirklich schade, dass er gehen musste – vor allem deshalb: Mein Lieblingstrainer war für einige Monate nicht mehr der farbloseste, vorsichtigste, ja, langweiligste seiner Zunft.

Bochum-Trainer Marcel Koller hat in dieser Saison nur zwei Fehler gemacht: Er hat sich nach Fankritik dazu breit schlagen lassen, einen Fanschal zu tragen, der nicht zu ihm passte. Wenigstens ließ er sich nicht auf den albernen Trainingsanzug und die Fußballschuh-Nummer ein! Und er hat nach der Genesung seiner Stamminnenverteidiger herum geeiert, um Anthar Yahia und Marcel Maltritz doch noch, irgendwie, in die Mannschaft zu kriegen. Weil das nur fast schief gegangen ist, wird der Schweizer wohl endgültig als Erfolgstrainer in die Bochumer Fußballgeschichte eingehen, der den Mythos der ewigen Abstiegskämpfer wieder aufleben lassen hat. Um nicht von "Unabsteigbar"keit zu reden; – als dieses Schlagwort in der Welt war, stieg der VfL auch schon das erste Mal ab. Das Kollers trockene, vorsichtige, ja: langweilige Art auch auf Spiele und Spieler abgefärbt hat, wird Koller oft vorgeworfen. Für mich beweist es nur, dass der Fußball-Existenzialist seine Mannschaft "hundertprozentig" erreicht.

Ich bin eigentlich kein Anhänger des Trainerfußballs. Ärgere mich bei TV-Übertragungen über jedes Bild von der Bank. So lange der Ball rollt, brauche ich keine brüllenden Mitfünfziger, interessiert es mich nicht, wie Sir Alex Ferguson (Man U) versucht sein Kaugummi zu zerstören. Das Spiel hat keine Nahaufnahmen von der Seitenlinie nötig, mir ist egal, wenn es Diskussionen mit dem vierten Offiziellen gibt, ob die Coaching Zone verlassen wird. Ich glaube, ich habe im Stadion während eines Spiels noch nie darauf geachtet, was gerade auf der Trainerbank vor sich geht außer bei den Aus- und Einwechslungen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es den Spielern groß anders geht.

Andererseits geht es bei den Trainerdiskussionen um etwas anderes, um Ideale. Fußball ist ein Mikrokosmos im Flutlicht, eine Scheinwelt, ein Olymp. So ähnlich wie Mode, wie Musik und Kunst, wie Second Life oder Casting Shows nehmen wir Anteil mit unseren Meinungen, Sympathien, Haltungen zum großen Spiel. Fußball ist ein Labor der Arbeit. Und die Trainer die Vorarbeiter, Vorzeigechefs.

Auch Jürgen Klinsmann, den sie nun "Hi Hi" nennen. Mir ist dieser JK schon immer zu sektiererisch, zu beseelt, ein bisschen Tom Cruise an der Linie. Ob bei der Nationalelf oder den Bayern. Dieses jeden jeden Tag ein bisschen besser machen zu wollen – wer will so einen anstrengenden Chef haben? Außerdem: Was riskiert ein Coach, der nebenbei Vorstand seiner Firma "Soccer Solutions" bleibt, der auch als Bundestrainer konkurrierende Fußballverbände beriet, Verträge für Turnierbälle aushandelte, was riskiert der außer seine Glaubwürdigkeit? Als Geschäftsmann für Fußball und Motivation ist Klinsmann eben sehr erfolgreich, als Trainer war und ist er es nicht.

Andererseits – Klinsmann im Gespräch mit Günter Jauch zeigte auch, wofür der Schwabe auch steht: Für Wandel, Veränderungen, die immer neue Suche nach Tempo, Klasse, Begeisterung, Weltgewandheit im deutschen Fußball. Erst beim DFB – heute immerhin ein Verband, der sich gegen Rassismus, Homophobie und für Dribbelkünstler mit Migrationshintergrund stark macht – dann bei den Bayern. Klinsmann scheiterte natürlich an sich, seinem peinlichen Psychosprech, fehlender Authentizität und "Rüberkomme", wenig Gelassenheit und Erfahrung, aber eben auch an den eitlen Alten in der FCB-Chefetage, den Netzers des Blätterwaldes, den Beleidigten bei Springer, an bockigen Spielern, verwöhnten Zuschauern. Am Mittwoch hat er mich trotzdem fast überzeugt.

Übrigens steht der neue Bayerntrainer Louis van Gaal nur vordergründig für den alten Schleifer, das Fußballlehrer-Style, das Karl-Heinz Rummenigge vorschwebt: Van Gaal schreibt Gedichte, kleidet sich wie eine Gestalt aus Tim und Struppi, steht auf hypermodernistischen Fußball und kämpft gegen Homophobie.

Noch ein JK, vielleicht  d e r  JK, die zur Zeit angesagteste Mischung aus Wahnsinn, Kompetenz und Charme im Fußball. Mit Jürgen Klopp hat Dortmund den Coup des Jahres gelandet. Die Stadt ist aufgewacht, die Mannschaft geht lange Wege, spielt kurze Pässe, wird Rekordsieger. Und plötzlich steht – nach müden Jahren – wieder Fußball im Mittelpunkt, nicht die ökonomischen Aufräumarbeiten der überdrehten Neunziger Jahre, nicht der Präsident, sondern ein Trainer.

Das gleiche will Schalke auch. Ausgerechnet Clemens Tönnies. Dabei steht der vorlaute Aufsichtsratschef, der erst zum Schalker wurde, weil der Bruder starb, auf deftig, sich, labern. Auch bei der Trainersuche. Wie ein Sonnenkönig ließ er Muskeln und Moneten spielen, verhandelte mit Olli Kahn, kokettierte mit Rudi Völler, um dann doch den Dortmunder Coup vom vergangenen Sommer zu toppen: Ein Fast-Schon-Meistertrainer auf Schalke, dem VW-Wolfsburg wurde der zur Zeit erfolgreichste deutsche Fußballlehrer abgeworben.

Dass Felix Magath auf Schalke einschlägt wie ein Klopp ist nicht gesagt. Aber Magaths Motivation ist einfach: Welcher Club in der Bundesliga kann den Bayern zum wirklichen Konkurrenten werden? Wer hat die Fans, Begeisterung, Hinterland und Tradition, welches Stadion kann mithalten mit der Allianzarena an der Mülldeponie? Er hat die Frage mit Schalke beantwortet. Ich wär mir da nicht so sicher. 

Demo vorm Derby

Foto: Ruhrbarone

Schalke oder Dortmund? Morgen fällt die Entscheidung im Museumsderby. Und zwar in Düsseldorf. In der Messe tagt der außerordentliche Bundestag des Deutschen Fußballbundes und die 260 Delegierten werden in geheimer Wahl entscheiden, wo das Deutsche Fußballmuseum hin kommt: Neben die Schalke-Arena? Oder auf das Gelände am Dortmunder Hauptbahnhof. Viel kommt an auf die Performance der Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer und Frank Baranowski. Aber noch mehr auf die Stimmung der Abstimmer.

Da die nicht beteiligten Landesverbände – wie etwa der Bayrische Fußballverband – ihren Delegierten freie Hand lassen bei der Entscheidung pro Gelsenkirchen oder pro Dortmund, ist der Ausgang ziemlich offen. Und was den Gelsenkirchener Bemühungen die Suppe versalzen könnte, hat nichts mit dem Fußballmuseum, dem Standort Schalke, mit Finanzierung oder Präsentation zu tun. Sondern mit dem anderen großen Thema des DFB-Bundestags.

Beschlossen werden soll dort nämlich auch der neue Grundlagenvertrag, der unter anderem vorsieht, die Sonntagsspiele der Bundesliga aufzusplitten und eines bereits um 15:30 anzupeifen. Die geplante Vorverlegung des Profikicks auf einen Zeitpunkt an dem traditionellerweise Amateurmannschaften auflaufen, hat für einige Verstimmung in unteren Ligen gesorgt. Ausgerechnet der Fußballkreis Gelsenkirchen steht an der Spitze der Gegner der vorverlegten Live-Spiele. Im Frühjahr wurde hier sogar gestreikt und für morgen zu einer Demo vor der Messe aufgerufen klick.

Nun gilt die "Bundestags"-Entscheidung für den neuen Grundlagenvertrag nur als Formsache. Die Mehrheit der Delegierten ist längst dafür – daran werden die Amateurdemonstranten nichts ändern können. Wahrscheinlicher ist, dass die Fußballbewegten die Entscheidung im Ruhrmuseumsderby beeinflussen. Wohl kaum zu Gunsten GEs.   

(Update) Es gibt nur ein…

. . . Rutti Völler (klick)

Der FC Schalke sucht bekanntlich immer noch händeringend einen neuen Trainer-Manager, oder beides. Nach DFB-Mann Oliver Bierhoff (Absage), VW-Mann Felix Magath (Absage), China-Mann Olli Kahn (laut kicker, klick: auch Absage!)  haben sie sich jetzt an Nationalheld, Ex-Bundestrainer und Leverkusens Manager Rudi Völler herangemacht. Für den professionellen Fleischbeschauer Clemens Tönnies passe "Rudi Völler zu 100 Prozent". Stimmt, Herr Tönnies! Vor allem optisch. Mit etwas Retouche (s.o.) könnte man auch die Autogrammkarten vom gerade gekickten Trainer Fred Rutten einfach weiter verwenden. Das spart dem klammen Club viel Geld.

PS: Leider dementiert Bayer Leverkusen die Geschichte. Rudi, sagt Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser, habe ihm gesagt, an der Sache sei nichts dran. Schade. Clemens, die Suche geht weiter!  

Montage: Ruhrbarone

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Kahn weniger geil?

Oliver Kahn ein Schalker? Vereinsboss Clemens Tönnies geil auf den Titan. Nicht ganz. Den Ruhrbaronen wurde nun folgendes, peinliches Fotodokument zugespielt. Der damalige Bayern-Keeper würgt den Hals von Schalkes Stürmer Sören Larsen (klick).

Zwei Jahre ist das her. Und vor acht Jahren tat Kahn das gleiche (klack) mit einer Eckfahne im HSV-Stadion. Der Anlass dürfte auf Schalke bekannt sein. Und nun? Wird es nun doch nichts mit dem Mega-Deal, dem Titan auf Schalke? Rätselhaft ist Schalke.

Geil auf Kahn

Oliver Kahn ist genau der richtige Manager auf Schalke. Denn er ist längst einer. Nein, nicht Manager. Aber Schalker. Insgeheim. Die Ruhrbarone-Bildergalerie beweist das.

Wie anders sind die wiederholten Zusammenstöße ausgerechnet mit Schwarz-Gelben Trikotträgern aus Dortmund zu erklären, ob Andreas Möller, Heiko Herrlich oder Stephan Chapuisat? Und was brauchen sie im Berger Feld! In schwierigen Zeiten! Wenigstens der Olli weiß, wie man mit den lästigen Konkurrenten im Osten umspringt.

Kein Wunder dass Ausichtsratschef Clemens Tönnies sich gestern nach dem Gespräch mit Kahn in ausgesprochen wuschiger, läufiger, ja, spitzer Laune der Presse zeigte. Kahn sei ein geiler Typ", Schalke ein "geiler Club" und in zwei, drei Wochen werden sie sich wieder zusammen setzen. Das gestrige Treffen von Rheda-Wiedebrück war übrigens so welt- und revierbewegend, dass am Abend in der "Lokalzeit Ruhr" (WDR) Studioleiter Ralf Makrutzki selbst einen Kommentar verfasste, ablas und zu dem Ergebnis kam… ach, ich weiß es nicht mehr, irgend etwas mit "typisch Schalke" eben.