Wahlkampf im schweren Terrain: Auf ein Gespräch bei der CDU in Duisburg

#BTW2021 - ein schwerer Wahlkampf für Armin Laschet; Foto: Roland W. Waniek
#BTW2021 – ein schwerer Wahlkampf für Armin Laschet; Foto: Roland W. Waniek

2021 ist die Bundestagswahl anders als vorherige Wahlen: Der Amtsinhaber – in diesem Falle: die Amtsinhaberin – tritt nicht mehr an. Coronabedingt war eine Planung von Großveranstaltungen und Events in geschlossenen Räumen in diesem Jahr kaum möglich.

Der CDU-Wahlkampf verlief in diesem Jahr alles andere als reibungslos, aktuell sieht es nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen am 26. September 2021 aus. Für die Parteien gilt deshalb: Wahlkampf wird bis zum Schluss gemacht!

In dieser Situation lohnt ein Blick auf den Wahlkampf einer Partei, die vor Ort immer schon einen schwereren Stand hatte als die Bundespartei an anderen Standorten.

Duisburg, jahrzehntelang eine SPD-Hochburg, war bis 1998 für die CDU eine – anders kann man es kaum formulieren – politische Diaspora. Die Ruhrbarone haben sich mit Peter Ibe, stellvertretender Kreisvorsitzender der CDU in Duisburg, über diesen besonderen Wahlkampf unterhalten.

#BTW2021: Keine Wahl wie eine andere

Die Bundestagswahl 2021 ist keine Wahl wie die vorherigen Wahlen, nicht nur wegen der Coronakrise: Erstmals endet eine Legislaturperiode, ohne dass der Amtsinhaber – in diesem Falle, die Amtsinhaberin – weiterregieren möchte. Konrad Adenauer trat vor dem Ende seiner regulären Amtszeit zurück und ermögliche so Ludwig Erhard, davor Wirtschaftsminister im Kabinett Adenauer, eine Weiterführung der christlich-liberalen Koalition: Um einen Wahlsieg der Union bei der späteren Bundestagswahl wahrscheinlicher zu machen.

Kurt Georg Kiesinger, der erste Kanzler, der eine große Koalition aus SPD und CDU führte – nachdem die vorherige konservativ-liberale Koalition zerbrochen und Ludwig Erhard zurückgetreten war – verlor die Bundestagswahl gegen Willy Brandt. Die sozial-liberale Koalition, die Willy Brandt 1969 zum ersten sozialdemokratischen Kanzler der Bundesrepublik wählte, hielt bis 1982. Willy Brandt machte 1974, wegen der Guillaume-Affäre, Platz für den Genossen Helmut Schmidt. Dieser wurde 1982 durch ein konstruktives Misstrauensvotum abgewählt.

1974 bis 1982 Bundeskanzler Helmuth Schmidt;
1974 bis 1982 Bundeskanzler Helmuth Schmidt; Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F048646-0033 / Wegmann, Ludwig / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Es folgten Helmut Kohl (CDU) und eine sozialliberale Koalition, die 16 Jahre später durch eine rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder (SPD) abgelöst wurde und Angela Merkel (CDU), die ab 2005 – nach herben Verlusten der SPD bei einer vorgezogenen Bundestagswahl – eine große Koalition anführte.

Dieses Amt bekleidet sie, zwischenzeitlich unter einer schwarz-gelben Koalition, bis heute. Angela Merkel ist damit die erste Bundeskanzlerin, die nach der regulären Legislaturperiode „einfach so“ geht: Was für die Unionsparteien diesen Bundestagswahlkampf zu etwas besonderem macht. Kein Amtsbonus für den Kandidaten, man muss mit einem neuen Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers überzeugen. Bei dieser Bundestagswahl geht der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) für die Unionsparteien ins Rennen.

Annalena Baerbock beim Wahlkampf in Duisburg; Foto: Peter Ansmann
Annalena Baerbock beim Wahlkampf in Duisburg; Foto: Peter Ansmann

Richtig glücklich verlief sein Wahlkampfauftakt nicht. Während Annalena Baerbock (Bündnis90/Grüne) viele Sympathien durch Ungereimtheiten in ihrem Lebenslauf verspielte, wirkte der Wahlkampf des CDU-Spitzenkandidaten etwas lahm. Olaf Scholz – und die SPD – legte in den Umfragen zu. Ohne viel dafür viel zu tun. Dass Ruhrbaron Sebastian Bartoscheck am ersten Juni noch hier im Blog schrieb „Und trotzdem sieht es derzeit so aus, als könnte Armin Laschet eben doch der nächste Bundeskanzler werden. (Über Olaf Scholz brauchen wir hier nicht ernsthaft sprechen.)“ war zu dieser Zeit alles andere als eine Minderheitenmeinung. Jetzt ist die Situation eine andere: In den aktuellen Umfragen liegen CDU/CSU und die SPD nahezu gleichauf. Zum aktuellen Zeitpunkt ist jede Koalition möglich, außer eine in denen die rechtsradikale „AfD“ eine Rolle spielt, darin sind sich sowohl CDU/CSU als auch die SPD einig.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz in Köln; Foto: Kaya Gercek
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz in Köln; Foto: Kaya Gercek

Außergewöhnlich bei dieser Bundestagswahl ist, dass wirklich alles offen ist. Ob wir weiterhin von einer schwarz-roten Koalition – oder aber einer Jamaika-Koalition oder einer Ampelkoalition – regiert werden, wird sich erst nach Auszählung der Stimmen und sehr viel spannenderen Koalitionsverhandlungen, verglichen mit früheren Bundestagswahlen, herauskristallisieren.

In dieser Situation, ist ein Blick auf eine deutsche Stadt besonders interessant: Duisburg

Bis zum Ende der 90er Jahre gab es eine Sache, die in Duisburg so sicher war wie das Amen in der Kirche: Die Mehrheit der SPD bei Wahlen, meistens haushohe Mehrheiten. Die stabile Lage der Sozialdemokratie in Duisburg war vermutlich der Grund, dass der Wahlkampfauftakt der SPD 1998 im Landschaftspark Nord startete. Und eine der Abschlussveranstaltungen, eine Rede des damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder, in der Mercatorhalle zu Duisburg stattfand. Bei der Bundestagswahl 1998 holte die SPD in Duisburg ca. 60%, die CDU nur magere 22%. Diese Zeiten sind vorbei. Die Linke konnte sich, auch wegen der bei Teilen der Bevölkerung ungeliebten Agenda2010, in Duisburg (und anderswo) eine feste Wählerschaft aus früheren SPD-Wählern aufbauen. Bündnis90/Grüne fischt bei CDU und SPD. Die „AfD“ zehrt ebenfalls von enttäuschten ehemaligen Anhängern der beiden früheren Volksparteien.

Einer, der auch zu den Zeiten als es in Duisburg nicht so gut für die CDU lief, bei den Christdemokraten in Duisburg aktiv war, ist heute noch – wie viele andere – dabei.

Peter Ibe sitzt für die CDU um Rat und ist stellevertretender Kreisvorsitzender der CDU Duisburg. Ein bekanntes Gesicht der Duisburger Politik. Sogar für Sozialdemokraten.

Zu den Sozialdemokraten: 1998, als Peter Hintze im Bundestagswahlkampf mit der Roten- Socken-Kampagne durchstartete, stellte die Kampa, die Wahlkampfmaschine der SPD, Material für Publikationen der SPD-Untergliederungen zur Verfügung. Torsten Steinke, heute Ratsherr und immer noch in der SPD Duisburg-Wanheimerort, und ich überzeugten unseren anfänglich skeptischen Ortsvereinsvorstand, im Wahlkampf mit einer Zeitung zu punkten. Medial waren wir zu dieser Zeit gut aufgestellt: Die Domain sozialdemokraten.de führte nicht zur Seite der Bundes-SPD, sondern zum relativ unbekannten Ortsverein in Duisburg-Wanheimerort. Das Material der SPD-Wahlkampfabteilung enthielt Lebensläufe von – damals noch aktiven – Bundestagskandidaten der CDU, die vorher in der DDR-CDU aktiv waren und durch „besondere Zitate“ zur Mauer und zur SED aufgefallen waren.

Wir veröffentlichten die Konterfeis der – nennen wir es mal – DDR-CDU-Altlasten in den Ausgaben der WORT – so hieß das Werk, das ansonsten noch Gespräche mit lokalen SPD-Politikern und auch Bundespolitikern enthielt: Als Sammelbilder. Man konnte, wenn man alle sammelte, sogar irgendwas gewinnen. Die Texte dazu waren, zugegeben, ironisch bis leicht böse.

Peter Ibe, der heute auch die sozialen Medien der CDU in Duisburg betreut, kenne ich „vom Sehen her“ auch aus dieser Zeit: Bei einem Gespräch mit einem der damaligen Ratsherren aus den Reihen der SPD in Wanheimerort kam raus, dass er von unserer – im Wahlkampf 1998 regelmäßig erscheinenden – Publikation nicht mal ansatzweise so begeistert war wie wir. Freunde geworden wäre man, unter den damaligen Umständen, vermutlich eher nicht.

Peter Ibe hat auch die Zeiten, in denen es der Bundes-CDU besser ging als heute, wahlkampfmäßig aktiv miterlebt. Ein leichtes Pflaster war Duisburg für die CDU nie. In der Herzkammer der Sozialdemokratie konnte man – zwischen Duisburg und Dortmund – bei Wahlen einen Besenstiel aufstellen: Mit dem Etikett „SPD“, wäre auch dieser gewählt worden. Diese Zeiten sozialdemokratischen Höhenflüge sind vorbei, Ruhrbaron Stefan Laurin hat diese Entwicklung in seinem Buch Beten Sie für uns! ausgiebig geschildert und analysiert.

Peter Ibe, Carl-Aurel-Ibe und Thomas Mahlberg: Wahlkampf bis zum Schluss für die CDU in Duisburg
Peter Ibe, Carl-Aurel-Ibe und Thomas Mahlberg: Wahlkampf bis zum Schluss für die CDU in Duisburg

Gestern, es sind noch zwei Tage bis zur Wahl, ist Peter Ibe im Wahlkampfmodus: Peter und Sohn Carl-Aurel Ibe – der ebenfalls Mitglied der CDU und bei der Jungen Union aktiv ist – haben sich gemeinsam mit Thomas Mahlberg, dem CDU-Bundestagskandidaten für den Wahlkreis Duisburg 1, strategisch günstig vor einem Einkaufsmarkt positioniert.

Thomas Mahlberg: „Der Wahlkampf ist komplett anders.“

Mit dem Wetter hatte das Wahlkampfteam an diesem Tag Glück: Die Sonne scheint und vor dem Laden ist einiges los. Die Stimmung am Infostand ist nicht nur wegen des Wetters gut: Immer wieder kommen Menschen auf den Infostand zu. Der Bundestagskandidat Thomas Mahlberg und Peter Ibe, der für den Wahlkreis Wanheim-Angerhausen im Rat der der Stadt Duisburg sitzt, führen viele Gespräche. Peter Ibe hat zwischenzeitlich auch Zeit für ein kurzes Gespräch mit mir. Er zieht ein positives Resümee zum Wahlkampf 20201:

„Es war ein schöner Kampfkampf. Wir haben kaum negative Erlebnisse. Alle Menschen sind sehr freundlich. Man ist im Gespräch. Man wird nicht so beschimpft. Ein schöner Wahlkampf an sich.“

Vor einem Jahr, im Kommunalwahlkampf, war die Lage angespannter als heuer. Coronaleugner, das AfD-Umfeld und andere Rechtsradikale haben damals der lokalen CDU an den Infoständen und besonders in den sozialen Medien zu schaffen gemacht. In diesem Jahr ist die Lage fast normal: „Gemeckert wird immer. Klar, das gehört immer dazu. Aber es ist eine andere Stimmung als im Kommunalwahlkampf.“

Thomas Mahlberg, der immer wieder im Gespräch mit Interessierten Bürgern ist, ergänzt: „Der Wahlkampf ist komplett anders, da es diesmal nicht um die Wiederwahl von Frau Merkel geht.“

Nach dem Mord an einen Tankstellenverkäufer durch einen Coronaleugner ist ein Wahlkampfvideo der Christdemokraten in die Kritik geraten. Auf das Wahlkampfvideo der CDU, in dem Querdenker „Busfahrer Thomas“ Brauner auf die Bühne springt und der CDU-Kanzlerkandidat Thomas Brauner mit ihm spricht, ist für Peter Ibe kein Thema. Hier kommt der 100%-loyale CDU-Wahlkämpfer zum Vorschein. „Da ich weiß wie dieses Video zustande gekommen ist, der Typ ist während einer Wahlkampfveranstaltung auf die Bühne geklettert. Ich bewerte das nicht so groß, das geht an mir vorbei.“

Der Wahlkampf in Duisburg war, für die CDU, schon immer etwas anders. 1998, bei der Bundestagswahl , holte die – wie bereits oben erwähnt –  SPD 60% und die CDU nur 22%.

„Wir wollen diesmal ein Ergebnis hinbekommen, das genauso hoch ist wie auf Bundesebene.“

Stimmungsmäßig ist ein Wahlkampf „auf feindlichem Gebiet“ deshalb keine neue Erfahrung für die CDU in Duisburg. Für den stellvertretenden Kreisvorsitzenden der CDU ist diese Situation nicht nur eine Herausforderung: „Das ist ein spannendes Thema. Weil das Ergebnis in Duisburg immer um die 5% unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Es geht bei uns immer darum, Stammwähler zu organisieren. Das ist bei anderen Parteien auch so. Aber das – 5% unter dem Bundesdurchschnitt – kann es in diesem Jahr nicht geben. Wir wollen diesmal ein Ergebnis hinbekommen, das genauso hoch ist wie auf Bundesebene.“

Um dieses Ziel zu erreichen, setzt man neben dem Straßenwahlkampf, Flyerverteilung und Plakatwerbung vor allem auf den digitalen Wahlkampf. Saalveranstaltungen, bei der Planung des Wahlkampfs coronabedingt noch nicht möglich waren, gab es keine. Im virtuellen Raum läuft es gut: Peter Ibe ist mit der Reaktionen auf Werbung, die auf Websites der Funke-Mediengruppe geschaltet wird, zufrieden. In den sozialen Medien läuft es auch besser als bei der letzten Wahl: „Wir machen normal Werbung über Facebook und Instagram. Und das läuft auch ganz gut. Bis auf wenige Ausnahmen. Bei wenigen Themen gibt es Gegenwind, aber nicht wie bei der Kommunalwahl, wo fast jeder Post von uns mit negativen Kommentaren belegt wurde. Wo Schimpfwörter gebraucht wurden und es auch Todesdrohungen gab. Das passiert diesmal nicht.“ (Peter Ibe im Gespräch mit den Ruhrbaronen über Hass im Netz)

Wahlkampf wird bis heute Nacht gemacht. Dann wird Facebook und Instagram erstmal links liegen gelassen.

Ob sich die Mühen gelohnt haben wird sich morgen, nachdem die Wahllokale geschlossen haben, zeigen. Klar ist nur: Sicher ist an diesem Wahlsonntag vermutlich nichts – und wir können uns auf spannende – und ganz andere Koalitionsverhandlungen als früher – freuen.

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Manfred Michel
Manfred Michel
2 Jahre zuvor

Ich wüsste nicht warum ich die Spezial- Demokraten, oder die grünen schickimicki Bionade- Sozialisten wählen sollte. Die Linke sollte sich erst mal entscheiden was sie will. Und Wagenknecht hat die richtige Frage gestellt: Wie konnte es so kommen, dass die AfD auch eine Arbeiterpartei geworden ist, obwohl das gar nicht so geplant war. Dabei ist die Antwort relativ einfach. Schon die Frankfurte Schule hat sich, zumindest teilweise, von Proletarischen Subjekt distanziert und es zum Feind erklärt. Eine Anekdote möchte ich noch loswerden. Ich war mal in einer Gewerkschaftsgruppe und da hat jemand den Spruch rausgehauen: Die Iraner wollen nicht die Israelis vernichten, sondern Israel. Ja wenn das so ist, dann ist ja alles halb so wild, (Ironie aus).

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