Wer sind die Yeziden? – Telim Tolan vom Zentralrat der Yeziden in Deutschland im Gespräch

Demonstration gegen IS am Dienstag in Dortmund.
Demonstration gegen IS am Dienstag in Dortmund.

Am Dienstag berichteten wir über eine yezidische Demonstration in Dortmund, bei der es kurzzeitig zu Angriffen auf einen Islamisten kam, nachdem dieser die Demonstranten wüst beschimpf, und die Terroristen des „Islamischen Staates“ (IS) gelobt hatte. Gestern eskalierte in Herford die Lage, dort hatten einige Salafisten Yeziden unter anderem mit einer Machete attackiert. Am Abend gab es eine wütende Demonstration der Yeziden. (Die Kollegen vom WDR berichten.)

Doch wer sind eigentlich die Yeziden? Warum werden sie vom „Islamischen Staat“ verfolgt? Und in welcher Form sind Yeziden in Deutschland präsent? Viele Fragen zu einer mit geschätzt einer Million Angehörigen weltweit doch sehr kleinen Religionsgemeinschaft. Wir haben mit Telim Tolan, dem Vorsitenden des Zentralrats der Yeziden in Deutschland, gesprochen.

 

Ruhrbarone: Wer sind die Yeziden?

Telim Tolan: Wir sind eine Religion, die 2000 Jahre zurück reicht, monotheistisch und waren lange Zeit die Religion aller Kurden. Durch die Zwangsislamisierung sind heute aber 80 Prozent der Kurden Muslime.

Ruhrbarone: Von wem wurden Yeziden in der Geschichte bedroht?

Telim Tolan: Die Yeziden werden von fanatischen Moslems nicht als Religion anerkannt. Bei ihnen gilt das Gebot, dass wir konvertieren oder man uns tot schlägt. Solche Vorfälle gab es immer wieder in der Geschichte. Wichtig ist es dabei aber zu betonen, dass es sich um Fanatiker handelt die uns bedrohen, nicht um alle Muslime!

Telim Tolan, Zentralrat der Yeziden in Deutschland. (Foto: Telim Tolan)
Telim Tolan, Zentralrat der Yeziden in Deutschland. (Foto: Telim Tolan)

Ruhrbarone: Warum sind die die Yeziden Ziel von IS?

Telim Tolan: Das hängt damit zusammen, dass Shingal militärisch schwach besetzt wurde und strategisch wichtig ist. Von dort können die IS-Terroristen in Richtung Mossul und in die kurdischen Gebiete vormarschieren.

Ruhrbarone: Seit wann gibt es Yeziden in Deutschland, und wie sieht das yezidische Leben hier aus?

Telim Tolan: Wir haben in Deutschland seit den 1970er Jahren Yeziden. Anfänglich Gastarbeiter und ab den 1980ern Flüchtlinge. Mittlerweile leben ca. 100.000 Yeziden in der Bundesrepublik. Yezidische Zentren sind Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Wir organisieren uns in Vereinen und Kulturzentren. Mittlerweile haben viele Yeziden einen akademischen Abschluss, und das unabhängig vom Geschlecht.

Ruhrbarone: Was plant der Zentralrat, um auf den Terror des „Islamischen Staates“ aufmerksam zu machen?

Telim Tolan: Wir informieren aktiv die Presse, bearbeiten das Thema im Internet. Außerdem sprechen wir Politiker, Kirchen und Menschenrechtsorganisationen direkt an, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Auch Kundgebungen veranstalten wir, um auf die Situation aufmerksam zu machen. Die Welt darf nicht länger zuschauen, sie muss die Yeziden vor einem Genozid beschützen.

 

Für die kommenden Tage sind mehre Protestaktionen gegen den Terror des „Islamischen Staates“ angekündigt.  Der kurdische Studentenverband YXK ruft zu einer Demonstration am Freitag in Dortmund auf. Beginnen soll die Veranstaltung um 18 Uhr an der Nordseite des Hauptbahnhofs. Yezidische Organisationen rufen zu einer Demonstration am Samstag in Bielefeld auf. Startpunkt ist hier um 13 Uhr die Radrennbahn.

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Locke
Locke
9 Jahre zuvor

Hört sich doch ganz vernünftig und unterstützendswert an !

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

Religionen sind nicht vernünftig. Aber natürlich muss man die Yeziden im Kampf gegen den religiösen Terror unterstützen.

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

In meiner langen und bewegten Laufbahn als Sonderschullehrer hatte ich öfters yesidische Schüler. Da ist einiges für einen aufgeklärten Mitteleuropäer recht gewöhnungsbedürftig, so das teilweise immer noch praktizierte Kasten(un)wesen. Die „Moderne“ hält allerdings auch bei den Yesiden Einzug, führt zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der Familien.
Dennoch werde ich mich am Samstag an die Radrennbahn und nicht, wie eigentlich geplant, auf die Alm begeben.

Helmut Junge
9 Jahre zuvor

Der alte Solidaritätsruf „Mach meinen Kumpel nicht an“, der eigentlich gegen Rassisten aller Schattierungen galt, gilt jetzt immer noch, nur daß wir jetzt Migrantengruppen gegen Migrantengruppen schützen müssen. Ist das eine Entwicklung! Vor 10 Jahren noch hätte ich nicht geglaubt, daß wir hier in Deutschland jemals wieder Zeiten bekommen, wo Menschen verfolgt werden, weil sie den falschen Gott, oder den richtigen Gott, den aber nicht richtig, oder gar keinen Gott anbeten.

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

Ich habe damit gerechnet, Helmut. Es gibt keinen Religionsterror ohne Religion und der totalitäre Grundgedanke dahinter ist schon in den Worten angelegt, in denen die Gläübigen Gott in der Regel beschreiben: Allwissend, allmächtig, allgegenwärtig, einzig und ewig. Wen wundert es da wirklich, wenn es immer wieder Gläubige gibt die die „heiligen Schriften“ – schon dieser Begriff ist eine Verhöhnung jeglicher Vernunft – zum ewigen Gesetz erklären und dieses mit All(er)macht duchzusetzen versuchen.

Wer Kindern die noch nicht einmal sprechen, geschweige denn vernünftig denken können, seine eigene Religion nur deswegen annehmen lässt, weil er meint das wäre sein elterliches Recht, wer ihnen später mit diesem allwissenden Gott und der Verdammnis in der ewigen Hölle droht um ihm seine Werte aufzuzwingen, wer ihnen dabei auch noch was von einem Teufel vorfaselt und von einem letzten Gericht, dem man nicht entkommen kann, der vermittelt nichts anderes als ein totalitäres Weltbild.

Axel
Axel
9 Jahre zuvor

Karl May und kein Ende, der ging mir in letzter Zeit immer mal wieder durch den Kopf (auch beim Thema Araber und Juden). Zu den Yeziden (oder nach May’scher Lesart Jesiden): http://karl-may-wiki.de/index.php/Jesiden

Agnostikerbaer
Agnostikerbaer
9 Jahre zuvor

Zitat:

„Für die kommenden Tage sind mehre Protestaktionen gegen den Terror des ‚Islamischen Staates‘ angekündigt. Der kurdische Studentenverband YXK ruft zu einer Demonstration am Freitag in Dortmund auf. Beginnen soll die Veranstaltung um 18 Uhr an der Nordseite des Hauptbahnhofs.“

Gibt es eine (Mobilisierungs-)Website mit Aufruf oder Ähnliches?

Hier ein informativer Artikel („Zwangsehe und sexuelle Unterdrückung bei Jesiden“) zur jesidischen Religionsgemeinschaft:

http://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article13816274/Zwangsehe-und-sexuelle-Unterdrueckung-bei-Jesiden.html

Thomas Wessel
Thomas Wessel
9 Jahre zuvor

@ Helmut Junge, Arnold Voss | „Die Religion“. Selbst BILD ist inzwischen imstande zu differenzieren. Es lohnt den Versuch.

Helmut Junge
9 Jahre zuvor

Herr Wessel, während ich über meine Kommentare nachdachte, habe ich immer wieder an Sie gedacht und gehofft, daß Sie sich hier einklinken, geht Sie doch das Thema wirklich was an. Aber nur uns vorzuwerfen, daß wir nicht genügend differenzieren würden, reicht nicht. Wie soll das zur Wissenserweiterung führen?
Oder gar in Hilfe umschlagen für religiöse Minderheiten, die sogar hier vor unseren und Ihren Augen bedrängt werden? Gut, weder die Lutheraner noch die Katholiken haben sich jemals gerade für diese Gruppe, die den Melek Taus anbetet, statt des vorgeschriebenen Gottes. Ok, gehen wir von der Religion weg. Aber rein menschlich sollte doch da Hilfe kommen? Wenn man doch Pastor ist?

Thomas Wessel
Admin
9 Jahre zuvor

@ Helmut Junge | BILD hat – schnell, unzweideutig, auf Kosten eines Hauskrachs – den Unterschied zwischen Islam und Islamismus zum Allgemeinwissen erklärt. Dass der Gott des Islam „allmächtig, allgegenwärtig, einzig und ewig“ sei, wie Arnold Voss es wiedergab, ob das nicht auch alle Moslems sagen, die es NICHT darauf anlegen, andere zu ermorden? Die aber auch erzogen wurden und ihre Kinder erziehen? Zu Bloggern, Künstlern, Stadtplanern, weiß der Himmel, welche Berufe es alles so gibt, die, wie Sie es formulieren, „das Thema wirklich was angeht“.

Das nur 1 Unterscheidung innerhalb 1 Religion – falls man denn Islamismus überhaupt für eine hält. Glauben Sie ernstlich, solche Killertruppen feiern ihren Blutrausch, weil Gott „allmächtig, allgegenwärtig, einzig und ewig“ sei? Natürlich nicht, sie feiern, weil sie feiern wollen, und feiern ihren Blutrausch, weil sie es können.

Wovon niemand sie niemals wird abhalten können, wenn man einen auf Religionskritik macht, die, weil auf pseudokritischem Niveau, zu nichts anderem taugt, als sich die Welt nach dem Muster zu sortieren, das man eben noch bekämpfen wollte, dem Schwarz-weißen.

Helmut Junge
9 Jahre zuvor

@Thomas Wessel, ich glaube, daß die Religionskritik von Herrn Voß, die ja nicht 1:1 meine Art der Auseinandersetzung mit der Religion ist, da differenzieren Sie Herr Wessel mal selber nicht genau, nicht die Ursache, sondern die Folge der negativen Entwicklungen der jüngsten Zeit sind.
Sie scheinen da anderer Auffassung zu sein und schreiben: „Wovon niemand sie niemals wird abhalten können, wenn man einen auf Religionskritik macht, …….).
Also im Prinzip halten Sie „Religionskritik“ generell für schlecht bei der Bekämpfung des Islamismus.

Ich denke mal weiter, und sage, daß ein Verzicht, bzw. Verbot? von Religionskritik die Grundpfeiler jeglicher demokratischer Prinzipien bedrohen würde. Das nennt man wohl den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.
Vielleicht interpretiere ich Ihren Kommentar auch zu eng.
Ich meine, daß die Islamisten durchaus eine Religion haben, nur eben eine fanatische Variante. So zu tun, als ob diese Leute eigentlich keine Religion hätten, wie Sie das andeuten, ist meiner Meinung nach absolut daneben und führt zu nichts Anderem, als zur Verschleierung von Zusammenhängen. Warum ziehen Sie deren Religiösität in Zweifel? Sie fragen mich, ob ich das glaube, daß diese „Killertruppen ihren Blutrausch feiern, weil Gott “allmächtig, allgegenwärtig, einzig und ewig” sei?.
Da frage ich mich, oder besser Sie, was hätte die Welt davon, wenn ich das nicht glauben würde? Wo läge da der Sinn?

Ingo
Ingo
9 Jahre zuvor

IMHO wurde die Islamkritik in den letzten Jahren einfach zu leichtfertig in die rechte Ecke gestellt, anstatt sie ernstzunehmen und vernünftig über Probleme zu diskutieren und zu lösen. Das Ergebnis sieht man jetzt auf unseren Straßen und das ist sicher erst der Anfang. Die deutschen ISIS-Kämpfer kommen irgendwann zurück und was dann ?

Thomas Wessel
Thomas Wessel
9 Jahre zuvor

@ Helmut Junge | Nein, kein Verzicht auf Religionskritik, keinesfalls, sondern eine bessere. Eine, die ernst nimmt, dass die Wirklichkeit äußerst unübersichtlich ist und sich partout nicht über abstrakte Leisten schlagen lässt. Hier also die Frage: Was in ihrer Religion unterscheidet die, die um sich schlagen, von denen, die friedlich leben wie aufgeklärteste Aufgeklärte? [Und dann kommt man, nebenbei gesagt, schnell auch zu der Frage, welche Unterschiede es zwischen Aufklärung und Aufklärung gibt.]

@ Ingo #13 | Dass die IS zu einem nennenswerten Teil aus „Gotteskriegern“ besteht, die erst durch die halbe Welt jetten mussten, um in ihren Krieg zu kommen, ist einer der großen Unterschiede, die es zwischen Islam und Islam gibt. Die einen ziehen los, die anderen nicht.

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Vielleicht könnten ja die friedlichen Muslime, den nicht ganz so friedlichen Muslimen
mal zeigen, was sie von der islamistischen Variante ihres Glaubens halten. Auch wenn manche, wie ich an anderer Stelle gesagt habe, Angst haben mögen, ihre Kritik zu zeigen, muss es doch welche geben, und ich hoffe zuversichtlich, dass es nicht wenige sind, die diese Angst nicht haben. Wir könnten dann die Diskussion um Islam und Islamismus sicher mit der nötigen Trennschärfe führen. Im Augenblick ist das nicht möglich, das liegt gewiss nicht an Arnold, Helmut und v.a. hier in diesem Blog.

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

@ Thomas Wessel

“ Glauben Sie ernstlich, solche Killertruppen feiern ihren Blutrausch, weil Gott “allmächtig, allgegenwärtig, einzig und ewig” sei? Natürlich nicht, sie feiern, weil sie feiern wollen, und feiern ihren Blutrausch, weil sie es können.“

Wollen sie mich vergackeiern, Thomas? Sie können es weil sie sich durch ihren Glauben eine Legitimation dazu geben. Lesen sie einfach nochmal den blutrünstigen Teil der Schriften ihres eigenen Religionsführers Luther durch, die er über die Juden und die renitenten Bauern verfasst hat. Sie sind nichts anderes als Mordaufrufe gewesen.

Es ist dabei letztlich egal, ob eine solche Legitimation in den Schriften selbst steht oder von Schriftgelehrten und sonstigen Berufsgläubigen verkündet, respektive die Schriften von ihnen entsprechend interpretiert werden. Die göttliche Legitimation ist deswegen so gnadenlos, weil an diesem ewigen, allmächtigen und einzigen Gott per Definitionem keine Kritik möglich ist.

Der Gott fast aller Gottesgläubigen war nie nur ein liebender sondern auch ein strafender und rächender Gott. Die heiligen Schriften sind voll von diesbezüglichen Anleitungen zu jeglicher Art von Brutalität und Terror. Wer also morden, brandschatzen und vergwaltigen will, wer Kinder Frauen und Alte nicht verschonen möchte, der findet dort auch genau die Schriftstellen die er braucht.

Der Schlachtruf “Gott ist groß” ist in diesem Zusammenhang nichts anderes als die Projektion der eigenen Allmachtsphantasie auf ein höheres Wesen, das einem dann im Gegenzug dafür das Recht gibt, andere zu vernichten. Das ist der r e l i g i ö s e Deal all dieser Wahnsinnigen.

In seiner schwächeren Ausführung erlaubt er dir, auf andere herunter zu schauen, sie zu verachten und aus deiner Gemeinschaft auszuschließen, und das gefällt auch vielen der Gläubigen die den Terror ablehnen. Die Gedankenbasis ist aber im Kern die gleiche.

Seit Jahrtausenden gibt es deswegen immer wieder religiösen Terror auf dieser Welt und immer wieder reden sich die anderen Gott-Gläubigen damit raus, dass sie damit rein gar nichts zu tun haben. Dass es eben den wahren und den falschen Glauben gibt. Das Verrückte ist nur, dass genau das auch die sagen, die den Terror ausüben. Auf die Idee, das diese wechseseitige Logik genau die ist, die jede Art von Glauben an einen einzigen, ewigen und allmächtigen Gott konstituierend mitenthält, kommt jedoch keiner von ihnen.

Ja es darf auch keiner drauf kommen, denn sonst bricht das ganze Gebäude der eigenen Unschuldsbehauptung zusammen. Deswegen gibt es auch so wenig Proteste von seiten der Gläubigen gegen den Glaubensterror. Wer will schon Jemanden zum Menschenfeind stempeln, der mit dem Schlachtruf „Gott ist groß“ antritt, wenn man dieser Behauptung doch als Gläubiger eigentlich mit voller Inbrunst zustimmen möchte.

Thomas, ich achte ihre persönliches Engagement und ihre Integrität. Aber sie machen es sich schlicht zu einfach, wenn sie von anderen mehr Differenzierung verlangen. Die Bild wird sich auf keinen Fall mit den mächtigen Glaubensorganisationen anlegen, denn dann würde sie eine Menge Leser verlieren. Sie darf deswegen schon alleine in ihrem ökomischen Eigeninteresse keinen inneren Zusammenhang zwischen Religion und Terror behaupten, geschweige denn nachweisen.

Es mag vieleicht irgendwann Religionen ohne religiösen Terror geben. Religiösen Terror ohne Religion wird es jedoch nie geben, Thomas. Ega was sie sich dazu noch zurecht kontruieren. Alle diese IS Kämpfer z.B. sind einmal Kinder gewesen, und da waren sie noch nicht so, wie sie jetzt sind. Sie sind in der Mehrzahl zum religiösen Hass von anderen, und dazu gehört mit Sicherheit auch ein Teil ihrer religiösen Eltern, erzogen worden.

abraxasrgb
abraxasrgb
9 Jahre zuvor

#14 & #16
Ich finde Ulrich Beck zwar meist etwas zu apokalyptisch, aber das ist ein sehr guter Artikel von ihm:

„Gott ist gefährlich“ …
http://www.zeit.de/2007/52/Essay-Religion

Thomas Wessel
Thomas Wessel
9 Jahre zuvor

@ Arnold Voss | Sie schreiben: „Wer also morden, brandschatzen und vergwaltigen WILL, wer Kinder Frauen und Alte nicht verschonen MÖCHTE, der findet dort auch genau die Schriftstellen die er braucht.“ Genau das.

Wer morden, brandschatzen und vergewaltigen WILL, der mordet, brandschatzt und vergewaltigt, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Und wer sich dann überhaupt noch um eine Legitimation bemüht, wer eine „braucht“, wie Sie schreiben, der findet sie, wo sie in seinem Kram passen, ob solche Schriften nun heilig sind oder nicht, ob aufgeklärt oder nicht, ob religiös erzogen oder anders.

Mir geht es bei dieser Feststellung nun aber nicht darum, die religiöse Legitimation von Terror zu verteidigen, sondern das Niveau der Kritik zumindest auf das des Gegenstands der Kritik anzuheben: Es ist einfach deprimierend, immer wieder festzustellen, dass – Heilige Schriften, schreiben Sie, seien „Anleitungen“ – dass Religionskritik inzwischen genauso buchstabengläubig daherkommt wie die gröbsten Fundamentalisten. Es sind doch Sie, Herr Voss, der „Anleitungen“ liest und fest daran glaubt, dass – das ist eine klassische Form der Projektion! – alle „Gott-Gläubigen“ genauso lesen und verstehen würden wie Sie. Ähnlich Ihre Vorstellung darüber, dass „an Gott per Definitionem keine Kritik möglich ist“, was für ein Nonsens. Ein Blick in die Bibel hätte genügt, um sich vom Blödsinn ein solchen Behauptung zu überzeugen.

Aber ich fürchte, dass es darum nicht geht, nicht um Aufklärung über Religion [und Ursachen des Terrors], sondern im Gegenteil darum, einen Grund zu haben [lat.: Fundament], der einem beweise, auf welch gewisser Seite man selber doch stehe. „Hier taucht eine neue, vielleicht in Zukunft außerordentlich wichtige Konfliktlinie auf,“ um –

– einen wahren Satz aus dem Beck-Aufsatz [der ebenfalls schwer an seinen abstrakten Theoremen zu tragen hat] zu nehmen:

„und zwar zwischen solchen Glaubensströmungen, die dem Zweifeln Raum geben, ja, darin ein Moment der Rettung der Religion sehen, und denjenigen, die, um den Zweifel abzuwehren, sich in der konstruierten »Reinheit« ihres Glaubens verbarrikadieren.“

Der Satz gilt für alle, an was immer wer glaubt oder nicht.

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Starker Tobak, Arnold. Ich bin hin und hergerissen dir zuzustimmen, oder vielleicht doch ein wenig zu relativieren. Luther, „ein großer Deutscher“, laut Adolf Nazi, den man bis heute abfeiert, er wird uns 2017 zu den Ohren rauskommen.Eines ist sicher, die „guten“ Christen haben ihre Kirche weit weniger geprägt, als ihre Ober-und Mittelhirten.
ich habe vor mehr als 20 Jahren habe ich mal ein wenig in Bethelakten in Sachen Umgang mit erziehungsschwierigen Jugendlichen in den 30ern stöbern dürfen. Ist schon erschreckend für mich gewesen, wie schnell man sich in Form und Inhalten der „neuen Zeit“ geöffnet hat, bzw sich gar nicht öffnen musste, weil man schon offen wie ein Scheunentor war. Das „Stutgarter Schuldbekenntnis“ kann man eigentlich auch in der Pfeife rauchen, kein Wort darüber, dass es eben ihr Gründer Luther war, der dieses Verhalten in den 30ern ermöglichte.
Ach ja, Bodelschwingh stand ob seiner Rettungsaktionen durchaus in anstaltsinterner Kritik, wie Klee nachweist, wenn ich das recht erinnere.Und nach dem Krieg gingen Bethel zugedachte Spenden an die „Landsberger Rotjachken“, zum Tode verurteilte SS-Kriegsverbrecher.
Arnold, wenn ich dies und vieles andere bedenke, fühle ich mich dir doch sehr nahe….

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

@ Thomas Wessel

„Es sind doch Sie, Herr Voss, der “Anleitungen” liest und fest daran glaubt, dass – das ist eine klassische Form der Projektion! – alle “Gott-Gläubigen” genauso lesen und verstehen würden wie Sie. Ähnlich Ihre Vorstellung darüber, dass “an Gott per Definitionem keine Kritik möglich ist”, was für ein Nonsens. Ein Blick in die Bibel hätte genügt, um sich vom Blödsinn ein solchen Behauptung zu überzeugen.“

Ich bin also jetzt das Problem und nicht die, die diesen Anleitungen Folge leisten? Soll dass ein Witz sein? Und wo haben sie bei mir gelesen, dass a l l e Gottgläubigen das so lesen? Das Problem ist, dass das da so drin steht, egal ob sie das nun als Anleitung lesen wollen oder nicht, Thomas. Dass viele religiösen Schriften die Option der Gewalt beinhalten und wo eine Option ist gibt es immer auch Leute die sie zur Praxis machen.

Und jetzt erklären sie mir bitte noch wie ein Mensch an etwas erfolgreich Kritik üben kann, das allwissend, allmächtig und ewig ist. Sie verwechseln immer wieder die monotheistischen Religionen mit der ihr eigenen Konstruktion eines einzigen und ewigen Gottes. Darum geht es aber beim Monothesimus und nicht welche Ammenmärchen, Legenden und historischen Versatzstücke dazu in der Bibel stehen.

Falls ihnen das noch nicht aufgefallen ist. Die Salafisten verteilen keine politischen Pamphlete sondern den Koran. Ansonsten hören sie sich dazu einfach mal Dieter Nuhr an:

https://www.youtube.com/watch?v=kLkVyJUd-6Q

P.S. Ist natürlich nicht politisch korrekt, zum Teil übertrieben und wird von mir keineswegs in allen Aussagen geteilt. Aber sowas ist glücklicherweise in Deutschland möglich. In streng islamischen Ländern wäre Nuhr jedoch sehr wahrscheinlich nicht mehr unter den Lebenden.

Thomas Wessel
Thomas Wessel
9 Jahre zuvor

P.S. @ Arnold Voss | Was BILD angeht: Eigentlich war es ausgemachte Sache, dass sich „Islam-Kritik“ blendend verkauft. Bild hat aber gerade nicht den Sarrazin gemacht, sondern frontal entgegen gesteuert, wieso?

„Mächtige Glaubensorganisationen“, sagen Sie, „nicht mit anlegen“. Nur: Welche möchtigen Organisationen möchten das sein, im deutschsprachigen Islam gibt es just dies nicht, nirgends.

Sie sagen: Alles Kalkül, BILD kalkuliert seine Käufer. Das ist sicher richtig, wäre ja dämlich, wäre es anders, und eben dies ist das Phänomen: Die BILD-Käufer sind, nach Ansicht im Hause Springer, auf dem Level, zwischen Islam und Islam unterscheiden zu können und es zu wollen. Ich finde, das ist eine Feststellung wert.

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

Ich bezweifele das. Aber die Bildzeitung arbeitet eng mit ihrem türkischen Pendent, der Hürryet, zusammen und will sich die potentiellen türkischen Leser nicht vergraulen. Im übrigen finde ich diese Zusammenarbeit gut, denn die Bildzeitung hat mittlerweile realisiert, dass wir ein Einwanderungsland unn damit multireligiös sind.

Aber selbst wenn es so wäre, dass sie zwischen Islam und Islamissmus (ich denke das wollten sie schreiben) unterscheidet und die Masse ihrer Leser das sogar akzeptieren und begreifen, führt das bislang zu keinem einzigen ernstzunehmen Protest der Gläubigen gegen den Terror im Namen des Glaubens. Auch hat bislang Niemand versucht die Aufforderungen zur Gewalt gegen Anders- und Ungläubige aus den sogenannten Heiligen Schriften zu tilgen, weil es ja heilige Schriften sind.

Erst wenn beides geschieht würde ich Hoffnung auf reale Änderung haben. Stattdessen höre ich bislang nur die üblichen Lippenbekenntnisse und lese die üblichen Relativierungen und Rechtfertigungen. Beruhigen tut mich das in keinster Weise, denn wir sind noch lange nicht am Ende dieses neuerlichen religiösen Furors angelangt.

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Es ist und bleibt das Schweigen derer, die sich sofort missbilligend zu Wort melden, wenn Frau Merkel einige Karikaturen besichtigt, die zu Recht den Umgang mit dem NSU anprangern, das massiv verstört. Vielleicht, Herr Wessel sollten sie ihre argumentative Kraft besser dazu verwenden, ein wenig an diesem Schweigen zu rütteln, es zu beenden helfen.

Thomas Wessel
Thomas Wessel
9 Jahre zuvor

@ Arnold Voss #20 | „Und jetzt erklären sie mir bitte noch wie ein Mensch an etwas erfolgreich Kritik üben kann, das allwissend, allmächtig und ewig ist.“

Gerne, die Antwort ist einfach: Indem er es tut.

der, der auszog
der, der auszog
9 Jahre zuvor

@Arnold Voss (#2)

Ich finde die derzeitige Diskussion hier recht abartig. Abartig deshalb, weil sie mit dem Thema nichts zu tun hat.

Da haben wir ein Interview mit Telim Tulan, um der Frage nachzugehen, wer denn die Yesiden sind und dieses Interview endet mit der fast schon flehenden Bitte, einen sich anbahnenden Genozid zu verhindern. Die sich anschließende Zustimmung, die Telim Tulan in Kommentar #1 von Locke noch bekommt „Hört sich doch ganz vernünftig und unterstützenswert an“, muss dann natürlich von Dir sofort wieder kassiert werden, denn das, was Telim Tulan da von sich gibt, kann gar nicht vernünftig sein: „Religionen sind nicht vernünftig.“

An diesem Punkt gerät die Diskussion bereits aus den Fugen, denn ab jetzt soll das Thema Religionskritik heißen und nicht mehr Yesiden. Das ist typische Gutmenschenstammtischmanier. Man will mitreden, obwohl man eigentlich keine Ahnung hat und damit das nicht auffällt, wird einfach das Thema gewechselt. Wie wenig Ahnung Du hast, mein lieber Arnold, demonstrierst Du im zweiten Teil Deines Kommentars (#2), wo du sagst: „Aber natürlich muss man die Yeziden im Kampf gegen den religiösen Terror unterstützen.“

Mit Verlaub, da, wo die Yesiden vom religiösen Terror bedroht sind, Nordirak und Syrien, da kämpfen sie nicht gegen den Terror, da kämpfen sie allerhöchstens noch ums nackte Überleben. 40.000 Menschen hocken da auf einem Berg, drohen zu verhungern und zu verdursten, über 300 Kinder sind bereits gestorben. Über 100.000 weitere Yesiden sollen auf der Flucht sein. Und was die brauchen Arnold, sind keine guten Ratschläge oder Diskussionen ob Religion nun vernünftig ist oder nicht. Die brauchen dringend humanitäre Hilfe und Flugzeuge, die ihnen die Landstriche unterhalb der Berge frei schießen, was ja seit heute mittag Gott sei Dank auch durch die USA passiert.

Mich wundert übrigens, dass Du beim Thema Juden durchaus in der Lage bist, den Begriff nicht nur auf die Religion zu beziehen, sondern darüber hinaus auch auf die Volksgruppe der Juden. Wieso Dir das bei den Yesiden nicht gelingt, weiß vermutlich der Geier. Möglich wäre es sicherlich.

Zu Deinen Ausführungen in (#5):

Da schreibst Du: „Wen wundert es da wirklich, wenn es immer wieder Gläubige gibt die die “heiligen Schriften” – schon dieser Begriff ist eine Verhöhnung jeglicher Vernunft – zum ewigen Gesetz erklären und dieses mit All(er)macht duchzusetzen versuchen.“ Schnall Dich an Arnold: Die Yesiden haben überhaupt keine heilige Schrift. Die kennen weder den Koran, noch die Bibel, noch ein vergleichbares Werk. Die Überlieferung der Religion erfolgt dort ausschließlich mündlich, meist in Form von Liedern.

Weiter schreibst Du: „Wer Kindern die noch nicht einmal sprechen, geschweige denn vernünftig denken können, seine eigene Religion nur deswegen annehmen lässt, weil er meint das wäre sein elterliches Recht, wer ihnen später mit diesem allwissenden Gott und der Verdammnis in der ewigen Hölle droht um ihm seine Werte aufzuzwingen, wer ihnen dabei auch noch was von einem Teufel vorfaselt und von einem letzten Gericht, dem man nicht entkommen kann, der vermittelt nichts anderes als ein totalitäres Weltbild.“

Die Yesiden kennen überhaupt keine Hölle Arnold. Auch soetwas wie das jüngste Gericht oder einen Teufel gibt es in der yesidischen Religion nicht. Im Yesidischen Glauben ist Gott der Schöpfer der Welt, der den Menschen die großartigen Fähigkeiten gegeben hat, „zu sehen, zu hören und zu denken“, was bedeutet, dass der Mensch ganz allein für sein Handeln verantwortlich ist. Ein sehr modernes Menschenbild, wie ich finde, denn es betont die Eigenverantwortung eines jedes einzelnen.

Statt an Himmel und Hölle glauben die Yesiden an die Reinkarnation. Je nachdem, wie sie ihre Lebensführung zu Lebzeiten gestalten, werden sie nach dem Tod als Yeside wiedergeboren. Diese Vorstellung von einem Leben nach dem Tod hat den ganz großen Vorteil, dass es Yesiden nie nötig hatten zu missionieren. Wir haben es hier nicht mit einer missionarischen Religion zu tun, im Gegensatz zum Christentum oder zum Islam, wo die Missionierung ein wesentlicher Bestandteil war und ist. Folglich kann es in dieser Religion auch kein Streben nach einer totalitären Welt geben. In diesem Punkt hat das Yesidentum sehr starke Ähnlichkeiten mit dem Judentum, denn dort gibt es auch keine Mission. Das Judentum ist allerdings offen für jeden, der diesem Glauben beitreten möchte. Yeside kann man nur werden, wenn man als Yeside geboren wird.

Wenn man alles in einen Topf wirft Arnold, dann kommt da nix gescheites bei raus. In Dein Gespräch mit Thomas Wessel (#16) möchte ich mich dann auch gar nicht weiter einmischen. Da kommst Du da irgendwie auch noch zu Luther und das ist mir dann echt auch zu weit vom eigentlichen Thema ab. Schade eigentlich.

@Helmut (#4)

An den Spruch „Mach meinen Kumpel nicht an“ mußte ich neulich in einem ähnlichen Zusammenhang denken. Das war eine Aktion der Gewerkschaften Mitte der 1980er Jahre. Dieser gelbe-Hand-Aufkleber mit dem Spruch schmückte damals so ziemlich jeden Sozialraum von Firmen und Unternehmen und hat sicherlich eine positive Wirkung auf das multikulturelle Zusammenspiel am Arbeitsplatz gehabt. Jetzt sind aber nicht alle in Deutschland lebenden Migranten hier gelandet, weil sie arbeiten wollten, sondern auch sehr viele, weil sie als politische Flüchtlinge Schutz gesucht haben. Kurioserweise kommt der größte Anteil derjenigen, die wegen der Arbeit nach Deutschland kamen aus der Türkei, genauso wie die meisten in Deutschland lebenden Flüchtlinge und entsprechend werden sich auch die Gruppen bei den Demonstrationen zusammen setzen. Die Yesiden wurden in der Türkei von ihrer Regierung verfolgt und wenn sie hier in Deutschland für ihre Landsleute im Irak oder Syrien auf die Straße gehen, dann werden sich auch hier Türken finden, die ihnen an den Kragen wollen.
Die Türkei hat ein Problem damit, dass die Kurden einen eigenen Staat errichten wollen. Im Nordirak und eventuell in Teilen Syrien könnte ihnen das vielleicht sogar gelingen. Die Angst der türkischen Regierung, dass diese Bewegung auf die kurdischen Teile der Türkei übergreifen könnte, ist sehr hoch, dementsprechend unterstützt die Türkei die IS. Interessanterweise sieht man bei uns in Deutschland auf Demonstrationen, auf denen ISIS Fahnen geschwenkt werden, immer auch unzählige Türkeifahnen. Integration ist allerdings mehr, als nur ein reibungsloses Miteinander am Arbeitsplatz.

Ich glaube, dass wir die Türkei und viele hier lebenden Türken falsch einschätzen. So richtig bewusst wurde mir das, als wir hier neulich über den Genozid an den Armeniern diskutierten. Die Diskussion im Hinterkopf hatte ich einige Türken aus meinem Bekanntenkreis, die ich größtenteils über Gewerkschaftseminare Ende der 1990er Jahre kennen lernte, auf den Genozid angesprochen. Das Ergebnis war erschütternd. Die Türkei hat sich da nichts zu schulden kommen lassen, so der überwiegende Tenor. Diese Bekannten sind alle Gewerkschaftsmitarbeiter und saßen bzw. sitzen bei den Unternehmen in Schlüsselpositionen der Arbeitnehmervertretungen (Jugendvertreter, Ausländerbeauftragter etc.) Ich will nicht sagen, dass alle Türken so denken. Dafür fehlen mir schlichtweg Zahlen, mit denen sich das einordnen ließe. Mir schwant allerdings schlimmes.

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

DDA „Religionen sind nicht vernünftig“, schreib Arnold. D.h. m.E. aber nicht, dass alle Religionen gleichermaßen unvernünftig sind. Die Yesiden kennen keinen Teufel und kein Missionsgebot. Kein Missionsgebot klingt vernünftig, aber wie vernünftig ist eine Religion, die obschon viel älter als das Christentum, durch ihre Regeln und Gebote ein mögliches Aussterben ermöglicht, denn Yeside kann man nur durch Geburt werden? In dieser Regel könnte im Falle eines Falles eine Menge Sprengstoff liegen.
Was das „Freischießen“ angeht, ist ihnen natürlich zuzustimmen, voll und ganz.

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

@ DDA

Ich glaube du hast meine Argumentation hier völlig missverstanden. Das was du über die Yezziden schreibst kann man ganz einfach bei Wikipedia nachlesen, und das habe ich getan. Meine Religionskritik bezog sich doch nicht auf die Religion der Yezziden sondern auf die der Fanatiker die sie massakrieren und auf die christlichen, muslimischen und jüdischen Gläubigen die gegen diesen religiösen Terror nicht demonstrieren sondern sich in der Mehrzahl in Schweigen üben.

Die yezzidischen Demonstranten fordern sehr wohl zum Kampf gegen den religiösen Terror der IS auf, und wenn sie Waffen gehabt hätten, dann hätten sie sich bestimmt auch selbst dagegen gewehrt.Jetzt bekommen sie endlich Hilfe und da sind wir dann wieder ganz beieinander.

So zu tun als wäre das ganze (nur) eine humantäre Katastrophe, und so nennt sie ja auch der Papst, lenkt schlicht von ihren Ursachen ab. Es ist vielmehr ein religiöse Katastrope die zu einer humanitären geführt hat.

Thomas Wessel
Thomas Wessel
9 Jahre zuvor

@ Thomas Weigle #23 | Verstehe ich nicht, welches „Schweigen derer“?

@ Der, der auszog | Danke, habe ich was gelernt. Ernst gemeint.

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

@ Thomas Wessel # 24

Ach ja, und dann redet Gott mit mir, erlässt neue Gebote und die heiligen Schriften durch neue Propheten in meinem Sinne korrigieren. Ne iss klar 🙂

Kann es sein, dass du das Adverb erfolgreich in meinem Satz überlesen hast? Natürlich kann jeder Gott kritisieren.Gott existiert für die Gott-Gläubigen aber jenseits aller Kritik, sonst wäre er nicht Gott. Er ist deswegen ja auch ein Phänomen das herrschen kann, ohne zu existieren.

Das Problem ist nur, das selbst die in den Augen der Gläubigen eigentlich sinnlose Kritik an Gott nicht überall geübt werden darf, wie du weißt. In immer mehr Gebieten dieser Welt ist selbst der pure Zweifel an seiner Existenz lebensgefährlich.

Selbst hier in Deutschland kann dich ein T-Shirt mit der Aufschrift „Ich bin ein Ungläubiger“ in bestimmten Gegenden in erhebliche Schwierigkeiten bringen. Das gilt noch mehr für eine Aufschrift die z.B. lauten könnte „Auch Gott ist schwul“. Selbst diese, die ja die Existenz eines Gottes anerkennt, würde den der sie trägt, nicht vor dem Hass bestimmter Gläubiger schützen. Selbst in einem yezzidischen Viertel würde ich damit wahrscheinlich Probleme kriegen.

Also erzähle mir bitte nicht: Mach es doch einfach.

Helmut Junge
9 Jahre zuvor

@Thomas Wessel, sinngemäß schrieben Sie ja tatsächlich „mach es doch einfach“.
Angesicht der Schlachtungen im Irak, klingt das reichlich naiv. Sie ignorieren die Weltlage.

Thomas Wessel
Thomas Wessel
9 Jahre zuvor

@ Arnold | Du, Sie, gut: Du. Was gefährlich zu werden droht in Deutschland: eine Kippa, T-Shirts weniger.

Und was immer diejenigen, die religiöse Symbole tragen, mit ihnen verbinden: denjenigen, die solche Symbole hassen, ist das egal. Kein Terror, religiös motiviert oder nicht, richtet sich auf andere, weil ihm deren Vorstellung von einem Jenseits nicht passt oder die Idee von Sünde, von Vergebung, von Erlösung, was immer. Die Leute, die unter der Flagge der IS ballern, interessieren sich einen Dreck für die Menschen, die sie ermorden und noch weniger für die Frage, warum sie es tun, warum sie die anderen ermorden. Sie tun es, weil sie es können, sie brauchen keinen Auftrag von einem höheren Wesen, keine „Mission“ oder dgl., das taugt nur noch als Luxus fürs Tagebuch, fürs Video, das man, wenn’s klappt, schnell noch als Selfie produziert. Religionsgeschichtlich gesehen ist IS sowas wie eine Mischung aus Blues Brothers und Pulp Fiction.

Ich denke – @ dda – dass es tatsächlich nicht um die Jeziden geht und niocht um ihre Religion. Aber eben dies – dass es nicht mehr um die Einzelnen geht und nicht um das, was uns unterscheidet – spätestens das ist der Grund, für sie einzutreten, was immer sie glauben oder nicht.

P.S. @ Arnold | Die erfolgreiche (!) Kritik an der Allmacht eines wie immer höheren Wesens begann, religionsgeschichtlich gesehen, vermutlich kurz nach dem ersten Blitz, der knapp neben der Erdhöhle einschlug, die einer sich gerade gegraben hatte. Biblisch gesehen beginnt erfolgreiche Kritik sogar noch eher, nämlich da, wo allenfalls Mythologie hin reicht, ins Paradies. Der sog. Sündenfall, Eva, der Apfel usw., aus der Sicht eines Allmächtigen betrachtet, war das Ergebnis – eine Konzession?

@ Helmut Junge | Wer im Irak [das Paradies soll da ja mal um die Ecke gelegen haben] lebt und Gottes Allmacht in Frage gestellt, wird allen Bekennerschreiben nach nicht von Gott zerbombt. Womit Sie wiederum recht haben: Theologie, also: reflektierte Religion, Auflehnung gegen unmittelbaren Schrecken, sowas entsteht im Kopf von denen, die im Kerker sitzen und nicht am langen Hebel.

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Thomas Wessel „derer“? Z.B. der Zentralrat der Muslime, mir ist jetzt nicht bekannt, dass es da Stellungnahmen oder gar Proteste gegen das Abschlachten sog. Ungläubiger gibt, die sich mit den Protesten gegen die dänischen Zeichnungen und deren Betrachtung durch Frau Merkel. Das ist es doch, was so verstört, diese Ungleichgewichtung, dieses Mantra, dass der Islam angeblich friedlich sei, wo aber schon Proteste gegen dänischen Zeichnungen zu massiven Ausschreitungen in vielen islamischen Städten geführt hat, mit Brandstiftungen und Toten. Schon da fällt es sehr schwer, diese Friedlichkeit als gegeben vorauszusetzen.
Was sind das für „friedliche“ Weltanschauungen, wenn schon der leiseste Zweifel daran, zu allen Zeiten immer irgendwo zur physischen Beeinträchtigung bzw. Beseitigung des Zweiflers führte und führt?

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

@ Thomas Wessel

Gott bombt nicht selbst? Davon bin ich schon deswegen immer ausgegangen, weil es ihn nicht gibt. Wollen sie mir das jetzt bestätigen? Oder wollen sie mir nur sagen, dass seine Existenz ohne jede Wirkung auf die sind, die an ihn glauben? Dass die Terroristen unter den Gläubigen das alles auch ohne „ihren“ Gott tun würden?

Warum aber tun sie es dann nicht, ohne ihn? Warum gebrauchen sie dann überhaupt seinen Namen, Thomas? Warum fordern sie alle auf, sich „ihrem“ Gott zu unterwerfen? Warum bringen sie die um, die es nich tun? Weil sie zuviel Kino gucken? Finden sie das nicht selbst etwas platt?

Und was sollen schon wieder diese Bibelgeschichten von Adam und Eva? Oder die Behauptung das reflektierte Religion nur im Kerker entsteht? Ja das kann sein. Aber dazu gehört auch, dass viele Kerker dieser Welt ebenfalls Ausdruck „reflektierter“ Religion sind und waren. Das sowohl die im Kerker als auch die Folterer als auch Wärter und die Richter ihre Taten religiös begründen.

Sie biegen sich die Welt so zu recht, dass sie die, die im Namen des Gaubens an Gott Verbrechen begehen, einfach zu Ungläubigen umdefinieren. Auf jeden Fall aber zu Menschen, die von Grund auf böse sind, sprich auf keinen Fall deswegen, weil sie ihren relgiösen Regeln folgen. Das ist ungefähr so als wenn Jemand sagen würde, die Deutschen die den Holocaust begangen und befürwortet haben, waren gar keine Deutschen, sondern böse Aliens die plötzlich in Deutschland aufgetaucht sind.

Auf diese Art der systematischen Selbstexculption habe ich ehrlich gesagt keinen Bock mehr, Thomas. Das können sie gerne vor ihren Religionsfans verbreiten und die werden sicher auch Beifall rufen. Ich halte das einfach nur für arrogant und selbstgerecht. Aber wer Gott auf seiner Seite weiß, kriegt das wahrscheinlich nicht mehr mit. Sein sie mir also nicht böse, dass ich mich jetzt hier verabschiede. Veräppeln kann ich mich alleine.

Thomas Wessel
Admin
9 Jahre zuvor

@ Thomas Weigle | Mit Ihrem Argument hätten Sie recht, wenn es gäbe, was Sie voraussetzen: die Gemeinschaft der Muslime, die Umma. Aber eben das, dieses Gemeinschaftsgefühl, scheint derzeit rapide zu zerfallen, die „Religionskriege“ sind, wenn denn religiös tituliert, ein einziger, und der tobt zwischen Sunniten und Schiiten, also innerhalb einer Umma, die es nicht gibt.

@ Arnold | Was denn nun, haben Sie mir Fragen gestellt oder treten Sie ab?

Ich streiche mal alles, was Ihnen an Spekulation über meine Motive so einfällt, das bringt es eh nie [was ich, notabene, von Christopher Hitchens gelernt habe]. Mir geht es darum zu begreifen, welche Wirkmacht Religion hat oder eben nicht und was das für eine Form von Religion ist, die sich in dem artikuliert, was Sie „Furor“ genannt haben.

Es ist eine neue Form. Eine, die nicht von „Heiligen Schriften“ und religiöser Erziehung, sondern, wenn schon, dann aus dem Internet lebt. Finden Sie das, wie sagten Sie: „platt“? Das Interrnet? Glauben Sie, diese Killertypen der IS würden den ganzen Tag im Koran blättern und könnten daher gar nicht wissen, wie man ein iphone ans Laufen kriegt? Aber sie schießen mit keiner Armbrust mehr, sie blättern nicht im Koran, sondern in der Gebrauchsanleitung für irgendein hypermodernes MG.

Und warum? Vielleicht ist, um einer Antwort näher zu kommen, Ihr Vergleich mit „die Deutschen“ von Belang. Es gibt inzwischen die sog. Täterforschung, sie versucht, den Entscheidungsspielraum zu orten, den der Einzelne hatte im Mordbetrieb. Eines der Ergebnisse: Ideologie hat offenbar keine substanzielle Bedeutung gehabt, gemordet wurde – bekanntlich großteils per Hand – ideologisch ungerührt, Fanatismus war selten, entscheidend war ein ausgeprägtes Gruppengefühl („deutsch!“) und zunehmend wohl die Angst vor Rache. Wie nun kommen Sie nur darauf, dass es „Aliens“ gewesen sein könnten, es waren Leute wie Sie und ich, Fromme und Sozis, Atheisten und Protestanten, Geistes- und Naturwissenschaftler usw.

Alle haben sie „gekämpft“, keiner hat „Mein Kampf“ gelesen. Wurden sie alle zum „Kämpfen“ gezwungen? Konnte sich denn niemand entscheiden, den Hahn nicht durchzuziehen?

Nun, eben das meinte ich, wenn ich oben schrieb, dass die Religionskritik heute sich frommer gibt als die frömmsten Frommen: Sie glaubt wie ein mittelalterliches Mütterchen daran, dass man es selber niemals selber gewesen sein kann.

P.S: Den Namen Gottes habe ich nicht gebraucht, Arnold. Gott – soviel Kleinklein muss sein – heißt gar nicht Gott.

der, der auszog
der, der auszog
9 Jahre zuvor

@Arnold Voss (#27)

Wenn Du willst, dass man Deine Religionskritik richtig versteht, dann solltest Du Dir angewöhnen Dich differnziert auszudrücken. Genau das tust Du hier aber nicht. Wenn Du schreibst: „Religionen sind nicht vernünftig“ dann ist das Religionskritik par excellence und da ist da für niemanden ersichtlich, dass sich Deine Kritik nicht auf die Yesiden bezieht. Insofern habe ich Dich da nicht missverstanden, sondern Du Dich missverständlich ausgedrückt.

@Thomas Waigle:

Zu Ihrer Frage: „Yeside kann man nur durch Geburt werden?“ Genau so ist es. Nur wenn Vater und Mutter Yesiden sind, wird man Yezide. Es besteht keine Möglichkeit etwa durch Heirat oder auf einem anderen Weg dieser Religion beizutreten. Der religiöse Hintergrund dieses Umstandes liegt in der Vorstellung, dass man nach seinem Tod in diese Gemeinschaft wieder hineingeboren wird. Durch diese Abschottung nach Außen bleibt das Volk mehr oder weniger rein. Es gibt aber noch eine andere Erklärung, die Ihnen als geschichtsinteressierter Zeitgenosse vermutlich nachvollziehbarer erscheinen wird. Ähnlich wie Juden und Armenier waren auch die Yeziden ein Volk, dass immer wieder verfolgt, vertrieben und in die Diaspora geschickt wurde. Die starke Abschottung nach Außen hat letztendlich dafür gesorgt, dass sich diese Religion, die immer eine Minderheit war, mit ihren Sitten und Gebräuchen über 2000 Jahre lang bis heute behaupten konnte. Die Gefahr auszusterben, die Sie da ansprechen, hat es aber tatsächlich mehrmals gegeben und sie ist auch momentan wieder akut. Da die Yeziden über keine eigene Armee verfügen, machen sie das, was sie immer gemacht haben, wenn sie bedroht wurden. Sie packen ihre sieben Sachen auf einen Esel oder auf ein Gefährt, wenn sie denn so etwas haben und fliehen. Nur das ihre Verfolger heutzutage nicht mehr auf Eseln, Kamelen oder Pferden unterwegs sind, sondern mit Autos. Für die Sicherheit der Yeziden im Irak wären eigentlich die irakischen Streitkräfte zuständig. Die funktionieren allerdings nicht. Im Juni haben es gerade einmal 800 ISIS Kämpfer geschafft die 3 Millionen Metropole Mossul einzunehmen, weil zeitgleich 30.000 Regierungssoldaten desertierten. Diejenigen, die etwas tun wollen, aber nicht können sind die kurdischen Peschmerga der autonomen Region Kurdistan. Ihnen fehlen die Mittel. Das sie keine Mittel bekommen, liegt an der Türkei, die das dank ihrer Nato-Mitgliedschaft zu verhindern weiß. (Die wichtigsten Militärstutzpunkte der Nato um den Nahen Ostens zu kontrollieren, liegen in der Türkei). Gleichzeitig waren die Paschmergas der wichtigste Verbündete der USA gegen Hussein. Ein großer Teil dieser Armee ist im Zusammenhang mit dem Irakkrieg von den USA ausgebildet worden. Um den Interessenskonflikt mit der Türkei aus dem Weg zu gehen, haben die USA das Heft jetzt selbst in die Hand genommen. Endlich.
Äußerst beunruhigend bleibt, dass heute in Mossul hunderte Yezidische Frauen und Mädchen von ISIS entführt wurden. Angesichts der Tatsache, dass die Militäraktion der USA mit dem Schutz der Yeziden zusammen hängt, dürfen wir uns auf das schlimmste gefasst machen.

@Thomas Wessel

Gern geschehen. Auch ernst gemeint.

@all

Wer sich für Religion und Kultur der Yeziden interessiert, dem empfehle ich neben dem von Arnold bereits erwähnten Wikipedia Artikel auch die Homepage des Yizidischen Forums:

http://www.yeziden.de/140.0.html

Wer sich über die derzeitige Gewalt gegenüber Yeziden und andere Kurden im Nordirak informieren möchte, dem sei die deutschsprachige Seite des kurdischen Nachrichtenportal EzidiPress ans Herz gelegt:

http://ezidipress.com/

Darüber hinaus ruft der Zentralrat der Yeziden in Deutschland zu Spenden für die Opfer von Shingal auf:

Volksbank

Empfänger: Yezidisches Forum e.V.

BIC: GENODEF1EDE

IBAN: DE10 2806 1822 3670 2706 02

Verwendungszweck: Shingal

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

@Thomas Wessel 34 Was zum Teufel hindert die Muslime in Deutschland, von mir aus auch nur einzelne Gemeinden, sich eindeutig gegen die Gewalt in ihren Reihen zu positionieren. Sie positionieren sich doch auch zu anderen Dingen. Und sie behaupten doch, dass der Islam eine friedfertige Religion sei. Um es auf den Punkt zu bringen: Entweder ist der Islam eine friedliche Religion, was, nun ja, angesichts dessen, was wir erleben, ein wenig in Frage zu stellen ist, oder er ist es nicht, zumindest in diesen unseren Zeiten nicht. Sondern ine Religion, die wenigstens so kriegerisch und so wenig friedlich daher kommt wie einst „Bruder“ Martin in Wittenberg.

Helmut Junge
9 Jahre zuvor

dda (25), (auch undirekt @Thomas Wessel)
solche diskussionen mit türkischstämmigen Gewerkschaftlern habe ich auch schon geführt. Meine Gespräche liegen allerdings schon längere Zeit zurück. Ich hatte damals einen ähnlichen Eindruck wie Du ihn geschildert hast. Eigentlich hatte ich rückblickend bei einem hohen Prozentsatz solcher Gespräche einen merkwürdigen Eindruck, den ich aber gewissermaßen wieder verdrängt habe, weil diese Leute zu der damaligen Zeit noch keine politische Relevanz hatten, und ich dachte, daß sich solche nationalistischen krausen Gedankengänge mit zunehmender Integration in Mitteleuropa noch geben würden.
Offenbar, das deutet dein Beitrag an, hat sich da nicht viel geändert.
Das ist schade, ist aber kein Element, das für sich allein steht. Da kommt wohl jetzt noch das oben diskutierte religiöse Element dazu.
Wer also mit „linken“ Moslems diskutiert, wird recht schnell auf Ansichten stoßen, die unter Mitteleuropäern nicht akzeptabel wären.
Und das müßte eigentlich auch Herrn Wessel gelegentlich schon aufgefallen sein. Ich gehe davon aus, daß er sowohl beruflich, als auch privat viel häufiger mit Migranten unterschiedlicher Herkunft und Religion zu tun hat, als ich. Zwar traue ich ihm zu, daß er nicht zuhören kann, was ich aus ungezählten Antworten auf meine Kommentare, in denen er immer haarscharf meine Fragen ausklammert, berechtigterweise vermuten darf, aber es kann auch sein, daß er ganz andere Schlußfolgerungen aus solchen Gesprächen zieht als ich. Denn die Form der Religionskritik, wie sie Arnold Voß vorträgt, gilt allen religiösen Amtsträgern unpassend. Erst Recht den Moslimen, die überhaupt keine Erfahrung mit Kritik an Religion haben. Mit solchen Leuten wird man auf der Basis einer derartigen Argumentation vermutlich auch keine Einigung erzielen. Und es kann sein, daß Herr Wessel glaubt, daß es Teil eines vernünftigen Diskurses sei, erst einmal in die Position des islamischen Menschen hineinzuschlüpfen, damit es dann zu einem Dialog kommen kann. Deshalb möchte er eine „bessere“ Form der Religionskritik.
Nur Arnold kann das nicht leisten, oder will das nicht leisten, was Herr Wessel fordert. Das ist der Punkt, an dem hier so manche Diskussion schon zu uneinigem Schluß gekommen ist. Und weil die Argumentation von Herrn Wessel darauf hinausläuft, daß reale, von Menschen im täglichen Gesprächen praktizierte Religionskritik, im Sinne einer Auseinandersetzung mit religiösen Menschen kontraproduktiv ist, diese Kritik aber durch jeden fanatischen Akt religiöser Kräfte stärker angefacht wird, und nicht umgekehrt, laüft der Diskurs aneinander vorbei.
In seiner Länge aber, kristallisiert er schon heraus, wo die Ursachen für die unterschiedlichen Denkansätze begründet liegen. Wir werden das noch genügend häufig besprechen müssen, weil die politischen Entwicklungen weltweit von unserer Debatte ungerührt weiterlaufen. Also spare ich mir jetzt erst einmal die Zeit für später.

Thomas Wessel
Admin
9 Jahre zuvor

@ Thomas Weigle | „Der“ Islam? Ist – wie alle Religion – nie „entweder“ dies „oder“ das, sondern ein reichlich unübersichtliches Phänomen. Lässt sich – wie alle Religion – vergleichen mit dem Internet, und ob „das“ Internet entweder „friedfertig“ oder „kriegerisch“ sei … schwer zu sagen, oder?

Um mal eine Zahl zu nennen. Der „Zentralrat der Muslime in Deutschland“ repräsentiert rund zwei Dutzend Einzel-Organisationen mit zusammen max. 20 000 Mitgliedern.

Viel interessanter übrigens zuletzt das Verhalten von DITIB, dem deutsch-türkischen Verein, der der staatlich-türkischen Religionsbehörde „angeschlossen“ ist: Die Free-Palestine-Demos liefen durch die Straßen und brüllten ihren Hass in die Welt, DITIB hat mit einem sehr besonnenen Text reagiert und, soweit ich das sehen konnte, nirgends zu einer Demo-Teilnahme aufgerufen – und das, obwohl Erdogan sich zeitgleich als Einpeitscher abgerackert hat.

Es verändert sich gerade was, und dem kommt man – mehr wollte ich eigentlich nicht sagen – mit Religionspolemik nicht auf die Spur.

Helmut Junge
9 Jahre zuvor

@Thomas Wessel, 20000 aktive Mitglieder allein von DITIB sind mit Freunden, Familienangeörige sogar Viele. Das sind auf Demonstrationen mehr als Grüne und Linkspartei samt Anhang überhaupt zu einer Demonstration bewegen können. Insofern kann diese Zahl eine falsche Größenordnung suggerieren.
Aber natürlich haben Sie damit nicht unrecht, daß der Islam, wie alle Religionen ist. Er kann sowohl so, als auch so sein.
Nur kommen Sie mit dieser Aussage nicht weiter, wenn Sie den Zulauf von Moslemen zu den extremen Gruppierungen erklären sollten. Ich habe in Ihren Kommentaren bisher nicht die Stelle gefunden, wo sie dafür eine Erklärung anbieten. Aber Arnold Voß, das wissen Sie ganz genau, hat auf jeden Fall Unrecht mit seiner Einschätzung, daß sich eben jede monotheistische Religion, von Zeit zu Zeit radikalisiert. Das ist eben Ihrer Meinung nach genau der falsche Ansatz.
Auch wenn ich Die Entwicklung die dorthin geführt hat, als komplexer einschätze, als daß sie sich auf den religiösen Aspekt allein zurückführen ließe, versucht Arnold doch immerhin eine Entwicklung zu erklären. Das tun Sie aber nicht. Bei Ihnen gibt es nur solche oder solche. Die sind so wie sie sind. Von einer Entwicklung sehen Sie nichts. Denn sonst könnten Sie nicht in (11) sagen “ Religion-falls man denn Islamismus überhaupt für eine hält.“ obwohl es sich um sich persönlich verändernde Moslems handelt. Diese statische Position, die keine Veränderungen kennt, kann aber überhaupt nicht das Problem, daß Jesiden von Moslems neuerdings hier in Deutschland verfolgt werden und im Irak getötet, erklären. Dabei ist das doch durch den Artikel, besser das Interview oben eigentlich unser Thema.

Thomas Wessel
Admin
9 Jahre zuvor

@ Helmut Junge | Statische Position? Keine Veränderungen? Doch, es ändert sich gerade einiges; mehr dazu folgt.

Die Mitglieder-Zahl 20 000 bezieht sich übrigens auf den „Zentralrat der Muslime“, der damit eben nichts Zentrales verkörpert. DITIB, der türkisch-islamische Verein, repräsentiert die meisten der türkischen Moscheevereine im Land und damit natürlich erheblich mehr Mitglieder. Eine genaue Zahl wiederum ist da generell schwer zu nennen, weil es in Moscheevereinen keine Mitgliedschaft im hier üblichen Sinne gibt [mit Mitgliedsantrag, -beitrag usw.], die Gemeinden assoziieren sich im persönlichen Kontakt, ein Einzelmitglied repräsentiert oft die gesamte Familie usw.

Das Problem, das staatliche Behörden haben: DITIB wäre, was die Repräsentationsfähigkeit angeht, eigentlich Ansprechpartner für alle muslimisch-religiösen Belange im Land, versteht sich aber erstens als türkischer Verein – da fragen sich Muslime anderer Herkunftsländer natürlich, was sie da sollen – und versteht sich zweitens als Ableger der türkisch-staatlichen Religionsbehörde, und die soll ja nun wirklich nicht direkt in die inneren Belange der Bundesrepublik hinein regieren können. DITIB in Köln versucht seit einiger Zeit, sich von Ankara etwas unabhängiger zu machen, aber es ist ja nicht nur, was die Türkei angeht, ziemlich mühsam zu versuchen, einen Staat auf Distanz zu halten.

der, der auszog
der, der auszog
9 Jahre zuvor

@Helmut (#38)

um noch einmal auf die Gelbe-Hand-Aktion zu sprechen zu kommen. Türken und Kurden waren in der Türkei noch nie soetwas wie Kumpel und ich fürchte, dass sie es auch in Deutschland so schnell nicht werden.

Lass uns noch ein wenig in diesem imaginären Sozialraum mit dem Aufkleber „Mach meinen Kumpel nicht an“, den es so irgendwo auf dem Degussa Werk in Marl oder bei BP/Rosneft in Gelsenkirchen-Scholven geben könnte, sitzen bleiben und neben dem Konflikt der Türken mit den Kurden auch über den Konflikt der Türken mit den Armeniern nachdenken:

Der Genozid am Armenischen Volk vor fast 100 Jahren ist gerade bei uns in Deutschland bestens belegt. Die Türkei und das deutsche Kaiserreich waren wichtige Verbündete im ersten Weltkrieg und es waren damals sehr viele Deutsche am Bosporus; Ingenieure, die an der Bagdadbahn und anderen Infrastrukturprojekten bauten, Offiziere und deutsche Soldaten, die beim Aufbau des türkischen Heeres halfen, Sozialarbeiter, Nonnen und Priester, die sich in Heimen und caritativen Einrichtungen um die Armen und Verlassenen kümmerten.
Einer von ihnen war der evangelische Theologe Johannes Lepsius. Lepsius war vorher lange in Jerusalem, wo er im Syrischen Waisenhaus, einer diakonischen-missionarischen Einrichtung, arbeitete. Nach Massakern an den Armeniern 1894/96 gründete er das Armenische Hilfswerk, den Vorläufer der Deutsch-Armeinschen-Gesellschaft mit Missionen in der Türkei und den Ländern, in die sich Armenier flüchteten; Persien, Bulgarien, später auch Syrien und Libanon. Johannes Lepsius, seine Kollegen und Mitarbeiter wurden zu Zeugen zahlreicher Pogrome und Massaker gegen die Armenier, u.a. der Lebendverbrennung tausender armenischer Christen in der Kathedrale von Urfa. Hier enstand der Name „Holocaust“. Holocaust kommt aus dem griechischen und bedeutet „vollständig verbrannt“. Erstmalig benutzt hat ihn die Amerikanerin Corinna Shattuck, die eng mit Lepsius zusammen arbeitete. Es gab bis dahin noch kein Wort für den Massenmord an einer Ethnie. Und dabei sind wir noch gar nicht bei den Ereignissen, die wir mit Genozid an den Armeniern meinen. Die geschehen erst 20 Jahre später. Die ersten Berichte über Massenmorde an Armeniern wurde ab 1896 in einer Berliner Tageszeitung veröffentlicht, kurze Zeit später dann in einem Buch unter dem Titel „Armenien und Europa. Eine Anklageschrift wider die christlichen Großmächte und ein Aufruf an das christliche Deutschland“ zusammengefasst, welches daraufhin in drei weitere Sprachen übersetzt und in den Buchläden Frankreichs, Englands und Russlands an den Mann gebracht wurde. Eine enorme logistische Leistung, die Lepsius da vollbrachte und in Europa konnte sich niemand mehr herausreden, von der menschenverachtenden Sitation im Osmanischen Reich nichts gewußt zu haben.

1915 nahmen die Übergriffe gegen Armenier dann eine ganz neue Dimension an.
Im März kam es zur Entwaffnung der armenischen Soldaten im osmanischen Heer. Ein Teil dieser Soldaten wurde auf der Stelle erschossen, der andere versklavt und in Arbeitsbatallionen zusammen gefasst, später dann ebenfalls exekutiert.
Der 24. April gilt in Armenien, Bergkarabach und Kalifornien (USA) als Völkermordgedenktag, denn an diesem Tag begann 1915 die Deportation armenischer Intellektueller aus Konstantinopel/Istanbul. Interessanterweise ist die juristische Grundlage, das sogenannte Deportationsgesetz (Tehcir Kanunu), das den offiziellen Titel „Gesetz bezüglich der Maßnahmen des Militärs bei Widersachern gegen die Regierungsgewalt in Kriegszeiten“ trägt, auf den 27. April datiert, denn es ist erst an diesem Tag vom osmanischen Parlament, dem Vorläufer der türkischen Nationalversammlung, verabschiedet worden, woran man erkennen kann, dass es gemacht wurde, um die bereits begonnenen Deportationen nachträglich zu legitimieren.

Die nun einsätzenden Ereignisse sind von Lepsius ebenfalls akribisch festhielt und in zwei Büchern zusammen gefasst worden. Das eine trägt den Titel „Bericht über die Lage des armenischen Volkes in der Türkei“, das andere ist die Fortsetzung mit dem Titel: „Der Todesgang des armenischen Volkes“, ergänzt mit einem Interview Enver Paschas, seinerzeit Kriegsminister der Jungtürken und mit Talât Pascha (Innenminister) und Cemal Pascha (Marineminister) Drahtzieher des Genozids. Dieses Mal hatte Johannes Lepsius allerdings weniger Glück. Seine Bücher wurden von der deutschen Zensur kassiert. Die Kriegspolitik des Reiches machte dies möglich. Lediglich 20.000 Exemplare schafften es noch früh genug, in Umlauf gebracht zu werden. 1918, nachdem der Krieg zu Ende war, änderte sich das. Die Zensur wurde aufgehoben, Johannes Lepsius bekam vom Auswärtigen Amt sogar den Auftrag, die Dokumente des AA zum Thema Genozid aufzubereiten und zu veröffentlichen. So enstand dann ein weiteres Buch mit Quellen zum Genozid an den Armeniern, die sogenannten „Lepsiusdokumente“ oder auch „Deutschland und Armenien 1914–1918: Sammlung diplomatischer Aktenstücke“, so der offizielle Arbeitstitel der Publikation.

Was hat diese Geschichte jetzt mit dem Gelbe-Hand-Aufkleber und dem „Mach meinen Kumpel nicht an“-Spruch zu tun?

Bevor ich jetzt wieder in den Sozialraum bei Hüls oder wo auch immer im Ruhrgebiet zurückkehre und den es ja eigentlich gar nicht gibt, möchte ich mit Dir noch kurz nach Potsdam in die Große Weinmeisterstraße 45. Dort steht das Wohnhaus von Johannes Lepsius, das heute sowohl Gedenkstätte an diesen herausragenden Theologen ist, als auch ein Ort der Begegnung namentlich für Armenier, Deutsche und Türken. Darüber hinaus beherbergt es das Johannes Lepsius Archiv mit seinen umfangreichen Dokumenten zum armenischen Holocaust. Geplant ist diese Stätte des Gedenkens, des Begegnens und des Sich Informierens seit 2001. Eröffnet wurde sie erst zehn Jahre später in 2011. Bereits 2002 protestierte der türkische Botschafter im Namen der Türkei aufs heftigste gegen das Lepsius-Haus bei der damaligen rot-grünen Regierung unter Gerhard Schröder, so dass es erst einmal auf Eis gelegt wurde. Seit Schröder weg ist, konnte das Projekt wieder angegangen werden. Bloss jetzt rannte nicht die Türkei gegen das Lepsiushaus an, sondern die hier lebenden Türken, allen voran die Türkische Gemeinde Deutschland e.V. Die Türkische Gemeinde ist der Dachverband, die auf Bundes- und Landesebene ca. 200 türkische Vereine vertritt und in zahlreichen Fach- und Berufsverbänden sitzt. Angeführt wurde diese Gemeinde bis 2014 von Kenan Kolat. Kolat ist – wie kann es anders sein – Mitglied der SPD. (Seine Frau Dilek Kolat, ebenfalls SPD ist derzeit Senatorin für Arbeit, Frauen und Integration des Landes Berlin. Aber das nur am Rande)

2009 kam es noch krasser. Das Land Brandenburg hatte sich als erstes und übrigens bislang einziges Bundesland angeschickt, den Genozid an den Armeniern in den Lehrplan aufzunehmen. Bereits 2005 kam es erstmalig zum Eklat, als Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck, SPD, auf Druck der türkischen Regierung die Behandlung des Genozids an den Armeinern wieder aus dem Lehrplan streichen ließ. Ein Fehler der von der Schulbehörde aber wieder korrigiert wurde. Nachdem die Versuche der türkischen Diplomatie gescheitern waren, waren wieder die in Deutschland organisierten Türken am Zug:

„Im brandenburgischen Lehrplan werden die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich in den Jahren 1915 bis 1918 als „Genozid“ bezeichnet. Dies, so Kolat in dieser Woche in der türkischen Zeitung „Hürriyet“, setze die türkischstämmigen Schüler unter einen „psychologischen Druck“, der sie in ihren schulischen Leistungen beeinflusse, und es „gefährde den inneren Frieden“. Er werde sich deshalb mit dem Brandenburger Ministerpräsidenten treffen und diesen darum bitten, die Vorwürfe aus dem Lehrplan zu streichen, kündigte Kolat an. Auch die geplante Gedenkstätte für den Potsdamer Pfarrer Lepsius, der den Genozid dokumentierte, will Kolat verhindern – der Brief an Angela Merkel sei schon unterwegs.“ (Quelle: FAZ)

Wer jetzt annimmt, dass die Leugnung oder Relativierung des Holocaust an den Armeiniern nur ein Ding der Türken sei, nicht aber der SPD, den muss ich entäuschen. 2011 fand in Hannover wie in jedem Frühjahr die CeBIT statt, nur war das Partnerland dieses Mal die Türkei. In der Hannoverschen Allgemeinen gab es ein Interview mit Gerhard Schröder, SPD, der zwar schon seit über fünf Jahren kein Kanzler mehr war, aber in dem Interview deutlich macht, wie wichtig es ist der Türkei den Weg in die EU zu bahnen. Genau dieser Hintergrund bestimmte die Politik der rot-grünen Regierung gegenüber der Türkei unter Schröders Kanzlerschaft von 1998 bis 2005. Schröder wird in diesem Interview auch mit dem Genozid an den Armeniern konfrontiert:

„Skepsis gibt es auch über den türkischen Umgang mit der Geschichte, etwa mit der Erinnerung an die Massaker an der armenischen Minderheit während des Ersten Weltkriegs, die viele als Völkermord einstufen.“

Die Antwort des Exkanzlers:

„Manche setzen die Vorgänge sogar mit dem Holocaust gleich. Das ist unzulässig und läuft auf eine Relativierung des ­Holocausts hinaus, der vor allem die Deutschen widersprechen müssen.“ (Quelle: HAZ)

Mit anderen Worten: Der Genozid an den Armeniern war kein Holocaust, weil jeder, der anderes behauptet, den Genozid an den Juden relativieren würde. Schröder spielt hier 6 Millionen ermordete Juden gegen 1,5 Millionen ermordeter Armenier aus. Als Ergebnis steht unter dem Strich seiner perversen Milchmädchen Rechnung vermutlich 4,5 Millionen.

Das Verhältnis der SPD zur Türkei war übrigens immer schon so devot. Als 1916 die Berichte des Johannes Lapsius über den Holocaust der Zensur zum Opfer fielen, wandte dieser sich hilfesuchend an verschiedene Vertreter der im Reichstag vertretenen Parteien. Den einzigen, den Lepsius für sich gewinnen konnte, war Matthias Erzberger von der katholischen Zentrumspartei. Die SPD hüllte sich in Schweigen. Erzberger, der 1921 von Rechtsextremisten ermordet werden sollte, war neben Karl Liebknecht der einzige Abgeordnete, der öffentlich den Genozid an den Armeniern und die Menschenrechtsverletzungen der türkisch-osmanischen Verbündeten anprangerte. Liebknecht verließ aufgrund der Tollerierung der Massenmorde seitens der SPD die Partei.

Bevor ich jetzt zum Abschluss komme, möchte ich es noch einmal auf die Spitze treiben:

Warum dürfen Türken, aber auch sozialdemokratische Bundeskanzler in Deutschland ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen den Holocaust leugnen, obwohl doch das Leugnen des Holocaust in Deutschland verboten ist?

Die Antwort steht auf dem kleinen gelbe-Hand-Aufkleber: Türken sind unsere Kumpel und wir machen unsere Kumpel nicht an!

————

hier geht es zum Internetauftritt des Lepsiushaus:
http://www.lepsiushaus-potsdam.de/

hier geht es zu einem Artikel in der FAZ, in der die Versuche der Türkischen Gemeinde Deutschlands beschrieben werden, das Lepsiushaus und die Aufnahme des Genozids in den brandenburgischen Lehrplan zu verhindern:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/voelkermord-im-lehrplan-die-armen-schueler-1838263.html

hier geht es zu einem Interview mit Gerhard Schröder in der Hannoverschen Allgemeinen, in dem der Altkanzler den Holocaust an den Armeinern leugnet:
http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Deutschland-Welt/Schroeder-Fuer-eine-globale-Rolle-braucht-Europa-die-Tuerkei

und hier noch zu einem Pamphlet von Henryk M. Broder zum Umgang Gerhard Schröders mit dem Genozid an den Armeniern:
http://www.welt.de/debatte/henryk-m-broder/article12677913/Gibt-es-ein-Holocaust-Copyright-Herr-Schroeder.html

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Ich gehöre ja auch zu den „Relativierern“ des Holocausts an den Juden, weil für mich ein Holocaust nicht erst bei 6 Millionen Ermordeter beginnt. Wie in dem verlinkten Artikel von Broder denke ich manchmal, dass einige sich die „Einmaligkeit“ des Holocaust nicht nehmen lassen wollen. Über die Gründe kann ich nur spekulieren, für historisch begründet halte ich sie nicht.
In einem allerdings scheint der von Deutschen an den europäischen Juden verübte Genozid einzig: die Leugnung desselben ist im Lande der Täter strafbar, immerhin. M.W. n. bezieht sich die Strafbarkeit der Leugnung des HC ausdrücklich auf den von Deutschen an den europäischen Juden verübten.
Man mag mit der Aufarbeitung der Naziverbrechen unzufrieden sein, sie als bei weitem nicht ausreichend halten, ich tue dies, sie ist im Vergleich zu anderen Täternationen schon fast beispielgebend.
Das problematische bei der Aufarbeitung solcher Verbrechen ist doch auch, dass es nicht nur Millionen Opfer gab, sondern neben den Tätern, auch Millionen Begünstigte, die an die Vermögen, die Wohnungen und die Arbeitsplätze der Opfer rankamen. Die stalinistischen Verbrechen waren eben auch, wie der Holocaust oder viele andere Massenmorde, eine gigantische Vermögensumverteilungsmaschinerie. Selbst in Stalins SU gab es nicht wenig Vermögen zu verteilen, schließlich war im Lande der Gleichen die Ungleichheit aller der bestimmende Faktor.

Helmut Junge
9 Jahre zuvor

dda, ich habe deinen langen Text zum Genozid an den Armeniern gelesen.
Beitragen kann ich dazu allerdings nichts mehr. Du läßt ja nichts mehr übrig.
Aber was den Kumpel, den man beschützen will betrifft, war das damals so, daß speziell türkische Arbeiter bei Demos zwar immer präsent waren, aber eher als Anhängsel bei Demos von, Deutschstämmigen. Das hat sich in den vergangenen Jahren deutlich geändert.
Und bei den jüngsten Demos der NRW-Linken, waren Migranten absolut in der Mehrheit. Wenn also jemand beschützt werden muß, scheinen das die deutschen „Vertreter der Arbeiterklasse“ zu sein. Das ist eine Entwicklung, die wegen der anscheinend größeren Mobilisierbarkeit insbesonders der arabisch-türkischen Bevölkerung, bzw. der kaum noch vorhandenen Mobilisierbarkeit biodeutscher Bevölkerungsteile wohl noch eine Zeitlang so weiter gehen wird. Darum hört man den obigen Satz auch nicht mehr.

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