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18 Milliarden Euro Schutzschirm für Kneipen, Clubs und Hotels?

Szenenkneipe „Mandragora“ im Bochumer Bermuda-Dreieck (Foto: Roland W. Waniek)


Kneipen, Clubs, Cafés und Restaurants sind seit Mitte März geschlossen. Hotels dürfen Zimmer nicht an Touristen vermieten. Tritt die befürchtete Pleitewelle ein, könnte sich das Leben in den Städten auf Dauer verändern.

Dirk Steinbrecher, Geschäftsführer des Mandragoras und Mitglied im Vorstand der Interessensgemeinschaft Bermudadreieck blickt mit Sorge in Zukunft: „Wir machen seit März alle keinen Cent Umsatz mehr. Ein paar Wochen kamen wir damit klar, nun droht vielen Betrieben das Aus.“ Spätestens im September müssten viele Kneipen, Clubs und Restaurants Insolvenz anmelden. Und das auch nur, weil Unternehmen, die von der Corona-Krise betroffen sind, wegen einer Sonderregelung erst später zum Amtsgericht müssen. „Viele sind heute schon am Ende“, sagt Christian Bickelbacher, dem unterem das Lokal Tucholsky gehört.

Mit dem Mandragora begann in den 70er Jahren die Erfolgsgeschichte des Bermudadreiecks in Bochum: Leo Bauer, der Gründer und bis heute Besitzer dieses und vieler weitere Lokale, kann damals auf die Idee, Tische auf den Konrad-Adenauer-Platz zu stellen. Sowas war für die Innenstadt neu und gab es bis dahin nur in Ausflugslokalen. Andere Wirte folgten. Im Sommer trinken und essen heute Tausende vor den Kneipen, Bars und Restaurants in dem Szenequartier. Das Bermudadreick prägt in hohem Maße das Lebensgefühl in Bochum. Die Kneipenszene und die Hochschulen sind es, die Bochum von anderen Städten im Ruhrgebiet unterscheiden.

Darlehen, Zuschüsse, Kredite – all das habe in den ersten Tagen geholfen, aber da ein Ende der Schließungen nicht absehbar ist, reiche all das nicht, die Gastronomie am Leben zu erhalten: „Es ist vollkommen unklar, wann Kneipen und Clubs wieder öffnen können“, sagt Steinbrecher. Und es sei fraglich, ob Restaurants bei Abstandsregeln und weniger Tischen schwarze Zahlen schreiben könnten.

Lars Schaade, der Vizepräsident des Robert Koch-Institutes, sagte, dass die Abstandsregeln, unabhängig vom Infektionsgeschehen in Deutschland, noch eingehalten werden müssen: Solange es keinen Impfstoff gäbe, müsse es weiter Auflagen geben. Selbst wenn es in Deutschland keine neuen Fälle gibt, könne das Virus von außen wieder ins Land kommen zitiert die Welt den Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie. Wann ein Impfstoff kommt ist jedoch vollkommen offen. Mit viel Glück Ende dieses Jahres, wahrscheinlich jedoch erst im Herbst 2021.

„Für Kneipen kann die Sperre, vielleicht ein paar Wochen Außengastronomie im Sommer ausgenommen, noch über ein Jahr dauern. Clubs hätten nicht einmal die Chance, im Sommer ein paar Euro mitzunehmen“, sagt Steinbrecher.

Der Standortentwickler Edgar Neufeld, der neben zahlreichen Kommunen auch die Macher des Bermudadreiecks berät, plädiert für einen Rettungsschirm für die Gastronomie: „Darlehen bringen den Unternehmen nichts, denn die Einnahmeverluste, die gerade entstehen können sie nicht wettmachen und der Corona-Krise wird  in eine Wirtschaftskrise übergehen.“ Bis das Ausgehverhalten sich wieder an die Zeit vor der Krise angeglichen haben wird und die Menschen bereit und in der Lage sind, Geld fürs Ausgehen auszugeben, wird es Jahre dauern.

Neufeld hat eine Rechnung über den Umfang eines solchen Rettungsschirm erstellt. 10-20 Prozent ihres Umsatzes vor der Krise müssten Kneipen, Hotels und Restaurants erhalten, um zu überleben. Und das über Jahre. Die Summen, um die es geht sind hoch: 2017 erzielte das gesamte Gastgewerbe in Deutschland einen Umsatz von 93 Milliarden Euro. Über 18 Milliarden Euro jährlich würden den Steuerzahler ein Rettungsschirm kosten, wenn der sich an 20 Prozent des Umsatzes orientieren würde. Weit über neun Milliarden, würde mit zehn Prozent vom Umsatz gerechnet. Und das über mehrer Jahre hinweg

Eine Menge Geld, von der Neufeld allerdings glaubt, dass es langfristig gut angelegt wäre: „Es geht bei der Frage der Zukunft der Gastronomie um die Frage, wie wir künftig leben wollen. Kneipen, Clubs und Restaurants sind wichtige, öffentliche und soziale Räume. Menschen treffen sich in ihnen seit der Antike. Sie gehören zur europäischen Stadt dazu. Verliert die Gesellschaft diese Räume, verändert sich das Bild unsere Städte.“ Und das hätte auch weitreichende wirtschaftliche Auswirkungen: „Die Innenstädte und Stadtteilzentren brauchen Gastronomie, um sich auch in Zukunft gegen den Onlinehandel behaupten zu können. Dem Tod der Gastronomie könnte der Tod des Einzelhandels folgen – und das wäre das Ende der Stadt wie wir sie kennen.“

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