„80 Prozent für Assad“

1400691_441099619344449_505293754_oIn Duisburg sollte auf einer Uni-Veranstaltung für den syrischen Diktator Baschar Hafiz al-Assad geworben werden. Ein durchschlagender Erfolg dieses Ansinnens blieb den Veranstaltern verwehrt.

Die Aktivistin war empört und um knackige historische Vergleiche nicht verlegen: „Wir sind illegal hier – wie in der NS-Zeit. Die Uni hat sich den Antideutschen angeschlossen, die gegen die Veranstaltung gehetzt haben. Bitte verhaltet Euch leise.

Gut 120 Personen hatten sich am Donnerstag gegen 19.00 Uhr in dem Seminarraum auf dem Duisburger Campus der Universität Duisburg-Essen eingefunden. In kleinen Gruppen waren sie über das herbstliche Hochschulgelände gezogen, weil der eigentlich für die Podiumsdiskussion vorgesehene Hörsaal LB 104 verschlossen war. Der AStA hatte seine Unterstützung für die Veranstaltung zurückgezogen und auch die Linksjugend distanzierte sich von der Veranstaltung, zu der die Linksjugend Duisburg und die Antiimperialistische Aktion eingeladen hatten.

Dass dort neben einem Vertreter der Alawitischen Jugend, Salim Tas, und Joachim Guiliard vom „Heidelberger Forums gegen Militarismus und Krieg“, mit Abdullah Abdullah, Mitglied der Arabisch Sozialistischen Einheitspartei Syriens und Abgeordneter im syrischen Parlament, ein Assad-Anhänger reden sollte, ging Solid zu weit. In einer Erklärung distanzierte sich der Verband von den Assad-Anhängern.

Die leicht klandestine Atmosphäre der Veranstaltung wurde noch gesteigert, als die Warnung vor einem drohenden Angriff der „Antideutschen“ die Runde machte, die vor hätten, die Veranstaltung zu sprengen. Das Zentrum des globalen, antiimperialistischen Kampfes lag an diesem Donnerstag scheinbar  in Duisburg.

Mit einer umfangreichen historischen Einführung durch den Generalsekretär des Europäischen Zentralrats der Alawiten, begann die Veranstaltung schließlich nach einer gut einstündiger Wartezeit, die sich das Publikum zum Teil mit dem Lesen der Jungen Welt und alter MLPD-Flugblättern zu verkürzen wusste.

Tas zeichnete in seinem Vortrag die Geschichte des Nahen Ostens seit Mitte des 19. Jahrhunderts nach, lies seine Zuhörer am Aufkommen der Jungtürken ebenso Teil haben wie am Untergang des osmanischen Reiches, das vergebens versucht hatte durch eine Reihe von Reformen wie der Zulassung von Christen als Zeugen vor Gericht Anschluss an die Moderne zu finden – immer behindert von reaktionären Kräften, die der Idee des modernen Nationalstaates mit verbrieften Bürgerrechten das Konzept des sunnitische Umma, der Gemeinschaft aller Rechtgläubigen entgegen setzten. Ein Konflikt, der bis heute anhalte und die religiösen Gruppen zu Feinden der mehr oder weniger säkularen Nachfolgestaaten des Osmanischen Reiches macht, zu denen auch Syrien gehört. Für Tas ist das heutige Syrien ein „nach den Maßstäben des Nahen Ostens“ demokratischer  Staat. Sicher, es könnte immer noch besser laufen, aber die Regierung werde bei den Wahlen immerhin von 80 Prozent der Bevölkerung unterstützt und bis auf zwei würden auch alle Parteien des Landes Assad unterstützen.

Der Aufstand in Syrien sei so auch ein Aufstand einiger weniger religiöser Fundamentalisten die von Terroristen aus dem Ausland massiv unterstützt würden: Aus über 100 Ländern kämen die Feinde des demokratischen und säkularen Syriens. Dass die syrische Staatsmacht sich nur durch die Unterstützung des ebenso wenig säkularen wie demokratischen Irans und der libanesischen Terrororganisation Hisbollah gegen die Aufständischen zu behaupten weiß, ignoriert Tas ebenso, wie die seit Jahrzehnten gut dokumentierten Menschenrechtsverletzungen und die Cliquenherrschaft des Assad-Clans, der sich traditionell eher um die Mehrung seines Milliardenvermögens als um die Entwicklung des Landes kümmert.

Das störte nicht wenige Besucher. In der kurzen Diskussion an Tas Vortrag warfen sie ein, es gäbe sehr wohl eine alawitische Vorherrschaft und Syrien alles andere als eine Demokratie. Nach Tas verließen die ersten 30 Zuhörer den Raum, der sich dann während des Auftritts des zweiten Redners noch schneller leerte.

Joachim Guiliard vom Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg   trug seine Thesen lustlos und langatmig vor.

Für ihn war klar: Der Konflikt wurde von Außen geschürt. „Der Syrienkonflikt reiht sich ein in die Aggressionen gegen den Irak und Libyen.“

Als gäbe es Liste der USA mit Ländern, gegen die sie Krieg führen will. Der Irak  Sudan, Afghanistan und Libyen hätten es hinter sich – nun sei auf Platz sechs von sieben Syrien dran, das letzte Ziel sei der Iran. Die Methode der imperialistischen Hauptmacht USA  seien immer die gleichen: Wirtschaftskrieg, Sabotage und Förderung von Separatisten. „Alle diese Länder sind reich an Rohstoffen oder geostrategisch wichtig und haben sich nicht den westlichen Staaten untergeordnet.“

Angesichts beispielsweise der auf Staatsbesuchen aufgenommen vielen freundlichen Fotos des mittlerweile gestürzten und gestorbenen Libyschen Diktators Muammar Gaddafi mit westlichen Regierungschefs eine kühn anmutende These, aber Guiliards Weltbild ist von betonener Schlichtheit: Die Staaten des Westens bilden eine Achse des Bösen, ihre Feinde gilt es zu unterstützen, egal ob sie ihr Volk verhungern lassen wie in Nordkorea, in Syrien die Armee auf Kinder hetzen oder wie der Iran Schwule an Kränen aufhängen.

Aber zum Glück sind die Imperialisten nicht nur heimtückisch, sondern auch dumm: Die USA würden an Einfluss verlieren, der große Aufsteiger sei China. In Afghanistan und Irak wäre die US-Strategie nicht  aufgegangen, die neue irakischen Regierung würde zum Iran stehen.

Und den würden die USA fürchten: „Der Iran hat einen hohen Bildungsstand, ist technisch hoch entwickelt und wenn sich das Land ungestört entwickeln könnte, hätte es gute Chancen – deswegen lassen die USA das auch nicht zu.“ Das der Iran Israel mit Atomwaffen bedroht und zumindest unter dem Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad offen mit der Vernichtung drohte,  dass das wohl größte Hindernis auf dem Weg des Irans zu einem wunderbaren Absatzmarkt für iPhones und Porsches ein klerikales Regime ist, dass die eigene Bevölkerung unterdrückt, ist dem lustlos und routiniert wirkenden Welterklärer kein einziges Wort wert.

Seine ganze Heimtücke offenbarte der Imperialismus indes bei dem dritten Teilnehmer der Podiumsdiskussion, auf der es kein Podium gab und kaum jemand diskutierte: Abdullah-Abdullah, Mitglied der Arabisch Sozialistischen Einheitspartei Syriens, Abgeordneter im syrischen Parlament und Vorsitzender des Nordkoreanisch-Syrischen Freundschaftsvereins, sollte von Damaskus aus via Skype zugeschaltet werden. Doch Skype, längst in der Hand des US-Konzerns Microsoft, zeigte sich ebenso sperrig wie das Internet, das schließlich im Auftrag der US-Militärs erfunden worden war.  Als der Assad-Gefolgsmann nach einer halben Stunde beherzten herumklickens endlich gut sichtbar und laut hörbar auf einem Monitor in Duisburg erschien, waren nur noch gut 30 der Ursprünglich 120 Teilnehmer anwesend. Mehrere von ihnen hatten beim herausgehen ihren Unmut darüber bekundet, dass der Abend kaum mehr als eine platte Assad-PR-Show war.

Genosse Doppel-Abdullah erwies sich als getreuer Diktatorenknecht: Seine Partei arbeite mit Assad in Fragen von Recht und Ordnung zusammen, Syrien sei ein Opfer: „Die Terroristen werden von den Golf Staaten und dem Westen mit Geld und Logistik unterstützt. Die Türkei hilft den Terroristen die Waffen über die Grenze zu schmuggeln.

Wir hatten gute Verhältnisse zu allen arabischen Staaten und besonders zur Türkei, deswegen waren die Grenzen nie besonders gesichert, aber  die anderen Staaten haben uns verraten.“

In den vergangenen Jahren habe es etliche Reformen gegeben, die Behauptungen in der Presse, verschieden Gruppen, wie zum Beispiel  die Alawiten, zu denen auch Assads-Clan gehört, besäßen in Syrien nicht die gleiche Rechte, seinen eine Lüge: „Es gibt keine Unterschiede zwischen Rassen, Religionen und Geschlecht.

Als die Leitung zu Abdullah Abdullah abgestellt wurde, war kaum noch jemand im Raum. Es war fast zehn, die Veranstaltung war weder von Antideutschen gestürmt noch vom Sicherheitsdienst der Hochschule beendet worden. Die verbliebenen Teilnehmer gingen hinaus in die ungewöhnlich milde Herbstnacht. Eine MLPD-Oma sammelte am Ausgang Geld für die Weltrevolution. Auch das störte niemanden.

Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Jungle World.

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