„Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr“

Im Januar brach die Duisburger Polizei eine Wohnung auf und riss eine Israelflagge aus einem Fenster. Islamistische Demonstranten hatten begonnen, das Haus anzugreifen. Ein Gutachten gibt den Beamten Recht. Merkwürdig zu lesen ist es teilweise trotzdem.

Ausriss: YouTube

Am 10. Januar fand in Duisburg eine Demonstration gegen den Gaza Krieg statt. Als die Demonstranten in der Duisburger Innenstadt an einem Haus an der Claubergstrasse vorbei kamen, in dem eine Israelflagge im Fenster zu sehen war, eskalierte die Situation: Gegenstände wurden gegen das Haus geworfen, Demonstranten skandierten antisemitische Parolen und die Polizei griff ein: Nein, sie schützte nicht das Haus vor den Angriffen der Islamisten, sie nahm nicht diejenigen fest, die das Haus bewarfen und antisemtische Parolen skandierten, sondern sie stürmte zwei Wohnungen – die Beamten irrten sich zuerst im Stockwerk – und nahmen die israelische Flagge aus dem Fenster. Die Begründung: Die Fahne habe verschwinden müssen, weil ansonsten die Situation hätte weiter eskalieren können.

Dieser Ansicht schloss sich auch der Jurist Prof. Dr. Jürgen Vahle von der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW in einem Gutachten an, das heute dem Innenausschuss des Landtages vorgelegt wurde, das auch mir mittlerweile vorliegt: Die Aktion gegen die Israelflagge sei "(…) legal, weil Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit (…)" notwendig gewesen sei. Laut einer von Der Westen veröffentlichten DDP-Meldung fordert die Polizeigewerkschaft eine Entschuldigung von den Landespolitikern, die damals erklärt hatten, die Polizei hätte rechtswidrig gehandelt.

Dabei wirft der gutachterliche Blankoscheck für die Duisburger Polzei einige Fragen auf: Warum war die Polizei nicht darauf vorbereitet, dass eine solche Demonstration eskalieren konnte? In anderen Städten war das zu diesem Zeitpunkt schon der Fall gewesen. Das Gutachten hat dafür eine Antwort:  "Art und geplanter Verlauf der Versammlung boten keinen Anlass für Schutzvorkehrungen, die über die tatsächlich getroffenen hinausgingen." Vielleicht hätte ein Blick in den aktuellen Verfassungsschutzbericht der Polizei und dem Gutachter geholfen. Angemeldet hatte die Demo vom 10. Januar die islamistische Organisation Milli GörüÅŸ. Über die ist dort zu lesen: "Ziel der Bewegung (Milli GörüÅŸ) ist es, dieses heute herrschende, als „westliche“, „bürokratische Ordnung“ bezeichnete demokratische System zu überwinden und durch die in „Adil Düzen“ skizzierte „gerechte Ordnung des Friedens und der Verständigung“ zu ersetzen, die auf dem Islam basieren soll. Dieses Ziel wird zunächst für die Türkei, dann aber auch für die gesamte Menschheit angestrebt. Die Ablehnung „westlicher Demokratie“ und damit auch der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch die ‚Milli-GörüÅŸ‘-Ideologie ist evident. Dies zusammen mit den antisemitischen Einstellungen und Aussagen des Führers der ‚Milli GörüÅŸ‘, wie auch anderer maßgeblicher Anhänger der Bewegung, macht eine Beobachtung (…) durch den Verfassungsschutz (…) erforderlich."

Dass die Anhänger einer antidemokratischen und antisemitischen Gruppierung sich nicht an Regeln der ihnen verhassten Gesellschaft halten, kann nur die Naivsten überraschen. Während die Duisburger Polizei und auch Prof. Vahle von Milli GörüÅŸ nichts Böses erwarten, begegnet man dem jungen Mann, der die Flagge in sein Fenster gehängt hatte, mit deutlich mehr Misstrauen. Der, so das Gutachten, gehöre zu  den Antideutschen und habe auch schon Plakate von Rechtsradikalen beschädigt. Klar, dass so einem alles zuzutrauen ist, und so lässt Vahe in seinem Gutachten seiner Phantasie freien Lauf – der könne ja alles nur inszeniert haben: "Eine gewisse Indizwirkung kommt in diesem Zusammenhang der Tatsache zu, dass der Polizeieinsatz – mit hoher Wahrescheinlichkeit von der gegenüber liegenden Straßenseite – gefilmt und die Aufzeichnung anschließend zusammen mit einem Kommentar im Internet publiziert wurde. Hieraus könnte gefolgert werden, dass es den betroffenen Personen (Mieter bzw. Gästen der Wohnungen im Haus Clausberger Str.) maßgeblich darauf ankam, die Polizei zu einem – aus ihrer Sicht rechtswidrigen – Zugriff zu veranlassen und das (angebliche) Fehlverhalten anschließend publik zu machen. Zwingend ist der Schluss auf eine intendierte Inszenierung freilich nicht. Gegen die Wohnungsinhaber oder ihre Gäste bestehen nur Verdachtsmomente."

Nun, dass die Polizei in Deutschland eine Wohnung stürmt, um eine Israelflagge abzunehmen, damit Demonstranten, die zum Teil Fahnen von in Deutschland verbotenen Organisationen wie der Hamas schwenkten, glücklich und zufrieden sind, konnte sich bis zu diesem Zeitpunkt niemand vorstellen – auch der Wohnungsinhaber nicht, der den Ruhrbaronen damals  ein Interview gab.

Vielleicht sollte sich der Innenminister überlegen einen zweiten Gutachter zu bestellen. Jemand, der Polizisten in NRW ausbildet, ist vielleicht nicht der objektivste Gutachter, den man sich vorstellen kann. Es gibt in diesem Land viele Juristen. Das Land würde gut daran tun, die Stimme eines weiteren zu hören – und vielleicht ist der dann auch ein wenig unabhängiger. Aber das ist nur die Frage der juristischen Auseinandersetzung, diese ist jedoch in dieser Frage nicht die eigentlich interessante: Die Frage, ob das Verhalten der Polizei in Ordnung war, ist eine politische, und sie muss auch politisch beantwortet werden. Auf wessen Seite steht die Polizei? In Duisburg stand sie auf der Seite von einem gewalttätigen, antisemitischen Mob und tat alles, um diesen zu beruhigen. Auf der Seite des Bewohners der Clausbergstraße, der seine Solidarität mit Israel zeigte, stand sie nicht. Sein Recht auf freie Meinungsäußerung war anscheinend kein schützenswertes Gut.  

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Andreas
15 Jahre zuvor

Die Frage ob das Verhalten der Polizisten in Ordnung war ist keine politische und genau das darf sie im Rechtsstaat auch nicht werden.
Genauso, wie die Autonomen in Wuppertal heute solange ihre Meinung kundtun können, bis von ihren Aktionen eine Gefahr ausgeht, durfte die Polizei gegen die Israelfahnen vorgehen, weil diese den ausdrücklichen Zweck hatten, eben ein von der angemeldeten Demonstration sich entwickelnde Gefahr zu provozieren.
Die Meinungsfreiheit des Studenten – oder von irgendwem – ist kein absolutes Recht sondern kann und muß gegen Rechte anderer abgewogen werden.
Es ist völlig zurecht bei jeder Demonstration so, dass die direkte Konfrontation mit Gegendemonstranten verhindert wird.
Wir wollen nämlich nicht, dass sich Hitzköpfe gegenseitig die Schädel einschlagen. Das ist eine zur zeit noch wirksame zivilisatorische Errungenschaft, die wir uns ruhig erhalten sollten.

Philipp
Philipp
15 Jahre zuvor

Die Argumentation von Herrn Scholz ist alles andere als überzeugend.

Zum einen wurden die Israel-Fahnen – anders als Sie behaupten – keineswegs mit dem Ziel aufgehangen, die Demonstranten zu provozieren. Derjenige der sie aufgehangen hat, wollte seine Solidarität mit Israel zum Ausdruck bringen. Das ist sein Recht.

Zum anderen hätte man diejenigen, die die Fahne mit Gegenständen beschmissen haben, festnehmen müssen, da dies eine Straftat darstellt. Stattdessen gelangte die Polizei zu dem Schluss, es sei besser die Tür der Wohnung einzutreten, um die erregten „Hitzköpfe“ nicht weiter zu provozieren. Man muss sich das mal vorstellen, die Polizei verhaftet nicht die Demonstranten, die sich strafbar machen durch Beschädigung fremden Eigentums und Rufen verfassungsfeindlicher Parolen, sondern stürmt die Wohnung.

Anders als Sie habe ich nichts dagegen, wenn sich Hitzköpfe gegenseitig den Kopf einschlagen; so lange es aber mein Kopf ist, habe ich sehr wohl etwas dagegen. Die Aggression der „Hitzköpfe“ bezog sich wohlgemerkt auf Juden. Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn die Polizei – statt zu deaskalieren und zu kuschen – Stärke gezeigt hätte und das kriminelle Verhalten der „Hitzköpfe“ sanktioniert hätte.

Stefan Laurin hat vollkommen Recht, eine Woche später hat die Polizei richtig gehandelt und aus ihrem Fehler gelernt, was ich sehr gut finde.

Man hat gesehen, dass die türkischen und arabischen Demonstranten nur so weit gehen , wie man es ihnen gestattet. Und es spricht als diejenige staatliche Institution, die das Gewaltmonopol inne hat, nichts dagegen, von diesem Recht Gebrauch zu machen. Wenn es nötig ist, soll die Polizei Stärke demonstrieren.

Andreas
15 Jahre zuvor

@ Stefan Laurin
es ist sicher richtig, dass der Innenausschuss das Geschehen politisch zu bewerten hat. Dennoch, die Polizei ist kein politisches Werkzeug und darf es auch nicht sein.
Sie hat Gefahren abzuwehren und ggfs. Straftaten zu verfolgen.
Es ist i.ü. auch etwas anderes, ob Menschen am Rande eines Demonstrationszuges in einer kleinen und erkennbar friedlichen Gruppe stehen; ob, wie in Duisburg gezielt provoziert wird. Da wollte jemand eine erwartete Reaktion bei den überwiegend türkisch-muslimischen Demonstranten erreichen, und hat diese auch bekommen.
Sich dann darüber zu erregen, die Polizei hätte die Provokation schützen müssen, ist einfach genau so dumm, wie auf die Provokation einzugehen.
Wenn die Polizeiführung in einer solchen Situation deeskalieren kann, und mit dem Entfernen der Fahne konnte sie das mit einfachsten Mitteln, dann muß sie das tun.
Wäre es besser gewesen, eine mögliche Eskalation abzuwarten und möglicherweise am Ende ein Haus löschen zu müssen?

Arnold Voß
Arnold Voß
15 Jahre zuvor

@ Andreas

Die Nationalflagge eines demokratischen Staates im Fenster ist ein Provokation? Wenn man die sieht, dann darf man das Haus mit Flaschen und Steinen bewerfen? Oder sogar stürmen? Und um das zu verhindern wird von der Polizei eher die Flagge mit Gewalt und per Hausfriedensbruch entfernt als dass dem Straßenmob einhalt geboten wird, der diese Flagge als Provokation empfindet?

Soll das ein Witz sein? So gesehen hätten die Nazis die die 1Mai-Demo in Dortmund angegriffen haben, das Recht auf Auflösung dieser Demo gehabt, wenn sie in der Mehrheit und/oder noch aggressiver gewesen wären. Denn die 1.Mai Demonstranten waren eindeutig für die Nazis eine ähnliche Provokation wie für die Hamasfans die Israelfahne.

Andreas, das meinen sie doch nicht ernst, oder?

Der Belgarath
Der Belgarath
15 Jahre zuvor

„Wer den Sumpf trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen!“ lautet nicht umsonst ein altes Sprichwort.

Wer um alles in der Welt ist denn auf die Idee gekommen, ausgerechnet einen Professor einer Fachhochschule (!) für öffentliches Recht (!) mit der Erstellung eines solchen Gutachten zu beauftragen?

Wir haben in NRW eine ganze Reihe hervorragender Professoren und Fachleute für öffentliches Recht, Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Verfassungsrecht.

Und da muß man jemanden beauftragen, der bei der Polizei in Lohn und Brot steht?

Ich fasse es nicht!

Philipp
Philipp
15 Jahre zuvor

Ich kann Herrn Voss nur zustimmen (siehe 3. Kommentar)

Ich würde mir eine Stellungnahme von Andreas Scholz wünschen.

Andreas
15 Jahre zuvor

@ Arnold Voss und Philipp
Wir sind jetzt zwar wieder ein wenig neben dieser und dafür mehr bei der eigentlichen Sache.
Selbstverständlich kann sich jeder die Fahne seiner Wahl ans Fenster hängen, von mir aus auch Nordkorea. Wenn es denn schön bunt ist.
Wenn ich mir aber eine Fahne des demokratischen Staates genau aus dem Anlaß einer Demonstration wegen sehr heftiger Kriegsverbrechen eben dieses Staates ans Fenster hängen, dann weiß ich dass die Teilnehmer dieser Demonstration in Mithaft für diese Kriegesverbrechen nehmen.
Natürlich kann ich mich auf den Standpunkt stellen, dass ich diese Fahne eben nur wegen ihrer hübschen Farbe heraushänge. Die Kriegsverbrechen sind natürlich nie geschehen, denn rechtfertigen will ich sie schließlich auch nicht.
Provoziere ich jetzt?

Arnold Voß
Arnold Voß
15 Jahre zuvor

@ Andreas
Die deutsche Fahne ist auch mit Kriegsverbrechen verbunden, sowie die der Hamas, die der Türkei, der USA usw. usw. Je nachdem aus welcher politischen Perspektive man darauf schaut. Trotzdem bleibt eine Fahne eine Fahne. Aus welchem Grund auch immer sie aufgehängt wurde, sie kann nicht angreifen, prügeln, Steine werfen usw.

Ihr Argumentation ist politisch einseitig und sachlich dumm. Was soll daran provozierend sein?

Und nochmal, nach ihrer Argumentation hätten die Nazis die die 1Mai-Demo in Dortmund angegriffen haben, das Recht auf Auflösung dieser Demo gehabt, wenn sie in der Mehrheit und/oder noch aggressiver gewesen wären. Denn die 1.Mai Demonstranten waren eindeutig für die Nazis eine ähnliche Provokation wie für die Hamasfans die Israelfahne.

Mit-Leser
Mit-Leser
15 Jahre zuvor

Wenn ich Andreas richtig verstehe, geht es ihm hier nicht um das Prinzip (Israel ist ein anerkannter Staat, Meinungsäußerung muss erlaubt sein etc.), sondern darum das Handeln der Duisburger Polizei einzuordnen.

Ich persönlich glaube auch nicht (wie Andreas), dass die Aktion der Duisburger Polizei politisch motiviert war, sondern in erster Linie der Deeskalation diente. Politisch unklug war das Handeln natürlich trotzdem – das merkt man ja alleine an den Reaktionen vieler empörter Menschen.

Der Fall in Duisburg ist aber sehr komplex – da werden schnell viele unterschiedliche Dinge in einen Topf geworfen und ungünstig miteinander vermischt. Wenn man den Fall auseinander nimmt, sieht man vor allem vier Punkte:

1) Unterschiedliche Haltungen zum Nahost-Konflik sowie die sensible Beziehung Deutschland-Israel
2) Das Eindringen der Polizei in die Privaträume von Bürgern – ohne Durchsuchungsbefehl
3) Die Motivation des antideutschen Fahnenaufhängers
4) Die gewalttätigen Demonstranten auf der Straße

Ich persönlich bin weiterhin der Meinung, dass die Polizei vor Ort überfordert war und deeskalieren wollte. Mehr nicht. Ich glaube nicht, dass sie sich auf die Seite der Hamas gestellt hat – oder Position gegen Israel beziehen wollte. Ich glaube aber auch nicht, dass der antideutsche Student nicht wenigstens ein bisschen provozieren wollte.

Desweiteren bin ich aber auch nicht der Auffassung, dass die radikalen Demonstranten im Recht waren. Doch wie man aus dem Untersuchungsbericht liest, stand die Polizei damals vor einem echten Dilemma: ein paar hundert Hamas-Anhänger einkesseln oder eine Fahne abhängen. Ich will damit nicht sagen, dass ein Eindringen in Privaträume in Ordnung geht. Und ich will auch nicht, dass der Mob regiert. Aber wie gesagt: In diesem Forum hier wurde mehrfach versucht, die Polizeiaktion als „Israelfeindlich“ auszuschlachten. Das halte ich für ziemlich überzogen. Zumal ich auch schon erlebt habe, dass bei einer antideutschen Demo provozierende Hamas-Anhänger Platzverbot erteilt bekommen haben. Oder gestern: bei einer dieser bescheuerten 1.Mai-Randaledemos hat ein Nazi auf seinem Balkon den Hitlergruß gemacht, um die „Linken“ auf der Straße zu provozieren. Kurz darauf war die Polizei bei ihm. Klar: hier muss man aber natürlich auch wieder differenzieren. Der Hitlergruß ist schließlich verboten – und Israel ein demokratischer Staat. Daher unterscheiden sich die Symbole deutlich. Wie gesagt: es ist eine ziemlich komplexe Situation, die man nicht – wie im Journalismus heutzutage üblich – vereinfachen sollte.

Andreas
15 Jahre zuvor

Lieber Arnold Voss,
ich weiß nicht bei welcher Demo Sie gestern mitgegangen sind. Ist mir auch wurscht.
Wenn Sie aber mal dabei erwischt werden, wie Sie versuchen einen Mob aufzupuschen, dann hoffe ich, dass die Polizei in der Nähe ist. Verstehen Sie diese einfachen Sätze?

Arnold Voß
Arnold Voß
15 Jahre zuvor

@ Andreas

Verstehe ich sie richtig? Wenn ich also eine Minderheitenposition oder eine sonstige oppositionelle Meinung gegen die Mehrheit mit einer Flagge, Abzeichen, Kleidungstücken usw. offen und in Anwesenheit der Mehrheit zeige (demonstriere), dann bin ich schuld, wenn diese mir die Fresse poliert bzw. die Polizei mich davor bewahrt und mich in Gewahrsam nimmt oder in meine Wohnung einbricht um z.B. meine Flagge abzuhängen?

Und wenn ich z.B. ein schwarze Hautfarbe habe und mich direkt und politisch absichtlich gegenüber einer Demonstration des Kukluxclan befinde, muss ich gehen und nicht die Rassisten, weil die durch meine Hautfarbe provoziert werden?

Und wenn ich mich z.B. als Ungläubiger mit einem T-Shirt mit der Aufschrift „Gott geht mir am Arsch vorbei“ politisch absichtlich neben fundamentalistischen Christen bewege, dann bin ich schuld, wenn die mir das Hemd vom Leib reißen und mich tot schlagen?

Andreas, Minderheiten- und oppositionelle Meinung sind, egal ob sie einem passen oder nicht, sofern sie vom Grundgesetz gedeckt sind, ein fundamentales Bürgerrecht. Dieses Grundrecht gilt in jeder Situation und ist nicht teilbar. Seine Ausübung ist deswegen auch keine Provokation und kann es auch gar nicht sein. Selbst wenn es von dem, der das tut, so gemeint ist. Vielmehr ist es der zentrale praktische Ausdruck einer Demokratie.

Die, die das als Provokation ansehen und – weil sie sich als Mehrheit stark genug fühlen- auf diese Minderheit losgehen obwohl sie von dieser nicht angegriffen wurden , sind nichts anderes als Feinde der Demokratie. Die Polizei, die nicht gegen diese vorgeht sondern gegen die Minderheit die diese „provoziert“ , ist keine demokratische Polizei (mehr).

Verstehen sie diese einfachen Sätze? ….Und beantworten sie endlich die in meinem ersten Comment formulierte Frage: Ist es richtig, dass nach ihrer Argumentation die Nazis die die 1Mai-Demo in Dortmund angegriffen haben, das Recht auf Auflösung dieser Demo gehabt hätten, bzw.die Polizei verpflichtet gewesen wäre diese aufzulösen, wenn die Faschos in der überwältigenden Mehrheit gewesen wären. Denn die 1.Mai Demonstranten (und natürlich ihre Fahnen und Symbole) waren eindeutig für die Nazis eine ähnliche Provokation wie für die Hamasfans in Duisburg die Israelfahne.

Angelika
Angelika
15 Jahre zuvor

Sie scheinen auch sonst Problem mit der israelischen Flagge zu haben, Andreas Scholz.

Siehe Ihr blog:

„…Nun war ich am 28.04.2009 in der Synagoge in Recklinghausen bei einem Klezmer-Konzert, das die GRÜNEN in den Räumen der jüdischen Gemeinde veranstalteten.
Gleich rechts neben dem Toraschrein hing eine Israelfahne.
Bei meinen beiden früheren Besuchen in der Synagoge war mir eine solche Fahne nicht aufgefallen.
Höre ich dann auf die häufig russischen Stimmen der Gemeindemitglieder, erschließt sich mir diese Art der Vorläufigkeit, ausgedrückt durch eine Fahne eines Nationalstaates nicht.

Warum müssen religiöse Stätten mit fremden staatlichen Symbolen verknüpft werden?…“

In Israel ist es in den Synagogen nicht so, außerhalb Israels (also in der Diaspora – siehe dazu mehr in der unten erwähnten Rede) ist es so (auch in den USA, Großbritannien usw.).

Charlotte Knobloch hat in ihrer Rede zum 60. Geburtstag des Staates Israel (14. Mai 2008 )m.E. eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht, was die Juden in der Diaspora (siehe ihre Rede) mit dem Staat Israel verbindet. Sie finden den Text der Rede auf den net-Seiten des ZdJ.

hier der link:
https://www.zentralratdjuden.de/de/topic/359.html

Andreas
15 Jahre zuvor

@ Arnold Voss

ihre Frage ist schlicht absurd.
Für mich steht fest, dass keine Meinung das Recht hat, mit Gewalt durchgesetzt zu werden. Und keine Meinung hat das Recht Gewalt zu provozieren.
Wenn es für Sie das Gleiche ist, mit Schneebällen ein Haus zu bewerfen, oder mit Steinen Menschen, so ist das ihre Sache; ich sehe da mehr als graduelle Unterschiede. Und genau deshalb finde ich die Aktion der Polizei in Duisburg richtig und notwendig. Auf diese Weise wurde möglicherweise Schlimmeres verhütet. Oft gelingt das nicht.

@ Angelika

ich habe überhaupt kein Problem mit der israelischen Flagge. Ich finde nur, dass türkisch-muslimische Kulturvereine nicht für die gleiche Tat gegeißelt werden dürfen.
Es ist für mich übrigens eine Selbstverständlichkeit, dass Religion politisch organisiert. Deshalb finde ich es eigentlich grundsätzlich nicht vorwerfbar, dass genau das auch im Alltag deutlich wird.
Es macht mir weder etwas aus in einer Moschee auf Socken die türkische Fahne zu sehen, noch mit (Leih)Kippa in einer Synagoge die israelische.

Arnold Voß
Arnold Voß
15 Jahre zuvor

@ Andreas

Nicht meine Frage sondern ihre Position ist absurd. Sie beweisen die von ihnen behauptete Provokation schlicht durch ein Zirkelschluss, der lautet: Immer wenn eine Meinung Gewalt hervorruft, dann ist, respektive war sie eine Provokation. Nicht die Meinung zählt. Auch nicht ob sie friedlich oder unfriedlich vorgetragen wurde.Einzig und allein ihre Wirkung auf die, die sie nicht
bzw.die gegenteilige Position vertreten, zählt. Recht hat nach dieser Argumentationsweise also immer der, der sich provoziert fühlt und deswegen Gewalt gegen den ausübt, durch den er sich provoziert fühlt. Egal ob der „Provokateur“ Gewalt ausgeübt hat oder nicht.

Demnächst werden sie auch noch dafür plädieren, dass eine Vergewaltigung dann nicht strafbar ist, wenn eine Frau diese durch das Tragen eines kurzen Rocks „provoziert“ hat. Erst recht wenn sie dies in einem mehrheitlich von streng Gläubigen bewohnten Viertel getan hat. Zumindest wären sie aber doch dafür, dass diese Frau um eine solche mögliche Vergewaltigung zu verhindern, von der Polizei sofort in Schutzhaft genommen werden sollte.

Nach ihrer Ansicht müsste auch der sogenannte Ehrenmord nicht strafbar sein, weil es sich dabei um eine absolut verständliche Reaktion auf eine „Provokation“ handelt. Wer die „Ehre“ von Brüdern und Vätern „beschmutzt“ muss sich doch nun wirklich nicht wundern, dass die so „Provozierten“ sich zu Wehr setzen.

Und überhaupt, mein lieber Andreas, ist nicht eine Minderheit schon per se eine Beleidigung der Gefühle der Mehrheit? Erst recht wenn sie ihre andere Art zu leben auch noch demonstriert? Z.B. in dem sich Menschen gleichen Geschlechtes öffentlich küssen? Das „provoziert“ natürlich die Menschen, denen beigebracht wurde, dass das wider die menschliche Natur, wider Gott, wider die Gemeinschaft, wider die Tradition usw. usw. ist.

Freiheit, mein lieber Andreas, ist immer (auch) die Freiheit der Andersdenkenden. Schon mal was davon gehört? Und die Grenzen dieser Freiheit definiert in Deutschland das Grundgesetz und nicht die (natürlich immer subjektiven) Gefühle der jeweils davon Betroffenen.

… ach ja, wo habe ich geschrieben, dass jemand seine oppositionelle Meinung dadurch demonstriert, dass er Steine auf Menschen wirft? Nicht nur, dass ich das nie in meinem Leben getan habe und auch nie tun würde. Nein, es geht mir auch in dieser Debatte ausschließlich um die friedliche und öffentliche Darstellung dieser anderen Meinung/ Lebensweise/ Werthaltung/ Solidarität.

Andreas
15 Jahre zuvor

@ Arnold Voss
Sie beginnen mich ernsthaft zu langweilen.
Ich lehne jede Meinungsbekundung ihrer form nach ab, die darauf gerichtet ist, den wirklichen oder mutmaßlichen Gegener zu brüskieren und zu provozieren.
Das bedeutet überhaupt nicht, dass derjenige der sich provozieren läßt, dadurch „in´s Recht“ gesetzt würde.
Mit dieser Logik können wir nicht weiterkommen.
Wer sich durch das private Verhalten anderer provoziert fühlt, hat nocheinmal ein ganz anderes Problem, als jene die politische Meinungen mit rhetorischen Keulen verarbeiten wollen.
Wenn beide Ebenen vermischt werden, wird leicht eine sehr üble Angelegenheit daraus.
Und genau diese üble Zuspitzung zu verhindern, ist Aufgabe des Staates.
Nicht in diesen Auseinandersetzungen sich zur Partei zu machen, sondern die Parteien zu trennen, ist Aufgabe der Polizei. Dass dabvei Straftaten zur verfolgen sind ist eine Binsenweisheit; aber auch dabei kann man eskalieren oder deeskalieren.
Sie reden fortwährend polizeilicher Härte das Wort, wenn sie sich gegen den aus ihrer Sicht richtigen Gegner richtet.

Wissen Sie, viele, die den Spruch von Rosa Luxemburg im Munde führen, sind immer nur zu leicht mit dem Gedanken an ihre eigene Freiheit (oder das, was sie sich darunter vorstellen) beschäftigt.

Die Steine wurden in Dortmund auf Gewerkschafter geworfen und Sie haben das mit den Schneebällen auf die Israelfahne gleichgesetzt. Vielleicht mögen Sie mal darüber nachdenken.

Arnold Voß
Arnold Voß
15 Jahre zuvor


Niemand muss sich hier von mir langweilen lassen, geschweige denn ist jemand gezwungen mir zu antworten. Da sie es aber immer wieder tun, bekommen sie auch jetzt eine Antwort.

Das Grundgesetzt kennt keine „richtigen“ und „falschen“ Gegner sondern nur die Gegner des Grundgesetzes bzw.der dort gewährten Freiheiten. Es ist mir persönlich auch egal, welche Fahne aus einem Fenster entfernt wird, sondern es geht mir nur darum, dass sie mit staatlicher Gewalt entfernt wurde, weil es Leute gibt/gab, die sich durch sie „provoziert“ gefühlt haben.

Die Polizei macht sich nicht zur Partei, wenn sie die Freiheitsrechte schützt die durch das Grundgesetz gewährt werden. Sie ergreift in diesen Fällen, wenn überhaupt, Partei für das Grundgesetz. Ich habe auch nichts dagegen, wenn die Polzei sich gewalttätig streitende Demonstranten trennt, ganz im Gegenteil. Das hat sie aber in Duisburg im „Flaggenfall“ nicht getan, sondern für die Seite der in der aktuellen Situation stärkeren Gruppe Partei ergriffen. Dabei ist es völlig egal ob sie das aus taktischen oder sonstwelchen Gründen getan haben. Im Ergebnis läuft es nämlich auf das Gleiche hinaus.

Wenn dies z.B. die israelfreundliche gewesen wäre und die Fahne eine Palästinenserfahne, dann wäre mein Position genau die gleiche. Freiheit ist genauso wenig eine Einbahnstraße wie Respekt. Wer in Deutschland für Palästina und/oder gegen Israel demonstrieren darf, der muss akzeptieren dass das Umgekehrte genauso erlaubt ist, und zwar gleichzeitig und am gleichen Ort.

Genauso verlange ich auch von einer demokratischen Polizei z.B. dass sie sowohl eine Kopftuch und knöchellanges Kleid tragende wie eine mit Minirock und großzügigem Ausschnitt ausstaffierte Frau vor denen schützt, die sich jeweils durch sie „provoziert“ fühlen. Das zu meiner von ihnen vermuteten politischen Einseitigkeit. Wenn sie das immer noch langweilt, dann antworten sie mir einfach nicht mehr.

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