Von Detroit lernen

strandbarAm 16. September stellt die Initiative Recht auf Stadt Ruhr im Nordpol in Dortmund mit einer Mischung aus Diskussion und Party ihr Manifest  „Von Detroit lernen“ auf einet Mischung aus Diskussionsveranstaltung und Release-Party vor. Mit dem  freundlichen Einverständnis von Recht auf Stadt Ruhr stellen wir den Ruhrbarone-Lesern den Text vor.

Detroit gilt als der Inbegriff der postindustriellen Stadt. Der Rückzug der großen Industrien hat diese Stadt massiv verändert. Auch im Ruhrgebiet begann der Strukturwandel in den 60er Jahren. Doch der Prozess der Deindustrialisierung hat hier sein Ende noch nicht erreicht. Die sozialen Tragödien und der Verfall des Ruhrgebiets werden hinter dem Wortgeklingel „Metropole Ruhr“ oder „Region im Wandel“ versteckt. Wir möchten ihnen hingegen tatsächlich ins Auge sehen: der Armut, der sozialen Segregation, der Abwanderung, dem Leerstand und der Langeweile. Wir

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„Israel ist der Jude unter den Staaten“

Tel Aviv
Tel Aviv

Das „Bündnis gegen Israelkritik“ engagiert sich gegen Antisemitismus. Unser Gastautor Benedikt Johannes hat mit Markus Reissdorf, dem Sprecher des Bündnisses, gesprochen.

Warum habt ihr euer Bündnis „Bündnis gegen Israelkritik“ genannt? Wollt ihr Israelkritik verbieten?

Reissdorf: Nein, wir wollen nichts verbieten. Doch sind wir, wie der Name unseres Bündnisses schon sagt, gegen Israelkritik. Dieser Reaktion begegnen wir jedoch ziemlich häufig, ebenso wie der Floskel `Man wird doch Israel noch kritisieren dürfen`. Anders als diejenigen, die so fragen, glauben machen wollen, ist Israelkritik in Deutschland aber ein Massensport und keine unterdrückte Meinung. Schon das eingeschliffene Wort der Israelkritik, für das es keine Entsprechung für andere Länder gibt, macht deutlich, dass es sich um eine Worthülse handelt. Es gibt keine Spanienkritik oder Frankreichkritik. Es geht den Israelkritikern um eine zeitgemäße Formulierung ihres antisemitischen Ressentiments. Konkret bezogen auf die Ereignisse der letzten Wochen ist Israelkritik das Ticket, das jeder Antisemit lösen kann, ohne von der Staatsräson, die den offenen Antisemitismus ja verbietet, in die Schranken gewiesen zu werden. Die sogenannten Differenzierungen, die zwischen Judenhass und Israelkritik unterscheiden wollen, wurden von den Antisemiten verstanden, und an ihre Demonstranten durchgereicht: Sagt nicht „Juden“, sondern sagt „Zionisten“.

Ist also jede Kritik an Israel antisemitisch?

Unter den gegebenen Voraussetzungen ist jede Israelkritik

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Islamischer Staat: Joseph Conrad, Marlon Brando und die Pick-Up-Kohorten

Joseph Conrad
Joseph Conrad

Die Propaganda von IS/ ISIS besteht in dem Versprechen, Gewalt zu entgrenzen, soll man deren Bilder zeigen oder nicht? Genauer: Soll man sie zeigen, damit wir sie lesen lernen, oder nicht zeigen, weil wir sie lesen können. Ein Versuch von unserem Gastautor Thomas Wessel. 

„Ein junger Mann posiert vor einem Zaun mit spitzen Elementen, wie er hierzulande in gutbürgerlichen Gegenden als Zierde und Grenzmarkierung vor gepflegten Vorgärten gut vorstellbar wäre. Auf den Zaunspitzen in jenem Foto aber stecken abgeschlagene Köpfe.“

So beschreibt Caroline Ulh auf welt.de ein Foto, mit dem sich der ISIS beim WDR vorgestellt hat, „Hart aber fair“ hat es am Dienstag als Einstieg genutzt. Uhl meint, man hätte „kaum hässlicher zeigen können, um wen es geht“ – ist das so? Das Motiv, wenn man es so nennen will, hat eine europäische Geschichte:

„… einundzwanzig Köpfe wurden nach Stanley Falls gebracht, wo Kapitän Rom sie als Einfriedung eines Blumenbeetes vor seinem Haus eines hohen Offiziers aufstellte.“

So 1897 Edward James Glave, britischer Geschäftsmann im Kongo, wo Leopold II., belgischer König aus deutschem Haus, zwischen 1885 und 1908 ein auch für damalige Verhältnisse äußerst

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„Wo sollen wir denn hin? Schon wieder wissen wir nicht wohin?“

Gabriel Goldberg auf der Kundgebung in Köln Foto: Privat

Am vergangenen Sonntag hielt Gabriel Goldberg auf einer Demonstration gegen Antisemitismus in Köln eine sehr persönliche Rede, die wir hier wiedergeben.

Verehrte Anwesende,

vielen Dank, dass Sie so zahlreich zu dieser Veranstaltung erschienen sind.

Und vielen Dank an das Bündnis gegen Antisemitismus Köln, eine Organisation die erst kürzlich gegründet wurde, eine Organisation, bestehend aus jungen, idealistischen Menschen, die beschlossen haben, ihr Schicksal selbst in die Hände zu nehmen.

Ich wurde gebeten, einen Redebeitrag über die Befindlichkeit eines Juden in Deutschland, im Sommer 2014 zu halten. Ich möchte anmerken, dass ich nicht für alle deutschen Juden sprechen kann, ich spreche für mich.

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NRW: „Wie es sein kann, dass die Polizei unseres Landes holocaustrelativerende Banner und Schilder zulässt?“

Daniel Schwerd, MdL, Piraten-NRW
Daniel Schwerd, MdL, Piraten-NRW

Unser Gastautor Roland Kaufhold sprach mit dem NRW-Piraten Landtagsabgeordneten Daniel Schwerd. Der Text ist ein Crosspost von Hagalil.

Ich habe Sie vor zwei Tagen auf der Kölner Kundgebung des neugegründeten linken Kölner Bündnisses gegen Antisemitismus getroffen. Es kamen 250 Teilnehmer, nach einer extrem kurzen Mobilisierung von zwei Wochen. Wie hat Ihnen die Kundgebung inhaltlich gefallen?

Ich bin sehr froh, dass diese Kundgebung trotz des so kurzen Vorlaufes ein so großes Echo gefunden hat. Wenn sich dieses Bündnis ein wenig etabliert hat, dann kommen vielleicht noch weitere Unterstützer hinzu, darüber würde ich mich sehr freuen. Ich fand insbesondere die Berichte von der Demonstration in Essen wichtig, damit diese Vorkommnisse dokumentiert werden, auf dass sie sich nicht wiederholen. An künftigen Demonstrationen möchte ich mich gerne wieder beteiligen.

In den letzten Wochen gab es hierzulande eine Eskalation von antisemitischen Ausfällen, Bedrohungen und Beleidigungen. Neben „Hamas-Gruppierungen“ waren hieran insbesondere Vertreter der Linken aus NRW beteiligt. Sie haben in sehr deutlichen Worten vor dieser Entwicklung gewarnt: „Die aktuelle Auseinandersetzung im Nahen Osten darf nicht den Vorwand liefern, dass Antisemitismus in unserem Lande wieder salonfähig wird, und ungeahndet in unserem Land verbreitet werden darf. Es ist möglich, legitime Kritik am Krieg und an

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„Wir lassen uns nicht den Mund verbieten“

Robin Becker Foto: Privat
Robin Becker Foto: Privat

Robin Becker über das neue Bündnis gegen Antisemitismus in Köln. Von unserem Gastautor Roland Kaufhold.

Im Juni gab es eine friedliche Pro-Israel- Demonstration in Köln mit 200 Teilnehmern. Nun hat sich in Köln ein Bündnis gegen Antisemitismus gegründet. Gibt es da Zusammenhänge?
Wir begrüßen es sehr, dass die Veranstalter im Juni schnell reagiert und mehrere Pro-Israel-Demonstrationen organisiert haben. Ende Juli haben wir uns dazu entschlossen, ein Bündnis gegen Antisemitismus zu gründen, um ein langfristiges Forum zu schaffen, in dem man sich kontinuierlich austauschen und engagieren kann. Die Kundgebung ist dabei nur der Auftakt, wir hoffen durch die Arbeit im Bündnis noch weitere Schwerpunkte setzen zu können, die im Juni noch kein Thema waren.

Wer ist an Ihrem Bündnis beteiligt? Soll es breit aufgestellt werden?
Das Bündnis wurde erst vor zwei Wochen gegründet, die Initiative ging von einer gesellschaftskritischen Gruppe in Köln aus. Momentan konzentriert es sich auf die Vorbereitung der Kundgebung und besteht hauptsächlich aus Personen, die sich schon seit Längerem mit Antisemitismus beschäftigen und Erfahrung in der Durchführung und Planung von Kundgebungen haben. Nach der Demonstration soll das Bündnis aber möglichst schnell wachsen und zu einer verlässlichen und beständigen Organisation in Köln werden.

Die SPD-Abgeordnete Michaela Engelmeier, die auf der Kölner Demonstration eine mutige Rede gehalten hat, hat anschließend massive Beleidigungen bis hin zu Morddrohungen erhalten. Wie gehen Sie damit um?

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It’s the religion, stupid

Thomas Wessel Foto: Privat
Thomas Wessel Foto: Privat


„Dschihadist aus Dinslaken“, vor kurzem noch hätte man so eine Zeile für einen Funny-van-Dannen-Song gehalten, jetzt liest man, es seien ein paar Tausend Europäer, die ein paar Tausend Kilometer reisen, um an gottverlassenen Orten einen „Märtyrertod“ zu suchen. Und die Religionskritik? Sortiert sich die Welt entlang just jener Götter, von denen sie eben noch dachte, dass es sie nicht gibt. Weit hinter der Türkei schlagen sie aufeinander ein? It’s the religion, stupid. Im Orient schlachten sie einander ab? Steht so im Koran. In Afrika toben Kämpfe? Auch irgendwie religiös gestimmt, das Gemetzel. Unterm Strich: Nirgends kein Schöpfer, aber die Kriege, die hat er gemacht. Hier eine andere These: Was die Gewalt befeuert, ist nicht der Glaube, sondern der Zweifel an ihm. Von unserem Gastautor Thomas Wessel.

Zur Begründung ein Blick an die „Grenzen der Aufklärung“, so haben HORKHEIMER/ADORNO ihre Analysen des Antisemitismus untertitelt. Die verschiedenen Elemente, die sie beschreiben, ergeben keine geschlossene Theorie, machen aber gerade deshalb deutlich, wie wandlungsfähig das antisemitische Weltbild ist: Links-deutsch gesprochen ist es die fortgeschrittenste Form falschen Bewusstseins, immer auf der Höhe der Zeit. Darin aufgehoben immer auch Religion, der Gedankengang von Horkheimer/Adorno geht so:

Wie alles Denken ist Religion ein Risiko  –  man kennt den Weg, kann aber nicht sicher sagen, ob es das Ziel überhaupt gibt. So unverbindlich das Ziel, so ungewiss der Weg dahin. Das macht die Schönheit des religiösen Denkens aus: keiner ist nie angekommen, nichts ist nie vollendet, der Zweifel Zwilling des Glaubens. Just hier aber, in dieser „Unverbindlichkeit des geistlichen Heilsversprechens“, die immense Kreativität frei setzen kann, just hier orten Horkheimer/Adorno den „religiösen Ursprung des Antisemitismus“. Warum? Weil es Juden gewesen sind, die den Zweifel verkörpert haben: Jüdische Theologie hat die blamiert, die Menschenopfer dargebracht haben  –  auch in der Antike waren das so ziemlich alle –  und hat dann, den Christen gegenüber, so reagiert wie ein chassidischer Rabbi noch Jahrhunderte später: Als das Gerücht aufkam, der Messias sei gekommen, trat er ans Fenster und sah hinaus  –  „Da ist keine Erlösung.“

Diesen Zweifel am versprochenen Heil nennen Horkheimer/Adorno das „jüdische und negative Moment in der christlichen Doktrin“, es ist die Kritik der Religion in der Religion. Diejenigen aber, und das ist der Punkt, die solchen Zweifel verdrängten und „mit schlechtem Gewissen das Christentum als sicheren Besitz sich einredeten, mussten sich ihr ewiges Heil am weltlichen Unheil derer bestätigen, die das trübe Opfer der Vernunft nicht brachten. Das ist der religiöse Ursprung des Antisemitismus.“

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Libertäre Medienmesse: „Anarcho-Kapitalisten segeln unter falscher Flagge“

zechecarl_maerz10_1kZwischen dem 29. und 31. August wird in der Zeche Karl in Essen die dritte libertäre Medienmesse stattfinden. In unserem Interview erklärt Hans, einer der Veranstalter, warum. Und nebenbei ein bisschen, was Anarchismus bedeutet.  Von unserer Gastautorin Ronja Mercedes Nabert

Das Internet ist so etwas wie die größte Messe der Welt. Mit Anhängern des Primitivismus oder Öko-Anarchismus ist bei der LiMesse doch bestimmt  nicht zu rechnen. Um was geht es Euch? 

Im Internet gibt es zwar schon sehr viel, aber noch gibt es doch zahlreiche weitere Medien. Eben diesen wollen wir eine Plattform geben. Natürlich ist das nicht alles. Das wichtigste an einer Messe ist ja der persönliche Kontakt. Das Ziel der ersten Libertären Medienmesse, nämlich zu helfen eine effektive Selbstorganisation von Medienschaffenden mit an zu stoßen, haben wir ja damals leider nicht erreicht. Inspiriert durch die Messe entstand zum Jahreswechsel 2010/11 die Gǎi Dào als neues anarchistisches Monatsmagazin, das gleich mehrere Medien nutzt. Jetzt, auf der dritten Libertären Medienmesse stellt sich auch die tatsächlich entstandene „Anarchistische Föderation Rhein/Ruhr“ vor. Neben einer dreimonatigen Kampagne mit dem Titel „Zeit für Plan A“ (Winter 2013) haben sie aktuell im August 2014 auch noch eine Kampagne mit dem Titel „Heute wie vor hundert Jahren: Krieg dem Krieg!“ veranstaltet.

Seit der ersten Libertären Medienmesse ist die Öko-Anarchistische Fraktion übrigens mindestens durch die Graswurzelrevolution (GWR) vertreten. Auch dieses mal hat die GWR einen eigenen Stand. Darüber hinaus wird es aus dem Öko-Anarchistischem Spektrum auch Veranstaltungen auf der Messe geben.

Wenn Ihr gerade keine Medienmessen veranstaltet, veranstaltet Ihr Büchermessen. Werden Bücher heute noch gelesen?  

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Antifa Witten warnt vor Antisemitismus

“Fuck Israel” an der Synagogenstraße, neben der Shoa-Gedenktafel.
“Fuck Israel” an der Synagogenstraße, neben der Shoa-Gedenktafel.

Antifas aus Witten: Antisemitische Parolen an den Wänden. Antiisraelische Propaganda in der WAZ. Die Welle antisemitischer Vorfälle hat längst auch Witten erreicht. Von unseren Gastautoren der Antifa Witten.

Bereits in der Nacht zum Freitag, den 1. August 2014, sprühten Unbekannte antisemitische Parolen in der Wittener Innenstadt. Der Staatsschutz ermittelt. Nicht nur in der Breite Straße und der Augustastraße hinterließen die Sprayer ihre Parolen („FUCK USA“, „FUCK ZION“, „FREE PALÄSTINA“). Ausgerechnet in der Synagogenstraße, direkt am Mahnmal für die 1938 von den Nationalsozialisten zerstörte Synagoge, schmierten die Täter ein großes „FUCK ISRAEL“ – die Grenze zum Antisemitismus ist spätestens hier überschritten worden. Eine ganze Woche stehen diese Parolen nun schon an Wittens Häuserwänden, eine ganze Woche haben sich weder Stadt noch Hauseigentümer darum gekümmert, die antisemitische Parole direkt am Mahnmal an die Pogrome 1938 verschwinden zu lassen, eine ganze Woche wurde „Israelkritik“ als antisemitische Schmiererei am Ort der alten Synagoge gedultet (siehe Foto oben). Nun wurden die Parolen übermalt und angemessen kommentiert. Weil bezweifelt werden darf, dass die aktiv gewordenen Maler im Auftrag der Stadt

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Im Nahostviertel

Synagoge Aachen Foto: Foto: Michael Klarmann
Synagoge Aachen Foto: Foto: Michael Klarmann, Archiv

„Was treibt der da?“ Kalle sah in dieselbe Richtung, in die auch Hardy blickte. Nachdem er erkannte, was sein Kumpel genau meinte, sah auch er sich das Schauspiel an. „Vielleicht Regentanz?“ Sie konnten hören, dass der Mann wild herumschrie, während er sich wie ein schlechter Karatekämpfer bewegte und dabei wild mit einem Regenschirm fuchtelte. „Und was grölt der?“ Hardy schüttelte den Kopf. „Mensch macht Sachen,“ nuschelte er. „Lass uns mal näher ran gehen und hören,“ sagte Kalle. Von unserem Gastautor Michael Klarmann.

Beide waren Hooligans, Gewalttäter Sport. Ihr Vorstrafenregister besaß eine Reihe von Einträgen. Stadionverbote waren ihnen nicht fremd. Mancher mochte denken, dass Hooligans nur Schwachköpfe sind, asoziale Kriminelle, Nichtnutze, Säufer. Nun, beide tranken gerne und viel, ansonsten arbeitete Kalle als Sachbearbeiter bei einer Versicherung. Hardy war Dachdecker und noch nie in seinem Leben ohne Job gewesen. Sie betonten immer, wie stolz sie darauf waren, Deutsche zu sein. Nazisprüche oder das zeigen des Hitler-Grußes jedoch, so meinten sie, nutzte der Mob nur um Linke, Polizisten und gegnerische Fans zu provozieren.

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