Heinz Mack: Instabile Wirklichkeit


Umgeben von einer zugemalten Welt, suchte Heinz Mack sein Heil in der  unberührten Natur, eroberte den Himmel und erhöhte das Licht zur Entgrenzung herkömmlicher Raumvorstellungen. Die Elemente Luft, Feuer und Wasser wurden ihm Medien im Kampf um die Wirklichkeit hinter den Klischees, die unsere Welt einzäunen. Ein Nullpunkt bezeichnete den Anfang: Zero.

Doch es gab für den Künstler ein Davor, einen Weg, der ihn direkt zu diesem unermesslichen Spielfeld führte. Als Kind auf dem Land nahm er mit allen Sinnen Strukturen der Natur auf, die seine Sichtweise prägten und sich im späteren Schaffen als Muster wiederfinden.

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Blick nach innen und in die Welt


Mutet es in der gegenwärtigen Situation nicht an wie ein Appell an uns, was Novalis vor nicht weniger als 222 Jahren formulierte? „Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehn, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es“, notiert der Dichter in „Fragmente und Studien“. Als gelehrige Schülerin werfe ich einen Stein ins Wasser und überlasse mich der Bewegung der Wellen . . .

Augenblicklich schießt mir „CDF“ durch den Kopf, als ich in Virginia Woolfs Roman „Die Wellen“ auf diesen Satz stoße:  „Leben  ist ein leuchtender Schein, eine schwach durchlässige Hülle, die uns umgibt vom Augenblick des Bewusstwerdens bis zum Ende“. Caspar David Friedrich und seine „Licht-Bilder“! Der berühmteste deutsche Maler des 18. Jahrhunderts pinselte 1824 sein „Felsenriff am Meeresstrand“, auf dessen Kräuselwellen dieser Tage das Licht  der algerischen Wüste tanzt, das von Heinz Macks Silberfahne (1976) reflektiert wird, seit die beiden Künstler

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Wolfgang Welt: „Tach und Tschüs!“

Wolfgang Welt Foto: Verlag/PR

Und, und, und . . schwer auslotbar der Echoraum meiner Erinnerungen an Wolfgang Welt von 1971 bis zu seiner Lesung in der Bochumer Buchhandlung Jansen zehn Jahre vor seinem Tod. Immer andere Splitter blitzen auf. Welche sind aussagekräftig und erfassen, was mich mit Wolfgang Welt verband?

Die beiden poppig aufgemachten, informativen Bände, die Martin Willems  Ende letzten Jahres im Verlag Andreas Reiffer herausgab, helfen mir auf die Sprünge, wecken die Momente der darin versammelten Musik- und Literaturkritiken doch so manche persönliche Erinnerung. Der Welt-Kenner überzeugt mit seiner umfassenden Textauswahl aus den späten 1970er und frühen 1980er Jahren, die in ihrer Vielfalt auch darüber hinwegtröstet, dass die Vorjahresausstellung im Heine-Institut Düsseldorf ohne Katalog auskommen musste.

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Verhohnepiepelt: Werkschau Stephan Balkenhols im Lehmbruck-Museum Duisburg verlängert

Pfau Foto: Stephan Balkenhol Lizenz: Copyrirgt

Ohne Weiteres wird keiner zum Sockelheiligen und darf von oben auf uns gewöhnlich Sterbliche herabschauen. Das Denkmal hat in unserer Gesellschaft schon lange die Aufgabe, herausragende Menschen als Vorbild im allgemeinen Gedächtnis zu bewahren, und dann kommt da vor etwa vierzig Jahren ein junger Künstler auf die Idee, diese verklärenden, pädagogischen Erhöhungssucht aufs Korn zu nehmen und heroische Eigenschaften in Frage zu stellen, indem er Lebewesen erhöht, die nichts weiter vorgeben, als am Leben zu sein.

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Karneval: Kütt d’r Zoch?

Wagen der Roten Funken, Rosenmontagszug 2006 Foto: Rolf Hahn Lizenz: CC BY-SA 3.0


Der Kölner Rosenmontagszug als Persiflage

Im Ernst,  wer, der einmal an einem Rosenmontagszug teilgenommen hat, lässt sich mit einem Miniatur-Zug im Fernsehen abspeisen? Wer verzichtet gern auf dieses unaufhörliche Umarmen und Bützen und setzt sich vor die Glotze, um eine liliputanischen Version des Zochs anzusehen, wo Puppen Menschen aus Fleisch und Blut ersetzen? Mögen die verkleinerten Wagen auch ganz und gar den Originalentwürfen entsprechen, und die 177 Puppen des Hänneschen-Theaters noch so kunstvoll gebaut sein und geführt werden? Wie sollen die ambitioniertesten

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„Corona in Wahnistan“ von Hans Peter Thurn: Gleichnis zur Zivilisierung

Der Krefelder Künstler Jürgen Rahn illustrierte den Text mit zwölf feinnervigen Tusche-Zeichnungen à la chinoise.

„Bei manchen Wahrheiten genügt die Überzeugung nicht, man muß auch erreichen, daß sie empfunden werden. Zu diesen Wahrheiten gehören die der Moral.“, schreibt Montesquieu in seinen Persischen Briefen (1721) König Friedrich II, der keiner sein will und – zum Herrschen gezwungen – ein „großer“ wird, legt, angeregt vom französischen Vorbild im Jahr 1760 seine

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Kindheit im Ruhrgebiet: Erzählungen fehlen

 

Rudorf Holtappel, Rollerfahren auf der Henkelmann-Brücke in Oberhausen (um 1960)

Im Ruhrmuseum läuft derzeit die Ausstellung „Kindheit im Ruhrgebiet“. Meine Erwartung anregender Geschichten von unten (oral history) wurde leider enttäuscht. Zu sehen ist Spielzeug, das Menschen aus dem Ruhrgebiet zur Verfügung stellten, deren Erinnerungen an ihren Teddybär oder Spielwürfel uns vorenthalten werden. Tonmurmeln und bunte Heftchen waren nun mal für alle Kinder das gleiche Glück, egal ob in Wanne oder in Garmisch. Leider fehlen die individuellen Geschichten der Leihgeber mit ihrem Spielzeug. Auch die Kinder, deren Lichtbilder, fotografiert von Berufsfotografen, die Wände zieren, kommen selbst nicht zu Wort. Was würden sie uns erzählen von ihren Spielen? Von ihren Abenteuern in verbotenen Zonen jenseits der Bahngeleise oder auf Brachen zwischen Zechensiedlung und Bergwerk, von Hechtsprüngen in den Kanal und von den Kohledeputaten und Brieftauben des Großvaters. Und die Jüngeren? Blieb die Trinkhalle Treffpunkt und Umschlagplatz für getauschte Kostbarkeiten aus der Hosentasche? Aus ihren Erzählungen hätte sich ein Zeitpanorama entfalten können aus der Perspektive der „kleinen Leute“ im Schatten der Halden und in wachsenden Naturarealen.

Ausstellung 100 Jahre Ruhrgebiet: Die Geschichten zur Geschichte fehlen


„100 Jahre Ruhrgebiet“ im Ruhrmuseum

Ruhrgebiet 2020. Wo stehen wir? Der erhebende Gedanke, Teil des „werdenden Abendlandes“ ­– so Titel einer vielbesuchten Ausstellung in der Villa Hügel im Jahr1956 ­– und damit mehr als der Kohle- und Schwermetallproduzent Westdeutschlands zu sein, hat sich längst verflüchtigt, und händeringend wird nach selbstbewussten neuen Ideen gesucht, die vielfältigen Aspekte dieser Region unter einen Hut zu bringen.

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Zwei Süppchen?


Von Anfang Februar bis Mitte September diesen Jahres war in Düsseldorf die erste Fotoausstellung zu sehen, die sich der 150jährigen Geschichte des Mediums widmete: 150 exemplarische Lichtbilder, ausgewählt aus einem Konvolut von 3000 Artefakten, dessen Erwerb im Jahr 2018 auch deshalb als Glücksfall galt, weil die Landeshauptstadt sich um das

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Die Dateien hinterm schönen Schein

Thomas Ruff, Motiv aus der Serie Tableaux chinois, Kunstpalast Düsseldorf

Vidiwalls haben längst die Kuriositätenkabinette und Kaiserpanoramen ins Vergessen gedrängt und begeistern heute die Massen wie die Zauberlaternen einst. Und weil der technologische Fortschritt voranstürmt, tut es not, innezuhalten und zurückzuschauen auf „historische Dinge“. Seit zwanzig Jahren erforscht der weltberühmte Fotograf Thomas Ruff die Frühgeschichte seines Metiers und präsentiert derzeit in einer großen Schau der Kunstsammlung NRW Werke, deren Besonderheit in der raffinierten Kombination von anziehenden ästhetischen

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