Syrisches Protestcamp: Heute Ratsresolution für eine Bleiberecht der Syrer

Protestcamp der syrischen Flüchtlinge, Foto: Ulrike Märkel 2015
Protestcamp der syrischen Flüchtlinge, Foto: Ulrike Märkel 2015

Heute bringen alle demokratischen Parteien gemeinsam im Rat der Stadt Dortmund eine Resolution zum Camp der syrischen Flüchtlinge ein. Der Antrag wurde per Dringlichkeit auf die Tagesordnung gesetzt. So viel Einigkeit ist selten: Von der CDU bis zur LINKEN verständigte man sich auf einen gemeinsamen Text, der im Kern die Forderung enthält, den Syrern zunächst ein Bleiberecht zu ermöglichen. Für die syrischen Flüchtlinge und ihre von Gewalt und Tod bedrohten Frauen und Kinder, ein Zeichen der Solidarität. Resolutionen haben zwar lediglich einen symbolischen Wert, doch wird durch die parteiübergreifende Erklärung ein starkes Signal nach Düsseldorf gesendet, sich um die Sache intensiv zu kümmern. Innenminister Ralf Jäger besuchte das Protestcamp in dieser Woche. Seinen Worten müssen nun Taten folgen.

Die Bundesregierung und die rot-grüne Landesregierung wird in der Resolution aufgefordert, die bisherigen Aufnahmeprogramme für Kriegsflüchtlinge aus Syrien und dem Irak zu verlängern, die Asylanträge schneller zu bearbeiten, das Verfahren zu verkürzen und gegebenenfalls den Aufenthaltstitel des Flüchtlings zu erhalten.

Doch auch lokaler Ebene gibt es für den Rat in Dortmund einiges zu tun, denn in den Zuständigkeitsbereich der Stadt Dortmund fällt sowohl die Ausländerbehörde als auch das Gesundheitsamt. Beide Ämter sind im Fall einer Abschiebung involviert. Im Rahmen der Amtshilfe kann beispielsweise das Gesundheitsamt herangezogen werden, um Gutachten über die Reiseunfähigkeit der Flüchtlinge zu überprüfen und sie gegebenenfalls wieder „gesund zu schreiben“, wie ein Fachanwalt für Asylrecht ironisch sagte. Daher lohnt sich der genaue Blick darauf, wie in Dortmund die gängige Praxis der Behörden ist.

Protestcamp der Syrer

Ein gute Lösung für die syrischen Flüchtlinge im Protestcamp und ihrer, von Gewalt und Tod bedrohten Familienmitglieder, ist nach Meinung der Unterzeichner der Resolution der Vorschlag des Auswärtigen Amtes und des Bundesinnenministers. Durch eine sogenannte „Globalzustimmung“ könnte das Bleiberecht und die, von den syrischen Protestierenden geforderte Familien-zusammenführung möglich gemacht werden. Ihnen wird damit vorübergehender Schutz  – ohne langes Asylverfahren – in Deutschland gewährt.

Auch in der Vergangenheit waren Syrier durch Bürgerkrieg und die Verfolgung durch das Regime Assads in Gefahr. Im Mai 2013 entschieden sich daher einige EU-Staaten, feste Kontingente syrischer Flüchtlinge aufzunehmen. Mit diesem Mittel wurde unbürokratisch Leben gerettet – es ist höchste Zeit für die Menschen auf der Katharinentreppe, dies wieder zu tun.

Hier der vollständige Text der Ratsresolution:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
die Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/DIE GRÜNEN, LINKE/PIRATEN und FDP/Bürgerliste bitten auf dem Weg der Dringlichkeit um die Erweiterung der Tagesordnung um den Punkt „Camp der syrischen Flüchtlinge“.

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Der WDR in Duisburg-Marxloh: Ich bin ein Politiker – holt mich hier raus!

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Der WDR hat sich etwas wirklich Tolles für seine Zuschauer ausgedacht. Politiker aller Parteien in Nordrhein-Westfalen sollen endlich das wahre Leben kennenlernen. Sie sind seit Sonntag gemeinsam in einer Wohngemeinschaft in einem sozialen Brennpunkt im Ruhrgebiet untergebracht. Dort sollen sie in einem „Realitäts-Check“ die reelle Härte von Hartz IV endlich selbst erleben dürfen. Ein urbanes Dschungelcamp für Politiker.

Alte Linke, junge Grüne und Bürgermeisterkandidaten leben für zehn Tage in Duisburg-Marxloh zusammen. Statt Kakerlaken zu essen oder aus Bäumen ein Floß zu flechten, sollen sie „praktische Lösungen finden für ganz reale, alltägliche Probleme, wie z.B. die Jugendarbeitslosigkeit oder den fehlenden Krankenversicherungsschutz vieler Menschen in diesem Stadtteil“ freut sich der WDR in seiner Vorankündigung.

Die Idee ist ohne Frage eine gute Maßnahme des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, um gegen den weit verbreiteten Politikfrust anzutreten. Vor allem im Prekariat zwischen Duisburg-Marxloh und Dortmund-Nordstadt ist das Desinteresse an Politik weit verbreitet – hier liegt die Wahlbeteiligung auf einem erschreckend niedrigen Niveau. Der WDR reagiert mit seiner Sendung mutig auf die vielen Klagen, dass sich das Politikpersonal seinen Wählerinnen und Wählern entfremdet habe. Zeit, das zu ändern.

Begleitet wird der Lernprozess der Politiker von Kameras. Mit ein bisschen Glück huscht auch mal ein echter Hartz-IV-Empfänger mit einer offenen Bierflasche authentisch durch’s Bild – zumindest hätte dann das Fernsehformat „Nicht reden – machen statt quatschen“ doch noch das Prädikat Reportage verdient.

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Dortmund ist nicht ratlos: Das Syrer-Protestcamp ist willkommen!

Chor singt zum Willkommen der syrischen Flüchtlinge an der Katharinentreppe
Ein Dortmunder Chor singt den syrischen Flüchtlinge im Protestcamp ein Willkommenslied

Bei den Dortmunder Bürgern sind die Syrer, die sich auf der Katharinentreppe in einem Protestcamp zusammen geschlossen haben, offenbar willkommen. Nachdem am Samstag an die syrischen Flüchtlinge rote Rosen als Zeichen der Solidarität verteilt worden waren, kam ein Chor und sang Willkommens-Lieder. Neben den spontanen Besuchen und Gästen des Camps, kamen auch diese Gesten offensichtlich gut an. 

Rosen für die syrischen Flüchtlinge
Rosen für die syrischen Flüchtlinge

Die Syrer, die um das Leben ihrer in Syrien zurückgebliebenen Familien bangen, halten – wenn möglich – über Internet und die sozialen Medien Kontakt zu ihren Angehörigen. Die Fotos von dem Willkommens-Chor wurden via Handy direkt in die syrische Heimat geschickt. Ein kurzer Moment der Freude.

Während in Syrien der Krieg tobt und die Kämpfe der ISIS-Schlächter das Leben der Frauen und Kinder der Flüchtlinge bedrohen, überprüfen die zuständigen deutschen Ausländerbehörden weiterhin den Aufenthaltsstatus der Syrer, grübeln über die eventuellen Möglichkeiten der Familienzusammenführung nach, fordern dann doch noch weitere Nachweise, verlangen weitere Vermögensnachweise, halten – immer korrekt- die innerbehördlichen Zuständigkeiten ein, tippen Briefe, formulieren noch einmal ein paar Fragen zum genauen Fluchtweg, sehen Fristen als nicht einhaltbar an, erwarten eine erneute Aufstockung der Summe auf den Bankkonten, wollen den Pass noch einmal sehen und ach, ihre Familie hat erst 2016 einen Termin auf dem deutschen Konsulat – wir bedauern, dass ist zu spät – sie müssen bis dahin die Bundesrepublik bereits verlassen haben. Sie lehnen die Verlängerung von Visa ab … mahnen … fordern … fragen … zweifeln an.

Die Verfahren ziehen sich in die Länge. Abschiebebescheide hingegen werden schnell verschickt. Auch die Rückführungen im Dublin III-Verfahren in vermeintlich sichere Drittländer werden zügig eingeleitet.

Sich vor die Syrer zu stellen und zu resümieren, es sei traurig, hilft niemandem. Zu erklären, warum die Ämter nicht anders handeln können, ist Aufgabe der Pressesprecher der Behörden und nicht der Job von Kommunalpolitikern. Sie müssen die beteiligten kommunalen Behörden, wie Ausländeramt und Gesundheitsamt, in Blick auf ihre Entscheidungsprozesse und -kriterien überprüfen und hinterfragen.

Während den syrischen Flüchtlingen schwere Steine in den Weg gelegt werden, machen die Dortmunder genau das, was sie besonders gut können: Herz zeigen. Kaum vorstellbar, dass eine Abschiebung dieser Menschen in Dortmund stillschweigend toleriert werden würde.

 

NSU: Zahlreiche NRW-Politiker und Abgeordnete standen im Visier des Mord-Trios

Fahndungsplakat des NSU

Der NSU-Untersuchungsausschuss in Nordrhein-Westfalen dümpelt seit seiner Einsetzung vor 8 Monaten vor sich hin. Neben Anhörungen von Sachverständigen ist bisher nicht viel passiert. Dabei müsste das Interesse der Abgeordneten an einer zügigen Aufklärung elementar sein, denn der Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) hatte auch zahlreiche Politikerinnen und Abgeordnete im Visier. In den nordrhein-westfälischen Städten Dortmund, Paderborn, Bielefeld und Hamm kundschaftete der NSU die Lage von CDU-Wahlkreisbüros und SPD-Parteibüros intensiv aus. In den Brandtrümmern der Wohnung von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt und in ihrem Wohnmobil fand man neben umfangreiches Kartenmaterial auch Adresslisten, die belegen, dass der Kreis möglicher NSU-Opfer groß war. Auch eine jüdische Gemeinde stand auf den Listen.

Die auf einem USB-Stick gespeicherten 90.000 Datensätzen enthielten etwa 10.000 Adressen. Sie dienten laut Bundeskriminalamt dazu, „aus Tätersicht geeignete Tatopfer zu identifizieren“. In 23 verschiedenen Städten wurden mit großem Planungsaufwand mindestens 191 potentielle Ziele zur Tötung von Menschen von den NSU-Tätern und möglichen Helfern ausgewählt. Einige anvisierte Tatorte wurden im Vorfeld abfotografiert. Fotos zeigen das Büroschild eines SPD-Unterbezirksbüros und das dazu gehörende Straßenschild „Landwehrstraße“. Schwer vorstellbar, dass die Mitglieder einer Terrorgruppe im Untergrund am helllichten Tag und auf offener Straße Detailfotos von Tatorten schiessen.

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Nazidemo in Dortmund mit Zwischenfall: Schläge gegen Polizisten

Pro-Assad Nazidemo in Dortmund, Foto: Ulrike Märkel
Pro-Assad Nazidemo in Dortmund, Foto: Ulrike Märkel

Etwas 60 Nazis beteiligten sich am Dienstag an einem Aufmarsch gegen Flüchtlinge mitten durch die Dortmunder Innenstadt. Dem Flüchtlingscamp der Syrer kamen sie dabei gefährlich nahe. Seit Wochen hetzen die Nazis gegen Asylbewerber. Die Solidaritätsbekundung auf der Demo für al-Assad, den syrischen Diktator, der sich nach einem Bericht der Welt vermutlich schon bald vor dem internationalen Gerichtshof wegen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen verantworten muss, war vorgeschoben. Den Rechten ging es einzig darum, die in einem Protestcamp lebenden syrischen Flüchtlinge zu demütigen – viele von ihnen mussten vor dem Assad-Regime fliehen. Nach der Kundgebung an der Reinoldikirche versuchten Rechtsextreme zu dem Protestcamp der Syrer zu gelangen. Ein Augenzeuge verfolgte vor Ort die Situation.

Bei der Abreise der Nazis mit der Bahn kam es laut Augenzeugenbericht zu einem gefährlichen Zwischenfall. Nach Auflösung der Versammlung an der U-Bahn Reinoldikirche fuhren die Rechtsextremisten nicht zum Hauptbahnhof und von dort zurück in ihr Dorstfelder Nazinest. Im Gegenteil: Vermeintlich spontan entschieden sich die 60 Demoteilnehmer, an der U-Bahn Haltestelle Kampstraße auszusteigen.

Der Aufgang Petergasse liegt unweit des Open-Air Camps der Syrier. Das Motiv der Nazis, sich Zugang zu den Flüchtlingen zu verschaffen, war offensichtlich. Der Durchbruchversuch war eine Tat mit Ansage: In ihren Reden hatten die Nazis zuvor auf übelste Weise gegen Asylbewerber und Flüchtlinge gehetzt. Man muss daher nicht überrascht sein.

Die Polizei war es offenbar schon: Gerade mal sieben Polizeibeamte begleiteten zunächst die etwa 60 gewaltbereiten Nazis. Zuwenig, wie sich zeigte. An der Petergasse versuchten die Polizisten, die Nazis am Durchmarsch zum Syrer-Camp zu hindern. Die Nazis durchbrachen dennoch mit Schlägen die lose Polizeikette und liefen zurück in die U-Bahn Unterführung, um auf der anderen Seite wieder herauszugehen, berichtete gestern Bastian Pütter den Ruhrbaronen über das „Katz-und-Maus-Spiel“.

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Rathaus-Überfall in Dortmund: Ein weiterer Zeuge will aussagen

Rathausüberfall 2014, Screenshot Video Alexander Völkel
Rathausüberfall 2014, Screenshot Video Alexander Völkel

Ein weiterer Zeuge des gewalttätigen Angriffs Rechtsextremer auf das Dortmunder Rathaus hat sich in diesen Tagen entschlossen, auszusagen. Voraussetzung für seine Aussage ist, das er als Zeuge ordentlich geladen wird. David Grade, Bezirksvertreter und ehemaliger Bürgermeisterkandidat der Partei Die Piraten erkannte den zweiten Nazi, der am Wahlabend 2014 die Ratsfrau Nadja Reigl ins Gesicht geschlagen hat. Filmaufnahmen, die der Staatsanwaltschaft seit etwa einem Jahr vorliegen, belegen Grades Aussage. Der Schläger im schwarzen Hemd ist darauf gut zu erkennen.

David Grade und der Partner der Piratin Nadja Reigl, standen am Wahlabend vor dem Rathaus direkt neben der Ratsfrau und können beide die Gewalt-Situation bezeugen. Reigl war mit ihrem Freund am nächsten Tag zur Polizei gegangen, um Anzeige zu erstatten. Ihr Partner habe den Täter auf Fotografien, die der Staatsschutz ihm vorlegte, identifizieren können, berichtet Reigl. Den Täter zu finden, müsste für den Staatsschutz ein Leichtes sein. Der Nazi nimmt häufig an Aufmärschen der Dortmunder Rechten teil. Angeklagt wurde er bis heute nicht.

Grade, David, Piraten, Bezirksvertretung Innenstadt-Nord
David Grade, Piraten Bezirksvertretung Innenstadt-Nord

Nun hat David Grade entschieden, sich ein zweites Mal als Zeuge zur Verfügung zu stellen. Er möchte, dass der Täter im schwarzen Hemd, der für den Schlag ins Gesicht seiner Parteifreundin verantwortlich ist, endlich zur Rechenschaft gezogen wird. Nachdem bekannt wurde, dass Zeugenaussage gegen die gewalttätigen Rechtsextremen zu einem Strafbefehl gegen die eigene Person führen, zogen sich einige der Zeugen zurück. Bei Strafbefehlen bis zu 900,00 Euro, verständlich. Auch Grade beschloss, erst einmal seine Ladung als Zeuge abzuwarten. Doch die kam bis heute nicht.

„Nachdem Nadja Reigl mich als Zeuge bei der Polizei benannt hatte,  geschah, außer meiner Vorladung als Beschuldigter, nichts. Ich stehe weiterhin gerne als Zeuge zur Verfügung, da ich den Schläger identifizieren kann. Allerdings ist meine Bedingung nach diesen schlechten Erfahrungen, dass ich als Zeuge ordentlich geladen werde. Den Täter kann ich dann endlich gegenüber der Polizei benennen“, erklärt Grade. Er ist verärgert.

Den Umgang mit Zeugen des Rathausüberfalls kritisiert auch Bastian Pütter. Er leitet die Redaktion des Straßenmagazins „bodo“ und war als Bericht erstattender Journalist am Wahlabend vor Ort. Er beobachtete, wie Zeugen vor Ort Anzeige erstatten wollten – aber von der Polizei auf den nächsten Tag vertröstet wurden.

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Kirchenasyl: Kirche steht zu hilfesuchendem Rohingya

Flüchtlinge willkommen, Foto: Ulrike Märkel 2015

Am Wochenende bat ein Rohingya aus Myanmar in einer Ruhrgebietsgemeinde um Kirchenasyl. In den Fall ist nun Bewegung gekommen. Der Kirchenkreis berät in dieser Woche, wie dem Flüchtling Sani B.* geholfen werden kann. Aufgrund der dramatischen Lage der Rohingya hatten die Pfarrer der Gemeinde den um Kirchenasyl bittenden Flüchtling spontan aufgenommen.

Nachdem der Kirchenkreis am Montag über das Kirchenasyl-Begehren informiert wurde, versichert der Superintendent: „Wir werden alle Möglichkeiten ausschöpfen und die juristischen Fragen genau prüfen, um zu verhindern, dass der Flüchtling in einer Kettenabschiebung von Deutschland über Frankreich nach Myanmar gelangt und seinen Verfolgern schutzlos ausgeliefert ist.“

Wenn der Kirchenkreis seine Unterstützung zusagt, wäre der Weg für einen positiven Beschluss des Gemeindegremiums geebnet. Sani B. könnte nach einem ordentlichen Beschluss in der Gemeinde, die ihn bisher in einer Interimslösung untergebracht hat, bis zur Klärung seines Falles bleiben. Das Presbyterium entscheidet eigenverantwortlich, doch ist die Rückendeckung bei der Umsetzung des Kirchenasyls wichtig. Auch weil der Dialog mit den Behörden dann gemeinsam von Gemeinde, Kirchenkreis und Landeskirchenamt geführt werden kann.

In den Gesprächen zwischen Kirchen und Behörden zum Kirchenasyl hatte es zuletzt geknirscht. Die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angedrohte verschärfte Fristenregelung führte zu Verärgerung. Die Frist bis zur Überstellung eines Flüchtlings im Dublin-III Verfahren, sollte im Fall eines Kirchenasylsuchenden von 6 auf 18 Monate verlängert werden. Damit wäre das Kirchenasyl praktisch dem illegalen „Abtauchen“ eines Flüchtling gleich gesetzt worden.

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Ein Rohingya suchte heute Nacht Schutz in einer Kirche

Flüchtlinge willkommen, Foto: Ulrike Märkel 2015
Flüchtlinge willkommen, Foto: Ulrike Märkel 2015

Heute Nacht bat ein von Abschiebung bedrohter Flüchtling den Pfarrern einer Gemeinde um Kirchenasyl. Seine Lage wäre hoffnungslos und er sei in allergrößter Angst, in sein Heimatland Myanmar (Birma) abgeschoben zu werden. Seine Sorge ist berechtigt. Der junge Mann gehört der verfolgten Minderheit der Rohingya an. Gegen die Volksgruppe aus Myanmar kam es in den letzten Wochen zu zahlreichen Gewaltakten. Die Medien berichteten über Massenvergewaltigungen, über Flüchtlings-Massengräber und Misshandlungen auf der Flucht. Zuletzt erschütterte der Bericht über ein Boot, das mit 727 Flüchtlingen an Bord von Malaysia zurück auf hohe See geschickt wurde.

Die Pfarrer der Gemeinde hatten sich gestern Abend entschieden, dem um Hilfe bittenden Rohingya Sani B. (Name geändert) zu helfen. Er war gestern Abend in Begleitung von zwei ehrenamtlichen Flüchtlings-Helfern in die Ruhrgebietskirche gekommen. Seine Papiere belegen, dass er unmittelbar von Abschiebung bedroht ist. Kirchengemeinden können sich aus humanitären Gründen für die Gewährung von Kirchenasyl entscheiden.

Die Klage von Sani B. gegen eine Abschiebung nach dem Dublin III-Verfahren wurde abgelehnt, wie der den Ruhrbaronen vorliegende Gerichtsbeschluss zeigt. Im Klartext bedeutet die Entscheidung, dass er von Deutschland aus über den Airport Charles-de-Gaulles direkt in seine Heimat abgeschoben werden kann. Den französischen Flughafen-Transitbereich wird er daher voraussichtlich nicht mehr verlassen dürfen. Sein Anwalt geht davon aus, dass er ohne Anhörung und ohne Rechtsbeistand direkt nach Myanmar abgeschoben werden wird. Frankreich hatte nach Angaben des Anwaltes das Asylverfahren bereits negativ entschieden. Doch hat sich aktuell die bedrohliche Situation Sani B.s Heimat in den letzten Wochen massiv verschärft. Beachtet wurde diese Tatsache vom zuständigen Verwaltungsgericht nicht.

Sani B. hat seine gesamte Familie verloren

Trotz der Ablehnung des Einspruchs könnte  in diesem Fall eine Einzelfallprüfung Erfolg haben. Sani B. hat seine gesamte Familie durch gewaltsame Taten verloren. Die Rohingya waren in Myanmar wiederholt Opfer ethnischer Säuberungen. In glaubhaften Berichten über seine Leben liest man, dass sein Großvater in Myanmar bei Unruhen im Feuer umkam – das gesamte Dorf wurde niedergebrannt. Sein Vater und sein Bruder wurden ebenfalls ermordet, Mutter und Schwester verlor er auf der Flucht. Sie wurden vermutlich von Menschenhändlern verschleppt.

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Anwalt Gregor Gysi will Opfer im Fall des Dortmunder Rathausüberfall vertreten

Gregor Gysi, Foto: Copyright: DIE LINKE im Bundestag
Rechtsanwalt Gregor Gysi (MdB), Foto: DIE LINKE im Bundestag

Die Rathausverteidiger, die am Wahlabend 2014 von einer Horde aggressiver Rechtsextremisten angegriffen wurde, erhalten prominente Unterstützung. Der Berliner Anwalt und Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, hat sich bereit erklärt, die durch einen Schlag verletzte Dortmunder Ratsfrau Nadja Reigl anwaltlich zu vertreten. Reigl hatte während des Überfalls auf das Dortmunder Rathaus am 25. Mai 20214 von dem stadtbekannten Nazi Lukas B. einen Schlag mitten ins Gesicht bekommen. Dennoch wurde aus dem Opfer eine Täterin. Gegen die verletzte Piratenfrau Reigl, die wie zunächst insgesamt 65 andere Beschuldigte, vor dem Rathaus gestanden hatte, wurde Strafbefehl wegen Nötigung beantragt.

Gregor Gysi entschied sich aus gutem Grund, die Ratsfrau der Fraktion DIE LINKE & PIRATEN im Falle eines Verfahrens wegen der angeblichen Nötigung zu vertreten. Auch bei einem möglichen weiteren Verfahren gegen einen anderen Nazi, der Reigl am Ohr mit einem Schlag getroffen hatte, ist eine Vertretung von ihr als Nebenklägerin oder als Zeugenbeistand für Gysi denkbar.

Gysi geht es auch darum, die Verdrehung zwischen Opfern und Tätern, wie bei den Ermittlungen zum Rathausüberfall, ein Ende zu setzen: „Ein solcher rechtsextremistischer Überfall mit körperlicher Gewalt und volksverhetzenden Parolen gegen gewählte Volksvertreter muss geahndet und die Täter zur Verantwortung gezogen werden, statt sie zu Opfern zu machen.“

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Rathaus Überfall Dortmund: Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Staatsanwalt wegen einseitiger Ermittlungen

Nazis beim Rathausüberfall,  Foto: Jürgen Steinfelder 2014
Nazis beim Rathausüberfall, Foto: Jürgen Steinfelder 2014

Der Angriff einer Horde Rechtsextremer auf das Dortmunder Rathaus machte bundesweit Schlagzeilen. Am Wahlabend vor einem Jahr waren über 30 Nazis mit Pfefferspray und Flaschen ausgerüstet, vor das Rathaus gezogen. Sie riefen volksverhetzende Parolen und verletzten insgesamt 10 Menschen. Die Demokraten stellten sich schützend vor den Eingang und verwehrten den aggressiven Nazis den Zutritt zur Wahlparty. Bei den polizeilichen Ermittlern standen sie auf einmal selbst als Beschuldigte im Fokus. Gegen 63 Wahlparty-Besucher wurden Ermittlungen eingeleitet, 17 Strafbefehle verschickt. Eine Anwältin hat jetzt wegen einseitiger Ermittlungen eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den zuständigen Dortmunder Staatsanwalt erhoben. Die Beschwerde liegt auch der Generalstaatsanwaltschaft und dem Nordrhein-Westfälischen Justizminister Thomas Kutschaty vor.

Die Dienstaufsichtsbeschwerde zählt detailliert Fakten auf, die die Einseitigkeit der Ermittlungen belegen. Auch die Bewertung der Situation durch die Ermittler wird darin scharf kritisiert. Nach Ansicht der Juristin seien diese tendenziös: „Kennzeichnend für die gesamt Akte ist, das Verhalten der Rechtsextremen zu verharmlosen und wohlwollend auszulegen.“ Von der Staatsanwaltschaft seien diese Ermittlungsergebnisse kritiklos übernommen worden.

Staatsschutz: Demokraten haben Nazimethoden angewendet

Die Anwältin fährt fort, dass die Rechtsextremisten von den Ermittlern als „lässig“, „passiv“ und „sich nicht provozierend lassend“ eingeordnet wurden. Dafür hat der Staatsschutz die Menschen, die einen Banner in der Hand haltend vor einer Rathaustür standen, der Nötigung bezichtigt. Doch es kommt schlimmer. Laut der Beschwerde wird die angebliche Nötigung durch die Rathausverteidiger durch die Ermittler so erklärt: „Dies umso mehr, da geschichtlich betrachtet dem politischen Gegner den Zutritt zu Rathäusern und Parlamenten mit nötigender Gewalt zu verwehren gerade ‚gängige Praxis‘ der Nazis gewesen sei. Hier wurde folglich eine ‚Nazimethode‘ angewendet, um gegen ‚Nazis‘ vorzugehen.“ Im Klartext: Demokraten sollen Nazimethoden angewendet haben.

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