Beenden Wutbürger-NGOs und die Energiewende die KI-Gigafactory-Träume der Bundesregierung?

Wird so die KI-Gigafabrik aussehen? Bild: OpenAI / DALL·E


Den Bau von bis zu fünf KI-Gigafabriken will die Europäische Union mit 20 Milliarden Euro fördern. Mindestens eine davon will die Bundesregierung in Deutschland ansiedeln. Doch ob das gelingt, ist fraglich.

Es war einer der Sätze im Koalitionsvertrag, die Hoffnung darauf machten, dass die Zeit, in der in Deutschland das Blockieren neuer Technologien vorherrschte, zu Ende geht: „Wir holen mindestens eine der europäischen ‚AI-Gigafactories‘ nach Deutschland.“ Bis zu fünf KI-Gigafabriken will die EU in Europa fördern. 20 Milliarden Euro stehen dafür bereit, bis Freitag um 17.00 Uhr konnten Interessenbekundungen abgegeben werden.

Eigentlich wollten sich SAP, die Telekom, Siemens, die Schwarz-Gruppe und der Cloud-Anbieter Ionos gemeinsam um den Zuschlag für eine KI-Gigafabrik bewerben, doch das Konsortium zerbrach, und so gaben schließlich jeweils Ionos, die Telekom-Tochter T-Systems, Ionos und das Land Bayern, zum Teil mit Partnern, eigene Interessenbekundungen ab.

Mit den KI-Gigafabriken will Europa seinen Rückstand im Bereich Künstlicher Intelligenz gegenüber den USA und China verringern. Die EU beschreibt die KI-Gigafabriken als „groß angelegte Infrastruktureinrichtungen für KI-Rechenleistung, die darauf ausgelegt sind, sehr große KI-Modelle und -Anwendungen in bislang unerreichter Größenordnung zu entwickeln, zu trainieren und bereitzustellen.“ Das ist – obwohl als Beispiel Rechenzentren mit 100.000 KI-Chips genannt werden – aus guten Gründen etwas vage formuliert: Welche Chips es genau sein werden, mit denen die Zentren in wenigen Jahren betrieben werden, kann heute noch niemand genau sagen. Die Betreiber werden, bevor sie mit dem Bau beginnen, bei Herstellern wie Nvidia Optionen für die später verfügbaren High-End-Chips bestellen.

Klar ist: Die KI-Gigafabriken sollen, wenn sie in Betrieb gehen, zu den leistungsstärksten Rechenzentren der Welt gehören und Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen zur Verfügung stehen. 35 Prozent der Kosten einer KI-Gigafabrik können von der EU oder den Ländern übernommen werden, den Rest sollen private Unternehmen stemmen. Es geht um Milliardeninvestitionen.

Doch während Österreich und der Zusammenschluss von Polen und den drei baltischen Staaten die Abgabe ihrer Interessenbekundung am Freitag regelrecht zelebrierten, Politiker sich hinter die Bewerbung stellten und detaillierte Pläne zur Finanzierung veröffentlichten, war Bayerns Bewerbung Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der sonst jeden Biss in eine Bratwurst zu einem Ereignis werden lässt, in den sozialen Medien keine Bemerkung wert – und auch eine offizielle Pressemitteilung suchte man auf den Seiten der Staatsregierung vergebens. Auch NRW, das ebenfalls sein Interesse bekundet hatte, hielt sich ebenso zurück wie alle anderen Bundesländer, die noch vor Wochen auf die Ansiedlung der KI-Gigafabrik gehofft hatten – und auch die Bundesregierung unterstützte die vier Bewerbungen nicht öffentlich.

Auf Anfrage dieses Blogs, ob T-Systems, eine Tochter der in Bonn ansässigen Telekom, schon einen Standort im Blick habe, antwortete die Telekom: „Uns stehen mehrere geeignete Standorte zur Auswahl. Die konkreten Standorte werden zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht. Maßgebliche Kriterien sind Nähe zur Industrie, schnelle Anbindung und eine nachhaltige Energieversorgung.“ Ein Bekenntnis zum Standort NRW war das nicht.

Und dass sich kein Konsortium zusammenfand, das sich gemeinsam bewarb, SAP und Siemens absprangen, ist ebenfalls kein gutes Zeichen. Die EU schätzt unabgestimmtes Vorgehen nicht, sagte Annika von Mutius, Gründerin der Tech-Firma Empion, in der Welt.

Tatsächlich spricht einiges dagegen, dass sich eine KI-Gigafactory in Deutschland schnell bauen und später dann rentabel betreiben lässt. Schon gegen die Pläne von Microsoft, ein Rechenzentrum im rheinischen Braunkohlerevier zu bauen, laufen die Öko-Wutbürger des BUND Sturm. Obwohl noch nicht einmal der Standort bekannt ist, hat der BUND bereits 79.000 Protestunterschriften gesammelt. Die Unterzeichner fordern den Konzern auf, nicht auf „wertvollem Ackerland“ zu bauen, und setzen den Softwarekonzern unter Druck – obwohl dieser auf erneuerbare Energie und einen geschlossenen Kühlwasserkreislauf setzt. Auch dass Microsoft in den USA für den Betrieb seiner Rechenzentren aus Klimagründen auf CO₂-neutrale Kernenergie setzt, gehört zu den Vorwürfen des BUND.

Damit ist der Ton in NRW gesetzt: In dem Land vom „Hambi“ und „Lützi“ sind Proteste und Klagen wahrscheinlich. Dass eine KI-Gigafabrik innerhalb eines geplanten Zeitrahmens in Betrieb gehen kann, ist mehr als unwahrscheinlich. Allein ihre zu erwartende Größe von 30 bis 40 Fußballfeldern wird grüne Wutbürger motivieren, alles zu tun, um sie zu verhindern.

Auch der Betrieb eines solchen Rechenzentrums wäre in Deutschland deutlich teurer als in fast allen anderen EU-Staaten. Die Energiekosten machen 80 Prozent der Betriebskosten aus. Hinter den Kulissen räumen Vertreter von Landesregierungen ein, dass die Bewerbungen um eine Gigafactory keine Selbstläufer sind – zu hoch seien die Energiekosten. Ausgerechnet Länder mit der verschmähten Kernkraft wie Frankreich und Finnland stehen nun besser da. Die Energiewende vernichtet also nicht nur Traditionsindustrien wie Stahl, sondern könnte auch Zukunftstechnologien wie KI verhindern.

Kein Wunder also, dass nicht nur Unternehmen wie SAP und Siemens auf Distanz zu den KI-Gigafactory-Plänen gehen, sondern auch die Politik sich nicht drängt, mit ihnen in Verbindung gebracht zu werden.

 

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