Das langsame Sterben des 34 Millionen Flops Ruhrpilot

Ruhrpilot-Chef Benno Hense

Nach vier Landesregierungen und 34 Millionen Euro Steuergeldern steht mit dem Verkehrsinfo-System Ruhrpilot eines der teuersten und unsinnigsten Projekte Nordrhein Westfalens vor dem Aus.

Als der Ruhrpilot 2001 vorgestellt wurde, klang die Idee vielversprechend: Mit hunderten von  Sensoren sollte der Verkehr auf den Straßen des Ruhrgebiets gemessen werden. Zusätzlich gespeist mit Daten aus den Nahverkehrsunternehmen, so der Plan, sollte ein umfassendes Verkehrsinformationssystem entstehen. Autofahrer würden mit Hilfe des Ruhrpiloten Staus umfahren oder, wenn es schneller geht, auch mal die Bahn  nehmen.

Das Ruhrgebiet, das war die Vision des damaligen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement, würde zum Modell für modernste Verkehrsleittechnik werden. Und der Ruhrpilot zu einem Exportschlager. Als Partner holt man sich ein von Siemens geführtes Konsortium an Bord.

Zur Weltmeisterschaft 2006 ging der Ruhrpilot dann an den Start, um sofort komplett zusammenzubrechen. Und das obwohl damals nur die Verkehrslage weniger Revierstädte erfasst wurde. Das mit Vorschusslorbeeren bedachte Projekt hatte den Ansturm der interessierten Besucher unterschätzt. Die Server waren überlastet.

Zehn Jahre und 34 Millionen Euro in den Sand gesetzte Steuergelder später ist von der Vision nicht viel übrig geblieben. Die Internetseite des Ruhrpiloten ruft so gut wie niemand auf, um sich über die Verkehrslage zu informieren: Im Alexa-Ranking, einer Hitparade der größten Internetseiten der Welt, rangiert der Ruhrpilot irgendwo um  Rang 25.000.000. Die Webseiten vieler Kindergärten werden öfter abgerufen.

Für Benno Hense, dem Geschäftsführer der Ruhrpilot Besitzgesellschaft (RPBG), ist die Internetseite allerdings mittlerweile nicht mehr als Beiwerk. Sie habe sich Geschäftsmodell sich nicht bewährt.

Die RPBG wurde 2010 gegründet, nachdem Siemens aus dem Projekt ausstieg und ist eine Tochter des Landes Nordrhein-Westfalen.  Das heute längst verschiedene private Anbieter Verkehrsdaten zum Teil kostenlos zur Verfügung stellen, stört ihn nicht: „Die Privaten bieten vor allem Bewegungsdaten. Sie lesen die Bewegungsprofile von Handys aus und können sagen, wo der Verkehr steht und wo nicht.“ Der Ruhrpilot, sagt Hense, bietet weitaus detaillierte Informationen: „Wenn auf der Castroper Straße in Bochum ein Müllwagen entlangfährt, bildet sich dahinter ein Stau. Google oder TomTom wissen wie wir, dass dort der Verkehr steht. Wir aber wissen, dass dort 20 PKW hinter einem LKW stehen. Dieser Information geben wir an die Stadt Bochum weiter und die kann dann ihre Ampelanlagen entsprechend steuern.“

Zumindest theoretisch. Auf Anfrage diese Zeitung teilte die Stadt Bochum mit, dass ein solcher Aufwand sich nicht lohnen und man die Ampeln erst umstellen würde, wenn die Castroper Straße mehrere Stunden lang gesperrt wäre.

Die Verkehrsdaten, die der Ruhrpilot aufwendig über 600 im ganzen Ruhrgebiet angebrachte Detektoren erhebt, sollten auch den Nahverkehrsunternehmen nutzen – die, so die Idee, könnten ihre Fahrpläne in Echtzeit an die veränderten Verkehrsbedingungen anpassen. Auch sechs Jahre nach dem Start des Ruhrpiloten und zehn Jahre nach dem Beginn des Projektes wird ein solche Verfahren mit Hagener Straßenbahn AG testweise ausprobiert. Mehr nicht.

Ein anderes Vorhaben der Ruhrpilot Projektgesellschaft ist ebenfalls über das Stadium des Wollens bislang nicht hinausgekommen. Vor einem Jahr kündigte Hense in einer Regionalzeitung an, im Sommer 2011 mit einem privaten Anbieter von Navigationssystemen kooperieren zu wollen. Nur scheint dieses Interesse nicht auf Gegenliebe gestoßen zu sein: Einen Partner gibt es bislang nicht und er ist auch nicht in Sicht.

Besucht man die Zentrale des Ruhrpilots auf einem Betriebsgelände der Essener Verkehrs AG in Holsterhausen kann man erleben, womit sich die Ruhrpiloten beschäftigen. Mit einer Anfrage aus Oberhausen zum Beispiel. Dort gab es an Rosenmontag  einen Stau im Umfeld des Einkaufszentrums Centro. Bei der Suche nach dem Staugrund sollen die Datenspezialisten helfen.

Auch die Landesregierung ist mit dem bisherigen Erfolg des Ruhrpiloten nicht zufrieden. Auf Anfrage teilt das Verkehrsministerium mit: „Die alte Landesregierung hat rechtsgültige Verträge geschlossen, die bis 2013 verbindlich sind. Darüber hinaus werden sie in dieser Form sicher nicht weitergeführt.” Der Ruhrpilot wird integraler Bestandteil der Verkehrszentrale NRW, die helfen soll den Verkehr im Land zu koordinieren: “Hier wird der Ruhrpilot beweisen müssen, dass er gewinnbringend zum Projekt “Verkehrstelematik” beitragen kann.”

Bis dahin kostet der Betrieb des Ruhrpiloten weiterhin 1,6 Millionen Euro im Jahr. Für die Beschaffung von Daten, die kaum jemand braucht und für den Betrieb einer Navigationsseite im Internet, für die sich kaum jemand interessiert.

Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag 

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Michael Herzog
13 Jahre zuvor

Das Projekt Ruhrpilot hat mir jetzt erstmal so nichts gesagt. Kann sein, dass da mal was zur WM war, wie wurde der Dienst denn zwischendurch an die Kunden getragen? *koppkratz*

„die, so die Idee, könnten ihre Fahrpläne in Echtzeit an die veränderten Verkehrsbedingungen anpassen“
Klingt erstmal gut – wie hätten denn die potentiellen Fahrgäste von der Änderung des Fahrplans erfahren? Oder geht es hier um den Einsatz zusätzlicher Kapazitäten?

Bochumer
Bochumer
13 Jahre zuvor

Schön ist folgende Anzeige auf der Webseite des Ruhrpiloten. Immerhin wird mir nicht Netscape als Browser abgeboten:
„Es können nur Karten mit max. 1024×1024 Pixel angezeigt werden. Bitte veringern Sie die Auflösung Ihres Bildschirms oder minimieren sie das Browserfenster.“

In Dresden gibt es ürbigens wechselnde Fahrpläne. Das soll ganz gut funktionieren. Dafür interessieren aber eher die Daten von Veranstaltungen usw. Daher weiß man dann, von wo Leute wohin wollen.

teekay
teekay
13 Jahre zuvor

Sowohl das Muellwagen- als auch das Rosenmontags-Problem sind gute Beispiele fuer ein Projekt, das theoretisch und wissenschaftlich bestimmt ein paar tolle Einsichten liefern kann, aber nur marginal Einfluss auf die anderen 90% der Realitaet hat. Vorallem morgens und am Nachmittag wollen zuviele Autos die begrenzte Infrastruktur nutzen, es kommt zu dem Phaenomen das Experten ‚Berufsverkehr‘ nennen. Da kann man vielleicht an den Raendern optimieren, aber mehr als eine tolle interaktive Karte auf der man Staus auf der A40 retrospektierlich sehen kann ist wohl nicht drin…Das schoene Geld haette man ebenso gut in innovative Bahnprojekte oder alternative Verkehrsideen investieren koennen-mich interessiert echt nicht, ob ein paar Autofahrer mal 10 Minuten hinter einem Muellwagen warten muessen…

Bert
Bert
13 Jahre zuvor

„Zumindest theoretisch. Auf Anfrage diese Zeitung teilte die Stadt Bochum mit, dass ein solcher Aufwand sich nicht lohnen und man die Ampeln erst umstellen würde, wenn die Castroper Straße mehrere Stunden lang gesperrt wäre.“

🙂

Schöner Artikel.

Wieviel Mitarbeiter sind denn für die 1,6 Millionen Euro pro Jahr angestellt ?

Frank
13 Jahre zuvor

Eines der Großprojekte, für deren Start sich Regierende feiern lassen und von denen man dann nie wieder was von hört. Gut, dass Ihr mal nachhakt.

Kann es sein, dass sich das Projektziel „Verkehr flüssiger machen“ und andere politische Projektziele wie: „Verkehr vermeiden“ gegenseitig behindert haben?

In Berlin wird die Forderung nach grünen Ampelwellen und reagierenden Ampelschaltungen, mit denen Ingolstadt 18% verkehrsbedingte CO2-Emissionen eingespart hat, rigoros abgelehnt, „weil das mehr Verkehr anlockt“.

Und den Gelsenkirchenern will ich noch sagen: Bevor sich die BOGESTRA mit Echtzeitdaten befasst, sollte sie erstmal lernen, wann Schalke ein Heimspiel hat.

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Sven
13 Jahre zuvor

Unfassbar schlecht, diese Webseite. Und langsam wie sonstwas.

Chajm
13 Jahre zuvor

Google Maps kann jetzt auch die Verkehrslage darstellen. Geht schneller und auf dem Smartphone läuft es flüssig. Übrigens kann man die mobile.ruhrpilot.de Seite auf vielen mobilen Telefonen nicht öffnen…

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