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Der WDR und die Mode

Der Erwerb textiler Oberbekleidung ist eine komplizierte Angelegenheit. Gerade die Jacke ist dabei mehr als ein irgendein banales Kleidungsstück. Sie ist die Visitenkarte ihres Trägers, eine öffentliche, stilistische Aussage und oft auch ein guter Freund, der einen über viele Jahre begleitet. Die richtige Jacke will also gut ausgewählt werden.

Das sieht auch der Westdeutsche Rundfunk so, der sich gerade intensiv mit dem Ankauf neuer Jacken beschäftigt. Mit denen sollen die WDR-Mitarbeiter ausgestattet werden, wenn sie in Nordrhein-Westfalen unterwegs sind. Und sie sollen natürlich dafür sorgen, dass nicht nur Kameraleute und Tontechniker eine gute Figur machen, sondern auch der Kölner Sender. Und das ist kompliziert: Das Projekt „Jackenbeschaffung“ läuft beim WDR seit eineinhalb Jahren. Es ist angesiedelt beim Leiter des Management Büros des Senders, Paul Markeli, der nun offiziell der „Nebentätigkeit  Teambekleidung“ nachgeht. Und das mit großer Intensität: Um den WDR-Mitarbeitern künftig eine wirklich tolle Jacke anzubieten, trat der Sender nach einem Bericht in der WDR-Mitarbeiterzeitschrift „Fünkchen“, in Kontakt mit verschiedenen Instituten. Immerhin: Die neue Jacke sollte „regendicht, antistatisch, bedingt brandhemmend, atmungsaktiv und geräuscharm“ sein. Zu beachten gab es vor der Beschaffung der 500 neuen Jacke zahlreiche ISO- und EN-Regeln.

Ein erstes Jackenmodell fiel durch. Es erfüllte zwar alle Normen, war aber zu schwer. Die „Panzerjacke“, lässt sich Jackenbeschaffer Markeli im „Fünkchen“ zitieren, hätte niemand angezogen.

Das Verfahren war scheinbar so kompliziert, das eine im Januar dieses Jahres erfolgte Ausschreibung bereits im Februar wieder zurückgezogen wurde, weil eines der vom WDR befragten Institute weitere Entflammbarkeitstests forderte.

Mittlerweile ist der Sende allerdings wohl so weit, dass es als im Bereich des möglichen angesehen wird, dass die Jacken mit dem flotten WDR-Logo noch in diesem Herbst beschafft werden können.

Auf eine Anfrage an den WDR, was denn das ganze Verfahren den Gebührenzahler kosten und wie teuer am Ende jede der einzelnen Jacken sein wird, reagierte der öffentlich-rechtliche Sender zwar mit einer Eingangsbestätigung, eine Antwortmail hat den Verfasser allerdings bis heute nicht erreicht..

Beim WDR-Nachbarn RTL in Köln wird das Thema Jacken übrigens nicht als ganz so bedeutend angesehen. Eine RTL-Sprecherin sagte der Welt am Sonntag, dass die Mitarbeiter selbst entscheiden könnten, was sie anziehen und das man darauf vertraue, dass die eigenen Leute wüssten, wann sie sich warm und wann regenfest zu kleiden hätten. RTL springe immer dann ein, wenn es besondere Anforderungen gäbe: Kugelsichere Westen bei Reisen nach Afghanistan oder besonders warme Kleidung bei Fahrten in polare Klimazonen. Jacken mit einem besonderen RTL-Logo gäbe es nicht und seien auch überflüssig. Die Zuschauer würden ja ohnehin nur das Mikrofon sehen und drauf wäre das RTL-Logo deutlich zu erkennen.

Auch bei Mitarbeitern des WDR stößt der Aufwand, der um die Jacken getrieben wird, nicht auf Verständnis. Ein freier WDR-Journalist zu dieser Zeitung: „Viele von uns fänden es besser, wenn der WDR das Geld in Journalismus statt in Regenbekleidung investieren würde.“

Ein ähnlicher Text zu dem Thema erschien bereits in der Welt am Sonntag.

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