Die persönlichen Schicksale der deutschen Fallschirmjäger rühren mich nicht zu Tränen

Angriff der deutschen Fallschirmjäger auf Kreta Foto: New Zealand Official Lizenz: Gemeinfrei

Der Euskirchener AfD-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen schrieb am 20. Mai, dem Tag des Überfalls der Deutschen auf Kreta, dass ihn die persönlichen Schicksale der deutschen Fallschirmjäger zu Tränen rühren. Ich dagegen bin um jeden Deutschen froh, der vom 20. Mai 1941 bis zum Ende der Besatzung getötet wurde.

Am 20. Mai 1941 landeten deutsche Fallschirmjäger auf Kreta. Der Geheimdienst der Luftwaffe hatte vorausgesagt, sie würden von den Kretern freundlich empfangen werden. Für den britischen Militärhistoriker Antony Beevor war diese Vorhersage der größte Irrtum eines Geheimdienstes im gesamten Zweiten Weltkrieg. Die Deutschen wurden nicht nur von den auf der Insel stationierten britischen Truppen beschossen. Ganze Dörfer – Frauen, Jugendliche, Priester – machten sich mit Knüppeln, Mistgabeln und Jagdgewehren auf, die Angreifer zu bekämpfen. Nun rächte es sich, dass unter der griechischen Diktatur Metaxas die Kreter die meisten ihrer Karabiner hatten abgeben müssen und die kampfstarke kretische Division im siegreichen Krieg gegen Italien – es war Griechenland, dem es als erstem Land gelang, eine Achsenmacht zu schlagen – fast aufgerieben worden war. Der wohl wehrhaftesten und in hunderten von Aufständen gegen die Osmanen gestählten Insel des Mittelmeers stand nur ein Bruchteil ihres Potenzials zur Verfügung. Dass der neuseeländische Generalmajor Bernard Freyberg, der die britischen Truppen auf der Insel kommandierte, gegen die Empfehlung des britischen Geheimdienstes und die Zusicherung der Royal Navy, eine deutsche Landung über das Meer zu verhindern, sich entschloss, seine Truppen an den Stränden zu konzentrieren, gab dann den Ausschlag: Den Fallschirmjägern gelang es, sich auf dem Flughafen bei Maleme festzusetzen und ihren Nachschub zu sichern. Die Briten räumten die Insel, die Kreter kämpften bis zum Ende des Krieges am 8. Mai 1945 weiter.

Einer der deutschen Fallschirmjäger, die Kreta überfielen, war der Vater des Euskirchener AfD-Bundestagsabgeordneten Rüdiger Lucassen. In einem Post zum Jahrestag des deutschen Angriffs auf Kreta:

„Heute vor 84 Jahren sprang mein Vater Hans Lucassen mit seinen Kameraden des Fallschirmjägerregiments 1 über Kreta ab. Das Unternehmen Merkur wurde zur größten Luftlandeoperation der Kriegsgeschichte. Nach 12 Tagen verlustreicher Kämpfe gegen einen materiell und personell überlegenen Gegner war die Mittelmeerinsel genommen.
Die soldatische Leistung der kämpfenden Einheiten wird bis heute von Militärhistorikern und Soldaten gewürdigt. Die persönlichen Schicksale der deutschen Fallschirmjäger rühren zu Tränen. Wie das der drei Blücher-Jungs. Hans-Joachim, Leberecht und Wolfgang Graf von Blücher (Nachfahren des berühmten preußischen Generalfeldmarschalls) fielen innerhalb weniger Stunden. Hans-Joachim starb in Wolfgangs Armen bei dem Versuch, den Zug seines Bruders mit Munition zu versorgen. Leberecht wurde vermutlich bereits am Fallschirm tödlich verwundet.“

Mich rühren die Schicksale der deutschen Fallschirmjäger nicht zu Tränen.

Gräber deutscher Soldaten auf Kreta: Foto: Unbekannt Lizenz: CC BY-SA 4.0

Mein Vater ist Kreter, und Angehörige meiner Familie kämpften gegen die Deutschen – so wie sie es in den Jahrhunderten zuvor gegen die Osmanen getan haben. Wer meint, Kreta angreifen zu müssen, muss damit rechnen, zu sterben. Das ist kein überraschendes Schicksal, sondern so vorhersehbar wie der tägliche Sonnenaufgang im Osten. Niemand hatte die deutschen Fallschirmjäger, deren Verluste übrigens so groß waren, dass es nach Kreta nie wieder eine Luftlandeoperation Deutschlands gab, eingeladen. Alle waren sie freiwillig bei den Fallschirmjägern. Sie wollten kämpfen, sie kämpften und starben. Play stupid games, win stupid prizes.

Die Jahre der Besatzung waren hart. Fährt man heute durch Kreta, erinnert in fast jedem Dorf ein Mahnmal an die von den Deutschen ermordeten Zivilisten. Tausende wurden von den Deutschen umgebracht. Viele, auf Kreta wie in ganz Griechenland, verhungerten, weil die Besatzer ihnen die Lebensmittel raubten.

Ermordung kretischer Zivilisten Foto: Franz Peter Weixler Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE

Die Barbaren benahmen sich wie Barbaren und hatten auf der Insel keinen Tag Ruhe: 45.000 deutsche und 32.000 italienische Soldaten waren auf Kreta – das damals knapp 600.000 Einwohner hatte – stationiert. 5.000 kretische Partisanen, die legendären Andarten, banden fast achsen-treuer Truppen von fast 80.000 Mann. Ihnen gelang in Zusammenarbeit mit britischen Kommandotruppen trotz der Achsen-Übermacht ein einzigartiger Schlag: Sie nahmen 1944 den deutschen Inselkommandanten General Heinrich Kreipe gefangen und brachten ihn mit einem U-Boot nach Ägypten.

Kretische Widerstandskämpfer Foto: Unbekannt Lizenz: Public Domain

Kreta war die erste Hochkultur Europas – hier liegen die Wurzeln seiner Zivilisation. Und als sich die Barbaren aufmachten, diese Zivilisation zu zerstören, waren es Kreter, die gegen sie aufstanden. Kein toter Barbar ist eine Träne wert.

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