„Distilled“ bei Refugee Week Berlin – Zwischen Krieg, Flucht und Resilienz

Im Gespräch vor dem Podrum Berlin: Asmir Hadzibeganovic, Anna Maria Loffredo, Christopher Larson (v.l), Foto: Anna Maria Loffredo

Krieg, Flucht und Neuanfang in Deutschland – das sind die Zutaten des Films „Distilled“ über Asmir Hadzibeganovic, der in den 1990er Jahren vor dem Bosnienkrieg nach Deutschland floh. Jahrelang mit der Hoffnung auf Heimkehr baut er sich in Berlin eine Schnapsbrennerei auf und mixt zusätzlich elektronische Balkan- und Swingmusik. Der Regisseur Christopher Larson hat den einstigen Kriegsflüchtling beim Besuch seiner Heimatstadt Bijeljina im heutigen Bosnien und Herzegowina mit der Kamera begleitet. Daraus ist ein 25-minütiger Dokumentarfilm über menschliche Schicksale durch Krieg und Migration, aber auch eine besondere Freundschaft entstanden.

Anna Maria Loffredo: An Euren Namen ist klar – ein -ic und und ein -son – ihr seid nach Deutschland „migriert“. Was sind die Gründe, die euch dann in Deutschland zusammengeführt haben?

Asmir Hadzibeganovic: Natürlich merkt man, dass ich in den Neunzigern aus dem Krieg aus Bosnien geflüchtet bin. So ging meine Geschichte in Berlin los. Lange Zeit habe ich Musik gemacht und mir eine Destillerie aufgebaut, das Podrum in der Wilsnacker Straße.

Christopher Larson: Ich bin aus den USA, mein Name ist schwedischen Ursprungs, und ich habe 2017 in England studiert. Mein Mitbewohner kam aus Hannover und als seine alte Schulfreundin als Gast zu uns kam, habe ich meine jetzige Frau kennengelernt. Wir haben zwei Kinder und leben seit sieben Jahren in Berlin. In der Uni habe ich Russisch studiert, sodass ich zu den Ostblockstaaten einen Bezug hatte. Als freier Filmemacher habe ich über Menschen der Lehrter Str. kurze Dokumentationen gedreht. So bin ich auf Asmir aufmerksam geworden.

Anna Maria Loffredo: Das Ende des Bosnienkriegs jährt sich dieses Jahr zum 30. Mal.

Christopher Larson: Ja, ich habe vor vier Jahren, als wir die Überlegungen zum Film gestartet haben, Asmir gefragt, ob er seitdem jemals wieder in Bosnien war. Am Anfang in einem ersten Interview zu einem ganz anderen Projekt, das werde ich nie vergessen, hat mich Asmir gefragt, was meine große Angst sei. Für mich ist es eher so etwas wie zu versagen oder Leute zu enttäuschen. Asmir sagte, er habe Angst vor Krieg. Heutzutage werden Migrantengeschichten immer politisiert, also wollte ich gern einen Film darüber machen.

Asmir Hadzibeganovic: Andere Kultur, andere Menschen, andere Sprache. Anfangs dachte ich, nach dem Krieg fahren wir zurück. Jetzt bin ich 30 Jahre in Deutschland. Inzwischen habe ich eine kleine Tochter, die bosnisch-griechisch aufwächst – und halt deutsch.

Anna Maria Loffredo: Wie hast Du über den Film einen neuen Blick gewonnen, in die Vergangenheit aber auch in die Gegenwart zu schauen?

Asmir Hadzibeganovic: Mit verschiedenen Therapien habe ich versucht die Ängste in positive Energie umzuwandeln, indem ich Musik gemacht und jahrelang was geschaffen habe, und sei es unternehmerisch mein Spirituosengeschäft.

Anna Maria Loffredo: Was geschieht, wenn sich jemand wie Asmir dann komplett öffnet?

Christopher Larson: Ich war überrascht von der Reaktion und war überwältigt, seine Ohnmacht und Erinnerungen, die er aufgeschoben hatte, hautnah mit der Kamera zu erleben.

Regisseur Christopher Larson, Foto: Anna Maria Loffredo

Anna Maria Loffredo: Nach welchen Prinzipien gehst Du als Regisseur vor?

Christopher Larson: Es ist zunächst einmal eine Riesenverantwortung, weil es nicht meine Geschichte ist. Das einzige, was ich machen wollte, war Asmirs altes Haus mit ihm zusammen zu sehen. Als wir da waren, kamen andere Dinge dazu. Ich fragte ihn: „Was ist deine letzte Erinnerung?“ Plötzlich beginnt er zu weinen, aber ich muss die Kamera halten.

Anna Maria Loffredo: Was vermisst du am meisten aus deiner Heimat? Und was genau ist für dich Heimat?

Asmir Hadzibeganovic: Heimat kann man nicht essen, kann man nicht fühlen. Aber es ist dieses Lebensgefühl, das ich vermisse. In Bosnien gibt es diese besondere Energie.

Christopher Larson: Wir hatten bei den Dreharbeiten einen Kriegsveteranen am See kennengelernt. Er hatte Monate lang im Wald gelebt und sich von irgendwas ernährt. Er hat sofort mit uns in seinem selbstgebauten Boot eine Runde über den See gedreht und den Grill angeschmissen. Aus den kleinsten Dingen das größte Glück zu schöpfen, vielleicht ist es das.

Anna Maria Loffredo: Wenn du als Regisseur auf deinen eigenen Film schaust, was würdest du dir wünschen, was die Zuschauer mitnehmen sollen?

Christopher Larson: Krieg ist keine Theorie. Es geht um konkrete Menschen. Insbesondere in Geschichten von Migranten oder Geflüchteten, die ein Trauma erlebt haben.

Gebranntes und Destilliertes „Berlin Island Gin“ von Asmir Hadzibeganovic, Foto: Anna Maria Loffredo

Anna Maria Loffredo: Bevor nun Begriffe durcheinanderkommen: Refugee, Migrant, Geflüchtete, Asylsuchende … ich habe unseren ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck im Ohr: „Unser Herz ist weit. Doch unsere Möglichkeiten, sie sind endlich.“ Was sehr faszinierend für die Zuschauer nach eurem Film zu sehen ist, dass Du, Asmir, nie aufgibst. Woher kommt Dein Antrieb?

Asmir Hadzibeganovic: Als Jugendlicher war ich schon mit der Schnapskultur vom Balkan vertraut. Das hat mich in Deutschland auf die Schiene gebracht. Vielleicht kommt diese Energie einfach aus dem Universum. Was man sich wünscht, das kommt auch zurück. Und ich wünsche mir Weltfrieden. Ich möchte nicht mehr morgens aufwachen und hören, wie geschossen wird.

Christopher Larson: Mir ist aufgefallen, über die vier Jahre, die ich Dich jetzt kenne, hast Du so viel gemacht. Du hattest eine Bar, jetzt bist du auf der Westerstraße mit deinem Concept Store.

Anna Maria Loffredo: Und das alles im bürokratischen Deutschland , wofür es überall ein Formular gibt, um selbstständig zu sein.

Asmir Hadzibeganovic: Nicht zu viel nachdenken! Ich habe zwei Ausbildungen in Deutschland gemacht, als Maler und Lackierer und dann später als Systemelektroniker. Viele Menschen stellen sich wirklich mit Absicht doof an, auf der Baustelle, was soll ich machen. Wenn ich selbstständig in der Gastro bin, dann muss es gemacht werden, also machen, nicht nachdenken. Das ist meine Lebensphilosophie.

Anna Maria Loffredo: Euer Film „Distilled“ wird bei der Refugee Week Berlin am 20.6. im Haus der Statistik gezeigt. Wo noch?

Christopher Larson: Ja, und Anfang August in Kroatien und dann nochmal beim Dokumentationszentrum Berlin im November.

Anna Maria Loffredo: Kann man den Film auch bei Euch für andere Orte anfragen?

Christopher Larson: Ja, gerne! Organisationen, die den Film zeigen möchten, oder Verleiher zu Fernsehsendern oder anderen Streaming-Plattformen können auf uns zukommen. Alle Infos findet man auf unserer Website.

Asmir Hadzibeganovic: Wer weiß, vielleicht wird ja noch eine Netflix Serie daraus?! Genug Material und Potenzial haben wir. [lacht.] Die Stilistik des Films ist kein Blockbuster, sondern es geht um normales Kino.

Anfragen zu Screenings: Ch*********@************er.com

Christopher Larson & Asmir Hadzibeganovic, Foto: Anna Maria Loffredo

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