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Doğan Akhanlı: Heute Morgen verstarb ein Gerechter

Dogan Akhanli
(c) Kaya Gercek

„Die Gerechten aus den Völkern haben einen Platz in der kommenden Welt.“  

(Talmud)

Heute Morgen verstarb in Berlin Doğan Akhanlı – unerwartet für seine Familie und Freunde. Die Nachricht seines Todes verbreitete sich heute Vormittag recht schnell. Das ist nicht verwunderlich für einen Menschen, der sich zeitlebens als Schriftsteller für Aufklärung und  Versöhnung im Spannungsfeld von Vernichtung, Verfolgung und Vertreibung mit der Shoa, dem Genozid an den Armeniern (Aghet) und allen anderen Menschheitsverbrechen auseinandersetzte. Wenn man so will, war Doğan ein „Gerechter unter den Völkern“.

Doğan wurde 1957 in einem kleinen Dorf in der Türkei geboren und fand dank seiner Mutter zur Literatur. Die Geschichte dazu findet sich in „Verhaftung in Granada oder: Treibt die Türkei in die Diktatur?“  von 2018.  Als politischer Flüchtling kam er mit seiner Familie 1991 nach Deutschland und lebte seitdem die meiste Zeit in Köln, zuletzt in Berlin.

Im Exil begann er zu schreiben; zu seinem Oeuvre gehören Romane und Theaterstücke, „in denen er sich immer wieder für den wahrhaftigen Umgang mit historischer Gewalt, für Erinnerung sowie für die Unteilbarkeit der Menschenrechte einsetzt.“

Auf Deutsch erschienen: »Madonnas letzter Traum« (2019). »Die Richter des Jüngsten Gerichts« (dt. 2007), »Fasil« (türk. 2010), »Die Tage ohne Vater« (dt. 2016). Sein erstes Theaterstück in deutscher Sprache „Annes Schweigen“ wurde 2012 in Berlin (Theater unterm Dach) und im Januar 2013 in Köln (Theater im Bauturm) uraufgeführt.

In der Türkei mehrfach inhaftiert, wurde er 2017 in Spanien aufgrund eines türkischen Haftbefehls festgenommen und schrieb darüber das Buch »Verhaftung in Granada«, das 2021 am Schauspiel Köln auf die Bühne kam. Er wurde unter anderem mit der Goethe-Medaille ausgezeichnet.

Ich begegnete Doğan zuletzt am 3. September 2020 am NS-Dokumentationszentrum in Köln, vor dem das Foto entstand. Dort fand die Veranstaltung „Die Türkei, die Juden und der Holocaust. Zur Bedeutung eines kritischen Geschichtsbewusstseins in der Migrationsgesellschaft“ statt, an der Doğan zusammen mit Cory Guttstadt referierte.

In den vergangenen Jahren hatte ich das große Glück Doğan mehrfach begegnet zu sein und mich mit ihm über all die Facetten seines und meines Themas auszutauschen. Das geht nun nicht mehr. Dennoch bleibt die Erinnerung, die ewig währt.

Das nächste Glas Rotwein trinke ich für dich.

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Georg Jünger
2 Jahre zuvor

Lieben Gruß ins Ruhrgebiet & gewissermaßen von Blog zu Blog. Jammerschade, dass Doğan Akhanlı gestorben ist.

Ich habe ihn nicht gut gekannt, aber seine Bereitschaft, sich zugunsten von Menschenrechten in die Nesseln zu setzen, haben mir großen Respekt abgenötigt. Ich habe ihm ebenfalls einen kleinen Nachruf gewidmet.

trackback

[…] Doğan Akhanlı: Heute Morgen verstarb ein Gerechter […]

Müller Steffen
Müller Steffen
1 Jahr zuvor

Hallo liebe Leser,

vor kurzem habe ich im Internet einen Bericht gelesen das er 2018 ein Gedicht in Form eines 200 kg schweren Granatapfel zur Erinnerung an den Völkermord durch die Türken an den Armeniern nach Köln mitgebracht hatte.

Habe gerade seine E-Mail-Adresse gesucht um ihn zu fragen ob dieses Erinnerungsdenkmal in Köln noch steht oder inzwischen im Auftrag der Kölner Stadtverwaltung wieder entfernt wurde.

Nun habe ich leider durch diesen Artikel erfahren dass er letztes Jahr verstorben ist. Dank diesem Artikel weiß ich nun wenigstens auch woher er kommt und welche Lebenseinstellung er hatte.

Meinen Respekt und Hochachtung an ihn da er einer von nur ganz ganz wenigen Türken war der den Völkermord an den Armeniern durch sein Heimatland nicht geleugnet hat.

Vielleicht kann mir ja einer von den Lesern mitteilen ob das Erinnerungsdenkmal in Köln noch steht oder inzwischen abgerissen bzw entfernt wurde, da ich von der Stadtverwaltung Köln auf meine Anfrage bisher keine Rückantwort erhalten habe.

Mit freundlichen Grüßen aus dem Taunus

Steffen Müller

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