Rücktritt wegen Esoterik-Kritik?


Ob da Schüßler-Salze im Spiel waren? Foto: Flickr/laenulfean

 Ein Ratsmitglied in Gladbeck soll zurücktreten, weil er gegen staatlich finanzierte Werbeveranstaltungen für Esoterik ist.    

Liebe Leser unseres kleinen Blogs: Könnt Ihr Euch vorstellen, dass es Menschen gibt, die der festen Überzeugung sind, sie werden von einem Bier betrunken, dass so stark verdünnt ist, dass man keinen Alkohol mehr feststellen kann? Klar, die nennt man Tablettenabhängige und packt sie in ein Krankenhaus zur Entgiftung. Und was ist mit Leuten, die Stein und Bein darauf schwören, dass sie mit Stoffen heilen können, die so stark verdünnt sind, dass sie unterhalb jeder Nachweisgrenze liegen? Die heißen in Deutschland Heilpraktiker und die Mittel, die man nicht mehr feststellen kann – also eher die Nichtmittel – nennen sich homöopathische Medizin. In ein Krankenhaus weist man sie aber nicht ein.
Dass diese Heilmittel in einem naturwissenschaftlichen Sinn nicht existieren und ihre Wirkung nicht nachgewiesen werden kann, heißt im Übrigen nicht, dass sie nichts kosten – frei nach dem Motto „Schlechtes muss nicht billig sein“
Nun ist es schön, dass in einem freien Land jeder so viel Unfug treiben kann wie er will: Wer mag, kann sich mit heilenden Steinen bewerfen lassen, Eigenurin gleich literweise in sich hineinkippen oder auch von Schamanen helfen lassen, die mit Vornamen Gerd-Lothar heißen und in Bayern wohnen.
Was man offensichtlich in diesem Land nicht mehr tun darf, ist, darauf aufmerksam zu machen, dass Homöopathie reiner Unfug ist, dass Stoffe, die es nicht gibt, nicht wirken können und dass „Informationsveranstaltungen“ zu diesem Thema bitte schön nicht mit Steuergeldern finanziert werden sollen. Wir bauen ja auch keine Flughäfen für yogische Flieger.
Genau das tat Franz Wegener, ein Grünen Ratsherr in meiner Heimatstadt Gladbeck und ein alter Freund von mir. Einen Brief an die örtliche WAZ begann er mit der Überschrift „Kein Geld und Raum für Hokuspokus”. Was war geschehen? Im Januar fand in einem Kindergarten in Zweckel eine Veranstaltung zum Thema Schüßler-Salze statt. Referentin war die Heilpraktikerin Susanne Bolz. Die ist hochqualifiziert. Wikipedia zur Heilpraktikerprüfung: „Der schriftliche Teil ist ein Multiple-Choice-Test; er besteht in der Regel aus 60 Prüfungsfragen, von denen 45 richtig beantwortet werden müssen.“ OK, das sind fast doppelt so viele wie beim Modepführerschein.
Über Schüßler-Salze, das Thema der Veranstaltung, schreibt Wikipedia: „Schüßler-Salze sind alternativmedizinische Präparate von Mineralsalzen in homöopathischer Dosierung (Potenzierung). Die Therapie mit ihnen basiert auf der Annahme, Krankheiten entstünden allgemein durch Störungen des Mineralhaushalts der Körperzellen und könnten durch homöopathische Gaben von Mineralien geheilt werden. Diese Annahmen sind wissenschaftlich nicht anerkannt, eine Wirksamkeit der Schüßler-Salze ist nicht nachgewiesen.“ Eines von ihnen, das Magnesiumphosphat, kennt man auch als Lebensmittelzusatz unter dem schönen Namen E 343. Es wird gerne in Cola gepanscht und steht im Verdacht, Kinder rappelig zu machen (aber natürlich nicht, wenn man es so stark verdünnt, dass nichts davon mehr festzustellen ist.) Als studierter Historiker verpasste es Wegener auch nicht, auf den Zusammenhang von Nationalsozialismus und Esoterik hinzuweisen. Himmler war bekanntlich ein Anhänger der Homöopathie und ließ die SS noch während des zweiten Weltkriegs nach Thule, dem angeblichen nordischen Atlantis buddeln. Gefunden haben die Jünger Himmlers, der Hühnerzüchter und Massenmörder in einer Person war, natürlich nichts.
Wegener ging es darum, Kinder künftig davor zu schützen in die Hände von Heilern zu fallen, wenn es ernst wird. Gegen eine Informationsveranstaltung zum Thema Homöopathie hätte er sicher nichts einzuwenden gehabt, aber vielleicht eher unter dem Motto: „Wenn Eure Kinder krank sind bringt sie zu einem Arzt – Millionen Menschen hätten gerne diese Möglichkeit. Nutzt sie!“
Nun könnte man meinen die Kindergärtnerinnen, die zu der Esoterikveranstaltung eingeladen haben, würden im Augenblick mit einer Papiertüte über dem Kopf durch die Gladbecker Fußgängerzone laufen. Weit gefehlt. Der Elternrat des Kindergartens ist über Wegeners Äußerungen „schwer empört“ und in einem Kommentar im Lokalteil – der leider nicht online ist – bemerkt der WAZ-Autor „Es sind schon Ratspolitiker aus geringeren Gründen zurückgetreten.“ Ja, ich 1996 – weil ich nach Bochum gezogen bin. Heute weiß ich einmal mehr warum.

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Marcus Meier
16 Jahre zuvor

Hallo Stefan,

 gut so: Engagiert verteidigst Du unsere staatlichen Institutionen. Genau, die müssen die letzte Bastion bleiben vor dem Irrsinn auf dem Markt des Allzu-Möglichen. Völlig korrekt. Danke!

weltkind
16 Jahre zuvor

Lieber Stefan

Deinen Unmut ueber selbsternannte Heiler kann ich nachvollziehen. Meine Tochter waere 1991 nach ihrer Geburt fast gestorben: die betreuende Hebamme wollte ihr hohes Fieber, ihr Dauerschreien und ihre zunehmend gelbe Gesichtsfarbe mit homoepathischen Kuegelchen bekaempfen. Leider habe ich ihr vertraut. Als wir nach einer Woche mit ihr doch in die Klinik fuhren, konnte ihr nur noch mit einem Blutaustausch das Leben gerettet werden. Von Heilpraktikern halte ich mich seither fern, auch allerdings von Aerzten, die meinen, mit Pillen jedes Problem loesen zu koennen (siehe Heath Ledger). Mein Hausarzt z.B., ein klassisch studierter Mediziner, hat eine Zusatzausbildung in Naturheilverfahren absolviert- Er setzt sie ergaenzend, nicht ersetzend ein, z.B. bei psychosomatischen Stoerungen. Gruesse und ich verstehe deine Wut

Thomas Xavier
16 Jahre zuvor

Ein Grüner, der sich gegen den esoterischen Zeitgeist stemmt? Man höre und staune. Die Grünen, sind das nicht die Partei, der wir den elenden Binnenkonsens beim Arzneimittel-Zulassungsverfahren verdanken?

Richard Maxheim
15 Jahre zuvor

Zu der Thematik der staatlichen Protektion von esoterischem Humbug habe ich einiges in Arbeit. Mehr dazu auf meiner Website.

Gruß
Richard Maxheim

Ps.: Vielleicht dazu noch interessant:
https://forum.oekotest.de/cgi-bin/YaBB.pl?num=1220891528

Arnold Voß
Arnold Voß
15 Jahre zuvor

Heilpraktische Methoden leben von der Autosuggestion.Diese wiederum hat mit den dort verabreichten Mitteln natürlich rein gar nichts zu tun.Sie ist jedoch eine zusätzliche (selbst)heilende Kraft, auf die auch klassischer Mediziner zunehmend setzen. Menschen die fest daran glauben, dass sie wieder gesund werden, werden auch eher wieder gesund. Diesen Zusammenhang nennt man Psychosomatik. Allerdings ist die Kraft der Autosuggestion eine begrenzte.

Heilpraktiker sind insofern Scharlatane, als dass sie ihre Patienten mit dieser Autosuggestion im wahrsten Sinne des Wortes alleine lassen bzw. so tun, als seien es nur sie und ihre Mittel, die helfen. Das wiederum beruht auf der Autosuggestion der Heilpraktiker, die selbst fest glauben, dass das auch stimmt.

So entsteht ein wunderbarer wechselseitiger autosuggestiver Zusammenhang der im Kern nichts anderes ist als geteilter Irrsinn. Wenn denn die Selbstheilungskräft jenseits jeder Medikation helfen, sind Patient und Heilpraktiker glücklich in ihrer Autosuggestion vereint. Wenn das nicht der Fall ist, bricht das System einzig auf Kosten des Patienten zusammen, denn die Autosuggestion des Heilpraktikers bleibt ja bestehn bzw. muss sie das, weil er sonst seinen Job und damit seine Existenz sofort an den Nagel hängen müsste. Im heilpraktischen Verhältnis ist deswegen , wenn die Sache schief läuft, der Patient nicht nur der Leidtragende (was er ja immer ist), sondern auch noch der Schuldige.

Und trotzdem mögen viele Menschen solchen „Heil“verhältnisse. Die einen, weil ihn bis zu diesem Zeitpunkt niemand geholfen hat und sie aus purer Verzweifelung nichts mehr einsetzen können außer ihre Autosuggestion. Die anderen, weil sie in einem solchen autosuggestiven Zusammenhang nicht gezwungen werden, sich mit den wirklichen Gründen ihrer Krankheit auseinanderzusetzen. Eine dritte Gruppe ist schlicht überhaupt nicht krank sondern braucht nur regelmäßig ein Gespräch mit eingebautem Hokuspokus. Gefährlich ist diese „Beziehungskiste“ jedoch allemal. Und irgendwie auch normal, denn nichts macht der Mensch häufiger, als sich selbst zu betrügen.

Seo
Seo
15 Jahre zuvor

Lasst Euch nicht unterkriegen – Esoterik ist nicht gleich Scharlatanerei und sollte genauso ernst wie spaßig gesehen werden dürfen, genauso wie es fiese betrügerische Gestalten in der Esoterik wie überall im Leben gibt!

Chris SEO
15 Jahre zuvor

Ich glaube an die Heilkraft durch Autosuggestion und habe es am eigenen Leib gespürt. Als die Schulmedizin versagte, half eine einfache Arnikasalbe und der Glaube daran, dass ich wieder halbwegs laufen kann.

Arnold Voß
Arnold Voß
15 Jahre zuvor

Nicht dass ich missverstanden werde : Autosuggestion bzw. Selbstheilung ist eine große und eine, wenn ich die diesbzüglichen neueren Untersuchungen richtig deute, sehr wohl biologisch basierte und nicht nur irrational eingebildete menschliche Kraft. Und natürlich ist sie zugleich ein geistiges und mentales Potential. Aber sie ist in beiden Ausprägungen letztlich begrenzt. Der Glaube versetzt eben keinen Berg, aber er kann die Besteigung eines solchen erleichtern, ja sogar erst möglich machen.

Rendel
Rendel
15 Jahre zuvor

Ich glaube Autosuggestion bzw. Selbstheilung ist ein sehr wichtiges Heilmittel und es ist nicht immer so einfach es bewusst einzusetzen. Viele Leute brauchen eben diese homöopathische Mittel damit sie heilen können; sie wollen und müssen an etwas glauben, weil sie an sich selbst nicht genug glauben.

Darum halte ich es für vernünftig und sollte weiterhin ermöglicht werden, dass die Leute zu Heilpraktiker gehen können, jedoch auf eigenen Kosten und solange sie keine negative Nebenwirkungen spüren, die direkt nachweisbar wären.

Man müsste sonst viele Nahrungsmittelergänzungen auch aus dem Markt entfernen, denn die meisten basieren auf falsch fundierte oder wenig überzeugende Studien. Dies ist auch eine Branche, die viel Geld macht, weil sie Produkte verkaufen, die gesund, stärkend, erkältungshemmend,… sein sollten, ohne dass mehrere positive Forschungserbnisse über die bestimmte Wirkung eines Substanzen (im Produkt) nachgewiesen wurde!

z.B.: Magnesium ist gut gegen Muskelkater! –> stimmt nur bei starker Mangel und kontinuierlich starke Muskelanstrengung.

Ich finde es korrekt, dass man in der Schule nicht einfach über irgendwelche Heilmittel berichten darf, ohne dass sie wissenschaftlich fundiert sind.
Aber der Öffentlichkeit, sollte die Möglichkeit sich über andere Heilmethoden zu erkunden und sie zu gebrauchen (sofern sie nicht schädlich sind) ermöglicht sein, denn schlussendlich sollten wir Erwachsene imstande sein selbst zu entscheiden und zu beurteilen was gut und schlecht für uns ist.

Saturnous
14 Jahre zuvor

Hunger ist tödlich – gegen Hunger helfen Eiweis, Fett und Kohlenhydrate.

Potenziert man Dinge nur lange genug bewirken Sie das Gegenteil dessen was Sie auslösen.

Nahrung in D40 => Hungertod statt Sättigung.

Eines Tages begehe ich einen homöopathischen Massenmord durch Aushungern – ich werfe einen Hotdog ins Meer ! 😀

Franz Josef Neffe
14 Jahre zuvor

Das finde ich doch immer ein wenig makaber, wenn mir jemand etwas ausreden will, was ER NICHT nachweisen kann. Also wenn jemand Ampere und Volt nicht messen kann, dann darf er mir vorschreiben, dass es keinen Strom gibt.
Nehmen wir mal als kleines, lustiges historisches Beispiel das Fluidum (kosmische Energie) des Dr. Franz Anton Mesmer. Die Franz. Akademie der Wissenschaften sollte 1784 in königlichem Auftrag die Sache untersuchen mögen wollen. Da man Mesmers „Fluidum“ nicht messen und einschachteln konnte, erklärte man es existent. Aber man war nicht so weise, dann die Klappe zu halten: Die wahrlich aufsehenerregenden Heilerfolge und die Wirkung führte man auf die EINBILDUNGSKRAFT zurück. Wenn also mit der EINBILDUNGSKRAFT so vielen Menschen geholfen werden konnte, denen zuvor niemand helfen konnte, und wenn das höchste wissenschaftliche Gremium des Landes dies als Tatsache in den Raum stellte, dann, so müsste man doch meinen, sei infolge dieser genialen indirekt gewonnen Erkenntnis die letzten 226 Jahre in der Ausbildung akller medizinischen Berufs die EINBILDUNGSKRAFT auf dem Lehrplan gestanden. Mitnichten! Man brauchte sie nur, um Mesmer kaltzustellen. Und obwohl man ihn auch heute noch für zu blöd erklärt, seine eigene Theorie verstanden zu haben, haben ihn die Psychologen als ihren Gründungsvater auserkoren. Wenn das nicht zum Schmunzeln ist!
Wenn ich konkrete Erfolge auf dem medizinischen und nicht nur auf dem satiriisch-kriminologischen Sektor sehe, könnte mich das als Ich-kann-Schule-Lehrer durchaus ernsthaft interessieren. Ich grüße freundlich.
Franz Josef Neffe

Ebse
Ebse
14 Jahre zuvor

Der Glaube versetzt Berge.

Aber: Welchen Berg? Wohin? Wie schnell? Mit welchen Mitteln?

Vielleicht weiß es ‚die Weisheit‘?

Allerdings: auch dies möglicherweise nur Gelaberlaberlaber….

Saturnous
14 Jahre zuvor

Warum sollen aber die Hilfesuchenden an die Esoteriker Ablass zahlen – oder wir über Krankenkassen den Ablass tragen. Sollen sie sich doch aufspalten – die einen zum Psychologen gehen die anderen zum Pfaffen. Wer dann der Naivere ist darüber lässt sich wohl fein streiten – aber beide kennen ihre Grenze besser und überweisen wenigstens zum Arzt. Exzorzisten die Epileptik behandeln sind nur Ausnahmen – Homeopathen die meinen an Krebs, Diabetes oder AIDS rumdoktorn zu müssen (trotz gegenteiliger Einschwörungen durch den Verband) fast die Regel.

statt schamanen
13 Jahre zuvor

Das hat man in Göttingen ganz anders gesehen – wahrscheinlich weil man sich dort „Stadt der Wissenschaften“ nennt und einen Imageschaden befürchtet (www.statt-schamanen.de >>> Verdunkelte Hellsichtigkeit im House of Shaman)
Grundsätzlich sollten hierfür keine öffentlichen Mittel aufgewendet werden, egal ob direkt oder indirekt.

Andreas
11 Jahre zuvor

Und der Beitrag paßt schön zu den Salzen.

https://www.3sat.de/mediathek/?display=2&mode=play&obj=22894

Rainer Ostendorf
11 Jahre zuvor

„Früher besprach man Warzen, heute betreibt man Esoterik.“ Harald Schmid
Dein Blog gefällt mir.
Schöne Grüsse aus der Freidenker Galerie
Rainer Ostendorf
http://www.freidenker-galerie.de

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