Giuseppe Gracia: Wenn Israel fällt, fällt auch der Westen

Wenn Israel fällt, fällt auch der Westen (Foto: Fontis-Verlag)
Wenn Israel fällt, fällt auch der Westen (Foto: Fontis-Verlag)

„Wenn Israel fällt, fällt auch der Westen“ – warum der Antisemitismus uns alle bedroht: Aufmerksam auf dieses Buch, oder genauer: Büchlein, des Schweizer NZZ-Kolumnisten Giuseppe Gracia, wurde ich durch das Vorwort von Henryk M. Broder, über das ich irgendwo im Netz gestolpert war:

Was passiert, wenn Israel fällt …? Das ist doch nur eine Kopfgeburt. – Nein, das ist es nicht. Die Härte, mit der die israelische Armee gegen die Hamas in Gaza und die Hisbollah im Libanon vorgeht, kommt auch daher, dass Israel es sich nicht leisten kann, einen Krieg zu verlieren, während die Gegenseite aus jeder Konfrontation militärisch geschwächt, aber moralisch und politisch gestärkt hervorgegangen ist. Ein verlorener Krieg wäre nicht nur eine militärisch-politische Niederlage, es wäre ein existenzieller Super-GAU, der letzte aller Kriege, das physische Ende des ersten jüdischen Staates auf historischem Boden seit 2000 Jahren.

Antisemitismus und „Israelkritik“

Vielleicht bedingt durch die vorherige Lektüre des Szenarios „Wenn Russland gewinnt“ von Carlo Masala, rechnete ich mit einem Planspiel, in dem ebenso wie in Masalas Buch der Worst Case für den jüdischen Staat durchgespielt und analysiert wird: In dieser Hinsicht wurde ich bei der Lektüre enttäuscht. Das „Szenario“ ist sehr knapp verfasst, was nicht verwundert: Die Print-Ausgabe umfasst etwa 120 Seiten, mit dem eBook war ich relativ schnell durch, da das Buch sich sehr flüssig lesen lässt.

Die große Schwäche von „Wenn Israel fällt, fällt auch der Westen“ ist, in meinen Augen, die fehlende Tiefe: Bei den meisten Themen wäre mehr Information hilfreich. Das Szenario „Wenn Israel fällt, fällt auch der Westen“ ist extrem kurz geschrieben.

Wer sich ein wenig mit der Geschichte des Staates Israels befasst und irgendwann mal, etwas von Alex Feuerherdt, Arye Sharuz Shalicar (Pulverfass Nahost) und Dr. Stephan Grigat gelesen hat: Der erfährt vermutlich nicht viel Neues.

Diese Schwäche, die Knappheit der Texte, ist auf der anderen Seite eine Stärke des Buches, das die Geschichte des Antisemitismus, die Geschichte Israels und die Hintergründe des Nahostkonfliktes beleuchtet: Die Breite der Themen und die Kompaktheit bietet Menschen, die am Thema Israel/Nahostkonflikt interessiert sind, einen schnellen Einstieg in die Materie.

Giuseppe Gracia bezieht klar Stellung für den jüdischen Staat und formulieret dabei knapp und stringent:

Je öfter westliche Medien oder Politiker vor dem Hintergrund dieser Konflikte den Eindruck erwecken, Israel könne die Hisbollah, die Hamas oder den Iran durch Zugeständnisse besänftigen, wird im Umkehrschluss die Lüge aufgebaut, die Juden seien im Grunde selbst schuld, wenn der islamische Judenhass trotz allem fortdauert. Diese Lüge fördert Antisemitismus. Eine Lüge, zu der auch das Verschweigen folgender Tatsache gehört: Der Krieg gegen Hamas, Hisbollah und den Iran könnte schon morgen vorbei sein, wenn die radikal-muslimische Seite ihren Plan der Vernichtung Israels und der Vernichtung aller Juden aufgeben und dies öffentlich in den Medien verkünden würde. Eine solche mediale Verkündigung hat es bisher nicht gegeben und wird es in den kommenden Jahren wohl auch nicht geben. Das ist äußerst vielsagend – und wird ebenfalls gern ausgeblendet.

Themen wie „Das palästinensische Volk“ – das es nie gab – und Westjordanland, Gazakriege, antiisraelische NGOs, die UNO, die Flüchtlingsproblematik und Abraham Records werden kurz und knapp erklärt. Auf die religiösen Aspekte des Konfliktes geht Giuseppe Gracia ebenfalls ein: Natürlich, bei diesem Konflikt ist das Thema Religion nicht ganz unwichtig.

Tel Aviv: Plakat aus der Zeit, als mit "Palästinenser" noch die jüdischen Bewohner des britischen Mandatsgebietes gemeint waren. (Foto: Peter Ansmann)
Tel Aviv: Plakat aus der Zeit, als mit „Palästinenser“ noch die jüdischen Bewohner des britischen Mandatsgebietes gemeint waren. (Foto: Peter Ansmann)

Stellenweise stellt der Autor die Religion, für mich persönlich, zu sehr in den Vordergrund. Hier nicht nur im letzten Satz:

Wer gegen Antisemitismus kämpft, kämpft am Ende also um das Fortbestehen einer biblisch fundierten Kultur, die um die Grenzen des Menschen weiß und gerade deshalb imstande ist, die Würde des Einzelnen zu garantieren. Es ist ein Kampf, in dem sich in Wahrheit nicht Freunde und Feinde der Juden gegenüberstehen, sondern Freunde und Feinde der Freiheit. Freunde und Feinde einer Weisheit, die daran erinnert, dass Gott keine Erfindung des Menschen ist, sondern der Mensch eine Erfindung Gottes.

Man könnte hier auch, ohne die Religion zu erwähnen, von humanistisch fundierter Kultur schreiben, die auch Errungenschaften in der christlichen Kultur einschließt (Wie beispielsweise die Epoche der Aufklärung, die der Westen, im Gegensatz zu den islamischen Staaten, irgendwann durchgemacht hat!) um auch Nicht-Christen leichter bei dem Thema abzuholen.

Fazit: Wer in der Materie Israel/Nahost drinnen ist und wer hier tiefergehende Analysen erwartet, könnte von Wenn Israel fällt, fällt auch der Westen eventuell enttäuscht werden.

Wer einen sehr kompakten – und parteiischen – Überblick über den Nahostkonflikt lesen möchte, um Anhängern der woken, postkolonialen, islamismusverherrlichenden Palästina-Bubble stichhaltige Fakten und Argumente (Notfalls auch das Buch!) um die Ohren zu hauen: Dem sei das Buch ans Herz gelegt.

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