Iranischer Terror in NRW: Wie akut ist die Bedrohung?

IRGC-Chief Hussein Salami (1960 – 2025-06-13) by Tasnim News Agency (IRGC) cc 4.0

Der Iran hat sein Terror-Netz auch über Deutschland gespannt. Im Visier: iranische Dissidenten, Juden und Israelis, „(pro-)jüdische und (pro-)israelische Ziele“. Wie realistisch ist die Option, dass der Iran jetzt seine Terror-Karte spielt? Wir haben den Verfassungsschutz gefragt.

Brandanschlag auf die Synagoge Bochum, scharfe Schüsse auf das Rabbinerhaus in Essen: Die Terror-Anschläge in der Nacht zum 18. November 2022 stellten Gesten einer Bedrohung dar, unschwer zu deuten. Unglaublich zugleich, dass es  –  gerichtlich festgestellt  –  ein niederrheinischer Rockerboss war, der seine kriminellen Cliquen im Ruhrgebiet vom Pool in Teheran aus dirigiert hat. Ramin Yektaparast, der Impressario des Terrors, arbeitete im Auftrag „staatlicher Stellen der Islamischen Republik Iran“, so das OLG Düsseldorf in seinem Urteil gegen Babak J., den heute 38jährigen Dortmunder, der den Brandsatz nach Yektaparasts Anleitung gebaut und dann nicht direkt auf die Synagoge, sondern die benachbarte Schule geworfen hatte „im Sinne einer die Allgemeinheit erreichenden Verunsicherung“, wie es in der Urteilsbegründung heißt. Die Terrorzone gedehnt, das Bedrohungsszenario geweitet, die Botschaft: Wo Juden sind, da lauert Gefahr, die jüdische Gefahr. Das antisemitische Credo.

Mit den „staatlichen Stellen der Islamischen Republik Iran“, die das OLG Düsseldorf als Auftraggeber benannt hat, ist das Ministerium für Nachrichtenwesen (MOIS)  gemeint und mehr wohl noch die iranische Revolutionsgarde (Islamic Revolutionary Guard Corps, IRGC), ein Staat im Mullah-Staat mit immenser militärischer, wirtschaftlicher und medialer Macht. Und mit einem eigenen Auslandsgeheimdienst, der Quds-Force, die ein Terror-Netzwerk über Europa gespannt hat, über Kanada und die USA und die sich darauf vorbereitet  –  so hatte es Frank Jansen für den Tagesspiegel bereits 2019 in Sicherheitskreisen recherchiert  –  , „bei einem israelischen Angriff auf Irans Nuklearanlagen mit Attentaten zu antworten“. Dass sich die Quds-Force in die Strukturen organisierter Kriminalität einkaufen, um Terror-Anschläge verüben zu lassen, hat sich nicht nur in Bochum gezeigt, es ist ebenso aus skandinavischen Ländern bekannt, aus den Niederlanden, aus Kanada, den USA, Frankreich, Spanien, Türkei …

Botschaften

Knotenpunkte dieses Netzwerks sind offenbar die diplomatischen Vertretungen des Irans, „ein weit verzweigtes Auslandsnetz, das auf direkten Befehl des Obersten Führers und des Geheimdienstes des Korps der Islamischen Revolutionsgarden operiert“, so die Einsicht, die Iran International gewonnen hat, der oppositionelle Satellitensender konnte kürzlich mit mehreren Diplomaten und Botschaftsmitarbeitern sprechen, die ausgeschieden sind aus dem Terror-Dienst. Gut dokumentiert (ua vom NDR) der Fall von Assadollah Asadi, dem dritten Botschaftsrat in Wien, 2018 in Deutschland verhaftet, 2021 in Belgien wegen versuchten Bombenanschlags auf iranische Dissidenten in Paris verurteilt und im Mai 2023 vom Iran  –  das Regime betreibt Geisel-Diplomatie  –   erfolgreich freigepresst. Wandel durch Handel.

Im Januar desselben Jahres hatte die Bundestagsfraktion Die Linke die Bundesregierung gefragt, ob sich unter den rund 160 Personen, die den iranischen Auslandsdiensten zu der Zeit in Deutschland zugerechnet wurden, ebenfalls Angehörige der iranischen Botschaft und Konsulate befänden, Antwort: „Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.“ Wenige Monate später, Ende Oktober 2024, verfügte die Regierung  –  in Reaktion auf die Entführung und Hinrichtung des Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd  –  dann aber die Schließung der drei iranischen Generalkonsulate in Frankfurt am Main, München und Hamburg, ein Teil des diplomatischen Personals wurde ausgewiesen. Drei Monate zuvor war bereits das Islamische Zentrum Hamburg, den dortigen Verfassungsschutzbehörden seit 2017 als „Instrument der iranischen Staatsführung“ bekannt, von den Behörden geschlossen worden. „Das MOIS“, so die Feststellung des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes in seinem jüngsten Bericht, „agiert sowohl von der Zentrale in Teheran aus, indem Mitarbeiter Treffs mit nachrichtendienstlichen Quellen in Drittländern arrangieren, als auch über örtliche Legalresidenturen im Zielgebiet. Daneben sind Angehörige und Unterstützer der sogenannten Quds Force (QF), der iranischen Revolutionsgarde, in Nordrhein-Westfalen tätig.“

Hildegardis-Gymnasium, Synagoge Bochum 2024 by thw

Wir haben das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), ansässig in Köln, und das NRW-Innenministerium gefragt, dem der hiesige Verfassungsschutz eingegliedert ist, wie sie die Bedrohungslage jetzt einschätzen, während Israel das iranische Aggressionspotential  –  sowohl das konventionell militärische wie das atomare wie auch deren Kommando-Ebenen  –  täglich dezimiert. Antwort des BfV:

„Hinweise auf eine unmittelbare Bedrohung von in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden bzw. jüdischer sowie israelischer Einrichtungen liegen derzeit nicht vor. Jedoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass die militärische Eskalation Israels zu antiisraelischen Demonstrationen/Kundgebungen sowie Sachbeschädigungen in Deutschland führt. Ob diese die Dimension nach den Terroranschlägen der Hamas auf Israel am 07.10.2023 erreichen werden, bleibt abzuwarten.“

Das BfV lässt mithin den Blick vom iranischen Staatsterrorismus hinüber zu einer Szene gleiten, die gemeinhin als „pro-palästinensisch“ betitelt wird und mit den Akteuren der iranischen Geheimdienste durchaus verbandelt sein dürfte, aber kaum wohl von diesen angeleitet wird. Rückt die Bedrohung ab von Attacken, die auf direkten Befehl aus Teheran geführt werden, hin zu aktivistischen Einzeltätern, wie Elias Rodriguez einer ist? Der 31jährige Chicagoan hatte am Abend des 21. Mai die US-Bürgerin Sarah Milgrim (26) und den Deutsch-Israeli Yaron Lischinsky (30) vor dem Jüdischen Museum in Washington niedergeschossen, nur um anschließend vor einer zufälligen Kamera „Free Palestine“ zu brüllen.

„Was in Washington passiert ist“, so der Terror-Experte Peter R. Neumann gegenüber der Jüdischen Allgemeinen, „hätte auch in Deutschland geschehen können.“ Ähnlich Stephan Kramer, Präsident des Verfassungsschutzes Thüringen, dem Handelsblatt sagte er, es sei ebenso denkbar, dass die pro-palästinensische Szene zu einem „offensiven Antisemitismus“ übergehe wie „dass der Iran inländische Islamisten benutzt, um Anschläge zu verüben“.

Der Verfassungsschutz NRW gewichtet anders. Das „pro-palästinensische Spektrum“ in NRW lasse zwar „stellenweise“ eine Abgrenzung zum israelbezogenen Antisemitismus vermissen, heißt es im Bericht für 2024, eine „linksextremistische Führung“ sei jedoch nicht feststellbar gewesen. Auch die etwa 230 Mitglieder und Anhänger der erst seit Ende 2023 verbotenen Hamas in NRW seien „überwiegend nicht radikal, sondern moderat“ und „insgesamt sehr vorsichtig“ aufgetreten. Intifada bis zum Sieg ist in NRW  –  dem Support aus der Kulturszene zum Trotz, man denke an Achille Mbembe, der die Zweite Intifada mit mehr als 1000 Ermordeten zum Erlösungswerk hochphilosophiert und sich damit als Chefdenker für Stefanie Carps Ruhrtriennale qualifiziert hatte  –  offenbar keine Idee, die konkrete Terrorgelüste wecken würde.

Stattdessen lenkt das Düsseldorfer Ministerium den Fokus zurück auf das iranische Regime selber. Den Ruhrbaronen gegenüber betonte eine Sprecherin des Innenministeriums jetzt, dass der Iran zwei „prinzipiell ausgeprägte antiwestliche sowie antiisraelische Stoßrichtungen“ erkennen lasse. Im Vergleich mit militärischen Manövern oder auch Cyber-Angriffen, wie sie der Iran auch in NRW führt, bedürften staatsterroristische Attacken „weniger Ressourcen und Logistik. Iran hat in den letzten zehn Jahren mehrfach seine Bereitschaft und Fähigkeit unter Beweis gestellt, im Einzelfall staatsterroristische Aktionen auch auf europäischem Boden durchführen zu können.“

Ähnlich hieß es bereits im Jahresbericht für 2024, also Monate vor dem direkten Angriff Israels auf das iranische Atomprogramm, dass der Iran zwar bereits „deutlich geschwächt“ sei, das staatsterroristische Risiko sich aber gerade deshalb „weiter erhöht“. Es müsse damit gerechnet werden, „dass Iran und seine verbündeten Akteure sich verstärkt dazu veranlasst sehen könnten, der geschwächten eigenen Position durch asymmetrische terroristische Aktionen zu begegnen.“

„Symbolische Bezüge“ 

Und wenn, gegen wen? In den vergangenen Jahren bereits, so Peter R. Neumann, hätten die  staatsterroristischen Angriffe des Iran in Europa vorwiegend auf Israelis und europäische Juden gezielt. „Wir wappnen uns auch in Deutschland für den Fall, dass Iran israelische oder jüdische Ziele in Deutschland ins Visier nehmen sollte“, so Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) vergangenen Woche. Es ist das Mindeste, was jetzt getan werden muss, aber auch getan werden kann: Jüdische oder israelische „Ziele“  –  Synagogen, Schulen, Botschaften, Restaurants, Reisebüros usw., Repräsentanten, Politiker, Publizisten, Künstler usf.  –  lassen sich addressieren.

Allerdings sprechen die Verfassungsschutzbehörden seit einigen Jahren bereits von „(pro-) israelischen und (pro-) jüdischen Zielen“. Auch die vormalige Bundesregierung hatte im Februar 2023 in ihrer Antwort auf die o.e. Anfrage festgehalten, dass „(pro-)jüdische und (pro-)israelische Ziele das zentrale Betätigungsfeld der IRGC Quds Force in Deutschland“ darstellten. Welche Ziele darunter zu verstehen seien, auch das haben wir die Bundes- und hiesige Landesbehörde gefragt, das Bundesamt verweist in seiner Antwort auf die Zuständigkeit der Länder, das NRW-Innenministerium teilt mit:

„In den Fokus iranischer Stellen können dabei Akteure geraten, die erkennbare und insbesondere auch symbolische Bezüge zu Israel und/oder dem Judentum aufweisen.“

Dies gelte, so die Sprecherin des Innenministeriums, „für Deutschland und auch für Nordrhein-Westfalen.“ Beleg hierfür sei der versuchte Anschlag auf die Synagoge in Bochum, die „Anschlagsplanung“  –  attackiert wurde das Gebäude nebenan  –  gehe „auf eine staatliche iranische Stelle zurück“.

Iranische Optionen

Ob sie auch weiterhin planen können, die staatlich-iranischen Stellen? Militärisch ist der Iran entblößt, politisch isoliert, wirtschaftlich marode, seine Führungsclique zersprengt. In dieser Situation hält Peter R. Neumann es für „äußerst unklug“, setzte der Iran jetzt seine Schläferzellen in Marsch: „Einzeltäter sind eine größere Gefahr.“ Auch Olivier Roy geht davon aus, dass das Regime in Teheran brutal sei, „aber nicht irrational“, der französische Politikwissenschaftler zieht daraus aber einen anderen Schluss: „Da die Iraner militärisch nicht reagieren können, müssen sie zum Terrorismus übergehen, sie müssen Schiffe auf See angreifen.“

Gemeint die Straße von Hormus, wer sie blockiert, könnte die Weltwirtschaft in eine ernste Krise stürzen und darauf vertrauen, dass sich weltweite Wut gegen Israel richtet: Die Zustimmung zu antisemitischen Ideen wie der, dass „die Juden“ die „international financial markets“ beherrschten und verantwortlich seien für „most of the world’s wars“  –  die US-amerikanische Anti-Defamation-League fragt solche Tropen Jahr für Jahr in über 100 Ländern ab  –  ist verlässlich hoch. Die Wahrscheinlichkeit allerdings, dass es dem Iran tatsächlich könnte, das Nadelöhr von Hormus zu blockieren, ist eher gering angesichts der massiven US-militärischen Präsenz vor Ort.

Bliebe die Option, Terror dorthin zu tragen, wo das Bündnis mit Israel halbwegs stabil ist. Das mag äußerst unklug sein, wie Neumann schreibt, Frage ist nur, wie eine staatspolitische Ratio beschaffen ist, wenn sie auf eine  –  wie die NRW-Verfassungschützer dies nennen  –  „prinzipiell ausgeprägte“ antisemitische und eine „prinzipiell ausgeprägte“ antiwestliche Stoßrichtung baut. Eine, die sich  –  die Erinnerung ans Nazi-Regime liegt auf der Hand  –  gegen jede politische Logik wendet, am Ende selbst gegen den Trieb zur Selbsterhaltung.

Hinweise darauf  –  mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz gesprochen  –  „liegen derzeit nicht vor“.

 

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