
Der SPD-Finanzminister verkörpert den „Finanzierungsvorbehalt“: Großmütterrente und Gastrosteuersenkung für die CSU Ja, Stromsteuersenkung für Alle Nein. Die Wähler strafen seiner Partei dafür ab. Merz schaut nur zu.
„Wer zahlt, schafft an.“ Diese alte Redensart bedeutet in der Politik: Wer die Regierungsgeschäfte steuern will, muss sich Zugriff auf die Staatskasse sichern. Guido Westerwelle wollte einst lieber Außenminister werden, seine FDP flog vier Jahre später aus dem Bundestag. Christian Lindner hielt es anders – das Ergebnis war das gleiche. Wolfgang Schäuble und Olaf Scholz hingegen nutzten das Amt als Bundeskassenwart, um die öffentlichen Finanzen zu sanieren und gewünschte Projekte durchzusetzen. Lars Klingbeil – um es vorsichtig auszudrücken – übt noch.
Dabei startete er eigentlich mit besten Voraussetzungen: Bevor Union und SPD überhaupt ihre Koalitionsverhandlungen begannen, schaffte noch der alte Bundestag die Schuldenbremse, die Schäuble als Mr. „schwarze Null“ im Grundgesetz verankert und auch Scholz als „rote Null“ eisern verteidigt hatte zum Wohle des Landes, faktisch ab. Die Wehrausgaben sind davon jetzt großteils ausgenommen, für die marode Infrastrukur gibt es zum Ausgleich ein 500-Milliarden-Schuldenprogramm. Summa summarum fast eine Billion Euro neue Kredite binnen vier Jahren, soviel wie die deutsche Einheit in einem wesentlich längeren Zeitraum gekostet hat.
Und da sollen 5 Milliarden für die Absekung der Stomsteuer nicht nur für die Großindustrie und die Agrar- und Forstwirschaft, sondern auch für die Privathaushalte und Kleinbetriebe nicht drin sein, während die CSU sogar ein Jahr vorgezogen ihre Mütterrente auch für alte Jahrgänge bekommt, die genauso viel kostet, aber nichts bewirkt außer Stimmen für Söders Partei? Und dazu noch die Mehrwesteuer-Senkung für Hoteliers und Gastrobetriebe (4 Mrd,). Plus die erweiterte Pendlerpauschale (1 Mrd.). Zusammen 10 Milliarden Euro an Wahlgeschenken von Markus Söder und seiner CSU, dem kleinsten Koalitionspartner.
Der SPD-Chef bekommt die Prügel
Warum machen Merz und Klingbeil das mit? Beim Kanzler kann man es erklären: Als Chef einer nicht sehr stabilen Koalition nimmt er Rücksicht auf die Schwesterpartei und den nach seinem persönlichen Wahldebakel auf dem SPD-Parteitag angeschlagenen Vizekanzler. Vielleicht ist es ihm aber auch nicht unlieb, das Klingbeil Prügel abbekommt.
Aber warum der? Hat Klingbeil Null Populismus-Gen? Musste ihm nicht klar sein, dass die „Bild„-Zeitung und viele andere den „Stromsteuerhammer“ gegen ihn und die SPD weidlich ausschlachten würden, während die Großmütterrente und die Gastrosteuer auf das Konto der CSU einzahlen? Will er mit aller Kraft seine Partei noch tiefer in den Umfragekeller treiben?
Den Eindruck könnte man haben. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er als redlicher Mann, als den er sich darzustellen versucht, das Versprechen der Koalition ernst nimmt, nur Vorhaben jetzt umzusetzen, die finanzierbar sind. Deshalb mussten schon Merz und die CDU ihr Wahlversprechen kassieren, die Einkommensteuer für alle schnell zu senken.
Klug ist das von Klingbeil allerdings nicht. Denn er kann ja kaum erklären, dass die Wahlgeschenke der CSU angeblich finanzierbar sind, nicht aber eine Steuersenkung für private Stromverbraucher und kleinere Betriebe, die eine finanzielle Entlastung nötiger haben als industrielle Großemitenten. Zumal das Arbeitsplätze in den vielen kleinen Unternehmen sichern und Klimaschutz populärer machen würden, wenn die Kunden einen Ausgleich für die höhreren CO2-Preise erhielten.
Wenig strategisches Geschick also von Klingbeil und Merz. Doch während die Beliebtheitswerte des Kanzlers und der Union darunter nicht leiden, stürzt die SPD in den Umfragen weiter ab. Mit 13 Prozent liegt sie jetzt nur noch knapp vor den Grünen und der Linken. Der Stabilität der Regierung und des Finanzministers dient das nicht. Aber der Bundestag könnte den Haushaltsentwurf von Klingbeil ja noch ändern, wenn die Proteste zunehmen. Für Einsicht ist es nie zu spät.

Wenn die schwarz-rote Koalition schon Rekordschulden macht, dann könnte die Koalition auch gleich dafür sorgen, dass die Stromsteuer für alle auf das EU-Minimum gesenkt wird. Denn wenn schon gilt, dass Geld im Moment keine Rolle spielt, dann braucht es so ein – gelinde gesagt – Affentheater wie um die Stromsteuersenkung nicht.
Die Kredite aus den „Sondervermögen“ dürfen nicht für konsumtive Ausgaben verwendet werden. Dazu gehören Steuersenkungen, genauso wie Zuschüsse an die Rentenversicherung zur Ausweitung der Mütterrente. Aber auch im regulären Haushalt will Klingbeil die Schuldenaufnahme erhöhen. Es gäbe also finanziellen Spielraum. Erst recht wenn an verzichtbaren Stellen gespart würde. Es kommt halt auf die Prioritätensetzung an. Und das ist eine politische, keine fiskalische Frage.