
Borussia Dortmund ist seit Jahren bekannt dafür, Talente zu entdecken, zu fördern und gewinnbringend weiterzuverkaufen. Kaum ein anderer Klub in Europa hat sich derart erfolgreich als Sprungbrett für junge Spieler positioniert. Doch was lange als Erfolgsmodell galt, beginnt zu bröckeln – zumindest aus sportlicher und emotionaler Sicht.
Das jüngste Beispiel: Jamie Gittens. Der 20-jährige Engländer, der als Mann aus dem eigenen Nachwuchs früh das Interesse der Profis weckte, verlässt den BVB nun schon wieder – in Richtung Chelsea. Wieder ein Spieler, dem man kaum beim Einleben zuschauen konnte, bevor er weiterzog. Wieder ein Talent, das im Westfalenstadion lediglich als Durchlauferhitzer fungierte. Die Ablösesumme mag sich für die Klubkasse lohnen, sportlich aber verliert Dortmund erneut einen Perspektivspieler, der dem Team Struktur und Tiefe hätte geben können.
Ein Modell mit Rissen
Diese Personalpolitik wirft Fragen auf. Natürlich: Der moderne Fußball ist ein Geschäft, und Dortmund ist kein Verein mit den Finanzmitteln eines englischen Topklubs. Transfers wie die von Ousmane Dembélé, Jadon Sancho oder Jude Bellingham haben dem Verein hohe Millionenbeträge eingebracht. Doch der Preis ist hoch. Denn mit jedem verlorenen Talent verliert Dortmund auch ein Stück seiner sportlichen Kontinuität – und seiner Identität.
Keine Zeit für Entwicklung
Trainer und sportliche Leitung sehen sich gezwungen, Jahr für Jahr ein neues Grundgerüst zu bauen. Kaum ist ein Spieler etwas gereift, ist er auch schon weg. Konstanz auf dem Platz? Fehlanzeige. Planungssicherheit? Ein frommer Wunsch. Besonders schwer wiegt dabei die Tatsache, dass viele der Abgänge nicht gestandene Leistungsträger sind, sondern Spieler, die gerade erst das Potenzial zeigen, in die Rolle hineinzuwachsen.
Die emotionale Lücke bei den Fans
Für die Fans der Schwarzgelben wird es so immer schwieriger, eine emotionale Bindung zur Mannschaft aufzubauen. Wer sich in eines der aufstrebenden Talente verliebt hat, muss oft schon nach kurzer Zeit Abschied nehmen. Der BVB erscheint zunehmend wie eine Durchlaufstation – attraktiv für Berater und Spieler, frustrierend für die Anhänger.
Natürlich ist der Transfermarkt kein Wunschkonzert. Und natürlich kann man Dortmund zugutehalten, dass man aus begrenzten Mitteln das Maximum herausholt. Doch auf Dauer droht das Modell zu kippen. Denn Erfolg lässt sich nicht allein mit Talent verkaufen – er braucht Substanz, Eingespieltheit, Charakter. Und manchmal auch Spieler, die bleiben.
Es braucht eine neue Balance
Die große Herausforderung für den BVB wird es sein, eine Balance zu finden: Zwischen ökonomischem Kalkül und sportlicher Nachhaltigkeit. Zwischen Transfergewinn und Teamgeist. Zwischen Kasse und Klasse. Aktuell kann man diese Balance nicht wirklich erkennen, was sich auch in den enttäuschenden Platzierungen der Dortmunder in der Bundesliga abzeichnete, wo die Borussia zuletzt auf den enttäuschenden Rängen fünf und vier einlief.