Kommunalwahl 2020: Wenn Politiker in einer Pleitestadt plötzlich von einem Skytrain träumen

Am Rathaus in Waltrop. Foto: Robin Patzwaldt

Im September dieses Jahres sind Kommunalwahlen in NRW. Ein Ereignis, das mich schon jetzt erschaudern lässt. Warum? Weil ich in Waltrop wohne, einer kleinen Stadt am Rande des Ruhrgebiets, die bei der letzten Wahl schon ‚Protest‘ gewählt hat und sechs Jahre aus Sicht eines Bürgers später kein bisschen besser dasteht als 2014.

Als ich für dieses Blog das jüngste Interview mit Bürgermeisterin Nicole Moenikes bereits im Herbst 2019 geführt hatte, sie dabei frühzeitig nach einer Art von Zwischenbilanz ihrer damals gut fünfjährigen Arbeit gefragt hatte, war der Zeitpunkt durchaus mit Bedacht gewählt. Ich wollte damit nicht in den Wahlkampf geraten. Eine gute Entscheidung, wie sich jetzt herausstellt.

Als Waltrop 2014 im Bürgermeisteramt den Wechsel von SPD-Amtsinhaberin Anne Heck-Guthe hin zu CDU-Herausforderin Moenikes (CDU) vollzog, da war es schlicht eine Sensation. Viele Bürger hatten, platt gesagt, die ‚Schnauze voll‘ vom Niedergang ihrer ehemals so schönen ‚Wohnstadt im Grünen‘. Am Ende waren es so viele, dass es bei der Stichwahl zur ‚Wende‘ im Rathaus reichte. Frischer Wind sollte her. Alles erschien ihnen damals besser als ein ‚Weiter so‘!

Doch rasch stellte sich heraus, dass von den im Wahlkampf gemachten Versprechen nicht viel übrigbleiben sollte. Es hagelte sehr schnell derbe Kritik auf die CDU-Frau an der Spitze der Verwaltung, an ihrem Führungsstil, an ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Die ‚Neue‘ musste sich zudem rasch mit einigen für Waltroper Verhältnisse doch recht ungewöhnlichen ‚Skandalen‘ herumärgern.  Auch hier im Blog haben wir über einiges davon berichtet und diskutiert.

Vielen Bürgern fällt es, so hört man in Gesprächen in der Stadt immer wieder, inzwischen wirklich schwer überhaupt noch an eine bessere Zukunft ihrer Stadt zu glauben. Beide großen Parteien haben über viele Jahre hinweg keine Trendwende hinbekommen.

Die Kassen der Verwaltung sind seit gefühlten Ewigkeiten klamm, das Engagement auf vielen Ebenen rückläufig. Lediglich einige Fördertöpfe und vereinzelte private Investments gaukeln den Wählern etwas Aufbäumen gegen den Niedergang vor, der an viel zu vielen Stellen der Stadt zu beobachten ist. Wenn man ihn denn wahrzunehmen bereit ist.

Jetzt, wo das Jahr 2020 begonnen hat, die Wahl nur noch rund neun Monate entfernt ist, bringen sich die ersten Kandidaten und Parteien für die Wahl 2020 in Stellung, werden erste kommunalpolitische Themen gesetzt und in die Lokalzeitung gebracht. Dinge, die einem als kritischen Zeitgenossen die Halsadern anschwellen lassen können.

So war dort kürzlich beispielsweise von der CDU zu lesen, dass sie gerne die Parkgebühren auf dem Marktplatz abschaffen möchte. Ein Vorhaben, das auch schon 2014 auf den Wahlplakaten thematisiert wurde. Alleine an der Umsetzung hat es nach der Wahl gehapert. Nicole Moenikes betonte mir gegenüber im Interview vor wenigen Wochen noch, dass das nach der Wahl 2014 finanziell einfach nicht möglich gewesen sei. Nun aber? Ein Schelm, wer da direkt eine erneute Enttäuschung nach der kommenden Wahl erwartet.

Und die SPD? Deren Vertreter Detlev Dick, seines Zeichens örtlicher Fraktionsvorsitzender seiner Partei, träumt im Interview mit der Lokalzeitung glatt von einem Skytrain der Waltrop mit dem Dortmunder Hauptbahnhof verbindet. Und das als Vertreter einer Partei, die in zuletzt elf Jahren an der Verwaltungsspitze hauptsächlich dafür verantwortlich ist, dass Waltrop vom Vorzeigestädtchen der Region zum Armenhaus in NRW mutiert ist.

Sorry, aber das ist so bizarr, dass ich da inzwischen nicht einmal drüber lachen kann. Ein paar Schlaglöcher in den Straßen zu stopfen, endlich den Bau der seit Jahrzehnten auf ihre Vollendung wartende B474n zu beschleunigen, den Waltroper Bahnhof wiederzubeleben oder aber den Takt der Busverbindungen in die benachbarten Großstädte zu erhöhen, all dies wären vielleicht deutlich realistischere ‚Wunschträume‘ gewesen….

Wer einmal analysieren möchte, warum die Bürger in vielen Städten des Landes von der Politik frustriert sind, es ihnen immer schwerer fällt sich für Wahlen, gerade auch auf kommunaler Ebene, zu engagieren, der braucht nur einmal auf Waltrop zu blicken. Hier erkennt schon der interessierte Laie, was im Ruhrgebiet aktuell schiefläuft. 😉

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ke
ke
4 Jahre zuvor

Skytrains und Seilbahnen sind doch Alternativen zum Zerschneiden von Landschaften durch Bahnlinien und Straßen. Ich finde dies OK. Ebenso laufen die Systeme ohne Fahrer.
Wir wollen ja Autos automatisieren, schaffen es aber nicht, unsere Bahnen zu automatisieren.

Wir brauchen weitere Visionen, um unsere Region nach vorne zu bringen, die jenseits vom Bau von Lagerhallen sind.

Björn
Björn
4 Jahre zuvor

1. Die Stadt Waltrop hat einen ausgeglichen Haushalt in 2018 und wohl auch in 19. Ich bitte um Fakten.
2. Detlef Dick ist von der Waltroper Zeitung nach eine Utopie gefragt worden. Der SkyTrain ist seine Utopie. Ich bitte um Fakten nicht im Gefühle.

DEWFan
DEWFan
4 Jahre zuvor

Vielleicht sollte Waltrop doch noch der Stadt Dortmund beitreten, wie früher mal in Erwägung gezogen. Wäre doch eine Win-Win-Situation:

– Waltrops Schulden versickern im Dortmunder Haushalt.
– Waltrop liegt nicht mehr in der Diaspora des östlichen Kreises RE, sondern wird bedeutender Stadtteil von DO.
– Waltrop bekommt vielleicht den ersehnten Bahnanschluss.
– Dortmund bekommt auch offiziell das schöne Henrichenburg.
– Dortmund bekommt Lippe-Ufer und wäre damit die einzige Stadt mit Ufern an Ruhr, Emscher und Lippe.

Stefan Laurin
Admin
4 Jahre zuvor
Reply to  DEWFan

@DEWFan: Klingt sehr vernünftig!

Andreas Walgenbach
Andreas Walgenbach
4 Jahre zuvor

@DEWFan:

Seit der Gemeindereform 1975 gehören Henrichenburg und Horneburg nicht mehr zu Waltrop.
Wohl aber das Alte Schiffshebewerk Henrichenburg und der Schleusenpark Waltrop. Beides liegt in der schönen Bauernschaft OBERWIESE. Watt soll ich? Dortmunder werden? Bin ich schon, echter BVB Fan, das reicht.

DEWFan
DEWFan
4 Jahre zuvor

#5: ok, guter Kompromiss, akzeptiert ?⚒?

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[…] verbliebenen Handlungsmöglichkeiten im Rathaus sind marginal. Auch weil die SPD es über Jahre versäumt hat entschieden gegenzusteuern, die […]

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[…] der Stadt sein. Für das Wohl und Wehe von Waltrop tatsächlich maßgebliche Entscheidungen werden in einer Pleitestadt wie dieser nämlich lange schon nicht mehr im örtlichen Rathaus […]

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