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Wessen Feuer brennen im Erfurter Lichtermeer?


Erfurt – In Thüringen droht am Sonntag, dem 9. November eine Veranstaltung eines CDUlers aus dem Ruder zu laufen. Veranstalter Clarsen Ratz (46) gibt sich beunruhigend naiv, ein Landespirat dafür sehr besorgt.

Ruft Clarsen Ratz Geister, die er nicht kontrollieren kann? (Foto: privat)
Ruft Clarsen Ratz Geister, die er nicht kontrollieren kann? (Foto: privat)

Ruhrbarone-Leser wissen um die vielfältige Symbolik des 9. Novembers in Deutschland. Trotzdem sei nochmal erwähnt, dass sich am morgigen Sonntag u.a. der Mauerfall zum 25zigsten Mal jährt sowie die Reichspogromnacht zum 76zigsten Mal. Freude und Trauer liegen an diesem Tag nahe beieinander. Demonstrationen und öffentliche Veranstaltungen tun gut daran, sich dieser Tatsache stets bewußt zu sein.

Szenenwechsel. In Thüringen ist vor einigen Wochen ein neuer Landtag gewählt worden. Derzeit sieht es nun so aus, dass Bodo Ramelow, Mitglied der LINKEN, erster Ministerpräsident werden könnte, der von einem rot-rot-grünen Bündnis getragen wird. Das empört viele, so bspw. Bundespräsident Gauck. Auch der Autor dieser Zeilen ist kein Freund der LINKEN. Aber darum soll es hier nicht gehen.

Stattdessen wenden wir uns Clarsen Ratz (46) zu. Ratz ist Mitglied der CDU-Mittelstandsvereinigung und hat als Privatperson dazu aufgerufen, ein Zeichen gegen rot-rot-grün in Erfurt zu setzen. Und zwar per Facebook für eben jenen 9.11.2014 – unter dem Motto “ Wir verwandeln den Domplatz in ein Lichtermeer gegen rot-rot-grün “ – was beim Kurznachrichtendienst Twitter zum Hashtag #lichtermeer führte.

Ratzs Aufruf bei Facebook. (Foto: Screenshot)

Ratzs Aufruf bei Facebook.(Foto: Screenshot)

Nächster Akteur: Bernd Schreiner (47). Schreiner ist Landeschef der Thüringer Piratenpartei, die zwar chancenlos bei der letzten Landtagswahl blieben, doch es sich nicht nehmen lassen, trotzdem vor Geistern zu warnen, die morgen in Erfurt entfesselt werden könnten.

Befürchtet morgen Schlimmes in Erfurt: Pirat Schreiner (Foto: Piratenpartei)
Befürchtet morgen Schlimmes in Erfurt: Pirat Schreiner (Foto: Piratenpartei)

Schreiner:

Die Tatsache, dass man am 9.11. einen Fackelmarsch gegen eine demokratische Wahlentscheidung plant, ist geschmacklos! Natürlich tut der CDU der Machtverlust weh, aber was sie da am Jahrestag der Reichspogromnacht in Erfurt plant, ist ein absolutes No-Go!

Der Landespirat verweist auch auf Berichte aus der antifaschistischen Szene, nach denen für morgen Mitglieder und Anhänger der rechtspopulistischen AfD und der rechtsextremistischen NPD zu erwarten sind. Neo-Nazis die mit Fackeln am Jahrestag der Progromnacht gemeinsam mit CDUlern marschieren?

 

Erwartungsgemäß weist Ratz das wiederum weit von sich:

Kein Deutscher mit halbwegs vernünftigen Geschichtsbewußtsein würde am 9.11. mit Fackeln marschieren. So auch wir natürlich nicht. Es geht darum ein Zeichen mit Kerzen zu setzen. Natürlich werde ich – und mit mir viele andere – es akzeptieren, wenn Bodo Ramelow demokratisch zum Ministerpräsidenten gewählt wird. Aber es spricht doch nichts dagegen, ebenso demokratisch zu zeigen, dass man diese Entscheidung für falsch hält, oder?

Danach befragt, wie er es denn mit der AfD und der NPD halte, erklärt Ratz:

Wenn das eine geschlossene, nicht öffentliche Veranstaltung wäre, würde ich dafür sorgen, dass weder Links- noch Rechtsextreme da wären, keine AfDler oder NPDler. Aber das geht im Öffentlichen nicht. Ich habe mich mehrfach von jedem Extremismus distanziert. Und ich weiss, dass die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer morgen das so sieht wie ich – wir wollen im Gefühl des Mauerfalls ´89 zusammen stehen. Und das lasse ich mir auch von rechten Chaoten nicht kaputt machen.

So redlich diese Ausführungen von Ratz klingen, so sehr spiegeln sie – zumindest – eine gewisse Naivität wieder, die zu gefährlichen Situationen führen kann. Eine echte Sensibilisierung scheint bei dem CDUler nicht stattgefunden zu haben.

Doch werden AfD und NPD morgen mit dabei sein? Auf Anfrage der Ruhrbarone waren keine Offiziellen vor Veröffentlichung dieses Artikels zu erreichen. Zumindest die AfD ruft offen zur Teilnahme an der Demo auf.

Die Polizei erklärte diesbezüglich, dass ihr nur die Anmeldung einer Demo durch den Privatmann Ratz vorläge, und sie hinsichtlich AfD oder NPD auch nicht mehr wüßten als die Ruhrbarone durch ihre Internetrecherche. Nicht wirklich ermutigend.

Offizielle Gegendemonstrationen sind auch nicht angemeldet. Doch erklärt Pirat Schreiner:

Selbstverständlich werden Menschen etwas gegen das Ganze tun…

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Hubi
Hubi
9 Jahre zuvor

Zur Erinnerung:

http://www.wn.de/Archiv/2009/05/1989-Revolution-mit-70-000-Kerzen-Montagsdemos-in-Leipzig

Kerzen haben mit einem Fackelmarsch doch überhaupt nichts zu tun.

Zum Glück haben die Piraten fertig und werden auch nie wieder eine Rolle spielen.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

@Hubi: Dann scheint der 9. November für Sie keinerlei Bedeutung zu haben, die man mit einer popeligen Anti-Rotrotgrün-Demo inklusive streunenden Nazis korrumpieren könnte. Ich weiß, Geschichtsunterrricht war nicht für Jeden prickelnd…

Tom
Tom
9 Jahre zuvor

Leider wird die Veranstaltung zu sehr instrumentalisiert, völlig unberechtigt Falsches als Wahrheit dargebracht, skandalisiert und verbreitet.
Dabei wird aus Kerzen, nichts anderes ist laut Festlegung des Veranstalters erlaubt, also Kerzen wie bei der friedlichen Revolution vor 25 Jahren werden zu Fackeln gemacht. Es muss ja nur recht böse klingen, ein Fackelmarsch am Jahrestag der Reichskristallnacht.
Natürlich ist der 9. November in der Geschichte mehrfach besetzt. Gegen den friedlichen Protest mit Kerzen spricht gar nichts. Mit der Reichsprogromnacht am 9.11.1938 bekann faktisch die unrechtsstaatlichen Diktatur in Deutschland und zum 9.11.1989 endete die lange Zeit der zwei unrechtsstaatlichen Diktaturen auf dem Gebiet Deutschlands. Die moralischen, ideologischen und juristischen Erben der Verursacher der zweiten, der linken Diktatur wollen nunmehr in Thüringen wieder an die Macht. Vielen Menschen sind in Sorge und haben kein Vertrauen in das geplante Linksbündnis, das nur mit nachweislichen Stasileuten im Parlament möglich wird, sie lehnen dieses ab. Dies möchten sie friedlich zeigen und das ist auch gut so.

Ich vertraue auf die Thüringer Polizei und Sicherheitsbehörden, dass sie die Bewegungsinformationen von rechten wie auch linken Extremisten unter Kontrolle hat. Andernfalls wäre am Montag der Schreibtisch des Innenministers neu zu besetzen, vielleicht mit IM Fritz Kaiser.

Nach aktuellen Informationen aus FB scheinen die angekündigten Neonazis eher kleine Lichter zu sein. Und die linken Aktivisten sind wohl auch jetzt der Meinung, dass Störungen der Veranstaltung eher kontraproduktiv wäre.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

@Tom: „Vielen Menschen sind in Sorge…“ Nee, is klar. Vielen Menschen sind auch in Sorge, dass morgen Kackwetter sein könnte.

leoluca
leoluca
9 Jahre zuvor

@Tom #3

„Mit der Reichsprogromnacht am 9.11.1938 begann faktisch die unrechtsstaatlichen Diktatur in Deutschland und zum 9.11.1989 endete die lange Zeit der zwei unrechtsstaatlichen Diktaturen auf dem Gebiet Deutschlands.“

Hier ist vollständig die Vorstellung davon abhanden gekommen, was das totalitäre Nazi-Regime von 1933 an in Deutschland, was der Holocaust und die mit dem 2. Weltkrieg errichtete Terrorherrschaft des nationalsozialistischen Deutschlands in Europa waren.

Jeder blamiert sich so gut er kann.

Andreas
9 Jahre zuvor

ich wünsche mir für die Veranstaltung ein Duett von

Gauck und Biermann !

Tom
Tom
9 Jahre zuvor

Ja genau, es begann in Deutschland. Ohne faktische unrechtsstaatliche Diktatur der Nazis in Deutschland wäre keine Terrorherrschaft des Nazisystems in weiten Teilen Europas möglich geworden.
Der Beginn der unrechtsstaatlichen Diktatur in Deutschland kann mit der Machtergreifung durch Hitler, der Außerkraftsetzung der Verfassung und dem Reichstagsbrand gesehen werden, alles gerichtet gegen politische Gegner. Mit der Reichsprogromnacht begann die Unrechtsstaatliche Diktatur ihren Terror und Verfolgung gegen meist unpolitische Bevölkerungsschichten, nur weil sie einer bestimmten Religion angehörten.

Hubi
Hubi
9 Jahre zuvor

@2 Klaus Lohmann:

Mir wird einfach nur übel, wenn hier schlimmste Nazi-Verbrechen (Reichskristallnacht) mit harmlosen, friedlichen Kerzenlicht-Demos in der Tradition der Montagsdemos verglichen und so verharmlost werden.

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

@ Tom

Was für ein Schwachsinn, Tom. In der DDR ist nicht deswegen eine Diktatur errichtet worden, weil es vorher den Faschismus gab, sondern weil die kommunistischen Machthaber in der DDR und in der Sowjetunion das so wollten.

leoluca
leoluca
9 Jahre zuvor

Man muss keine Sympathien für die Linkspartei haben, um diese kleine CDU-Initiative in Thüringen am 9. 11. popelig zu finden. Das wird lustig, wenn bei der Kerzen-Demo gegen einen linken MP nicht nur die AfD, sondern auch alte Blockflöten wie Frau Lieberknecht dabei sein sollten?

Nicht mehr ganz so lustig finde ich, wie sich die CDU das demokratische Erbe der einstigen Bürger- und Oppositionsbewegung in der DDR mir nichts dir nichts aneignet.

Interessant, was zum Beispiel die TAZ (Klaus Hartung) damals am 9. November 1989 über die Demokratisierungsbewegung und die zahllosen Runden Tische in der DDR schrieb:

„Insofern geht die Macht wirklich vom Volk aus und bleibt vor allem bei ihm – in einem Maße, wie es im ehemals freien Westen nie denkbar war und ist … Die repräsentative Demokratie der Bundesrepublik, die im Grunde eine Großparteienherrschaft ist, wehrt nach wie vor alle Ansätze direkter Demokratie und Kontrolle von unten ab. In der DDR hingegen wird inzwischen selbst der innerste Repressionsbereich einer demokratischen Kontrolle von unten unterworfen. Ganz abgesehen davon, dass inzwischen alles, Volkswirtschaft, Volksarmee, Verfassung, der Diskussion unterworfen ist. Schon jetzt beginnen die Impulse der neuen Demokratie DDR in der Bundesrepublik zu wirken. Denkbar, dass Bonn bald den Wiedervereinigungsprozess massiv beschleunigen will, um den möglichen Demokratisierungsdruck aus dem Osten zu brechen.“

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Die CDU-Aktion in Erfurt paßt doch in die für mich -jährlich zunehmend- erbärmliche Vermarktung/ Nutzung des 9.11 -Reichsprogromm-Nacht, Mauer-Fall- für persönliche Profiliierungsversuche oder um parteipolitische Süppchen zu kochen bzw.immer wieder aufzuwärmen, oder um fleißig an einem Geschichtgsbild zu zeichnen, das den eigenen Vorstellungen/Wünschen, nicht aber den Realitäten gerecht wird. Es geht zudem -noch erbärmlicher-bezogen auf den Fall der Mauer- auch um die kommerzielle Nutzung des jeweiligen Jahresjubiläums -sh, aktuell das umsatzstarke Event in Berlin!!

Mich kotzt -sorry-, das mittlerweile alles an .

Das resultiert vor allem auch aus den nach Quantität und Qualität unerträglichlichen „Quasselrunden“ im Fernsehen anläßlich des Gedenktages zum Mauerfall. „Einschalten und sofort wieder abschalten“ -das ist dann für mich die Problemlösung!

Wenn das Spektakel „25 Jahre -Mauer-Fall“ verrauscht ist, hat Deutschland unbestreitbar weiterhin und noch über lange Zeit vielfältige Anlässe über das „Warum, das Wie der d e u t s c h e n demokratischen Republik „nachzudenken und über ihr Ende, die Auswirkungen, die Folgen dieses Staatsunterganges für den gesamtdeutschen Staat und für die Menschen in Ost und West. Ich betone, der d e u t s c h e n demokratischen Republik!
Und wenn objektiv zwingend Politik und Wissenschaft sich dabei mit der SED, der PDS und der Partei DIE LINKE weiterhin zu befassen haben, erwarte ich -objektiv zwingend-,daß weit mehr als bisher und öffentlichkeitswirksamer als bisher in diese Befassung auch die sog.Blockparteien einbezogen werden nebst ihrer Auflösung und ihre personelle Integration z.B. in die CDU. Dabei stellt sich im Detail mit Blick auf die persönliche Geschichte z.B. die Frage nach der persönlichen demokratischen Integrität der „Bockflöte Tillich“ im Vergleich zut Ramelow von der LINKEN.

Und ich erwarte zudem, daß endlich(!!) Frau Merkel sich öffentlich, sich eingehend, ungefragt und “ von A bis Z“ dazu äußert, warum sie als FDJ-Funktionärin dem Regime gedient hat, was sie in diese Funktion gebracht und was sie in dieser Funktion konkret gemacht hat und warum sie nie enen Anlaß zu haben schien, sich aktiv am Widerstand gegen das Regime zu beteiligen.
Ich erwarte auch vom Bundespräsidenten eingehende Auskunft über sein Leben als evangelischer Pastor in der DDR. Zu den aktiven Vorkämpfern im Widerstand gegen das Regime gehörte er m.W. jedenfalls nicht! War er mehr als nur ein Trittbrett-fahrer in der Bürgerrechtsbewegung während der sog. Wendezeit?

Also, es gibt im Grundsätzlichen, aber auch in vielen Details noch so Manches, was zu klären, was aufzuklären, was zu diskutieren ist.Mir scheint allderdings, daß daran weder „das breite Publikum“ noch die Medien intereressiert sind, jedenfalls nicht die, die nach ihren Auflagen, nach den Einschaltquoten als“Massenmedien“ gelten.

Ulrich
Ulrich
9 Jahre zuvor

http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/staatsschutz-ermittelt-wegen-attacken-auf-thueringer-linkenpolitiker-a-1001791.html „Staatsschutz ermittelt wegen Attacken auf Thüringer Linkenpolitiker“

Man weiß natürlich nicht wer hinter den feigen Anschlägen steckt, aber in Thüringen scheinen im Augenblick wohl gemeingefährliche Gestalten unterwegs zu sein.

bubu
bubu
9 Jahre zuvor

ich als linker pirat habe gegen menschen wie ratz, die als immobilenmakler tätig sind und somit frei nach kalr marx auf kosten der arbeiterklasse leben, erhebliche vorurteile, genau wie menschn wie ratz, die in er realsozialistischen unfreiheit aufgewachsen sind, erhebliche vorurteile gegen einen bodo ramelow haben.

es ist aber nicht zielführend, menschen wie ratz, aus deren politischen positionen das keinesfalls herzuleiten ist, in die rechte ecke zu stellen, denn dort gehört er definitiv nicht hin.

er ist schlichtweg aufgrund seines kapitalistenbewusstseins und seines hohen einkommens nicht in der lage, sozialwissenschaftlich zu analysieren, bevor er eine politische aktion startet, weil ihm diese ebene fehlt.

mit dem argument „der darf das nicht machen, weil evtl. auch 3 nazis hinkommen“ müsste man übrigens auch die meisten linksradikalen demos, so manchen gottesdienst, ganz zu schweigen von sämtlichen fussballspielen wieder absagen.

Frank
Frank
9 Jahre zuvor

Das solche Artikel wie „Wessen Feuer brennen im Erfurter Lichtermeer?“ nur Panikmache (ob bewusst oder unbewusst sei dahingestellt) sind, wissen alle die Menschen, die am 9.11. selbst auf dem Domplatz waren. Die paar Störenfriede waren aber linke Chaoten und nicht wie prophezeit AfD und Rechte. Dank an die Erfurter Polizei, die alles unter Kontrolle hatte.
Wer heute meint das die Linkspartei eine demokratische Partei ist, sollte sich die Mühe machen deren Parteiprogramm zu lesen. Und wer 40 Jahre unter der „Diktatur des Proletariats“ gelebt hat, wünscht sich für die Zukunft keine Partei mit ähnlichen Ansichten.
Unbestritten ist für mich auch, dass die CDU ihren Anteil an der jetzigen Situation hat. Viel schlimmer ist aber, dass SPD und vor allem die Grünen von ihren Standpunkt keine Koalition mit den Linken eingehen zu wollen in Thüringen abgerückt sind. Ist das machtgeil?
Vielleicht kommt das grosse Erwachen bei der nächsten Bundestagswahl, wo eine ähnliche Konstellation möglich ist.

Ulli
Ulli
9 Jahre zuvor

Ich kann das Wort „Mauerfall“ einfach nicht mehr hören. Ich war auch in meiner Heimatstadt Erfurt in dieser Zeit aktiv und finde es einfach nur unsäglich, wie sich Matthias Büchner vereinnahmen und wie stark er sich instrumentalisieren läßt. Die Mitschnitte, die von gestern Abend im Radio zu hören waren, erinnerten mich mit ihrem innewohnenden Haß (der freilich aus Erbitterung erwachsen sein mag) in Ton und Sprache an die vorletzte der deutschen Diktaturen, die eben für diese unsäglichen Parallelen oben steht.
Auch ich bin einer der von der letzten Diktatur benachteiligten und durfte in dieser Diktatur als gewesener Bausoldat nicht studieren.
Aber als Christ (oder wofür seht nun das „C“ in CDU??) habe ich seit der erstrittenen Maueröffnung einfach vieles vergeben und dadurch einen weniger wutgetrübten Blick gewinnen können. Einen solchen wünsche ich vor allem den frühreren Blockflöten (von CDU, LDPD und NDPD) die jetzt ihre „Wahrheit“ spitz im Maul führen.
Die Befürchtungen auf Grund derer ich im Februar 1990 aus dem Demokratischen Aufbruch ausgetreten bin, sind leider zur (gern verdrängten)Wahrheit geworden.

Tom
Tom
9 Jahre zuvor

Danke Frank,

besser kann man es nicht sagen. Und bei Deinem letzten Satz liegt der Hase im Pfeffer. Nach der Wahl mit einem so engen Ergebnis, das egal nach welcher Seite man koaliert, nur eine Stimme Mehrheit hat, war es nun sehr spannend. Aber es gab das Novum, dass der Partei mit den grössten Wahlverlusten, die Rolle des Königsmachers zukam. Das ist ein Dilemma, wie entscheidet man sich, wer entscheidet, wie nimmt man die Mitglieder mit, die für etwas anderes stehen. Beim ersten Statement aus Berlin, aus der Parteizentrale hatte ich das Gefühl „Linksbündnis“. Der ehrgeizige Bundesvorsitzende will und kann nicht ewig Vizekanzler sein. Um aber überhaupt die Chance dazu zu haben, braucht er eine Machtoption, welche nur durch Linksbündnis geht. Er hat dann die Chance Stimmen zuzulegen.
In Thüringen kurz drauf, der Vorsitzende übernimmt die Verantwortung und tritt zurück, die Spitzenkandidatin bleibt in Amt und Würden, und der Kronprinz in Wartestellung, OB der Landeshauptstadt ist erkoren. Der noch nicht gewählte neue Vorsitzende leitet auch sofort die Sondierungsgespräche für beide möglichen Versionen, wobei der Mitgliederentscheid letztendlich entscheidet. Beide Ergebnisse wurden im Landesvorstand beraten und man beschließt einstimmig, also mit 100% wie früher. An der Basis regt sich Widerstand. Per Mitgliederentscheid kann nicht zw. den zwei Varianten entschieden werden. Sondern nur zu der 100% Vorstandsvariante. Heraus kommen knappe 70%. Das ist schon ein deutlicher Unterschied zu den 100%. Es stellt sich sofort die Frage, wie weit ist der Vorstand von der Mitgliedschaft entrückt, oder die Mirglieder vom Vorstand. Und welches Ergebnis wäre heraus gekommen bei einem Mitgliederentscheid zu den wirklichen zwei Varianten. Zumindest hätte es den „Unterlegenen“ es etwas leichter gemacht, die Entscheidung zu akzeptieren.
Und es kam wie es kommen musste, viele, sehr viele kamen gestern und zeigten ihren friedlichen Protest mit der Kerze so wie 1989. Wir Thüringer sind ein stolzes Volk, wir haben einen Freistaat. Den haben sonst nur noch die Sachsen und die Bayern. Und wir haben unsere Geschichte mit der SED Diktatur, und den Mauerfall 1989 im Ergebnis der friedlichen Revolution. Und erlebte Geschichte vererbt sich. Man kann sie nicht per Beschluss „abbestellen“.
Und aus unserer Geschichte heraus haben wir einen guten Sinn dafür entwickelt, was gut ist, was richtig ist. Und das hat man gesehen bei vielen Menschen gestern auf dem Domplatz. Und wir sind zäh und geben nicht auf. Die Masse der Menschen und der Geist von 1989 hat gezeigt, dass Diffamierungen im Vorfeld mit „CDU mit AfD und NPD mit Fackelzug am 9.Nov“ den Computer nicht wert waren auf dem sie getippt wurden.
Es ist und es bleibt spannend ..
Anfang Dezember voraussichtlich die MP Wahl, hier sind die Abgeordneten sich und ihrem Gewissen verpflichtet.

leoluca
leoluca
9 Jahre zuvor

#16 Tom: „Wir Thüringer sind ein stolzes Volk, wir haben einen Freistaat. Den haben sonst nur noch die Sachsen und die Bayern. Und wir haben unsere Geschichte mit der SED Diktatur, und den Mauerfall 1989 im Ergebnis der friedlichen Revolution. Und erlebte Geschichte vererbt sich. Man kann sie nicht per Beschluss “abbestellen”.“

Also bitte, der Geist von 1989, die friedliche Revolution, sie kamen von der in der DDR oppositionellen Bürgerrechtsbewegung und von den vielen Runden Tischen und Demonstrationen überall im Land. Dieser demokratische Geist gegen die SED-Diktatur kam bestimmt nicht von den Block-Parteien im Osten und auch nicht von der Kohl-CDU des Westens. Diese Bürgerrechtsbewegung ujnd friedliche Revolution wollte eine neue deutsche Verfassung mit mehr direkter Demokratie, größeren Freiheitsrechten und sozial-ökologischer Verantwortung, die Deutschland aber dank der damaligen Bundesregierung nicht bekam. Damit verstieß die Bundesregierung gegen das im Grundgesetz von 1949 festgelegte Prinzip, wonach im Falle der deutschen Wiedervereinigung die Übergangslösung GG hätte abgelöst werden müssen durch eine neue deutsche Verfassung.

der, der auszog
der, der auszog
9 Jahre zuvor

Es ist interessant und spannend, wie unterschiedlich die Ereignisse in Erfurt hier kommentiert werden. Menschen, die in der DDR aufgewachsen sind, gehen den Artikel völlig anders an als diejenigen, die im Westen sozialisiert wurden, besonders wenn es um die Einschätzung der Partei Die Linke geht.

Stefan Laurin
Admin
9 Jahre zuvor

@leoluca: Es gab keine Wiedervereinigung im rechtlichen Sinn, sondern einen Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik, beschlossen von den einzigen jemals demokratisch gewählten Volkskammer, in die Bundesrepublik Deutschland – also in den Geltungsbereich des Grundgesetzes.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Es ist mir völlig unbegreiflich, wie man die gestrigen und sonstigen Feiern zum Mauerfall und zur Einheit in einen Zusammenhang mit den unseligen und unsäglichen Fackelzügen in beiden deutschen Diktaturen stellen kann. Kann sich hier jemand vorstellen, dass zu den verordneten Jubelfeiern in der DDR Tausende aus den Bruderstaaten unorganisiert angereist wären? In Berlin gestern war das aber so, ganz ohne Bruderstaaten, und haben mit für eine beeindruckende Stimmung gesorgt. Niemand hat befohlen, Frau Merkel hochleben zu lassen, wie wir es mit Honecker u.a. am Fernsehschirm einst bestaunen konnten.Dass die Linkpartei keine demokratische Veranstaltung ist, ist hier doch nun oft genug in Artikeln und Kommentaren beschrieben worden. Deshalb darf man sich durchaus Sorgen machen.

leoluca
leoluca
9 Jahre zuvor

@Stefan Laurin

Danke für die korrekte Richtigstellung. Machte die Sache für die Bürgerrechtsbewegung allerdings nicht wirklich schöner.

Sieger dieser Volkskammerwahl im Frühjahr 1990 war mit 40 Prozent der Stimmen das Wahlbündnis „Allianz für Deutschland“, bestehend aus der ehemaligen Blockpartei CDU mit dem Spitzenkandidaten Lothar de Maizière, der neu gegründeten und der bayrischen CSU nahestehenden Deutschen Sozialen Union (DSU) und dem Demokratischen Aufbruch (DA). Der Spitzenkandidat des DA war Wolfgang Schnur, dem drei Tage vor der Wahl seine IM-Tätigkeit nachgewiesen worden war.

der, der auszog
der, der auszog
9 Jahre zuvor

@leoluca

ergänzend zu dem, was Stefan (#19) geschrieben hat:
was Du mit Deiner Kritik ansprichst ist die Diskussion um die Artikel 23 und 146 Grundgesetz, die man nach dem Mauerfall in Deutschland führte, um West- und Ostdeutschland wieder zu vereinigen.

§23 GG ist der sogenannte ‚Beitrittsartikel‘, weil er nach der Aufzählung der Länder, für die das Grundgesetz bei seiner Schaffung 1949 Geltung erlangte, auch die sogenannte Beitrittsklausel enthielt: „In anderen Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitritt in Kraft zu setzen.“

Genauso wie das Saarland 1957, sind dann auch die neuen Bundesländer 1990 der Bundesrepublik beigetreten. Dieser Artikel existiert zwar immer noch, ist aber in seiner alten Form überflüssig geworden und soll heute den Weg in ein Vereintes Europa ebnen.

Der andere Artikel, den man vor 25 Jahren diskutierte, war §146 GG:

„Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“

Einige Zeit-Genossen sahen damals die Möglichkeit, mit Hilfe dieses Artikels Deutschland in Form einer Volksbefragung wiederzuvereinigen. Sowohl die Bundesrepublik als auch die DDR hätten nach diesem Vertrag aufgelöst und zu einem völlig neuen Staat konstituiert werden müssen, natürlich erst nach einer Volksbefragung und auch nur, wenn diese positiv verlaufen wäre. Von Wiedervereinigung ist auch in diesem Artikel keine Rede. Der Zustand der ‚Einheit‘, der dort Erwähnung findet, gilt vielmehr als Vorraussetzung für eine solche Volksabstimmung, d. h. dass der Beitritt der neuen Bundesländer zur Bundesrepublik, wie ihn §23 GG vorsah, auf jeden Fall hätte vorher stattfinden müssen.

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass dieser Artikel 149 bis heute unverändert in der Version von 1949 existiert, was damit zusammen hängt, dass es sich bei unserem Grundgesetz um eine provisorische Verfassung handelt. Wir reden zwar immer gerne von den Vätern des Grundgesetzes, wenn wir uns mit seiner Geschichte beschäftigen, aber das Grundgesetz ist keine Geburt irgendwelcher Deutscher, sondern in Wirklichkeit eine Idee der westlichen Siegermächte gewesen, die es sich auch nicht haben nehmen lassen, bei der Deutschen Wiedervereinigung ein gehöriges Wörtchen mitzureden. Ohne die wäre 1949 gar nichts gegangen, Kohl und Blockparteien hin und Bürgerrechtsbewegungen her. Eine Volksabstimmung über ein völlig ’neues‘ Deutschland war denen so ziemlich schnuppe.

Wer heute immer noch meint, er müsse einen solchen neuen Staat durch einen Volksentscheid schaffen, der kann das gerne tun. Das Recht hat er. Die Frage ist, ob es sich lohnt.

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

Mensche Leute, mit der Beseitigung der Mauer hatte sich doch die Bevölkerung der DDR nicht geändert. Das ist der immer wieder gefeierte Mythos einer kollektiven Katalyse die so nie stattgefunden hat. Die Mutigen waren schon vorher mutig und die Angepassten blieben auch danach angepasst. Menschen ändern sich, mit ganz wenigen Ausnahmen, nun mal nicht einfach, geschweige denn von einer Nacht auf die andere.

Die Angepassten, sofern sie zugleich zu den Intelligenten und Gebildeten gehörten, hatten es sogar einfacher nach dem Beitritt, eben weil sie genau das am besten konnten, was sie danach meisten brauchten. Das Paradebeispiel dafür ist Angela Merkel selbst. Aber auch Stolpe, Gysi, Gauck und Konsorten haben schnell ihren je eigenen Weg in das „vereinigte“ Deutschland gefunden.

Ich bin keine Moralist und mache ihnen das nicht zum Vorwurf. Ich bin sogar der Überzeugung, dass aus den meisten überzeugte Demokraten geworden sind, ja sie es schon vorher waren, jedoch ohne die Bereitschaft, dafür mit offenem Visier und den entsprechenden Folgen zu kämpfen. Sowas machen in der Regel nun mal die Mutigen, und das relativ unabhängig von Intelligenz und Bildung.Deswegen ziehen sie am Ende meistens auch den Kürzeren.

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

-22-
DER,DER…..
1990 wurde unter Wissenschaftlern, unter Poltikern, durch Journalisten kontrovers und mit guten Gründen darüber diskutiert, wie die beiden deutschen Staaten „zusammen finden sollten“ -verfassungspotlisch, verfassungsrechtlich.
Die dann vollzogene Lösung, nämlich die über Art.23 GG, geschah -selbstverständlich- nicht ohne Widerspruch in Politik und Wissenschaft . Dabei spielte, wie von Dir zurecht erwähnt, vor allem die Frage des Verhältnisses von Art.23 zu Art. 146 GG eine zentrale Rolle.
Für mich war seinerzeit neben einer rein formalen Verfassungs-Auslegungsdiskussion -Art.23/A.146- von besondere Bedeutung eine zentrale verfassungspolitische Frage, nämlich die, ob jetzt -1990- nicht -erstmals seit 1945- die Gelegenheit geben war, also aus meiner Sicht die große Chance bestand, dem (Gesamt-)Staat Bundesrepublik eine Verfassung zu geben, die vom gesamten deutschen Volk in freier Selbstbestimmung zu beschließen war.

Das ist Geschichte.

Es ist m.E. absolut müßig, 2o14 darüber zu diskutieren, ob das 1990 – denkbar- Versäumte jetzt nachgeholt werden sollte. Warum denn?
Die Verfassung wird in Deutschland substantiell nicht in Frage gestellt, weder -erwähneswert- in der Bevölkerung noch von irgend einer der im Bundestag vertrenen Parteien -auch nicht von der AFD- noch von anderen gesellschaftlich relevanten Organisationen. In der Wissenschaft gibt es m.E. heutzutage niemanden -ich mag mich irren-, der eine jetzt zu erarbeitende und zu beschließende neue gesmatdeutsche Verfassung als Ersatz für das 199o Versäumte fordert. Es gibt auch keinen Hinweis des BVerVG, der darauf schließen läßt, daß man dort Zweifel an der „Verfassungsmäßigkeit unser Verfassung“ rückblickend auf 1990 -auf damals Versäumtes?- hat.

Im übrigen:
Ich hätte mich, wenn das deutsche Volk 199o die Gelegenheit erhalten hätte, z.B gestützt auf den Entwurf eines Verfassungskonventes, sich an der Diskussion über den Inhalt einer neuen gesamtdeutschen Verfassung vor endgültigem Volksentscheid zu beteiligen, mich dafür ausgesprochen, im wesentlichen den Text des GG ohne substantielle Änderungen zum Inhalt dieser neuen Verfassung zu machen.

Ich rege an, die innerdeutschen Alltags-Probleme, dazu zählt auch die Bidlung einer neuen Landesregierung in Thüringen, zu diskutieren auf der Basis des geltenden Bundes – bzw. Landesverfassungsrechtes und auf der Grundlage dessen, wie das Volk, wenn es denn z.B. in einer Wahl sein Votum abgeben durfte,, entschieden hat; anders kann Demokratie nicht funktionieren. Wer beispielsweise moralische Maßstäbe anlegt, um den Wählerwillen „so oder so“ zu interpretieren und daraus politische Forderungen herleitet, der kann nur fehlgehen, und zwar über den konkreten Einzelfall hinaus .

Nachtrag:
Ich habe mich unter -11- über den Event-Charakter zum Tag des Mauerfalles ,über so manche Platitüde dazu, über das mir endlos und mir meistens oberflächlich erscheinende Gequatsche in den diversen Fernsehsendungen echauffiert ; mein Empfinden!

Ich kritisiere niemanden, der das Alles völlig anders gesehen und der mit Spaß und Freude gefeiert hat.

DER, DER… -18-
Was Du unter -18- feststellt, zeigt, daß die DDR -25 Jahre nach dem Mauerfall- immer noch nicht als Teil der deutschen Geschichte gilt, sondern fortzuleben scheint und sich dieses „Fortleben“ offenkundig in den Köpfen der Menschen unterschiedlich darstellt und vollzieht , unterschiedlich eben auch je nach „Sozialisiierung in Ost oder West.“
Auch insofern mag sich , unabhkängig von verfassungsrechtlichen Fragen, bsi heute negativ auswirken, daß die Menschen in der ehemaligen DDR nach deren rasantem Ende, quasi von einem Tag auf den anderen, nicht genügend Zeit hatten, sich mit ihm, mit ihrem untergegangen Staat und damit mit sich selbst hinreichend kritisch auseinanderzusetzen.
Und „wir“ in Wetdeutschland hatten daran seinerzeit durchweg nicht das geringste Interesse.
Auch das ein Versäumnis?
Das mag so sein, aber auch dieses 1989 – 2000/2001 Versäumte läßt sich heute nicht nachholen.

leoluca
leoluca
9 Jahre zuvor

#22 Walter Stach:
„Auch insofern mag sich , unabhängig von verfassungsrechtlichen Fragen, bis heute negativ auswirken, daß die Menschen in der ehemaligen DDR nach deren rasantem Ende, quasi von einem Tag auf den anderen, nicht genügend Zeit hatten, sich mit ihm, mit ihrem untergegangen Staat und damit mit sich selbst hinreichend kritisch auseinanderzusetzen. Und “wir” in Westdeutschland hatten daran seinerzeit durchweg nicht das geringste Interesse. Auch das ein Versäumnis?
Das mag so sein, aber auch dieses 1989 – 2000/2001 Versäumte läßt sich heute nicht nachholen.“

Nun gut, wenn sich das Versäumte nicht nachholen lässt, dann muss man eben damit leben, dass die leidvollen Erinnerungen an das Leben und Denken in der DDR nicht verschwinden, sondern immer wieder hoch kommen werden. Wie Untote oder ein böser Gest. Knapp ein Jahr nach dem Mauerfall ist die damals sich im demokratischen Aufbruch befindende DDR, die gerade angefangen hatte die eigene Geschichte aufzuarbeiten, ja nicht nur der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch dem Denken und der Geschichte der Bundesrepublik beigetreten. Sie hat nicht nur die Rechtsordnung der Bundesrepublik übernommen, sondern auch deren Herkunft, Tradition und Erinnerung. Ihre eigene Geschichte wurde weggeschoben und geblieben sind lediglich die Mythen, die privaten Anekdoten und die Souvenirlädchen.

Wie dieser Denk- und Geschichtsübertritt funktioniert hat, das hat die FAZ am Beispiel von Angela Merkel recht schön beschrieben:
„Wenn Angela Merkel im Jahre 2000, gerade zur Vorsitzenden der CDU gewählt, die Größe, den Stolz und die Tradition ihrer Partei beschwor, das Rückgrat Adenauers, die Klugheit Erhards, das historische Glück des Helmut Kohl, dann klang sie immer so, als hätte sie schon als Kind ein Adenauerbildchen über ihr Bett gehängt, und 1972, als sie volljährig wurde, hätte sie den Kanzlerkandidaten Rainer Barzel gewählt. Von ihrer Jugend in der DDR, in der es doch sehr gute Gründe gab, sich nach der Freiheit und einer christlich-demokratischen Partei zu sehnen, sprach sie nicht. Es gab dort ja die klägliche Ost-CDU, die in der gesamtdeutschen Union dann aufging wie die DDR in der Bundesrepublik.“

Frank
Frank
9 Jahre zuvor

Es ist gut, dass in der heutigen Zeit jeder seine Meinung sagen kann, man muss ja nicht alles akzeptieren. Gerade viele Ostdeutsche sollten das mal verinnerlichen, oder ist das schon vergessen wie so vieles andere? Das bei der Wiedervereinigung nicht alles so gelaufen ist, wie sich das einige Menschen vorgestellt haben, ist mir schon klar. Ich glaube, das beide Seiten einfach überfordert waren. Wo gab es in der Geschichte der Menschheit eine ähnliche Situation? 25 Jahre später kann ja jeder gute Ratschläge machen. Ich hätte damals auch nicht sagen können, wie alles organisiert werden soll. Ganz gleich, wie es damals gelaufen ist, das Heute und die Zukunft sind wichtig. Da hilft auch kein Jammern auf hohen Niveau.
Das heute noch ehemalige DDR-Kader in in Amt und Würde sind, damit müssen wir uns wohl leider abfinden. Wie wir heute wissen, hat die DDR auch alte Nazigrössen an wichtigen wirtschaftlichen Stellen eingesetzt, weil sonst gar kein Aufbau möglich gewesen wäre
Ostdeutschland hat meiner Ansicht nach von der Wiedervereinigung profitiert. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie unsere Städte heute aussehen würden. Die DDR hat sich quasi selbst liquidiert, wirtschaftlich und moralisch, wie auch der gesamte Sozialismus. Wenn Linke heute von einem besseren Sozialismus reden, wie soll der aussehen? Glauben die wirklich selbst daran? Für solche Theorien ist der Mensch gar nicht geschaffen. Aber vielleicht meine die ja eine Form wie in Kuba oder Nordkorea?!
Und noch etwas: Kapital geht dahin, wo es sich wohlfühlt, wo Kapital ist geht es den Menschen besser (Steuereinnahmen, weniger Arbeitslose…). In einem Bundesland mit einer linken Regierung wird bestenfalls kein neues Kapital hinzukommen. Es darf auch nicht vergessen werden, das Thüringen im Bundesmassstab nicht schlecht dasteht, auch ein Verdienst der bisherigen Regierungen mit der CDU.
Rot-Rot-Grün hätte im Thüringer Landtag eine Stimme mehr. Komfortabel sieht anders aus. Das könnte zu gegenseitiger Blockade bei Abstimmungen führen.

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

-25-leoluca
Ja, so Manches, was sich heute bezogen auf die DDR in öffentlichen und in privaten Meinungsäußerungen wahrnehmen läßt, vor allem dann, wenn sich Bürger aus der ehemaligen DDR äußern, erinnert schon an die Mär „von dem Untoten“, der in alle Ewigkeit weiterlebt, der stest da ist und weiterhin das Denken und Handeln aller beeinflußt, für die er nicht vergangen ist.

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

-26-Frank
Wenn Du befürchtest, daß eine ROT-ROT-Grüne Landesregierugn in Thüringen problematisch sein kann für das Wirtschaftswachstum in Thüringen, dann teile ich zwar Deine Meinung nicht, aber Du argumentierst zeitnah-politisch und eben nicht mit der Historie der Partei DIE LINKE.

Warten wir ‚mal ab, ob es eine Mehrheit für ROT-ROT-Grün im Landtag in Thüringen geben wird. Bekanntlich sind schon andere Koalitionspläne bei knapper Mehrheit gescheitert, ohne daß die LINKE beteiligt war. „So oder so“ ist das ein normales politisches Verfahren, mit dem man sich „so oder so“ auseinandersetzen kann bzw. als politisch Interessierter auseinandersetzen sollte.

Im übrigen habe ich den Eindruck, daß es der CDU nich primär darum geht, die “ Demokratie vor den LINKEN“ zu schützen oder gar „Thüringen vor dem Untergang“ zu bewahren, sondern darum, um „jeden Preis“ wieder für eine CDU geführte Landesregierung zu kämpfen. Und bekanntlich kann sie sich in sochen Kämpfen, auch wenn die LINKE nicht involviert ist, auf BILD und FAZ pp. verlassen.Also ist auch insofern das politisch-mediale Getöse im Vorfeld der Mnisterpräsidentenwahl in Thüringen politischer Alltag in Deutschland enschließlich der Verteufelung der Lkinken, nicht weil sie Teufel sind, sondern weil ihre Verteufelung ganz simplen politischen Machtinteressen dient.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Ich möchte Frank ergänzen. Der Schuldenstand der DDR im Westen betrug 180% dessen, was die DDR an Devisen damals erwirtschaftete. Das hört sich nicht schrecklich an, viele Häuslebauer haben das Mehrfache ihres Jahreseinkommen an Krediten aufgenommen. Nur hatte die DDR bis dato immer mehr unter Wert an den Westen geliefert, d,h. die Einnahmen an Devisen gingen zurück. Die haben Kunstschätze ins Ausland verscherbelt, die sie zuvor unter fadenscheinigsten Vorwänden beschlagnahmten. Wie heruntergekommen muss ein Staat sein, der solches tut?
Die Städte waren in einem katastrophalen Zustand, dito große Industriekombinate, bei denen war Duisburg überall. Die Lebenserwartung der DDR-Bürger lag um einige Jahre unter der der Bundesdeutschen. Mittlerweile ist sie genau so hoch wie in der alten Bundesrepublik.
Wie hätte die DDR 95 oder 2000 ausgesehen?

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Thomas Weigle
diese Fakten bestreitet heute keiner.
Kohl selbst hat nach der „Wiedervereinigung“ erklärt, die wirtschaftliche Situation der ehemaligen DDR falsch eingeschätzt zu haben, nämlich viel zu positiv.

Mir bleit allerdings schleierhaft, wie diese Fakten mit dazu beitragen könnten, argumentativ die Bildung einer ROT-ROT-Grüne Landesregierung zu verhndern

leoluca
leoluca
9 Jahre zuvor

Der bürokratische, diktatorische Staatssozialismus der DDR, der aus dem Stalinismus kam, ist mausetot, er wird nicht wieder auferstehen und ich verstehe nicht dieses fortwährende Bedürfnis, ihm noch 25 Jahre später aufs Grab zu pinkeln.

Die Linkspartei heute vertritt in ihrer übergroßen Mehrheit einen Reformsozialismus, den Wolf Biermann übrigens bis 1989 auch für die DDR wollte. Wenn er heute Gysi, Kipping, Bartsch und andere als Rest der alten Drachenbrut, der Honeckers und Mielkes geißelt, dann wird er nicht nur nicht der Biografie dieser konkreten Personen gerecht, er kämpft wie viele andere auch gegen die bösen Geister der Vergangenheit, die er offenbar nicht los wird. Aber er kämpft nicht wirklich gegen die Linkspartei der Gegenwart. Die ich auch nicht mag, aber die in ihrer heutigen Programmatik und Politik ernst genommen werden muss, wenn man sich mit ihr auseinandersetzen will.

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

leoluca -31-
enverstanden!

Tom
Tom
9 Jahre zuvor

Vieles sehr richtig in den vergangenen Posts

zum Thema 9.Nov. ist denke ich keiner der in Erfurt anwesenden der Meinung, dass es ein Fackellauf von CDU, AfD, NPD war, in einigen Teilen der Presse wurde es jedoch so skandalisiert, und auch von paar Politikern

was mich heute aber absolut erschüttert hat:

Die Linke hat auch Rechte, ja klar wir sind ja im Rechtsstaat, nein Rechte, richtige Rechte in ihrer Fraktion im Reichstag. Die haben Antisemiten eingeladen, zu einer Veranstaltung am 9.Nov. Das glaub ich doch nicht, viell. am 8. oder am 10., niemals am 9., die wissen doch was das für ein Tag ist und haben den Fackelmarsch in Thüringen so skandalisiert. Kannst ja glauben was du willst, besser aber lesen, beim Spiegel, oder Zeit:
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014-11/gysi-israel-sheen-blumenthal

Zum Thema Regierungsbildung in Erfurt:
„Willy Brandt ans Fenster“ sehen Tausende in Erfurt, jeden Tag. Der Schriftzug als Denkmal zur Erinnerung an Teilung und die friedliche Revolution. 1970 war er ein Erfurt zum Staatsbesuch, die Menschenmenge überrannte die Absperrung und rief so lange bis er sich am Fenster zeigte und winkte. 9 Jahre nach Mauerbau und damit verbundener zementierter Trennung sehr vieler Familien gab es Hoffnung auf Annährung. Er wurde gestürzt als Bundeskanzler durch einen Spitzel der Stasi, der sich ins Kanzleramt bis zum direkten Umfeld des Kanzlers vor gearbeitet hatte.

Am Tag nach dem Fall der Mauer war Willy Brandt zusammen mit Hans Jochen Vogel in Ost-Berlin beim Vorstand der SDP um zu beraten wie es weiter gehen wird und kann und wie und mit was man helfen kann. Der Oskar Lafo war zu Hause in seinem Saarland, später wird er wirtschafts- und finanzpolitische Bedenken anmelden gegen die Wiedervereinigung.

Die Thüringer SPD steckt in einem Dilemma. Es gibt die Erfahrung der Geschichte, die schlechten mit SED, die Zwangsvereinigung, das Sagen hatte danach die nach Zahl kleineren KPD Leute. Und die schlechten mit der Stasi.

Die geschichtsbewussten sagen NIE mit den SED Nachfolgern, um keiner Machtoption wegen.

Und dann gibt viele Zugezogene, u. a. einen Saarländer, Innenminister in der großen Koalition zur Zeit des Alt-MP Vogel. Dieser Saarländer hat das Thema Koalition mit der Linke auf die TO gebracht und seitdem gingen die Wahlergebnisse zurück.

Weiter viele Jusos, besonders in den Universitätsstädten, diese traditionell mit der Meinung alles was gg. CDU ist, das ist gut.

Und dann die Jüngeren, die die DDR nicht mehr bewusst miterlebt haben.

Eine schöne bunte Mischung mit der Bürde als Wahlverlierer, von 18% auf 12%, in der Verantwortung fürs Land. Nur die SPD entscheidet, welche Koalition regiert. So ergab es das Wahlergebnis, das die AfD in den Landtag spülte.

Die zwei möglichen Koalitionen wurden sondiert und der LV entschied sich für Linksbündnis, einstimmig, ob in der Sitzung dieses als alternativlos beworben wurde ist nicht bekannt jedoch plausibel.
Die Mitglieder sahen es dann etwas anders, beim Mitgliederentscheid waren gut 30% dagegen. Verwunderung gab es, weil nur zum Linksbündnis Ja oder Nein abgestimmt werden konnte und nicht die Wahl zw. den sondierten Koalitionen erfolgen konnte.

Es hat sich also viel aufgeladen inzwischen. Der Druck liegt auf den Abgeordneten, die letztendlich den MP wählen müssen, in geheimer Wahl. Unter den Abgeordneten sind Leute aus eher ländlichen Gebieten, da ist der alte Grenzstreifen oft nicht weit und die Mitglieder sehr deutlich gegen das Linksbündnis.

Es wird spannend bleiben in den nächsten Wochen.

leoluca
leoluca
9 Jahre zuvor

Zum Lektüretipp von Tom:
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014-11/gysi-israel-sheen-blumenthal

Zwei Bundestagsabgeordnete der Linkspartei hatten israelfeindliche Publizisten zum Gespräch mit der Fraktion am 9.11. geladen, Fraktionschef Gregor Gysi untersagte das Treffen.

Alles richtig gemacht. Gregor Gysi hat sich gegenüber antisemitischen Tendenzen in seiner eigenen Partei einmal mehr richtig verhalten. Menschen, die Israel laufend mit der NS-Diktatur vergleichen, haben in den Räumlichkeiten des Parlaments nichts verloren. Berechtigte Kritik an Israel hin oder her.

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