NRW will die KI-Gigafabrik, doch die Konkurrenz ist groß

Wird so die KI-Gigafabrik aussehen? Bild: OpenAI / DALL·E


Die Bundesregierung will eine KI-Gigafabrik nach Deutschland holen und große Unternehmen sind bereit zu investieren. Nordrhein-Westfalen hat in dem Wettbewerb gute  Chancen, doch die Konkurrenz ist hart.  

Der Satz im Koalitionsvertrag von CDU und SPD ist ein Versprechen: „Wir holen mindestens eine der europäischen ‚AI-Gigafactories‘ nach Deutschland.“ Ob es gehalten werden kann, ist noch nicht entschieden, aber nicht unwahrscheinlich: Ende des Jahres will die EU fünf Gigafabriken ausschreiben. In den Gigafabriken sollen Wissenschaftler, aber auch Forscher an neuen Anwendungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz arbeiten. Nachdem sich die Europäische Union in den vergangenen Jahren – wie in anderen Bereichen auch – darauf konzentriert hat, Künstliche Intelligenz zu regulieren, wechselt sie nun in die Rolle des Möglichmachers. Ein überfälliger Rollenwechsel. Keines der großen, weltweit erfolgreichen und populären Sprachmodelle stammt aus Europa: ChatGPT (OpenAI), Gemini (Alphabet), LLaMA (Meta), Claude (Anthropic) und Copilot (Microsoft) kommen aus den USA, Deepseek stammt aus China. Der einzige relevante europäische Player ist das französische Modell „Mistral“ – seine Software ist Open Source und kann von jedem frei heruntergeladen werden.

Europa liegt zurück – und das soll sich ändern. In dieser Planung spielen die „Gigafabriken“ eine wichtige Rolle. Ihren Namen tragen sie zu Recht, denn die EU will klotzen und nicht kleckern: 100.000 Grafikprozessoren (GPUs), die für das Training von KI-Modellen ideal sind, sollen in jeder Gigafabrik arbeiten. Zum Vergleich: GPT-4o, das zurzeit wichtigste KI-System von OpenAI, wurde mit gut 25.000 GPUs trainiert. Die Kosten einer solchen Gigafabrik sind astronomisch. 100.000 der A100-GPUs von Nvidia, aktuell der Standardprozessor, kosten rund drei Milliarden Euro. Vom leistungsfähigeren und technisch aktuelleren Nachfolger Blackwell B100/B200 von Nvidia würde dieselbe Menge 3,5 Milliarden Euro kosten. Dazu kämen noch Server, Kühlung, Stromversorgung und die Hallen selbst. 20 Milliarden Euro stellt die EU für das Projekt bereit – wer immer eine solche Gigafabrik in seinem Land ansiedeln möchte, wird mehrere Milliarden selbst in die Hand nehmen müssen und auch bereit sein, die laufenden Kosten zu tragen. Der Energieverbrauch pro Jahr ist hoch: Mit 1,05 Terawattstunden liegt er so hoch wie bei 300.000 Haushalten. Die Blackwell-GPUs sind deutlich sparsamer und begnügen sich mit rund 0,79 TWh. Damit kämen die Einwohner einer Stadt wie Aachen im Laufe eines Jahres gerade mal so hin.

Deutschland hat gute Chancen, den Zuschlag für eine der fünf AI-Gigafabriken (AIGF) zu bekommen – und das nicht nur, weil es der größte Beitragszahler der EU ist. Das Land verfügt über mehrere Großrechenzentren, DE-CIX Frankfurt ist einer der größten Internetknoten der Welt, viele namhafte Unternehmen wie SAP oder Siemens haben hier ihren Sitz. Und schließlich werden an den Universitäten exzellente Informatiker und Elektroingenieure ausgebildet – von denen allerdings viele nach ihrem Abschluss in die USA ziehen, denn wie in allen anderen IT-Bereichen spielt auch bei KI die Musik im Silicon Valley, obwohl Texas in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat.

Nach einem Bericht des Handelsblatts hat sich ein Konsortium von namhaften deutschen Tech-Unternehmen wie SAP , Deutsche Telekom , Ionos , die Schwarz-Gruppe und Siemens zusammengefunden und ist in Verhandlungen mit der EU. Die Europäische Union empfiehlt in ihrem „Aufruf zur Interessenbekundung“ eine Partnerschaft zwischen öffentlichen und privaten Akteuren, um die hohen Kosten zu bewältigen. Dabei soll der Staat bis zu 35 Prozent der Investitionen übernehmen, während die restlichen Mittel von beteiligten Unternehmen und Investmentfonds bereitgestellt werden müssen.

Sollten das Konsortium und Deutschland den Zuschlag bekommen, steht die Entscheidung an, in welchem Bundesland die AI-Gigafabrik angesiedelt werden soll. Die klassische Lösung, statt einer Gigafabrik mit 100.000 GPUs vier mit je 25.000 GPUs zu bauen, um so den Streit zwischen den Ländern kleiner zu halten, scheidet aus: Zum einen plant die EU zusätzlich 14 kleinere KI-Fabriken zu errichten, zum anderen ist eine 100.000-GPU-Gigafabrik die Grundlage, um international mit den großen Konzernen mithalten zu können. Im FAZ-Podcast Digitalwirtschaft machte der Aachener KI-Experte Holger Hoos klar, dass die Frage des Standorts im Vergleich zur 100.000-GPU-Frage unwichtig sei.

16 Länder hat die Bundesrepublik. Nur eins von ihnen wird am Ende die Gigafabrik bekommen. Doch welche Länder wollen sich bewerben?

Der Augsburger Allgemeinen sagte Bayerns Forschungsminister Markus Blume am Montag, Künstliche Intelligenz sei das Thema Nummer eins auf der Hightech-Agenda des Landes:
„Ich möchte, dass wir in Bayern ein KI-Spitzenzentrum errichten. Wir haben hier Stärken, die europaweit einmalig sind. Wenn wir diese konzentrieren, ist das eine überzeugende Visitenkarte für eines der europäischen Rechenzentren. Diese sogenannte AI-Gigafactory mit 100.000 Grafikchips unterstützt die Europäische Union mit viel Geld. Davon hat auch unsere Industrie etwas, denn auch sie braucht KI.“
Für Bayern spricht das Leibniz-Rechenzentrum in Garching und die enge Verknüpfung mit den Münchener Universitäten.

Nordrhein-Westfalen stellt auf Anfrage klar, dass es sich bewerben will: Der Call for expression of interest der EU-Kommission/EuroHPC seh explizit die Bewerbung von privaten Unternehmen vor. Aktuell führe das Land Gespräche mit potentiellen Konsortialpartnern und wird eine Bewerbung aus Nordrhein-Westfalen unterstützen:
„Nordrhein-Westfalen bietet ideale Voraussetzungen zur Realisierung einer KI-Gigafabrik: Am Forschungszentrum Jülich in der Digital- und Quantenregion Rheinisches Revier entsteht eine von sechs neuen KI-Fabriken in Europa. Nordrhein-Westfalen weist damit eine bereits bestehende Infrastruktur für den Brückenschlag zwischen Forschung und Entwicklung und der Anwendung von KI in Unternehmen vor.“

Auch Baden-Württemberg will sich um eine Ansiedlung bewerben. Auf Anfrage teilte die Landesregierung mit:
„In der aktuellen Phase der Interessensbekundung – die offizielle Ausschreibung der Gigafactories wird nach Angaben der EU Ende des Jahres 2025 erfolgen – begrüßt die baden-württembergische Landesregierung daher, dass Konsortien aus Baden-Württemberg eine Bewerbung um eine KI-Gigafactory anstreben.“

Schleswig-Holstein sieht mit seinem extrem gut entwickelten KI-Ökosystem aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung sowie seinen herausragenden Möglichkeiten, den entstehenden Energiebedarf aus erneuerbaren Energien zu decken, die besten Voraussetzungen für die Ansiedlung einer KI-Gigafactory. Der Digitalisierungsminister prüft deshalb eine Bewerbung.

Auch Brandenburg hat grundsätzlich großes Interesse daran, ein Standort für eine AIGF zu werden. Die Metropolregion Berlin-Brandenburg sei eine zentrale Metropolregion für Forschung und Wissenschaft. Entsprechend eigne sich Brandenburg grundsätzlich als strategischer Standort für eine AIGF.
„Bezüglich der vorgegebenen Standortvoraussetzungen kann im Konkreten erst eine Sondierung vorgenommen werden, wenn der Bund die konkreten Standortfaktoren benennt. Dies steht aktuell noch aus.“

Berlin steht in engem Kontakt mit verschiedenen Partnern, um die Chancen und Möglichkeiten Berlins als Standort für das Interessensbekundungsverfahren zu evaluieren. Derzeit gibt es noch kein abschließendes Ergebnis oder eine endgültige Entscheidung in diesem Prozess.

Hessen ist der Ansicht, eine deutsche Gigafactory verspreche Zugang zu einer weltweit konkurrenzfähigen Recheninfrastruktur, wovon Wissenschaft wie Wirtschaft auch in Hessen gleichermaßen profitieren könnten:
„Daher prüft die hessische Landesregierung die Möglichkeiten einer Beteiligung.“
Hessen sei der Rechenzentrumsstandort Nr. 1 mit der größten Rechenzentrumskapazität, was dem Land einen klaren Wettbewerbsvorteil im digitalen Zeitalter verschaffe.

Niedersachsen prüft mit anderen Partnern in Deutschland, ob es an einer Antragstellung für eine Gigafactory beteiligt wird.

Rheinland-Pfalz auf seine starken außeruniversitären Forschungseinrichtungen im KI-Bereich, wie dem Deutschen Forschungszentrum für künstliche Intelligenz (DFKI), Fraunhofer-IESE, Fraunhofer-ITWM sowie dem MPI für Software Systems. Zurzeit gäbe es Beratungen mit interessierten Konsortien.

Bremen, das Saarland und Sachsen sind zwar am Thema KI interessiert und können zahlreiche Projekte vorweisen, planen allerdings keine Bewerbung.

Der Bund wird sich mit der Standortentscheidung schwertun. Die Bewerberländer haben jeweils gute Argumente. Spätestens wenn es sicher ist, dass Deutschland von der EU den Zuschlag für eine AI-Gigafactory erhält, wird das Land eine Vergabe-Debatte erleben. Die Entscheidung über den Standort der Gigafabrik ist dabei mehr als eine Standortfrage. Sie ist ein Lackmustest dafür, ob Deutschland bereit ist, in der digitalen Welt eine Rolle zu spielen – oder nur noch zuzuschauen, wie andere sie übernehmen.

Der Artikel erschien bereits auf Capital Beat

 

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