WIR gewinnt

Wenn es um Nordrhein-Westfalen geht, diesen Bindestrich in der Bundeslandschaft, dann kommt einem immer die gleiche Assoziationskette in den Sinn: Johannes Rau, Bodo Hombach, Wahlkampf 1985 und deeeer Slogan: "Wir in Nordrhein-Westfalen". Erst das Wir-Gefühl der Wahlkämpfer habe das Bundesland zusammengeschweißt. Und weil die Sozialdemokraten mit 50,1 Prozent auch einen hübschen Wahlsieg einfuhren, gelten die drei Buchstaben seitdem als Erfolgsrezept.

Zum Beispiel vor genau zwanzig Jahren, da versuchten es die Genossen wieder mit dem großen Wir. Mit "Wir sind Europa" zogen sie in den Europawahlkampf. Harold Faltermeyer ("Axel F.") schrieb die Melodie, der damalige "Agentur Butter"-Werber Ralf Zilligen Zeilen wie diese: "Wir wollen wie das Wasser sein. Nichts stoppt unseren Flug, jetzt sind wir am Zug." Dazu wurde ein erster sozialdemokratischer Videoclip produziert. Ich erinner mich an Horden junger Menschen, an viel Sonne, grünes Land, hüpfende blau-gelbe Weltkugeln, Hans-Jochen Vogel, Rau und Lafontaine. Und die Melodie klang wie "Give Peace a Chance". Leider ist das Stück verschollen.

Das große "Wir" ist es nicht. In NRW haben es sich erst Jürgen Rüttgers, Monika Piel und Bodo Hombach unter den Nagel gerissen. WDR und WAZ verlegen seit zwei Jahren mit Segen der Landesregierung Filme, Texte, Bilder, sprich: "unsere gesammelten Werke". Vom Wahlkampfmotto zur Marke – eine Karriere, die auch vor Johannes Rau nicht Halt macht.

Bekanntlich ist dem amtierenden Ministerpräsidenten wenig so wichtig wie Versöhnung und historische Kontinuität. JRüttgers tritt bewußt das politische Erbe des anderen JRau an, stapft deshalb Jahr für Jahr in den politischen Fußstapfen Raus in Israels herum, stellt Büsten auf, feiert Rau-Gedenktage, bedient sich des großen WIR – was zuvor weder Clement, noch Steinbrück konnten oder wollten. Und die Christdemokratisierung des Sozialdemokratischem hat längst Berlin im Griff.

Nach der Metamorphose Jürgen Raus zu Johannes Rüttgers vertraut die Bundes-CDU in ihrem Europawahlkampf auf die alten Sozirezepte, das große Wir. "Wir in Europa" steht auf den Paketen und Containern der Hoffnung. Und hinterlegt ist das WIR mit einer Deutschlandfahne. Würde mich gar nicht wundern, wenn die CDU im Herbst mit einem "Wir in Deutschland" in die Bundestagswahlen zieht.   

Aus dem All besehen

Es bleibt zwar weiterhin eine unlösbare Aufgabe, jemandem von außerhalb zu erklären, wo und was das Ruhrgebiet ist. (Do you know Cologne?) Aber dafür geistert seit einigen Jahren dieser Beweis für die eigentlich unübersehbare kontinentale Großbedeutung des Ruhrgebiets durch Pressearbeit: Denn vom All aus gesehen ließen sich des Nachts überhaupt nur drei helle europäische Lichtpunkte erkennen: die Großräume von Paris und London, sowie das Ruhrgebiet. Und weil es ein ziemlich gutes Gefühl ist, zwar komplett unbekannt aber insgeheim doch wichtig zu sein wie Paris, London, bietet der Regionalverband Ruhrgebiet eine dieser Nachtaufnahmen Europas auch zum Download an. Etwas verräterisch firmiert die Aufnahme (oben links) dort als "Illustration" der "Ruhr.2010". Und Illustration trifft es gut. Man könnte auch böse sagen: Schönfärberei, Verdummung, Verfälschung.

Ausgerechnet eine Werbepostille, die "reiseWELT 01.2009" von Welt (Springer), CP-Compartner (Essen) und Bertelsmann (Gütersloh) belegt jetzt, wie sich Ruhr-Lobbyisten ihr Gebiet seit Jahren künstlich aufgeblasen haben. Eine Aufnahme der NASA (Abbildung rechts) zeigt auf Seite 7 nämlich nicht, wie es in der naiven Bildbeschriftung heißt, "die energetischen Brennpunkte Europas: London, Paris und die Metropole Ruhr", sondern ein mitteleuropäisches Lichtermeer.: Belgische Autobahnen und Brüssel, das gleißende Nordholland, leuchtendes Nordengland, Glasgow-Edinburgh, Stockholm. Berlin wurde hier wieder mal geteilt, nur ein Stück ist zu sehen, ganz zu schweigen von Moskau, Warschau, Rom…

Noch ein Wort zur "reiseWELT". Das Joint-Venture von Springer, Bertelsmann und der Essener Platzhirsch-Agentur mit besten Verbindungen zu Regionalverband Ruhrund vor allem zur Ruhr Tourismus GmbH ist ingesamt ziemlich  durchsichtig ausgefallen: Einer doppelseitigen Anzeige des NRW-Wirtschaftsministeriums folgt ein doppelseitiges Gespräch mit der Ministerin Christan Thoben. Anzeigen der Ruhr Tourismus GmbH und der Ruhr 2010 auf ein Vorwort von Fritz Pleitgen (2010) und Axel Biermann (RTG).  Die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Anzeigenschalter überwiegen deutlich – was an der Finanzkrise leigen mag oder doch an der etatistischen Tradition des Ruhrgebietes. Schwer staatstragend darf natürlich auch MP Rüttgers sein Grußwort abgeben und sich über das "spektakuläre Satellitenbild" freuen: "Im Herzen des Kontinents strahlen Millionen Lichter der Metropole Ruhr (…) Mehr als ein Foto (…) ein Symbol für die Veränderungen in der Region". Würd ma sagen: geht so.

 

 

Zurüttgers in die Zukunft (II): Rütte verliebt?

Wie gesagt. Heute Königswinter, große Gespräche über Nordrhein-Westfalen 2025. Mit Maffay, Thomsen, Großmann, und und und. Mittenmang ein kämpferischer Ministerpräsident. Jürgen Rüttgers hat einen echt bösen Brief an GM-Carl Peter Forster in Sachen Opel geschrieben, die Europaführung handle "irritierend", hat der CDU-Vize ins Diktaphon gebrüllt. Und dann warf Dr. Rüttgers gerade einen Hammer-Spruch in die Presse-Runde. Die Schließung von Fabriken dürfe keinesfalls herbei geredet werden. "Jetzt müssen wir ins Gelingen verliebt sein und nicht ins Scheitern."

Und jetzt die Ruhrbarone-Preisfrage: Welche großen Vorredner hat Jürgen Rüttgers zitiert?

a) Johannes Rau (SPD)
b) Peer Steinbrück (SPD)
c) Wolfgang Clement (S äh FPD)
d) Ernst Bloch (SDS)