WM: Brasilien hält dem Druck beim Halbfinale nicht stand und landet nun wieder in seinem Alltag

Das Stadion in Belo Horizonte. Quelle: Wikipedia, Foto: Luan S.R. , Lizenz: CC BY-SA 3.0
Das Stadion in Belo Horizonte. Quelle: Wikipedia, Foto: Luan S.R. , Lizenz: CC BY-SA 3.0

Es war ohne Zweifel ein historischer Fußballabend gestern in Belo Horizonte. Statt des erwarteten Spiels auf Augenhöhe gab es ein historisches 7:1 (5:0) der Deutschen Mannschaft gegen den Gastgeber Brasilien. Und das in einem Halbfinale eines großen Turniers des Weltfußballs. Ein Ergebnis, welches man mit normalen Maßstäben gemessen so sicherlich seit Jahrzehnten noch nicht erlebt hat.

Das Thema des Abends war neben einer konzentrierten und guten Leistung der Löw-Truppe dabei sicherlich die Drucksituation mit der die Auswahl Brasiliens schon während des gesamten Turniers sichtbar zu kämpfen hatte, und unter welchem sie gestern spektakulär zusammengebrochen ist. Tränenreich und schmerzlich wurde vielen Brasilianern gestern klar, der WM-Traum der Gastgeber ist brutalstmöglich zerplatzt, der Alltag hat das Land nun bald schon wieder. Und der ist, wenn man sich in diesem Zusammenhang auch noch einmal an die vor dem Turnier die Schlagzeilen bestimmenden Proteste im Lande erinnert, wahrlich nicht rosig. Das gestrige Desaster gegen die DFB-Auswahl hat die Brasilianer aus ihrem gut dreiwöchigen Traum geweckt.

Gerade einmal die Anfangsminuten der Begegnung konnte der Gastgeber auf einen Erfolg in ‚seinem‘ Halbfinale hoffen, agierten die Samba-Kicker gewünscht offensiv, konnten auf einen Führungstreffer hoffen. Doch Thomas Müllers Tor nach zehn Minuten versetzte Brasilien einen dermaßen großen Schock, erhöhte den Druck auf einen Erfolg der Seleção offenbar so stark, dass die ohne den verletzten Neymar und den gesperrten Thiago Silva angetretenen Gastgeber unter diesem deutlich sichtbar zerbrachen.

Kaum noch aggressiv geführte Zweikämpfe, ungewohnt viele Freiräume für den Gegner. Eine Situation die die Deutschen für sich eindrucksvoll zu nutzen wussten und bereits nach nur 29 Minuten zu einer spielentscheidenden 5:0 (!!!)-Führung ausbauen konnten. Neben Miro Klose, der seinen 16. Treffer bei einer WM verzeichnen konnte, trafen Toni Kroos (2 mal) und Sami Khedira innerhalb weniger Minuten für Deutschland.

Und zu diesem Torreigen reichte den Gästen eine konzentrierte Leistung schon völlig aus. Der Rekordweltmeister hatte in diesen Minuten eigentlich überwiegend mit sich selber zu kämpfen, wie man es in den letzten Jahren so nur ganz selten erleben konnte bzw. musste. Je nach Sichtweise.

In einer locker runtergespielten zweiten Spielhälfte legte der Gast aus Europa dann noch zwei Treffer des eingewechselten Andre Schürrle nach, bevor in der Schlussminute noch der sprichwörtliche ‚Ehrentreffer‘ für den Gastgeber gelingen sollte. Ein rechter Trost war dieser dann aber wohl auch nicht mehr. Denn da waren nicht nur tausende Fans bereits aus dem Stadion verschwunden, da hatte den Gastgeber auch bereits seine vielerorts traurige Realität eingeholt. Wenn auch im Stadion sicherlich die eher Begüterten und Wohlhabenden des Landes versammelt waren, selbst bei Ihnen konnte man erkennen wie sehr das Land sein Selbstwertgefühl über einen Erfolg beim Fußball hätte aufbauen wollen, und wie groß die Enttäuschung nun wohl ist, da dieser seit Jahren geträumte Traum vom WM-Titel im eigenen Land ausgeträumt ist.

Ob und wie Brasilien sich nun dem ungeliebten ‚Spiel um Platz 3‘ stellen wird, darauf darf man gespannt sein.

Und die DFB Auswahl? Die darf sich, ohne dass man das Ergebnis gestern aufgrund seiner ungewöhnlichen Höhe überbewerten sollte, nach einer guten Leistung verdient auf ein großes Finale freuen. Der Gegner wird, egal ob sich Argentinien oder die Niederlande heute Abend durchsetzen werden, ein namhafter sein. In der Form von gestern wird sich die Löw-Truppe vor keinem der beiden möglichen Gegner verstecken müssen, dürfte sogar als leichter Favorit in den Vergleich gehen. Der vielgepriesene ‚4. Stern‘ (4. Weltmeistertitel) für den DFB ist nun tatsächlich zum Greifen nah. Brasilien hingegen wird in den nächsten Tagen wohl nur noch Trauer tragen…

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der, der auszog
der, der auszog
10 Jahre zuvor

Das war das beste Fußballspiel einer deutschen Nationalmannschaft, dass ich jemals im Fernsehen gesehen habe.

Thorsten Stumm
10 Jahre zuvor

Danke Yogi Löw für diesen Fussballabend !!! Mal wieder alles richtig gemacht….

Jenner
Jenner
10 Jahre zuvor

Zu heftig, wie kann so ein geniales Spiel noch getoppt werden ?

Der 4.Stern ist sicher !!!

Helmut Junge
10 Jahre zuvor

Ich habe nach dem 5:0 nicht mehr hingeguckt. So ist das doch auch langweilig. Da fand ich die anderen Spiele spannender. Also: so nicht, Herr Löw!

Nadine
Nadine
10 Jahre zuvor

Lasst mal die Kirche im Dorf, Leute. Wie Robin Patzwaldt schon richtig schreibt, ist die Mannschaft Brasiliens offenbar vor allem emotional bzw. psychologisch gescheitert. Schon das erste Tor ging auf einen ein Fehler zurück, der selbst in der Oberliga selten passiert. Wir haben gestern nicht das „beste Fußballspiel einer deutschen Nationalmannschaft“ erlebt, sondern das vermutlich schlechteste einer brasilianischen seit Jahrzehnten.

Zu Jenners Frage („wie kann so ein geniales Spiel noch getoppt werden?“), zum Beispiel von einer Spielweise wie sie Ghana, die USA, Algerien und Frankreich gezeigt haben? In allen Spielen – so unterschiedlich die Gegner auch agierten – hatte Deutschland Probleme und unterm Strich auch mehrmals großes Glück.
Dies schien sogar den Spielern und Verantwortlichen gestern Abend klar gewesen zu sein, die weitaus weniger euphorisch wirkten als die im nationalen Taumel befindlichen Stammtischstrategen hier und anderswo.

Arnold Voss
10 Jahre zuvor

Die deutsche Mannschaft hat deswegen (so hoch) gewonnen, weil die Brasilianer nach 10 Minuten mit dem Spielen aufgehört haben. Das werden weder die Holländer noch die Argentinier beim Endspiel tun. Es ist also alles offen.

Jenner
Jenner
10 Jahre zuvor

@#7 | Arnold Voss: Im Endspiel wird es auch einen klaren Sieg geben, denn als Turniermannschaft wird sich Deutschland noch steigern.

Jenner
Jenner
10 Jahre zuvor

Torschüsse:
18 – 14

Tore:
1 – 7

🙂

Thomas Weigle
10 Jahre zuvor

Symptomatisch für die gegensätzlichen Einstellungen und Möglichkeiten der beiden Mannschaften fand ich zwei Szenen noch vor dem ersten Tor. Özil und Klose verloren bei Angriffsversuchen den Ball, der zum Torhüter kam. Beide gingen jeweils auf J.Cesar zu, so dass dieser den Ball unkontrolliert nach vorne bzw. ins Aus spielte.
Bemerkenswert auch erneut, dass der „Dosenöffner“ aus einer Standardsituation entstand. Dass ist ja wohl eine Folge des Trainings.
Egal wie das Endspiel ausgeht, und ob die Brasilianer gestern schwach waren -sie waren es- es war eine glanzvolle Vorstellung von Jogis Tanzbären. Da kann es doch kein Vertun geben.
Vielleicht kann Löw ja die Dortmunder Kritiker ruhigstellen, indem er endlich den Fliegenfänger Neuer, diesen Ex-Schalker, der einmal mehr patzte, durch Herrn Weidenfeller ersetzt. Das vierte Gegentor im sechsten Spiel, unglaublich. Der Titan aus München hatte 02 vor dem Endspiel nur eins kassiert!! Hier ist dringlichst Handlungsbedarf für den BT.
Achtung: Spuren von Ironie!!

Helmut Junge
10 Jahre zuvor

@Arnold, daß die Brasilianer nach 10 Minuten aufgehört haben zu spielen, sehe ich ähnlich. Allerdings hätte das einer Profimannschaft nicht passieren dürfen. Denn wenn es so kommt, wird man eben vom Gegner auseinandergenommen, so gut wie der eben kann. M.E. kommt der Zusammenbruch daher, daß Brasilien aus hochtalentierten Einzelspielern besteht, aber als Mannschaft nicht funktionierte. Die Europäer haben das Mannschaftsspiel Fußball immer auch genau als Mannschaftsspiel betrachtet und diesen Zusammenhang sehr stark ausgebaut. Deutschland unter Löw ganz besonders. Holland hat das auch gemacht, und wäre im Endspiel sicher gefährlicher als die Argentinier. Aber bei denen ist die Schwäche so eine Art Zentralismus um zwei Spitzenspieler, denen all anderen zuliefern müssen. Wenn Robben oder van Persie schlecht in Form sind, oder gut bewacht, spielt die ganze Mannschaft schlecht. So war es bei Portugal und seinem Ronaldo.In der deutschen Mannschaft geht die Torgefahr von einer größeren Zahl von Spielern aus. (Sie hat demokratischere Strukturen) Und genau, weil ich das als eine Art Systemkampf ansehe, interessiert mich das Spiel, falls es zu dieser Begegnung kommen sollte.
Übrigens gehören Spielerausfälle zu den gebräuchlichsten Ausreden. Das kenne ich vom Schach, das ich gelegentlich spiele. Ich glaube, daß ich noch nie gegen einen wirklich gesunden Gegner gewonnen habe. Meist hatten die sich schon den ganzen Tag nicht richtig wohl gefühlt. Höre ich oft.

WALTER Stach
WALTER Stach
10 Jahre zuvor

Ein Spiel, über das man noch in 5o Jahren sprechen wird. Ich erinnere mich beispielweise heute noch an die Spiele der WM 1954 -nicht nur an das Endspiel, sondern zB. auch an das Halbfinale gegen Österreich -6:1.

Über die Gründe für dieses sensationelle Ergebnis gestern läßt sich trefflich diskutieren: Über die Gründe für die Leistung der deutschen Nationalmannschaft und über die Gründe für das totale psychische „Einbrechen/Zusammenbrechen“ der Brasilianer nach dem 2:O.

Ich denke mir dazu meinen Teil. Nach dem „Sieg der Deutschen gestern“ ist ohnehin der letzte Rest an Rationalität von den Emotionen aus den Köpfen „der Deutschen“ – jedenfalls, so scheint mir, gilt das für eine große Mehrheit- weggeschwemmt worden.

Dass wir ein Endspiel erleben werden, das sich ganz und gar von dem gestriegen Spiel unterscheiden wird, ist für mich selbstverständlich -egal ob gegen Argentinien oder gegen die Niederlande- sh.auch Arnold -7-.

Ist die deutsche Nationalmannschaft Favorit nach dem grandionsen Sieg gestern?

Für mich nicht.

Aber bis Sonntag , vor allem je nach Ablauf und Ausgang des Spieles der Niederlande gegen Argentinien, bleibt ja noch reichlich Zeit, darüber zu diskutieren und zu spekulieren.

Jenner
Jenner
10 Jahre zuvor

„Ist die deutsche Nationalmannschaft Favorit nach dem grandionsen Sieg gestern? “

Wenn Deutschland das Endspiel jetzt noch verliert, wäre es der Super-Gau.

Aber erstmal freue ich mich auf das Spiel heute abend, mit etwas mehr Spannung über ganze 90 Minuten hoffentlich.

WALTER Stach
WALTER Stach
10 Jahre zuvor

-13-
Jenner, Supergau?

Nein, sehe ich ganz und gar nicht so, da es für mich gute Gründe gibt, die deutsche Nationalmannschaft nicht von vornherein “ als sicheren Sieger“ im Endspiel zu sehen.

Deutschland ist jetzt schon Vize-Weltmeister!
Damit habe ich nicht gerechnet.
Ein großer Erfolg der deutschen Mannschaft.
Toll wäre es, wenn die Mannschaft Weltmeister würde.
Wenn das nicht klappt,wäre das für mich kein „Super-Gau“.

Thomas Weigle
10 Jahre zuvor

Es ist doch immer von einem Titel, der her muss, die Rede. Vizeweltmeister ist doch einer – und kein schlechter! Ich war schon vor dem gestrigen Spiel hochzufrieden. Selbst wenn am Sonntag nicht der erhoffte WM-Sieg gelingt: Das 7:1 wird in Erinnerung bleiben, einen möglichen Sieg, aber auch eine Niederlage überstrahlen, da bin ich sicher.

Thomas Weigle
10 Jahre zuvor

Noch einige entzückende statistische Details. Die Mannschaft schoss gestern zwei Tore mehr als England bei den letzten beiden Wms zusammen, Brasilien ist nach der Schweiz erst der zweite WM-Gastgeber, der 7 auf 1 Streich erhielt. Die Mannschaft schoss gestern so viel Tore wie in den Halbfinals von 82-10 zusammen. Diese und viele andere nette statistische Wahrheiten fand ich auf den Seiten der Daily Mail. Die Engländer sind echte Statistikfreaks, Donnerwetter!

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