Auswärtiges Amt: „Wir nehmen Blogs ernst“

Bloggertreffen in Kairo

Die Deutsche Welle Akademie veranstaltete ein deutsch-arabisches Bloggertreffen in Kairo. Es war auch ein Signal an die Regierungen der Region.

Lina  Ben Mehnn ist Bloggerin. Die 27jährige Tunesierin schreibt vor allem über Politik und das Bloggen – wie tausende anderer Blogger auf der Welt auch. Was in Deutschland für die meisten nicht mehr als ein harmloses Hobby ist, ist in Tunesien gefährlich. Tunesien wird von Staatspräsident Zine El Abidine Ben Ali mit harter Hand regiert. Es ist eine Scheindemokratie, bei den Wahlen wird die Opposition behindert. Tunesien ist ein Land, in dem die Pressefreiheit keinen hohen Stellenwert hat. Und Blogger, die sich dieses Recht einfach nehmen und schreiben was sie denken, erst recht nicht.

Ich lernte Lina auf dem Young Media Summit in Kairo kennen. Einem deutsch-arabischen Bloggertreffen, organisiert von der Deutsche Welle Akademie, finanziert über das Auswärtige Amt. Zwölf arabische und sechs deutsche Blogger, Markus Beckedahl (Netzpolitik), Hardy Prothmann  (Heddesheim-Blog) und Julia Seeliger (Zeitrafferin), Annina Luzie Schmidt (Girls can Blog), Teresa Buecker (Flanell Apparel) und ich trafen sich für fünf Tage in der ägyptischen Hauptstadt.

Und was Lina zu erzählen wusste, klang für uns wie Berichte aus einer anderen Welt: So wurden in Tunesien bei einer Demonstration für Pressefreiheit im Frühjahr alle Teilnehmer außer Lina verhaftet. Sie selbst durfte wenige Tage nach der Konferenz aus Tunesien nicht ausreisen. Etwas mit ihrem Pass sei nicht in Ordnung, wurde ihr gesagt. Was nicht in Ordnung sei, natürlich nicht.

Lina war eine Ausnahme. Die meisten anderen arabischen Blogger, die wir in Kairo kennen lernten, gingen die Regierungen ihrer Staaten – darunter Ägypten, Saudi-Arabien oder die Palästinensergebiete, nicht so offensiv an wie Lina und ihre Freunde. Sie waren, zumindest in unseren Augen, äußerst zurückhaltend und vorsichtig. Nur wenige von ihnen beschäftigten sich direkt mit Politik, griffen eher die Lebensumstände auf und mühten sich um mehr gesellschaftliche Freiheiten. Auch das sorgte schon für genug Ärger: Bloggerinnen aus Alexandria oder dem Gaza-Streifen erzählten zum Teil erschrocken davon, wie es ist, mit dem Vorwurf leben zu müssen, schlecht über den Propheten geschrieben zu haben. Und erklärten, dass sie dies natürlich nie getan hätten. Im von der Hamas regierten Gazah-Streifen ein gefährlicher Vorwurf.

Drei Tage lang diskutierten wir über Meinungsfreiheit und Tabus in unseren Gesellschaften. Zum Teil waren die Gespräche etwas zäh, weil die Konferenzsprachen Deutsch und Arabisch waren, und auch die besten Übersetzer aus jeder Diskussion die Geschwindigkeit herausnehmen, die sie erst spannend macht. Aber auf die Frage, worüber ich mich nicht zu schreiben trauen würde, viel mir nicht viel ein – und erst im Dialog mit Autoren, denen das anders geht wurde mir bewusst, was für ein Privileg das ist. Sicher, es gibt viele Themen über die ich auf dem Blog nicht schreiben würde, weil ich sie für zu privat halte, weil ich finde, dass sie niemanden etwas angehen. Aber zu wissen, ich könnte es tun ohne ein anderes Risiko einzugehen als das, mich lächerlich  zu machen, ist ein gutes Gefühl. Und man vergisst schnell, dass es nur wenige Länder auf der Welt gibt, in denen sich Autoren um Themen wie Zensur, Polizeibehörden und Geheimdienste keine Gedanken machen müssen.

Die Tage in Kairo zeigten mir aber auch, dass vieles im persönlichen Umgang deutlich lockerer war, als ich es mit vorgestellt habe. Während einer Diskussionsrunde erklärte ich meinen arabischen Kollegen, dass ich im israelisch -arabischen Konflikt hinter Israel stehen würde. Dass ich wenige Minuten auf dem Balkon des Marriot mit Blick auf den Nil mit dem im Westjordanland lebenden Mohammed Abuallan bei einer Zigarette weiter über das Thema diskutieren würde, hätte ich nicht erwartet. So kontrovers viele Diskussionen auch waren – es waren Diskussionen und keine Kämpfe.

Ein anderes Vorurteil, dass ich revidieren musste: Ob verschleiert, mit Kopftuch, Minirock oder enger Jeans – die arabischen Frauen bestimmten die Gespräche, gingen stärker in die Kontroversen hinein, als die Männer und hatten auch deutlich mehr Selbstvertrauen.

Erschreckend allerdings, dass eine dieser selbstbewussten, jungen Frauen als eines ihrer Vorbilder den ägyptischen Schriftsteller Sayyid Qutb nannte. Er war einer der wichtigsten Vordenker des modernen Islamismus. Ohne Qutb würde es kaum Terrororganisationen wie Al Qaida oder die Hamas geben. Er war der Mann, der die Büchse der Pandora öffnete.

Die Bundesregierung hat dieses Bloggertreffen nicht aus Zufall gefördert. Zum einen soll es der Auftakt einer Reihe von Treffen von Medienmachern aus Deutschland und den arabischen Staaten werden. Vielleicht treffen sich im kommenden Jahr Radioreporter oder Lokalredakteure irgendwo, um sich näher kennen zu lernen. Die Veranstaltung war aber auch ein politisches Signal in die Region hinein. Am Rande des Botschaftsfestes zum 20. Jahrestag der Wiedervereinigung wurde uns erklärt, dass die Bundesregierung mit diesem Treffen zeigen wolle, dass sie die Blogs in der arabischen Welt als Medien ernst nimmt. In der vagen Hoffnung, dass die Staaten der Region dieses Signal gegen die Verfolgung der Blogger wahrnimmt. „Wir nehmen“, sagte ein Diplomat “die Blogs ernst“

Der Fall von Lina  Ben Mehnn zeigte, dass dieses ehrenwerte Vorhaben bislang leider wenige Früchte trug.

Aber wir hätten ohne dieses Treffen keinen Gastbeitrag von Ben Mehnn über die Unterdrückung der tunesischen Blogger auf den Ruhrbaronen veröffentlicht. Wir kennen uns jetzt, stehen in Kontakt miteinander und wenn einem der arabischen Kollegen etwas passiert, werden wir darüber berichten. Das ist nicht viel, aber es ist ein Fortschritt.

Ein Artikel von mir zu diesem Thema erschien auch in der Welt am Sonntag.

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Christian S.
13 Jahre zuvor

Guter Bericht. „Und man vergisst schnell, dass es nur wenige Länder auf der Welt gibt, in denen sich Autoren um Themen wie Zensur, Polizeibehörden und Geheimdienste keine Gedanken machen müssen.“ Das stimmt wirklich. Die Freiheit in Deutschland ist wirklich groß.

Irrtümer einzugestehen ist nie leicht. Respekt daher!

A.
A.
13 Jahre zuvor

Sehr guter Artikel!

Es hätte aber gern noch persönlicher sein dürfen: „ich könnte es tun ohne ein anderes Risiko einzugehen als das, mich lächerlich zu machen“ …

Dieses Risiko ist doch überschaubar, und deine fern-mündlichen Beiträge fand ich sehr unterhaltsam, gar nicht lächerlich.

Michael Kolb
Admin
13 Jahre zuvor

Wie die mündlichen Erzählungen der Geschichte, finde ich auch diesen Text sehr schön. Jedenfalls bis zu dem Punkt, an dem es um die Reaktionen des Auswärtigen Amtes geht, im Fall von Lina Ben Mehnn und ihrer Geschichte, von der hier berichtet worden ist.

Natürlich ist es schade, daß von dort keine Aktion erfolgt ist, jedoch sollten „wir“ uns an die eigene Nase fassen, denn „unsere“ Reaktion war um keinen Deut besser und ich nehme mich an dieser Stelle davon auch gar nicht aus, denn ich habe auch „geschwiegen“

Erscheint hier ein Artikel über Walldorfsalat essende LINKE, sauerländische Aussitzqualitäten oder integierte Kebabbuden in Griechenland, dann raschelt es Kommentare im Sekundentakt.
Und bei diesem Thema, bei dieser Geschichte? Nix! Oder zumindest nahezu nix. Und das wird kaum daran gelegen haben, daß es an Englischkenntnissen gefehlt hat…

Neben dem Zeilengeld, das die Bilderberger rausrücken, sind Kommentare die wichtigste Währung für den Autoren. In diesem Fall hätten sie so etwas wie Unterstützung vermitteln können. Kam aber nichts und das ist irgendwo zwischen schade und erbärmlich.

Bevor wir also wieder der Politik und der Verwaltung gegen das Knie treten, sollten wir uns also mal lieber fragen, was wir hätten tun können… Ich für meinen Teil, I’m going to polish up mein Schulenglisch…

Pat Boone
Pat Boone
13 Jahre zuvor

@Michael Kolb: You made my Day. =)

Torti
Torti
13 Jahre zuvor

Also ich werde beim lesen solcher Berichte über bekennende Menschen in eher repressiven System immer demütig und kleinlaut. Ich frage mich dann immer, was würde ich tun, wenn ich ständig damit rechnen müsste Repressalien ob staatlich oder sozial einzustecken, für das simple Recht seine eigene Meinung frei auszudrücken. Würde ich mutig sein oder vorsichtig ? Ich weiss es nicht…

Guter Artikel Stefan…

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