Cancel Culture in Sarajevo: Europäische Rabbiner sind nun in München willkommen

(von links nach rechts: S.E. Damir Arnaut, Botschafter der Republik Bosnien und Herzegowina in Berlin, Foto: Botschaft BiH; Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft e.V., Foto: Stefan Kaminski; Gady Gronich, CER-Geschäftsführer, Foto: Eli Itkin)

Ausgerechnet in Sarajevo, dem sog. „Jerusalem des Balkans“, wurde die Europäische Konferenz der Rabbiner (CER) kurz vor knapp gecancelt. Spanische, französische, deutsche, schwedische, chinesische und amerikanische Stimmen tummeln sich fasziniert im Gewimmel des Basars in der Altstadt von Sarajevo – eine vielstimmige Gleichzeitigkeit auf europäischem Boden, mit der sich Sarajevo als multiethnisches Herzstück Bosnien-Herzegowinas um einen Beitritt in die EU bemüht.

„Eine Schande“ wird Pinchas Goldschmidt in der Jüdischen Allgemeinen zitiert, gepaart mit dem freundlichen Hinweis auf die Werte und die Grundrechtecharta der Europäischen Union. Kurzerhand wird der Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz und Träger des Aachener Karlspreises 2024 sowie mit ihm ein Dutzend europäischer Rabbiner vor vollendete Tatsachen gestellt, fünf Tage vor dem geplanten Konferenztermin.

Die Einheimischen Sarajevos zeigen sich gewöhnlich gastfreundlich. Ihre zurückgewonnene Heimat seit dem Beschuss durch Scharfschützen der Republika Srpska und ihrer ethnischen Säuberung wie in Srebenica soll der Welt 30 Jahre nach dem Bosnienkrieg zugewandt wieder offenstehen. Was ist also Mittel und Zweck, die höchsten Vertreter jüdischen Glaubens an dem Ort auszuladen, der pars pro toto für interreligiösen Dialog stehen will?

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Antisemitismus in der Clubszene: DJ Phonatic klagt Doppelmoral an

Anna Maria Loffredo & DJ Phonatic, Foto: Anna Maria Loffredo

Berlin ist das Epizentrum des Technobeats, aber auch – und das gehört zur Wahrheit über die sexy Stadt – des Antisemitismus in der Clubszene. Die Diskrepanz zwischen den Werten der Rave- und Technokultur und der gesellschaftlichen Realität könnte eklatanter nicht sein. Das rein musikalische Erlebnis von Peace, Love & Unity ist längst einem aktivistischen Soundtrack gewichen. Mit DJ Phonatic habe ich in Berlin über seine Erfahrungen seit dem 7.Oktober gesprochen.

Anna Maria Loffredo: Wer bist Du? Was machst Du?

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„Distilled“ bei Refugee Week Berlin – Zwischen Krieg, Flucht und Resilienz

Im Gespräch vor dem Podrum Berlin: Asmir Hadzibeganovic, Anna Maria Loffredo, Christopher Larson (v.l), Foto: Anna Maria Loffredo

Krieg, Flucht und Neuanfang in Deutschland – das sind die Zutaten des Films „Distilled“ über Asmir Hadzibeganovic, der in den 1990er Jahren vor dem Bosnienkrieg nach Deutschland floh. Jahrelang mit der Hoffnung auf Heimkehr baut er sich in Berlin eine Schnapsbrennerei auf und mixt zusätzlich elektronische Balkan- und Swingmusik. Der Regisseur Christopher Larson hat den einstigen Kriegsflüchtling beim Besuch seiner Heimatstadt Bijeljina im heutigen Bosnien und Herzegowina mit der Kamera begleitet. Daraus ist ein 25-minütiger Dokumentarfilm über menschliche Schicksale durch Krieg und Migration, aber auch eine besondere Freundschaft entstanden.

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„Wer braucht schon Krieg?“ – Jüdisches Leben in Sarajevo

Emer. Amb. Jakob Finci, Präsident der Jüdischen Gemeinde Bosnien-Herzegowina, Foto: Anna Maria Loffredo

„Unglücklicherweise stand der Krieg bevor. Das einzige Land, in das wir gehen können, ist Israel“, sagt Jakob Finci, Präsident der Jüdischen Gemeinde Bosnien-Herzegowina.

Scannt man den Algorithmus attraktiver Schnäppchenflüge in NRW, findet man sich schnell in der Leserwahl von National Geographic Travel zum weltweit besten Reiseziel für 2025 wieder: Sarajevo. Was steht auf einer Vedutenpostkarte, die junge Menschen 30 Jahre nach Kriegsende versenden?

Die Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas liegt idyllisch inmitten eines grünen Bergkettenrings

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Spurensuche nach einem vergessenen Visionär: Jasmila Žbanić würdigt Emerik Blum

Jasmila Žbanić und Anna Maria Loffredo im Gespräch, Foto: Anna Maria Loffredo

Es gibt Schicksale, die einem das kalte Grauen über den Nacken laufen lassen. Und es gibt Schicksale, die uns zuversichtlich mahnen, über unser eigenes Sein hinaus Demut vor dem Sinn des Lebens zu empfinden. Den Holocaust überlebt geht Emerik Blum zurück in seine Geburtsstadt Sarajevo oder wie man es auch nennt: „Little Jerusalem.“ Im Land des Titoismus gibt es nichts, nicht mal eine befahrbare Straße. Blum gründete 1951 das Unternehmen Energoinvest, das er mit Innovationsgeist und

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Europäer voller „Tatendrang“: Im Gespräch mit Theresia Töglhofer über ihren Debütroman

Im Gespräch über Tatendrang: Theresia Töglhofer (l.) und Anna Maria Loffredo (r.), Foto: Anna Maria Loffredo

Im Spannungsfeld europäischer Politik und Lobbyinteressen, zwischen Intrigen und Schatten-Netzwerken gibt es eine kleine Gruppe Young Professionals, die einen der begehrten Praktikumsplätze in der Europäischen Außenzentrale anstreben. Getrieben von „Tatendrang“, wie der Titel des Debütromans akzentuiert, erzählt die Schriftstellerin Theresia Töglhofer von Idealismus, Naivität und auch politischem Strategentum der nächsten Generation Politelite. Wie nah Niederlage und Erfolg in der Karriereplanung auf dem europäischen Parkett beisammen liegen, darüber habe ich mit der Autorin in Berlin gesprochen, ihrer Wahlheimat. Demnächst ist die gebürtige Österreicherin bei zwei Lesungen in NRW anzutreffen.

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„Feindliche Nähe“ als Leitstern für die Existenz auf Widerruf: Michael Wolffsohn beweist argumentatives Handwerk

Michael Wolffsohn Foto (Ausschnitt): Heinrich-Böll-Stiftung Lizenz: CC BY-SA 2.0


Ob Haschem, Gott oder Allah – Dank meiner soliden Katechismusprüfung als Ursuline aus dem tiefsten Sauerland gepaart mit astreinem Vatikanblut in meinen Italo Waderln kann ich Michael Wolffsohns kritische Auseinandersetzung mit dem Verhältnis der monotheistischen Glaubensrichtungen folgen und wärmstens empfehlen. Eigentlich sind sich Judentum, Christentum und Islam nah, aber wie der Titel des Buches verrät, geht es um eine „Feindliche Nähe“. Kompromisslose Takte, komplexe Einschübe, auch syntaktisch, und tiefes Detailwissen, wer das mag, sollte anfangen den theologisch interessierten Historiker zu lesen.

 

Unvergessen ist Wolffsohns beachtliche Frustrationstoleranz bei Lanz

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Jüdische Erinnerungskultur in Argentinien: Wenn es Volunteers nicht gäbe

Volunteer Artur Fischer im Holocaust Museum Buenos Aires, Foto: Anna Maria Loffredo

Buenos Aires riecht tropisch feucht nach Tango und Asado Feuer. Ein idealer Ort, um an Karneval alles hinter sich und die Füße im Rooftop-Pool baumeln zu lassen. Einfach mal nix tun, leichter gesagt als getan, denn freiwilliges Engagement findet mich immer wieder. Kurz vor Abreise gibt es den entscheidenden Grund, mich doch wieder für Ruhrbarone-Blog an die Tasten zu begeben. Ich treffe im Holocaust Museum Buenos Aires auf Artur Fischer, ein Volunteer, der an dem Tag einen hoffnungsvollen Unterschied macht, für mein Mutterland und für das, in dem ich zu Gast bin. Eine Reisereportage von Volunteer zu Volunteer.

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Jazz als Medizin: Keith Jarrett leidet und heilt in „Köln 75“

Plakat KÖLN 75 ©Alamode Film.

Kölsche Mädche sin jefährlich, aber in der Liebe janz ehrlich, wie der kesse Wirbelwind Vera Brandes im Film „Köln 75“ beweist. Ihre Liebe zum Jazz vereint ein Albumcover, worauf ihr Name nicht steht. Sie ist die furchtlose Göre vom Rhein hinter dem legendären „The Köln Concert“ und schafft sich damit einen Namen im Promotergeschäft. Mit einem klapprigen Flügel für Impro-Mastermind Keith Jarrett schreibt sie indirekt Musikgeschichte. Der ungewöhnliche Retro-Film von Ido Fluk feiert Weltpremiere bei den 75. Internationalen Filmfestspielen von Berlin. Da kiekste!

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Der Lehrer, der uns das Meer versprach: Eine filmische Mahnung

Plakat „Der Lehrer, der uns das Meer versprach“, Regie: Patricia Font © Filmax / 24 Bilder

Es ist erst Montag, und ich habe schon das Wochenbudget an Rotz und Wasser verheult, damit ich pünktlich zum Filmstart am 6. Februar von einer wahren Geschichte berichten kann, ein Tabu der spanischen Zeitgeschichte. Im Originaltitel „El maestro que prometió el mar“ verfilmt Regisseurin Patricia Font das Schicksal des katalanischen Lehrers Antonio Benaiges, der sein Versprechen, die Kinder zum Meer zu bringen, während des spanischen Bürgerkriegs unter General Franco nicht einlösen kann.

Bis heute sind Antonios Überreste nicht auffindbar.

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