Der Netzer der Woche

Im Netz ist Fernsehen immer noch am schönsten:

"Ja, woran hats gelegen: Gefehlt haben Netze zur Absicherung bezüglich der Verkehrssicherungspflicht für den Hallenbereich und vor allem insbesondere auch für die Zuschauer" usw. usf.

Ein Traum!

Im Pulverdampf

Nach dem Industrieschnee kam Böllersmog.

Bochumer Sylversternacht mit Sichtweiten unter zehn Metern. Schwefelgeruch in der Luft, nasse Haare, gute Laune. Wir sahen einen Mann vor einem Auto herlaufen. Als wir ihn vor dem Gefährt warnten, sagte er "meine Freundin" und lotste sie auf die Autobahnauffahrt.

Und welches Wetter machen wir uns als nächstes:

Chemiehagel, RWE-Gewitter, Windradorkan?

Wünsche nur das Beste für 08!

 

Explosion in Motherwell

Vor einiger Zeit sah ich in meinem Fernsehapparat einen Werbespot für ein anderes Farbfernsehgerät, durch das selbst Plattenbausiedlungen ein rot-grün-blaues Wunder erleben sollen. Gedreht wurden die Farbexplosionen am Bau rund um Glasgow. Wer Hinterlassenschaften von staatlichen Wohnungsbauprogrammen schätzt, wer angegammelte Hochhaussiedlungen mag, der kommt in Schottlands Süden auf seinen Kosten. Und das Städtchen Motherwell ist eine Hochburg für Wohnbeton auf grünem Hügelland. Ein Leverkusen der Lowlands. Nicht nur architektonisch.

Den heimischen Fußballclub erreicht man nach einem Halt an einem mickrigen Regionalbahnhof und einem Spaziergang vorbei an Grünflächen, Verkehrskreiseln, einem Pub, einem Autohaus, einer Lackiererei, plötzlich dem Stadtzentrum, Matrazenlager, noch einige enge Siedlungsstraßen, und so weiter.
Motherwell, the Steelmen, spielen in den Farben Gryffindors (oder umgekehrt) und machen gerade eine schwere Zeit durch. Sie trauern um ihren Mannschaftskapitän, vor dem Stadion und dem Social-Club liegen Schals, Trikots, Blumen für Phil O’Donnell, der auf dem Spielfeld zusammenbrach. Herzanfall. 35.
O’Donnell ist erst vor ein paar Jahren nach Motherwell zurückgekehrt, nach langen, durchwachsenen Jahren bei Celtic Glasgow und Sheffield Wednesday. Das Verletzungspech blieb ihm auch in Motherwell treu. Erst in dieser Hinrunde konnte der Mittelfeldregisseur konstant mitspielen und jetzt dieser Schock.
Zwei Gedanken:
1) Schotten (und Briten) können großartig trauern. Dann kommt etwas zum Vorschein, was auch der Fußball nicht hervor lockt. Ich sah einen historischen Heimsieg gegen Angstgegner Inverness, doch das Stadion lehrte sich still, schnell und sachlich. Jetzt glitzern die Pfützen golden-rot,  Blumen, eine Farbexplosion auf dem Dezemberasphalt.
2) Das Fußballer immer häufiger einfach umkippen und sterben, ist hoffentlich nur ein Zufall. Ich erinnere mich an diese Dokumentation im Fernsehen. An dickblütige Radfahrer, die mitten in der Nacht auf Hotelfluren herum hüpfen, aus Angst vor einem Herzanfall.

Die Nummer Eins

Jens Lehmann wurde in einem Dortmunder Autohaus fotografiert. Jens Lehmann wurde auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt gesehen. Jens Lehmanns Konkurrent bei Arsenal hält einen Elfmeter. Jens Lehmann braucht Spielpraxis, sonst kann er sich die Fußball-Europameisterschaft von der Backe putzen. Jens Lehmann soll sich ein Gefährt mit dem Steuer auf der linken Seite gekauft haben. Der Fall ist klar. Jens Lehmann spielt die Rückrunde in Dortmund.

Oder? klick

Hmmm, im Sommer 2008 zurück, der Kinder wegen, die Euro scheißegal, na so was.

Jens Lehmann muss man eben anders sehen: Jens Lehmann fuhr S-Bahn, hat Leinwände gerne mit kleinen Punkten – Münsterschen Stadtansichten – verziert. Er hat keine (typische) Spielerfrau. Er hat IHN abgelöst. Er ist ein deutscher Gary Cooper oder James Stewart  – entschlossen, auch ehrgeizig, eigenbrödlerisch, aber nicht eitel.

Und: Jens Lehmann ist immer noch ein WELTKLASSEtorwart. Schon deshalb muss er in London bleiben.

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Wer macht denn so was?

Aha, die machen so was dämliches:

Evonik kann schon wieder einpacken.

Lateinamerika kriegt eine Packung.

Warum machen die das?

Sitzen die Latinos alle im Knast, kennen die keine Zangen, müssen die nur mal richtig anpacken…?

Hammer!

Die Spenden gehen übrigens nicht an klick oder klick, sondern an klick; die verwenden auch das Evonik-Lila namens Deep Purple. Das rockt.

Flimm II

Unter einer Decker flimmern

Das schönste soll man sich bekanntlich aufheben…

Wie es wohl weitergeht mit der Ruhr-Triennale, nach drei Jahren mit Jürgen Flimm, nach kölscher Vereinahmung, Rheinlandisierung, nach Niedecken, Mike Herting, …?

Na wie wohl!

Flimms Nachfolgerin Marie Zimmermann – immerhin Aachen – nahm sich das Leben.

Die Saison 2008 wird deshalb von dem Team 2005-2007, einem Dreigestirn (sic) verantwortet und Flimm fungiert als "Papa" (O-Ton Flimm).

Und ab 2009 übernimmt Willy Decker, Opernheld und – Sie ahnen es –

natürlich aus K Ö L N.

schurians runde welten (reloaded)

Totschlag im Internet "Deine Mudda zieht Autos auf Eurosport." (ustreamer 4357) "Deine Mudda wird am Strand von Greenpeace gerettet!" (ustreamer 3385) "Schalke, alle Uschis!" (ustreamer 1005) Es ist viel passiert, seit diese Kolumne das letzte Mal erschien. Ich habe mir einige technische Geräte angeschafft, die ich um meinen Heimarbeitsplatz gestellt habe und abwechselnd an- und ausschalte. Danach schaue ich wieder in den Laptop, ob zwischendurch etwas geschehen ist, dann schalte ich wieder ein Gerät an, und so weiter. Wenn ich arbeite und Geräte ausprobiere, denke ich daran zurück, wie es war ohne Internet, ohne Computer, Mobiltelefone und andere Geräte: So saß ich Anfang dieses Jahrtausends mal in einem Büro am Westrand des Ruhrgebiets fest und hatte kein Telefon und einen PC ohne Verbindung zum Internet. Irgendwann begann ich damit, mich mit dem Rechner zu unterhalten. Wirklich: Das Teil hatte eine Sprachsoftware, ich konnte mir Sätze ausdenken, die ich mir dann in fünf unterschiedlich verzehrten Stimmfarben vorlesen ließ. Kleine Dialoge, nur unterbrochen, durch das Eintippen des neuen Satzes: Guten Morgen, Christoph, alles klar? Hm. Was haben wir beiden Hübschen denn heute vor? Nichts. Wann gehst Du Mittagessen? Weiß nicht. Du mieser Lutscher, Du kotzt mich an! Häh? Trotz der Gespräche wollte die Zeit einfach nicht vergehen. Weil das nicht nur mir so geht, ist die gewaltigste Industrie unserer Zeit entstanden, sie fußt auf einem Auftragsmord. Medien- und Informationsindustrie helfen uns dabei, die Zeit totzuschlagen. Und das Internet ist ein Brennpunkt dieses Massenmordes. Man kann dort abertausend sinnfreie Dinge suchen, anschauen, anklicken, am sinnlosesten ist es aber, zu versuchen, Fußballspiele zu sehen, die nur im Bezahlfernsehen laufen. Zum Beispiel Champions League, Olimpiakos gegen Werder, zu sehen war das auf einer Seite aus Talinn. Im Selbstversuch wird klar: Wer Fußball gerne in der Totalen sieht, ist im Internet verratzt. Zu sehen sind rote bzw. weiße Pixel auf grünem Grund, wie ein Computerspiel auf dem Sinclair. In Nahaufnahme geht es einigermaßen, aber der Datenrhythmus macht das Spiel kaputt, es fließt nicht, es hackt. Weil das die anderen 5.000 Zuschauer auch so sahen, haben sie auf der Seite gechattet, sich ungefähr so angeregt unterhalten wie ich mit meinem Bürorechner – die geistreichesten Kommentare habe ich an den Anfang dieser Kolumne gestellt, die es ab jetzt wieder regelmäßig geben wird. Mit irgend etwas muss man die Zeit ja totschlagen!

Im falschen Flimm

Wir wollen hier wütend sein, gar nicht schwer. Etwa über die Ruhrtriennale, beziehungsweise die Ära Jürgen Flimm. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger kommt Flimm aus Nordrhein-Westfalen. Falsch, er kommt aus Köln. Und das merkte man. Zum Beispiel beim letzten Abend des Kulturfestivals 2007, 14. Oktober in der Bochumer Jahrhunderthalle.

Dabei habe ich gar nichts gegen Köln, aber auch wenig für die Domstadt übrig. Schon gar nicht kulturell. Weil ich damit zum Glück nicht allein bin, musste die Bewerbung der größten Stadt im Bundesland als Kulturhauptstadt Europas grandios scheitern. Wir wissen, wer das Rennen machte. Am Rhein würden sie noch heute ihre Wunden lecken, erzählte mir im Frühjahr ein in Köln lebender, aber eigentlich in Herne beheimateter Schauspieler. Stimmt fast: Die einen lecken seit drei Jahren den "halwen hahn" – die anderen verdienen das Geld dann halt woanders. Zum Beispiel: Im Ruhrgebiet.

Kulturindustriemeister Jürgen Flimm ist eine Art Anführer dieser kölschen Kulturmontage, der rheinischen Bühnen-Kampagne. Von Anfang an. Als der Theatermann vor vier Jahren zum Intendanten der Ruhr-Triennale wurde, dem noblen Aushängeschild der Ruhr-Kultur, wollte er trotzdem nicht von der Kölner Bewerbung als Kulturhauptstadt lassen, er gab das widerwillig erst nach einigem Pressedruck auf. Und seine Rache am Ruhrgebiet war schrecklich.

Hatte der Triennale-Gründungsintendant und Kosmopolit Gerard Mortier noch viel hingeschaut, nachgedacht und gesagt über das Revier und seine Bewohner, geriet Flimms Abschiedsabend zum Liederabend der rheinischen Wanderarbeiter. Der musikalische Leiter, ein Kölner, der Stargast, ein Kölner, der Gastbläser, ein Kölner, die Band, aus Köln. Selbst der niedliche Amateurchor entstammte irgendeiner Sankt-Blasius-Basilika in irgendeinem Viertel dieser von ihren Einwohnern gerne als "schönste Stadt der Welt" bejubelten Sammlung von Bausünden. Der ganze Abend in der Jahrhunderthalle wurde zu solch einem Heimspiel der Rheinländerei, dass das Bühnenpersonal selbstverständlich von "hier" sprach, obwohl sie Köln meinten.

Zum Abschied an das Ruhrgebiet, ohne dessen ausgebeutete Landschaft, Geschichte und Einwohner es niemals Arbeit für Jürgen Flimm und Co. Kg. zwischen Emscher und Ruhr gegeben hätte, las der scheidende Intendant eine Geschichte von Heinrich Böll. Ein Straßenporträt, katholisch, kitschig, kölsch, sprich: an dieser flachen, feuchten Stadt besoffen. Zuvor gab er etwas Apokalypse, dann war Schluss, kein Wort übers Revier, zu drei Jahren Festivalleitung, zum Publikum. Ein Profi, Geld wird jetzt woanders verdient.

Ach ja, fehlt noch das Feuerwerk zum Abschluss. Funkensprühende Drachen zogen auf und ab, es glühte, funkelte, blitzte etwas zwischen dem dürrem Pappelbewuchs vor der Halle, Jürgen Flimms barocken "Hain". Es würde mich nicht wundern, wenn die Postleitzahlen von Feuerwerkern und Baumschule mit 5 und 0 beginnen.

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