Meine Angst: Das Patt des Grauens

Ich habe gerade Kaffee getrunken. Einen Keks gegessen. Dann nachgedacht. Über den Satz eines guten Kollegen. Der hat nämlich mal folgende Regel aufgestellt: In der Politik passiert immer das Langweiligste, das denkbar ist. Gut, habe ich mir überlegt, was ist das Langweiligste, das heute in NRW denkbar ist – jetzt bei den Landtagswahlen?

DAS PATT DES GRAUENS.

Wie kann das aussehen? Ganz einfach: SPD und CDU bekommen etwa 35 Prozent der Stimmen. Die Grünen landen bei 11 Prozent und die FDP kriegt irgendwas mit 6. Dooferweise kommen die Linken mit 5,05 Prozent rein.

Das bedeutet: Weder rot-grün, noch schwarz-grün ist möglich. Auch schwarz-gelb geht nicht. Alles hat keine Mehrheit. rot-rot-grün geht auch nicht – weil das nicht getragen wird. Rot-gelb-grün geht genauso wenig, wie schwarz-grün-gelb. Die Leute können das nicht. Die würden sich in so einer Koalition mit Farbbeuteln bewerfen.

Es geht nur die große Koalition. Und das auch nur im Patt. Ohne eindeutigen Sieger. Wer soll da Ministerpräsident werden? Jürgen Rüttgers, der CDU-Loser, Kraft, die SPD-Loserin? Keiner von beiden, sage ich. Im Patt des Grauens wird ein neuer gesucht, es wird wochenlange Verhandlungen geben, um jeden einzelnen Posten und jedes einzelne Ministerium. Alles verfangen in Personalien, weil jeder weiß, nur der Ministerpräsidentenposten zählt. Jeder Minister ist egal. Das mussten wir in der Berliner großen Koalition lernen.

Danach werden sich die Politiker im Patt des Grauens jahrelang belagern. Misstrauisch, nervös, feige. Im Land wird derweil so gut wie nix passieren.

Nach fünf Jahren Eiszeit werden dann einer oder vielleicht auch beide Koalitionäre abgestraft und die ehemaligen Volksparteien landen bei unter 25 Prozent. Nach dem Patt des Grauens werden die Ränder des Spektrums stärker, von Linkspartei bis Pro NRW. Das ist meine Angst.

Hoffentlich kommt heute eine klare Aussage bei den Wahlen raus.

Ich befürchte aber, dass ich mit meiner Angst Recht behalten könnte.

Die Geschichte vom schwarzen Millionen-Loch im digitalen Nordrhein-Westfalen

Einst waren 25 Mio. Euro dafür vorgesehen, elektronische Rathäuser in NRW einzuführen, in etwa so wie auf dem Plan hier. Aus den Ideen ist aber nicht viel geworden. Wo das Geld versandet ist, bleibt unklar.

von Bastian Rothe, Johanna Rüschoff und David Schraven

Die Zukunft sah so toll aus. Das Projekt d-NRW sollte der Startschuss für eine neue internetbegeisterte Verwaltung in Nordrhein-Westfalen sein – so hieß es damals zu Beginn des Jahrzehnts unter der Regierung von Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD). Eine Vision, gut 25 Mio. Euro schwer. Doch aus der Nummer ist wenig geworden. Das Geld ist weitgehend versandet, wie Recherchen der Ruhrbarone zeigen. Ausschreibungen wurden fast durchgehend vermieden, die beteiligte Softwarefirma weist eine bilanzielle Überschuldung aus und der Verbleib etlicher Millionen ist bis heute ungeklärt. Die aktuelle Landesregierung scheint sich nicht weiter um das Vorhaben kümmern zu wollen, dabei gingen noch Mitte 2008 unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) neue Aufträge in das Projekt. Mit neuen Kosten in Millionenhöhe.

Die verworrene Geschichte um d-NRW beginnt mit dem Investor Clemens J. Vedder. Dieser ansonsten eher im Hintergrund agierende Finanzhai, Jahrgang 1947, mit Wohnsitz in Florida wurde vor allem mit seiner Investorengruppe Cobra bekannt, als diese bei der Commerzbank einstieg. Aktuell steckt Vedder hinter dem Hedge Fond „Blacksmith Fund Ltd.“ Auf Grand Cayman.

Auch im digitalen Nordrhein-Westfalen agierte Vedder weit im Hintergrund im Herzen eines kleinen Firmengeflechts, das um die Fördermillionen buhlte.

Die cosinex GmbH wurde im Jahr 2000 von einigen Studenten und Bediensteten der Privatuni Witten/Herdecke gegründet. Es hieß, man habe ein akademisches Start-Up vor sich. Doch schon kurz nach der Gründung stieg Finanzhai Vedder in die Unternehmung ein und brachte rund 2,5 Millionen Euro Kapital mit. Bei seinem Einstieg ließ sich Vedder von seinem Geschäftspartner, dem Kölner Anwalt Martin Fervers, vertreten. Fervers war Geschäftsführer der Finanzholding Rebon B.V. in Amsterdam, in der Vedder seine Interessen bündelte. Zur Rebon B.V. gehörte auch die Investorengruppe Cobra, deren Geschäftsführung Fervers 2002 übernahm.

Die cosinex GmbH ist wiederum in einer öffentlich-privaten Partnerschaft verstrickt, die mit dem Land NRW eng verwoben ist. Die Struktur ist kompliziert: Während die öffentliche Hand heute ihre Interessen am Projekt in der d-NRW Besitz-GmbH und Co. KG bündelt, steckt die cosinex wie eine russische Holzpuppe hinter dem privaten Teil der Partnerschaft, die heute unter dem Titel d-NRW Betriebs-GmbH & Co. KG firmiert.

Die Idee war, dass die öffentliche d-NRW Besitz-GmbH der privaten Betriebs-GmbH Aufträge für die Digitalisierung der Verwaltung vermittelt. Davon profitieren sollten beide. Der private Partner von den Fördermitteln für die Entwicklung der Software, die Öffentliche Hand von der neuen Technik.

Ursprünglich gab es sogar eine Ausschreibung für die d-NRW Betriebs-GmbH. In diesem Wettbewerb setzten sich zunächst die Unternehmensberatung CapGemini Ernst&Young gemeinsam mit der cosinex GmbH durch. Das Land gründete dann mit diesen beiden Firmen die d-NRW
Betriebs-GmbH. Allerdings stieg die CapGemini bereits nach kurzer Zeit aus dem Projekt wieder aus. Die kleine cosinex blieb damit als alleiniger Partner übrig, der heute 100 Prozent der d-NRW Betriebs-GmbH kontrolliert.

Mit der Beteiligung hatten Vedder und Partner große Pläne, wie ein Insider erzählt. Mitten in der Euphorie am neuen Markt habe man geglaubt, mit der cosinex dank der Partnerschaft mit dem Land einen Volltreffer zu landen. Wenn alle Rathäuser in NRW die kostspielige Software kaufen würden, könnte man ein Systemhaus mit Milliardenumsätzen schaffen, so die Hoffnung. Es heißt, selbst ein Börsengang der cosinex sei angedacht worden. Spiritus Rektor sei damals Stephan Jansen gewesen, ehedem Leiter des „Institute for Mergers & Acquisitions (IMA)“ an der Universität Witten/Herdecke und heute Präsident der Zeppelin University in Friedrichshafen.

Leider blieb der erwartete Ansturm auf das digitale Rathaus aus. Dann brach auch noch der neue Markt zusammen. Schlechte Zeichen. Im Juni 2002 verliert sich die Spur von Vedder aus den Akten. Dafür erscheint eine Graf von Wolkenstein-Trostburg Vermögensverwaltungs- und Grundstücksverwertungs-GmbH in Köln in den Unterlagen. Diese Firma übernimmt nach und nach Anteile von Studenten an der cosinex. Kontrolliert wird die Graf von Wolkenstein GmbH von Martin Fervers, jenem Vedder-Rechtsanwalt, der einst die Cobra steuerte. Laut Handelsregister steht Fervers heute alleine hinter der Wolkenstein GmbH.

Die cosinex erhielt öffentliche Fördermittel in Millionenhöhe aus dem Ziel-II-Programm der Europäischen Union und des Landes NRW. In einer internen Mail an das Innovationsministerium von Minister Andreas Pinkwart (FDP) betonte cosinex-Geschäftsführer Carsten Klipstein, dass die stattliche Summe von 25 Millionen Euro als Förderung vorgesehen war.

Aber wie viel Geld davon tatsächlich abgeflossen ist, bleibt unklar. Niemand in NRW scheint eine Antwort geben zu können oder zu wollen. Der Geschäftsführer der öffentlichen D-NRW Besitz GmbH, Roger Lienenkamp, sagt: „Die Inanspruchnahme der reservierten Fördermittel erwies sich als so aufwändig, dass die d-NRW Besitzgesellschaft lediglich in einem einzigen Fall, nämlich für das Projekt, Informationsbüro d-NRW, einen Förderantrag gestellt hat.“ Dies machte einen Betrag von 3,2 Mio. Euro aus. Mit dem Geld sollte das Informationsbüro für die digitale Verwaltung werben.

Erst nach und nach wird weiter bekannt, dass die cosinex auch direkt Geld aus Fördertöpfen bekam. Zur „Entwicklung eines interkommunalen Marktplatzes zur Abwicklung formaler Vergaben“ flossen weitere 830.000 Euro. Für die „Realisierung eines interkommunalen Katalogs“ gab es 190.000 Euro. Beides eher normale Softwareentwicklungen.

Dann bekam auch noch ein Verein „European Society for eGovernment“ in Köln rund 200.000 Euro. Auf Nachfrage, welches Projekt damit gefördert wurde, heißt es, die European Society habe die Aufgabe gehabt, „den Stand der Einführung von E-Government-Prozessen zu erheben und die Öffentlichkeit über das Potenzial von E-Government-Prozessen zu informieren.“ Frei könnte man das mit „Public Relation“ übersetzen.

Nach wochenlangen Nachfragen erklärt die Aufsicht führende Landesgesellschaft, der Projektträger Jülich, es seien insgesamt etwa 4,46 Millionen Euro im Rahmen von d-NRW ausgeschüttet worden. Dies sei aber möglicherweise nicht die Gesamtsumme, da einzelne Ministerien auch direkt gefördert haben könnten.

Auf die Fragen wer das war, gibt es von den Ministerien im Land NRW keine ausreichenden Antworten. Lediglich aus dem Finanzressort heißt es, dem Projekt d-NRW seien drei Aufträge zur Installation und Pflege von Software erteilt worden. Der letzte im August 2008. Insgesamt flossen auf diesem Weg bis heute weitere 2,7 Mio. Euro durch das Firmengeflecht an cosinex. Ein Teil des Geldes wurde allerdings unterwegs als Eigenanteil von den anderen Firmen abgezogen. Die Aufträge hießen „Vergabemarkplatz NRW“ „Vergabemanagementsystem NRW“ und „Einkaufskatalog NRW“.

Diese Namen erinnern frappierend an die Titel der ursprünglich bewilligten Förderprojekte.

Auffällig ist zudem, dass es abgesehen von der ersten Ausschreibung für den privaten Partner von D-NRW keine weitere Ausschreibung der Software oder der PR gab. Eine Sprecherin von Finanzminister Helmut Linssen (CDU) sagte, im Falle der Aufträge aus dem Finanzministerium habe es sich um „Inhouse-Geschäfte“ gehandelt, die nicht hätten ausgeschrieben werden müssen.

Tatsächlich wurden die Dienstleistungen immer wieder über das Geflecht von öffentlicher und privater D-NRW-Gesellschaft an die cosinex durchgereicht. So wurde die Förderung für das angesprochene Informationsbüro d-NRW genauso wie die Aufträge aus dem Finanzministerium an die öffentliche d-NRW Besitz-GmbH gegeben. Von dort aus ging das Geld über die private d-NRW Betriebs-GmbH als Unterauftrag an die cosinex GmbH – alles ohne öffentliche Ausschreibung.

In den Unterlagen zu dem Vorhaben sehen die Aufsichtsbehörden diese Weitergabe der Aufträge kritisch. Allerdings heißt es in einem internen Vermerk, Ausschreibungen könnten solange zu recht vermieden werden, wie sie auf Basis eines Rahmenvertrages stünden, der zwischen der öffentlichen und der privaten d-NRW Gesellschaft abgeschlossen worden sei. Denn dieser Rahmenvertrag sei selbst auf Basis einer Ausschreibung zustande gekommen. Alle Dienstleistungen, die Teil dieser ursprünglichen Ausschreibung gewesen seien, dürften also ohne Wettbewerb vergeben werden.

Es bleibt also die Frage offen, ob die neuen Aufträge Teil dieser ursprünglichen Ausschreibungen waren? Zumindest das Informationsbüro kam im ursprünglichen Rahmenvertrag vor, wenn auch nur am Rande. Die restlichen Projekte waren kaum zu identifizieren.

Gleichzeitig wurde mit Macht versucht, die Notwendigkeit der digitalen Verwaltung publik zu machen, um möglichst viel Software zu verkaufen. Gleich mehrere Professoren und Experten wurden beauftragt, Begleitstudien für d-NRW anzufertigen, die wie Werbung aussehen. Die Autoren erhielten für die Broschüren mit einem Umfang von wenigen dutzend Seiten oft mehrere zehntausend Euro. An Stundensätzen wurde fast ausschließlich das höchste, gerade noch gesetzlich zulässige ausgezahlt. Alleine die Fernuni Hagen rechnete weit über 200.000 Euro für verschiedene Studien ab.

Dabei ließ zumindest ein Professor auch Geld in die eigenen Taschen fließen. Für das Versenden von Einladungen zu einem Public-Relation-Tag in Münster etwa stellte Professor Jörg Becker auf dem Briefpapier der Uni Münster 13.685 Euro für eine Memo Tagung GbR in Rechnung. Diese Firma residiert in Beckers Privathaus im malerischen Altenberge. Auf Nachfrage bestätigte der Professor, dass die „Familiengesellschaft“ unter anderem ihm gehört.

Ausschreibungen für die ganzen Arbeiten konnten in den Unterlagen zum Projekt d-NRW nicht gefunden werden, stattdessen traten immer wieder Mitglieder der Aufsichtsgremien als „Paten“ in den PR-Studien auf.

Aus dem Innenministerium war etwa Abteilungsleiter Johannes Winkel dabei, oder Christoph Gusovius von der Steuerungsgruppe „Verwaltungsstrukturreform“ und Vertrauter von NRW-Innenminister Ingo Wolff (FDP).

Aber selbst der Beistand der Ministerialen konnte nicht dabei helfen, die Entwicklung und Vermarktung von Programmen wie den „Vergabemarktplatz für Ausschreibungen“ oder „Melderegister online“ zu einem durchgreifenden Erfolg zu machen. Trotz Fördermillionen meldete die cosinex in der aktuell vorliegenden Buchhaltung eine bilanzielle Überschuldung ans Finanzamt.

Ein Grund für den Misserfolg kann die Vorgehensweise der beteiligten Partner gewesen sein: viele Kommunen im Ruhrgebiet, in denen bereits komplexe Projekte zur elektrischen Verwaltung liefen, fühlten sich übergangen. „Wir Kommunen verfügen über fundiertes IT-Wissen“, sagt ein IT-Insider einer großen Revier-Kommune. „Die hätten uns vorher fragen müssen.“

Eine politische Aufarbeitung über den Erfolg des Projektes hat es in der Landesregierung bis jetzt nicht gegeben. Stattdessen sieht es so aus, als habe man sich mit dem Stand der Dinge abgefunden. D-NRW läuft weiter. Und sucht frische Aufträge und frisches Geld.

Illustration: D-NRW

Private Kontodaten für Vertreter: Postbank muss hohe Strafe zahlen

Es kommt selten vor, das ein Datenschutzbeauftragter ein Bußgeld verhängt. Umso ungewöhnlicher, dass in diesem Fall hier die Postbank AG sogar 120.000 Euro zahlen muss, weil das Unternehmen mit den Daten seiner Kunden unflätig umgegangen ist. Die Bank hatte irgendwelchen Vertreter die Kontodaten von potentiellen Kunden durchgestochen, wie die Stiftung Warentest im vergangenen Jahr enthüllte. Dass ein Datenschutzbeauftragter zubeißt, ist so ungewöhnlich, dass wir die entsprechende Pressemeldung des erst Ende Januar angetretenen Mannes in ganzer Pracht präsentieren:

Der NRW-Datenschutzbeauftragte, Ulrich Lepper, hat ein Bußgeld in Höhe von 120.000 Euro gegen die Postbank verhängt, weil diese bis Herbst 2009 freiberuflichen Handelsvertretern für Vertriebszwecke den Zugriff auf die Kontobewegungsdaten der Postbankkunden ermöglicht hatte. „Die Postbank ist eindeutig zu weit gegangen. Ich frage mich, was das Bankgeheimnis noch wert sein soll, wenn rund 4000 freiberufliche Außendienstmitarbeiter weit über eine Million Kontodatensätze von Kundinnen und Kunden abrufen können“, sagt Lepper.

Kontobewegungen sind sehr sensible Daten, die viel über unsere Lebensweise aussagen. Wer sein Einkommen von der Sozialbehörde bekommt, wer welche Zeitung abonniert oder wer welche Rechnung einer auf Herzkrankheiten spezia-lisierten Klinik überweist, das und vieles mehr kann auf dem Konto ablesbar sein. „Diese Daten dürfen weder von Banken und erst recht nicht von Handels-vertretern für Werbezwecke ausgewertet werden“, stellt Ulrich Lepper fest.

Ein Bericht der Stiftung Warentest hatte Ende Oktober 2009 die Untersuchung des Vorgangs ausgelöst. Die Prüfung offenbarte unter anderem Arbeitsanwei-sungen, wonach die Handelsvertreter vor einer Kontaktaufnahme zu den Kundinnen und Kunden die Kontodaten auswerten sollten, um neue Finanzprodukte gezielt anzubieten.

Die Postbank betreibt ihre Kundenwerbung nicht selbst, sondern organisiert dies über die Postbank Finanzberatung AG, die mit einem Netz von selbstständigen Handelsvertretern arbeitet und diese zur Auswertung der Kontobewegungen an-gehalten hatte. Der Postbank wird vorgeworfen, die Kontobewegungsdaten ihrer Kunden für diesen Zweck zum Abruf bereitgehalten zu haben.
Die Postbank hat den Zugriff der Handelsvertreter auf die Girobewegungsdaten seit Anfang November 2009 technisch unterbunden.

Der Sieger am Sonntag steht jetzt schon fest: Es sind die Grünen

Wenn eine Partei in diesem Landtagswahlkampf Glück gehabt hat, dann waren das die Grünen. Anders als der von Kleinaffären gebeutelte und moralisch abgehalfterte Ministerpräsident Jürgen Rüttgers von der CDU können die Grünen nur gewinnen.

Egal, wie das Ergebnis ist. Sie können mit der SPD koalieren und sie haben sich unter der Vorherrschaft von Reiner Priggen eine Option auf Schwarz-Grün gesichert. Selbst wenn die Grünen in der Opposition bleiben sollten, wäre das kein Desaster. Sondern ein Gewinn.

Heute erscheint alles bei den Grünen möglich. Doch gerade wenn alles machbar ist, wird die Frage wichtig, was wäre denn das Beste.

Auf den ersten Blick schient die Frage beantwortet: ein Bündnis mit der SPD, wie gehabt, wäre das Beste.

Aber ist das wirklich so? Wenn man sich die Wahlprogramme der beiden Parteien anschaut, glaube ich das nicht. Zwar gibt es bei der Schulpolitik größere Gemeinsamkeiten, als man denkt. Aber gerade in der Energiepolitik, in der Umweltpolitik und in Wirtschaftsfragen trennen die beiden Parteien Welten.

Der Reihe nach: Die NRW-SPD verlässt sich immer noch auf den Machtkomplex der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IGBCE). Diese Gewerkschaft aber vertritt im Kern aus Sicht der Grünen unhaltbare Positionen. Die IGBCE will neue Kohlekraftwerke bauen, sie will den Industriestandort NRW bedingungslos erhalten und scheut dabei vor den Konflikten aus der Clementzeit nicht zurück. Zum Beispiel wenn es um Steinkohlesubventionen geht. Die IGBCE will diese. Jetzt. Und für immer. Die Argumente kennt jeder. Bergbau ist toll, die Subventionsmilliarden sind auch nicht verschwendet, sondern fließen in arme Regionen. Und was man sonst noch so hört.

Die Grünen können von dieser Position nichts halten. Denn sie haben anders als die SPD erkannt, dass die IGBCE nur noch die Vergangenheit im Ruhrgebiet vertritt. Die Gewerkschaft ist heute wenig mehr als das Machtgeflecht, das dem Filz im Pott früher Struktur gegeben hat. Ich sehe die Gewerkschaft wie eine Topfpflanze, die man in der Luft wild durchgeschüttelt hat. Die Wurzeln hängen noch zusammen, aber es gibt keine Erde mehr, aus der das Geflecht seine Kraft beziehen kann. Selbst bei RWE und bei E.on, den beiden wichtigsten Energiekonzernen hat die IGBCE ihre Vorherrschaft zugunsten von Verdi verloren.

Welche Ideen für die Zukunft hat die Gewerkschaft? Keine. Nur die Rezepte von früher: Subventionen für den Bergbau. Fördermilliarden für Gemeinden. Ende. Nichts, was einen neuen Anstoß geben könnte.

Da aber die SPD im Falle eines Wahlerfolges – also eines rot-grünen Regierungsbündnisses – die Unterstützung der IGBCE als Ursache für diesen Erfolg ausmachen würde, bekäme gerade dieses Erdenlose Geflecht neue Macht an Rhein und Ruhr. Nicht umsonst war Hannelore Kraft, das Kohlemädchen, erst vor ein paar Tagen wieder bei der IGBCE um sich dort feiern zu lassen. Die Grünen würden in der Partnerschaft mit der SPD gezwungen, um den Preis der Macht den Ausstieg aus dem beschlossenen Ende der Steinkohlesubventionen im Jahr 2012 mitzutragen.

Das kann für Grüne nur undenkbar sein.

Die SPD-Spitzenkandidatin Kraft hat nicht verstanden, dass die IGBCE nicht mehr das Maß aller Dinge in NRW ist. Sie hätte sich besser an Verdi gehangen. So muss sie die Grünen aus dem eigenen Lager verjagen.

Denn im Falle von rot-grün droht ein Comeback der Industriepolitik a la Wolfgang Clement: Stillstand für den Mittelstand, Rückschläge für die Umwelt und verschwendete Milliarden in hirnlosen Projekten.

Die Grünen können da nicht mitmachen, wenn sie sich nicht selbst verraten wollen.

Es bleibt die Option eines Bündnisses mit der CDU. Und gerade dies ist sehr spannend. Natürlich müsste die CDU ihre Zöpfe in der Bildungspolitik abschneiden. Aber warum eigentlich nicht? Wahrscheinlich wären die konservativen Vordenker froh, wenn sie von ihrer Gesamtschulablehnung abrücken könnten. Es ist so, wie mit Hartz IV: diesen Sozialkahlschlag konnte auch nur die SPD im Bündnis mit den Köpfen der Gewerkschaften durchsetzen. Genauso können nur die Schwarzen die Gesamtschule durchboxen.

In der Energiepolitik gibt es große Chancen. CDU und Grüne wollen den Mittelstand stärken, sprich neue, alternative Energieformen unterstützen. Gleichzeitig könnten die Grünen den Einfluss der Energie-Konzerne im Bündnis mit der CDU stärker begrenzen als bei einer Regierungsbeteiligung der SPD, die mit der Energiegewerkschaft IGBCE verschwistert ist.

Vor allem aber könnte schwarz-grün ein echtes Zukunftsprojekt angehen. Und zwar den ökologischen Umbau der Kommunen, wie ihn grüne Vordenker planen.

Was sich schwammig anhört, lässt sich in wenigen Sätzen erklären. Ab 2013 werden aus den CO2-Abgabe der Energiefabriken Milliardensummen in die öffentlichen Haushalte gespült. Die Grünen wollen, dass diese Milliarden genutzt werden, um ein ökologisches Sanierungsprojekt in den NRW-Städten zu starten. Die CO2-Milliarden sollen demnach dafür eingesetzt werden, Wände zu isolieren, Fenster und Uraltheizungen auszutauschen sowie Dächer abzudichten. Damit der Energieverbrauch ganzer Regionen flächendeckend abgesenkt werden kann.

Davon würden alle profitieren. Abgerockte Viertel würden saniert. Die Städte sähen besser aus. Die Hausbesitzer und damit Wähler von CDU und Grünen bekämen etwas in die Hand. Und sogar die Mietnebenkosten könnten für die sozial schwächeren Menschen gedrosselt werden.

Damit nicht genug, das Ganze hätte auch große Beschäftigungseffekte. Tausende Tischler, Dachdecker, Fenster- und Heizungsbauer würden Arbeit auf Jahre haben.

Diese grüne Idee ist die einzige große Leitidee für ein politisches Projekt, die ich in diesem Landtagswahlkampf gehört habe.

Schwarz-Gelb verspricht ein „Weiter So“. Wobei das „Weiter So“ völlig schwammig bleibt. Was soll wie weiter gehen?

Die SPD hat gar keine Vision, außer dem „Wir machen es so, wie früher, bevor wir abgewählt wurden“ plus Gemeinschaftsschule.

Das grüne Zukunftsprojekt vom ökologischen Umbau der Kommunen könnte schwarz-grün besser umsetzen als rot-grün. Denn die IGBCE würde immer gegen die CO2-Abgabe kämpfen und eher das Geld den Konzernen auf Umwegen zurückgeben wollen, als damit irgendetwas Kreatives anzufangen.

Ich denke, es gibt bei den Grünen eine realistische Machtbasis für ein schwarz-grünes Bündnis. Dafür hat der Grüne Vordenker Reiner Priggen gesorgt. Er hat die Kandidatenliste für den Landtag weitgehend bestimmt. Auf der Priggen-Liste sitzen genügend Leute, die schwarz-grüne Koalitionen in den Kommunen erlebt, gefördert und durchgestanden haben. Auch in der gut 14 Männer und Frauen starken Verhandlungskommission, die ab Montag bereit steht, neue Koalitionen zu verhandeln, sitzen satt über die Hälfte Menschen, die schwarz-grün gut finden. Selbst bei angeblichen Ablehnern eines CDU-Bündnisses, wie Daniela Schneckenburger aus Dortmund, kann man sich sicher sein, dass sie für schwarz-grün votieren würde. Die alten Fragmentierung in Linke und Realos gibt es sowieso in dieser Frage nicht. Zu oft haben gerade linke Grüne in den Kommunen erlebt, wie schwierig es ist, mit SPD-Genossen zu leben. Sie setzen lieber auf stabile Verhältnisse mit CDU-Leuten.

Auch in der Umweltpolitik gibt es keine unüberbrückbaren Gegensätze. Sowohl Grüne als auch CDU-Politiker wollen die Schöpfung erhalten und sind bereit neue Wege zu gehen. Wie etwa der schwarze Bundesumweltminister Norbert Röttgen beweist. Zumindest hat sich Röttgen nicht wie Sigmar Gabriel (SPD) in NRW für einen Erhalt der Kohlekraftwerke stark gemacht.

Bundespolitisch macht schwarz-grün Sinn. Die Grünen kämen aus der babylonischen Gefangenschaft der SPD heraus. Nicht nur die Genossen hätten dann mehr als eine Regierungsoption.

Vielleicht ist es die Angst vor der Realität dieser Bündnisoption, die Leute wie Jürgen Trittin dazu antreibt, über den Spiegel schon vor den Wahlen den umstrittenen Bau des E.on-Kohlekraftwerkes in Datteln zu einem neuen Garzweiler hochzujazzen. Es heißt, an Datteln werde sich das Schicksal eines neuen Bündnisses mit den Grünen entscheiden.

Ich glaube das nicht. Im Gegenteil. Datteln ist ein juristisches Problem. Ob das Kraftwerk fertig gestellt wird oder nicht, entscheiden Gerichte. Die Planer von E.on haben im Vertrauen auf die staatliche Macht Mist gemacht. Diese Suppe muss von den Verursachern ausgelöffelt werden. Das kann schwarz-grünen Koalitionären egal sein.

Im Gegenteil. Schwarz-grün könnte im Politikfeld der Kohlekraft sogar noch was Gutes erreichen. Mehr jedenfalls als mit den SPD-Genossen. Denn derzeit werden Pläne erarbeitet, nach denen alle Altstandorte von Kohlekraftwerken mit neuen Kohlekraftwerken bebaut werden dürfen. Die Rede ist von rund 50 Standorten, die so baufähig für Meiler wie Datteln werden könnten. Die Grünen könnten hier in den Koalitionsverhandlungen die Zahl dieser Standorte drastisch verringern – zumal im Genehmigungsverfahren bis jetzt nicht mal Umweltverträglichkeitsprüfungen vorgenommen worden sind.

Und ja. Schwarz-grün in NRW könnte sich auf Bundesebene auch erfolgreich für die Umsetzung des rot-grünen Atomausstieges einsetzen. Auch das kein Fehler.

Als dritte realistische Option nach den Landtagswahlen bleibt den Grünen die Opposition. Auch diese Möglichkeit muss keinen schocken. Denn in der Opposition haben die Grünen jetzt wieder Ideen für die Zukunft entwickelt – siehe oben. Sie haben sich stärken können und sind auf dem Weg zu einer Volkspartei. Sollte die SPD in eine große Koalition eintreten, verfällt das Land in eine Stagnation, wie die Sowjetunion zur Breschnjew-Zeit. Die SPD würde sich endgültig überflüssig machen. Und in fünf Jahren kämen die Grünen mit Glanz an die Macht. Das einzige was dagegen spricht: für Machtakrobaten wie Priggen käme der Aufstieg zu spät. Sie könnten nicht mehr Minister werden. Deswegen sind wohl eher die ersten beiden Optionen wahrscheinlicher.

Am Schluss phantasieren immer noch irgendwelche Politbeobachter von rot-rot-grün. Doch das ist so irre, das macht hoffentlich keiner – hoffe zumindest ich.

Bei den Linken haben die extremistischen Strömungen von AKL (Trotzkisten und Kommunisten) und der SL (Gewerkschaftsromantiker) die Macht – dort sind Realisten, die die Linke in der Ex-DDR regierungsfähig machen, völlig marginalisiert. Mit AKL-isten und SL-lern kann man keine Politik für 17 Mio. Menschen machen. Das ist unverantwortlich. Die Zukunft des Landes darf nicht von zufälligen Bündnissen irrer Trotzkisten mit autoritären Kommunisten abhängen. Und es ist utopisch, daran zu glauben, die AKL in der Mehrheit könnte eingedämmt werden, wie die Verrückten im Osten. Warum ist Sarah Wagenknecht denn nach NRW gekommen? Weil sie sich in Berlin durchsetzen konnte? Oder weil sie eine neue Machtbasis in NRW gesucht hat?

Sollten die Linken in die NRW-Regierung rücken, wäre Wagenknecht mit an der Macht.

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Der PFT-Sündenbock von Minister Uhlenberg (CDU) im Sauerland ist umgekippt.

Foto: NRW-Umweltministerium / Minister Uhlenberg steht links

NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) drohen kurz vor den Landtagswahlen erneut Schwierigkeiten in Sachen PFT. Diesmal geht es um ein Feld in Brilon-Scharfenberg. Dort hatte Minister Uhlenberg im Winter 2006 mit großem Pomp eine Millionen-Euro teure Filteranlage bauen lassen, die nahezu alleine das Problem mit dem krebserregendem Gift im Trinkwasserfluss Ruhr lösen sollte. Uhlenberg sagte damals, aus dem Acker mitten im Sauerland würden 80 Prozent des PFT in der Möhne stammen und weiter in die Ruhr strömen. Mit der Sanierung des Feldes sei damit Schluss.

Doch wie Unterlagen beweisen, die mir vorliegen, ist das Vorhaben weitgehend gescheitert. Zunächst konnte nachgewiesen werden, dass vor allem aus den Kläranlagen des Ruhrverbandes über 50 Prozent der PFT in die Ruhr strömen, und nicht das Feld in Brilon die Hauptursache ist. Und jetzt steht auch noch fest, dass die Sanierung des Ackers in Brilon-Scharfenberg nicht funktioniert hat. Nach wie vor sickert PFT aus dem Feld und verseucht das Wasser der Region.

Bereits im Frühjahr 2008 hatte die Bezirksregierung Arnsberg festgestellt, dass trotz Sanierung des Ackers die Kläranlage in Brilon-Scharfenberg des Ruhrverbandes immer noch mit hohen PFT-Lasten zu kämpfen hatte. Am 30. Mai 2008 schließlich heißt es in einem vorliegenden Telefonvermerk, die Bezirksregierung habe Kenntnis erlangt, dass die PFT-Drainage um das belastete und angeblich sanierte Feld unterspült wird. Sprich: das Gift wird dort bis heute nicht komplett aufgefangen und in der Filteranlage aus dem Wasser geholt, sondern es fließt an der Technik schlicht vorbei. Danach sickert das PFT durch undichte Stellen in Abwasserkanäle, vermischt sich dort mit Hausabwässern und landet in der Kläranlage.

Die Forderung der Bezirksregierung auf Basis dieser Sachlage ist überraschend. Nicht das Feld soll saniert oder die Kläranlage ertüchtigt werden. Nein, die Kanäle sollen endlich besser abgedichtet werden, damit das PFT nicht mehr in die Kläranlage des Ruhrverbandes läuft und dort die Messwerte versaut. Auch der Hinweis eines Vorstandes der Stadtwerke Brilon, dass dann das PFT halt direkt in die Möhne und die Ruhr fließen würde, verunsicherte die staatliche Umweltverwaltung unter Kontrolle des Ministers Uhlenberg nicht.

Für eine große Darstellung des Vermerks bitte auf das Miniaturbild klicken
In einem Gesprächsvermerk vom 12. Januar 2009 heißt es, das Uhlenberg-Ministerium lege „größten Wert darauf, dass das PFT-haltige Wasser nicht mehr durch die Kläranlage fließt.“ Sprich, dass die alten Kanäle saniert werden. Die Messwerte dort lagen nach einer Analyse des Ruhrverbandes teilweise bei über 80.000 Nanogramm Gift je Liter Abwasser. Maximal 300 Nanogramm gelten als gerade noch Ok.

Der Uhlenberg-Sprecher Markus Fliege dementierte die Aussage. Er meinte, die Drainage würde gut funktionieren. Nur „teilweise“ würde das PFT-verseuchte Wasser an der Filteranlage auf dem Acker vorbeiströmen. Und es würden „minimale Mengen“ in die Gewässer gelangen.

Diese Aussagen des Uhlenberg-Intimus finde ich ganz schön gewagt. Ich veröffentliche hier die vollständigen Messergebnisse nur eines Tages an der bekannten Stelle am Feld. Wie man sieht, sind die Werte sehr hoch – höher als die Werte in dem südlichen Drainageschacht.

Diese Werte, die ich hier bringe, sind die einzigen vollständigen und validen PFT-Werte, die bislang öffentlich wurden. Es gibt noch mindestens eine zweite Messung vom 24. März 2009, die in Unterlagen der Stadtwerke Brilon gelangt sind. Doch bei diesen Werten fehlt eine entscheidende Zahl – nämlich der Wert der Durchflussmenge. Aus diesem Grund sind die Messungen nicht vollständig und nicht ernsthaft in der Diskussion nutzbar. Was sagt ein Konzentrations-Wert von unter 100 Nanogramm je Liter aus, wenn ich nicht weiß, ob überhaupt ein Liter Wasser durch den Schacht abgeflossen ist? Richtig, das sagt nichts aus.

So weit so gut. Es bleibt die Frage, warum es dem Uhlenberg-Ministerium so wichtig war, nur auf die Sanierung der Kanäle zu setzen?

Eine funktionierende Kläranlage, die in der Lage ist PFT aus dem Trinkwasserfluss zu halten, muss der Ruhrverband bezahlen. Es drohen Kosten in Millionenhöhe. Eine funktionierende Sanierung des Feldes kostet das Uhlenberg-Ministerium viel Geld. Die Sanierung der alten Kanäle müssen vor allem die Menschen in Brilon-Scharfenberg privat bezahlen.

Die Anwohnerin Elisabeth Henne hat bereits ein Zwangsgeld angedroht bekommen, wenn sie nicht endlich den Kanal an ihrem Haus für ein paar tausend Euro abdichtet. Ihr Haus stehe im PFT-verunreinigten Grundwasser, heißt es. Sie hat Klage beim Verwaltungsgericht Arnsberg eingereicht. Sie kann das Geld nicht aufbringen.

Es ist soweit – Rüttgers Zeit


Kurz vor der Landtagswahl, pünktlich also, kommt der Spiegel mit einer Enthüllung über die Finanztricks der CDU in Nordrhein-Westfalen heraus. Wenn ich das an Rüttgers Stelle geahnt hätte, hätte ich Bange gehabt. 🙂

Hier die Vorabmeldung des Spiegels in voller Pracht:

Kurz vor der Landtagswahl gerät die CDU in Nordrhein-Westfalen in den Strudel einer Finanzaffäre. Die Partei hatte im Landtagswahlkampf 2005 einen Vertrag mit einer Frankfurter Werbeagentur abgeschlossen, der nach SPIEGEL-Informationen mit 40.000 Euro dotiert war und über ein halbes Jahr lief. Als Gegenleistung sollte die Agentur den Aufbau einer angeblich von der Partei unabhängigen Wählerinitiative organisieren. Diese Gruppe namens „Wähler für den Wechsel“ sammelte daraufhin Geld für Zeitungsanzeigen zugunsten des Spitzenkandidaten Jürgen Rüttgers, ohne dass darin ein Bezug zur Partei hergestellt wurde.

Wie CDU-Generalsekretär Andreas Krautscheid nun bestätigte, war die Partei schon in einer frühen Wahlkampfphase in die Pläne zur Gründung der Initiative eingeschaltet. Nach SPIEGEL-Informationen hatte die Initiative nach der erfolgreichen Landtagswahl sogar noch ihre Akten samt Rechnungsunterlagen in der Parteizentrale abgeliefert. Daher prüft nun die Bundestagsverwaltung, ob die Verbindung zwischen Partei und Initiative so eng war, dass die Einnahmen der Gruppe als Gelder der Union zu werten sind und im Rechenschaftsbericht für das Jahr 2005 hätten auftauchen müssen. Davon gehen mittlerweile selbst enge Rüttgers-Berater aus, die nun ein Strafgeld wegen verdeckter Parteienfinanzierung erwarten.

Krautscheid begründete den Vertrag zwischen Partei und Agentur damit, dass die Rüttgers-Unterstützer ihr gesammeltes Geld „komplett für Zeitungsanzeigen und andere Aktionen, nicht für die Organisation der Kampagne“ hätten verwenden wollen. Daher habe die CDU diese Kosten übernommen. „Man kann juristisch durchaus die Ansicht vertreten, dass die Praxis bedenklich war“, räumte Krautscheid gegenüber dem SPIEGEL ein, „damals hat man geglaubt, das gehe so; heute muss man das juristisch vielleicht anders sehen.“

Ich frage mich nun, was eigentlich mit dem Wahlkampf in diesem Jahr ist. Läuft diesmal alles richtig oder gibt es wieder so Unwuchten? Mit komischen Finanzierungen seltsamer Kampagnen.

Das frage ich mich aber nicht nur in Richtung CDU.

Das frage ich mich genauso in Richtung SPD. Ich frage mich, ob nicht vielleicht auch die Genossen irgendwie einen schmutzigen Wahlkampf finanziert haben. Mal sehen.

Linken-Vize und Pressesprecher NRW: „Leyendecker lügt“

Der Vizechef und Pressesprecher der Linkspartei NRW, Ralf Michalowsky, hat ein gespaltenes Verhältnis zur freien Presse. Das wissen wir. In der Gladbecker Lokalausgabe der WAZ äußerte sich Michalowsky jetzt zu den bundesweit in den Medien erhobenen Vorwürfen gegen seine Person.  Was er sagt, überrascht dann doch: Michalowsky fühlt sich verfolgt und bezichtigt ausgerechnet den Journalisten Hans Leyendecker von der  Süddeutsche Zeitung der Lüge.

Hans Leyendecker gehört ohne Zweifel zu den besten Journalisten Deutschlands.  Die Liste seiner Enthüllungen ist beeindruckend:  Ob Flick Affäre,  CDU-Spenden-Affäre, der Fußball-Wettskandal, die VW-Korruptionsaffäre und viele andere Nummern – Leyendecker steht für exzellente Recherche verbunden mit der Fähigkeit Fehler einzugestehen. Für Ralf Michalowsky, den Pressesprecher der Linkspartei, ist Leyendecker hingegen ein Lügner. Gegenüber der WAZ in Gladbeck sagte der Linke Pressemann, dass Leyendecker die Inhalte eines mit ihm geführten Interviews,  verfälscht wiedergegeben hat: „Er lügt und schreibt bewusst die Unwahrheit.“ Bei dem Gespräch ging es um Michalowskys Rolle in der Spitzel-Affäre der Linkspartei in NRW sowie die Statue des KGB-Gründers Felix Dschersinski, die auf Michalowskys Klavier stand. Die Autorin des WAZ-Artikels bestätigte uns gegenüber das Zitat. Michalowsky habe das so gesagt.

Was war Leyendeckers Fehler in den Augen von Michalowsky? Leyendecker hatte nicht über die ungedeckten Behauptungen Michalowskys berichtet, die Bespitzelungen der innerparteilichen Gegner sei erfolgt, weil diese zum Umfeld der rechten Schillpartei gehörten. Leyendecker hatte das gemacht, was gute Reporter machen, er hatte das berichtet, was bewiesen ist. Nicht das, was einer wie Michalowsky so alles erzählt, wenn der Tag lang ist. Das ist also eine Lüge in den Augen von Michalowsky.

In der WAZ hat Michalowsky seine Erzählungen wiederholt. Er sagte: In Bottrop hätten vor zwei Jahren Mitglieder der ehemaligen rechten Schillpartei versucht, die Linke zu unterwandern, deshalb habe man Neumitglieder mit erhöhter Aufmerksamkeit beobachtet und Informationen darüber ausgetauscht.

Diese Aussage ist nicht belegt. Ich habe dazu recherchiert. Es ist richtig, dass es wilden Streit in Bottrop gab, in dem alle erdenklichen Vorwürfe erhoben wurden. Von PKK-Sympathisanten war die Rede, die die Partei kapern wollten, von Rechtsradikalen und von DKPisten. Die Wahrheit hinter den Vorwürfen und Gerüchten ist kaum auszumachen. Eines ist jedenfalls sicher. Es gibt keine stichhaltigen Belege dafür, dass es Schillpartei-Leute gab, die die Linke übernehmen wollten. Selbst einen Beleg, dass es Leute gab, die der Schillpartei nahe standen, ist nicht zu finden. Ich habe danach gesucht. Dafür gab es aber jede Menge unbelegte Beschuldigungen aus dem Bottroper Kampf gegen parteiinterne Kritiker, die Michalowsky heute noch als Gerücht und seine Wahrheit verbreitet.

Das ist nicht alles. Märchenerzähler Michalowsky zieht ohne Belege wieder Verbindungen, die nicht stimmen. Zum Beispiel bei der Geschichte mit der Blutsäufer-Figur von KGB-Gründer Felix Dschersinski auf seinem Klavier. Michalowsky sagt, er habe sie auf einem Trödelmarkt in Weißrussland gekauft und für einen Musiker gehalten. Das ist seine Wahrheit. Uns liegt eine Aussage vor, nach der Michalowsky einem Gast in seiner Wohnung die Figur als Statue von Felix Dschersinski vorgestellt hat. Welche Wahrheit richtig ist, wissen wir nicht. Wir lassen das mal so stehen. Und geben zu bedenken, dass eigentlich jeder Linke über 50 Jahre das markante Gesicht des Schlächters kennt. Und dass dem Blutsäufer gerade in Weißrussland immer noch Denkmäler gewidmet sind. Dort gibt es sogar in der Nähe von Minsk eine Stadt, die nach ihm benannt ist. Dschersinskis Geburtsstadt. Aber klar: Michalowsky will den Mann für eine Musiker gehalten haben. Und im Sommer schneit es gewöhnlich in Gladbeck.

Dann sagt Michalowsky in der WAZ, er habe Leyendecker berichtet, dass die Dschersinski-Anekdote aus der gleichen Quelle in Bottrop stamme, wie die Infos über die Spitzeleien – eben aus den Reihen von ehemaligen Schillparteileuten oder -sympathisanten.  Es sei eine Lüge von Leyendecker, dies nicht zu schreiben. Gut. Die Info haben auch wir von den Ruhrbaronen gebracht, in unserem Linken-Report in unserem Print-Ding. Und wir wissen, wo wir die Info her haben. Sie stammt nicht aus Bottrop. Nicht mal nahe. Es ist völliger Bullshit, davon zu sprechen, dass die Info aus „der gleichen Quelle in Bottrop“ stamme. Oder sagen wir, es ist Michalowskys Wahrheit.

Leyendecker eine Lüge vorzuwerfen, ist übrigens nicht das erste Mal, dass Ralf Michalowsky Probleme mit Journalisten hat: Er streicht missliebige Reporter nach Gutsherrenart aus dem Presseverteiler der Linkspartei und versucht auch direkt die beruflichen Basis und die Integrität der Berichterstatter anzugreifen. Sein Ziel: Die Vernichtung. Als ich beispielsweise in der Welt am Sonntag über die Spitzeleien von Michalowsky schrieb, verschickte der Pressemann eine Email an alle möglichen „Genossen und Genossinnen“ sowie an Reporter, die noch in seinem Verteiler sind, und an mindestens einen Kollegen der Welt.

Darin hieß es: „Die WELT sollte sich Gedanken darüber machen, wen sie da beschäftigt.“ Michalowsky wollte die Kündigung eines kritischen Reporters erreichen.

Kommen wir zurück zur Süddeutschen. Auch hier ging er, wie es wohl seine Art ist, Reporter frontal, möglichst einschüchternd an: Er schrieb in die Redaktion, dass er die Vertreter des freien Mediums aus dem Presseverteiler der Linken streicht. Informationen sollte es fortan nicht mehr per Email gleichberechtigt und gleichzeitig für alle geben. Stattdessen wollte er die Reporter gegenüber anderen benachteiligen. „Informieren Sie sich bitte über unsere Aktivitäten über unsere Homepage“. Zudem schrieb Michalowsky, dass Anfragen nur noch beantwortet würden, wenn die Redaktionsleitung diese autorisiert hätte. Weiter lies Michalowsky die kritischen Journalisten schriftlich „schon jetzt wissen“, dass diese für den Fall des Einzugs seiner Partei in den Düsseldorfer Landtag „nicht zu den von uns bevorzugten Gesprächspartnern zählen würden“. Was war der Fehler, der in den Augen von Michalowsky diese Einschüchterung rechtfertigte? Leyendecker und Co. hatten zu viele unbequeme Fragen gestellt.

Genug für den Bannstrahl des Linken Pressemannes.

Das Verhalten von Michalowsky ist nicht tragbar. Auch wenn sich der Parteichef der Linkspartei Wolfgang Zimmermann für das Verhalten seines Stellvertreters und Sprechers bei der SZ entschuldigt hat.

Um es ganz ehrlich zu sagen: ich gehe davon aus, dass Michalowsky in seiner Tour weitermacht. Zu Stefan Laurin hier von den Ruhrbaronen hat er beispielsweise in der WAZ behauptet, dieser sei „ein Linkenhasser, der mich seit Jahren verfolgt“. Wahr daran ist: Stefan mag die politische Position der Linken überhaupt nicht.

Von verfolgen kann aber keine Rede sein: Insgesamt hat Stefan in den vergangenen 15 Jahren zwei, vielleicht drei Artikel geschrieben, in denen Michalowsky vor kommt.

Die beiden waren mal bei den Grünen in Gladbeck in einer Partei. Stefan sagt, aus dieser Zeit könne er eigentlich nur Gutes über Michalowsky berichten. Man habe sich inhaltlich gestritten, aber auch in der Partei vertragen. Stefan sagt: „Mit Ralf habe ich nie Probleme gehabt.“

Der Ralf hat sich wohl seither verändert.

Kleine Info am Rande: Linken-Chef Wolfgang Zimmermann hatte uns gestern ein Interview zugesagt. Gerade eben hat das Linke Wahlquartier angerufen und gesagt: „Das Ihnen zugesagte Gespräch kann leider nicht stattfinden.“

Nicht reden ist auch eine Aussage.

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Zwei gute Leute, Konrad Lischka und Jens Radü von Spiegel Online, haben eine Multimedia Reportage über das Ruhrgebiet gemacht. Sie haben Filme gedreht, Texte geschrieben und Interviews gemacht. Entlang der A 40. Mit Ruhrbaron Perik haben sie gesprochen („Anzugträger werden prophylaktisch gesietzt – bis sie Schaschliksauce am Revers haben“), mit einem Pornokönig, mit einer Comic-Dame. Mit Leuten halt, die was zu erzählen haben. Elf wundervolle, kurze Geschichten.

Ich finde das Zeug großartig. Konrad kenne ich noch aus unserer Zeit bei der taz ruhr. Damals schon hat er mich verblüfft. Etwa als er eine Reportage über einen Mc Donalds in Essen gemacht hat – erzählt entlang der Theorie über die industrielle Nahrung der Zukunft von Andy Warhol. Konrad, der alte Beutepole, kommt Mitten aus dem Revier, Jens Radü eher vom Rand. Aber egal, hier gibt es die gute Nummer zu sehen. Übrigens, selbst die Musik finde ich schön.