Am Montag ist auf die Synagoge geschossen worden in Bochum. Auf ein Fenster, neben dem Bilder für Kinder hängen. Man hat diese Nachricht entgeistert gelesen und wusste im selben Moment, dass sie einen nicht überrascht und fragt sich seitdem, was es eigentlich ist, das einen entgeistert: die Tat selber oder dass man sie erwartet hat. Im Politikersprech würde es jetzt heißen, die Schüsse galten „uns allen“, was zweifellos stimmt, während „uns allen“ klar ist, dass es nicht stimmt, es sind nicht „wir“, die im Fadenkreuz stehen.
Im vergangenen Jahr wären eigentlich 35 000 Konzertbesucher in die Christuskirche gekommen, dazu mehrere Hundert Künstler. Seit 13 Monaten keine Konzerte mehr, auch keine – furchtbares Wort – Abstandskonzerte, keine Proben. Das ist gut, es rettet Menschenleben. Der öffentliche Raum allerdings verfällt. Man läuft durch die Innenstadt wie durch ein Freilicht-Museum. So ein Schnelltest-Zentrum ist vor allem dazu da, den öffentlichen Raum zurückzugewinnen.
Also, liebe Straßenmusikerinnen, liebe Wohnzimmermusiker, nutzt die Audience, wo Ihr sie trefft: montags bis freitags 8 – 18 Uhr, samstags 10 – 18 Uhr. Die Zeit, die Menschen hier verbringen werden, ist exakt so lang wie ein Popsong dauert oder das Thema einer Suite.
Lassen sich Holocaust und Kolonialismus gemeinsam erinnern, die Verbrechen des Antisemitismus und die des Rassismus? „Multidirektionale Erinnerung“, das Buch von Michael Rothberg, wird als „revolutionäre Theorie“ gehandelt. Und dann das.
„Wie hat er uns die Augen geöffnet.“ Aleida Assmann über Michael Rothberg und dessen Einsicht, dass sich Erinnerung vielseitig zusammensetze: „Er hat uns herausgeholt aus einer Mentalität des Denkens, wo eine Erinnerung gegen die andere antritt“, berichtet die Koryphäe der Erinnerungsforschung. Bis 2009, als das Buch des kalifornischen Professors für Literaturwissenschaft [1] in den USA erschien, habe man in ihren Kreisen einen „Kampf der Erinnerungen“ geführt „im Sound des Kräftemessen und der gegenseitigen Auslöschung.“ Dann aber habe Rothberg es ihnen allen ermöglicht, dass „man sich diese globale Ikone des Holocaust aneignen kann, um seine eigene Geschichte besser zu formulieren“.