„Die Juden aber schrien: Weg, weg mit dem, kreuzige ihn!“ Die Passionen von J. S. Bach und der 7. Oktober

Ungläubiges Entsetzen: Journalisten sehen Hamas-Barbarei | ZAKA by Matan Tzinamon, Public Domain

Bildhafte Musik, affektive Charaktere, eine dramatische Handlung: Die oratorischen Passionen von Johann Sebastian Bach sind meisterhaft, theatralisch, bezwingend, die Geschichte ihrer Aufführung fällt mit der Aufklärung zusammen, sind Bachs Passionen antisemitisch? Keinesfalls, letztlich doch: Wer seine Aversionen aufhübschen will, findet sich in ihnen zurecht. Nach dem 7. Oktober, dem Hochfest des Hasses, müsste der Klassik-Betrieb dringend reagieren, er tut es oder tut es nicht.

„Kunst darf nicht nur, sie MUSS FREI sein!“ N.N. ist ein Kulturbürger, der sich selber künstlerisch betätigt, seine Briefe unterzeichnet er mit vollem Künstlernamen, sein Nomen Nominandum ist diesem Blog bekannt, für N.N. bedeutet „MUSS“, dem eigenen Hass die Zügel frei zu geben: „Die Netanjahu-Regierung hat die Juden einmal mehr zu Tätern werden lassen, da sollten wir uns nicht dafür entschuldigen müssen, dass auch der Evangelist Johannes sie in seinem Passionsbericht als Täter darstellt (und uns nicht davon blenden lassen, dass sie sich immer wieder erfolgreich als Opfer inszenieren – LÄCHERLICH!!!).“

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„Schrecklicher Verdacht: Ist Hamas antisemitisch?“ Der Weltgebetstag nochmal

Hamas 2012 in Gaza by Hadi Mohammad cc 4.0

„Mit welcher Sicherheit lässt sich sagen, dass Judenhass die maßgebliche Triebfeder für das Massaker am 7. Oktober war?“ Fragt Titanic, das Satire-Magazin? Judith Butler, die Gender-Ikone? Fragt die Chef-Deuterin des deutschen Weltgebetstags gemeinsam mit einem Gemeindepfarrer aus Lütgendortmund. Nicht allzu relevant, zeigt aber an, wieviel spirituelles Aroma für die Butler-Denke  –  “It is not a terrorist attack, it is not an antiSemitic attack”  –  auf Abruf steht. Allem gemeinsam: die Infamie, sie hat Niveau.

„Quälend“ sei es für sie, hatte Judith Butler, Berkeley-Professorin, Anfang März in Paris vor laufender Kamera erklärt, „quälend und schrecklich“ sich zuzugeben, dass die Hamas-Horden Widerstand leisteten, wenn sie Juden massakrierten: “It is not a terrorist attack“, sei also legitim, sagte Butler, „it is not an antiSemitic attack“, gebe also keinen niederen Beweggrund, „it is an attack against Israel“. Soll heißen: selber schuld, warum gibt es Israelis auch. Butler hat scharfen Widerspruch gefunden in deutschsprachigen Medien, ihren Versuch, blutrünstigen Judenhass als politische Option zu verhandeln, kann sich Jan Feddersen in der TAZ nur mit der entwirklichten Denke der Linguistin erklären, ihrem „Kampf um Symboliken“, in dem sie alles versuppt, was im tatsächlich „bewaffneten Kampf“ anfällt, die abgeschlachteten Omis, die entführten Babys, bestialisch verstümmelte Frauen. Das seien nur „Behauptungen“, erklärte Butler stirnzerfurcht, „wenn es Belege gibt, bedauern wir das, aber wir wollen diese Belege sehen.“ 

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Die Kunst des Lügens: Ade Darmawan, BDS und Claudia Roth

Documenta 15 Friedrichsplatz 2022-06-21 by C.Suthorn cc-by-sa-4.0

Israel? Boykottieren? Aber nicht doch, erklärte Ade Darmawan dem Deutschen Bundestag, „wir ziehen es vor zusammenzuarbeiten“. Darmawan ist Kopf und Direktor von Ruangrupa, dem derzeit wohl bekanntesten Künstlerkollektiv der Welt, er ist es dank jener Documenta, die er dabei war zu zerschießen, als er neben Claudia Roth im Kulturausschuss saß. Derzeit zielt Darmawan auf die Biennale in Venedig, er fordert, na klar, den Boykott von Israel: Der Hass auf den jüdischen Staat ist der archimedische Punkt in der KI dieser Welt, ihrer Kunst-Intelligenz.

Berlinale oder Biennale, Triennale oder Documenta, man kommt durcheinander, wer gerade wo in Kunst macht gegen Israel. Derzeit geht es um die Kunst-Biennale in Venedig, 22 000 Leute, die sich im Kunstbetrieb verorten, verlangen den Ausschluss aller Israelis, die US-israelische Künstlerin Ruth Patir und deren beiden Kuratoren, Mira Lapidot und Tamar Margalit, gehen sie direkt an. Einer der 22 000: Ade Darmawan, vor fünf Jahren war er in Kassel als Sprecher und „Direktor“ von Ruangrupa vorgestellt worden, dem Kuratoren-Kollektiv der Documenta 15, die mit antisemitischen Ausfällen in die Kunstgeschichte eingegangen ist.

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BDS, die Berlinale und Claudia Roth. Und das Schweigen

Claudia Roth in München 2016 by Harald Bischoff cc 3.0

Am Mittwoch noch hat Claudia Roth ihren „dialogischen Ansatz“ gelobt, mit dem sie Antisemitismus in einem Kulturbetrieb bekämpft, den sie fördert. Samstags wohnte sie der BDS-Gala bei, mit der die Berlinale schloss, sie tat es schweigend oder verschwiegen.

„Guten Abend, ich möchte auch meine Stimme erheben.“ Groteske Szene während der Abschluss-Gala der Berlinale, gerade erst hatte die ukrainische Schriftstellerin Oksana Zabuzhko, Mitglied der Jury, daran erinnert, dass in eben dieser Feierstunde der „größte und schrecklichste Vernichtungskrieg in Europa seit 1945“ in sein drittes Jahr geht und die Ukraine weiterhin „um ihr Leben kämpft“, das Publikum hört schweigend zu, da tritt Jasmine Trinca ans Pult und erklärt: „Ich möchte auch meine Stimme erheben und sagen: Waffenstillstand jetzt!“ Stürmischer Applaus im Saal, ein Johlen und Jauchzen, Trinca, die italienische Schauspielerin, ballt ihre Faust, der Arm rechtwinklig gestreckt, beglückt nimmt sie den Beifall entgegen, dann verkündet sie, wer den nächsten Bären gewonnen hat.

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Russischer Angriff auf die Ukraine: „Wir wollen zeigen, wie erfolgreich wir zusammen sind, wenn wir Putin widerstehen.“

Demo für die Ukraine am Europatag 2022 in Bochum (Foto: Roland W. Waniek)

Der Aufruf war noch gar nicht öffentlich, da hatte er schon breite Unterstützung gewonnen in der Stadt. Von A wie AWO bis Z wie Zeitmaul-Theater. Kultur und Kirchen sind dabei, Ruhr-Uni und Vonovia, die Jüdische Gemeinde und der TV Wattenscheid 01: „Es hängt von uns selber ab, ob wir in einer demokratischen Gesellschaft leben wollen oder für immer in Angst“, sagt Iryna Pavlenko. Die ukrainische Ärztin ist vor zehn Jahren mit Liia, ihrer damals elfjährigen Tochter, aus Donezk nach Mariupol geflohen, dann weiter nach Saporoschje und vor zwei Jahren schließlich nach Bochum entkommen. Sie kennt beide Welten, die des Krieges, keine 2000 Kilometer entfernt, und das friedliche Leben in dieser Stadt: „Es ist ein- und dieselbe Welt“, sagt die 43-Jährige, „es spielt sich gleichzeitig ab.“ Und dann dieser Satz: „Es ist ein Krieg auch gegen Bochum.“

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Weltgebetstag der Frauen: Anbiedern an Hamas. Oder absagen

Kindheit in Gaza by Hadi Mohammad cc 4.0

Eine internationale Frauen-NGO malt sich Terror schön, Terror gegen Juden. Das deutsche Komitee rudert zurück, dafür mussten erst 1200 Israelis sterben. Am 1. März sollen jetzt Texte „aus Palästina“ gebetet werden, die eines tun, sie beschweigen. Das Ganze erinnert an die Documenta, dem Weltgebet der Frauen ergeht es wie der Weltkunst der Eliten: Beide finden sich in den Dienst autoritären Denkens gestellt, beide finden sich gut darin zurecht.

Im Anfang das Bild, und das Bild ward verhüllt, auf der Documenta 15 war es das von Taring Padi. Drei Tage hing es im Sommer 2022 wie ein Black Painting im Herrgottswinkel der Weltkunst herum, groß wie der Torraum eines Fußballfeldes. Malewitsch‘ Schwarzes Quadrat steht ziemlich am Anfang der modernen Kunst, die Documenta ziemlich am Ende, weil unwillens, das zu sehen, was der Volksgerichtshof, Taring Padis People’s Justice, mit Hingabe entfaltet hat, ein antisemitisches Weltbild, ein geschlossenes. Im Anfang auch ein Bild, das der Ökumenische Weltgebetstag (WGT) im Jahr darauf präsentiert und erst nach Monaten verhüllt: zu sehen eine vormoderne Phantasie wie bei Taring Padi, eine bäuerliche Idylle aus Mutter-Kult und Märtyrer-Verklärung, aus Blut und Boden und Gebet. „Das Rot der Blumen steht für das Blut, das in Kämpfen für Land und Freiheit floss“, heißt es in einer Arbeitshilfe, die der WGT bis heute vertreibt. Mit „Kämpfen“ sind Terrorangriffe auf Zivilisten gemeint.

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Juden abschlachten: Documenta-Kunst bewahrheitet sich

„Popular Front for the Liberation of Fried Chicken“ | June 2023, Brussels, by Lionel June cc 4.0

In Jordanien hat eine Shawarma-Bude neu eröffnet, aufgemacht im Stil eines westlichen Franchise, der Name des Ladens: „October 7“, Tag der Hamas-Massaker an mehr als 1100 Israelis. Ein Fastfood-Business mit bestialischem Beigeschmack, es erinnert an eines, das die Documenta zwei Jahre zuvor als „volkstümlichen Humor“ verkauft hat. In der Debatte darüber, ob „Anti-Diskriminierungsklauseln“ die Freiheit von Kunst einschränken, gibt dieser Kurzschluss von Terror und Kunst zu denken.

Ein Fastfood-Interieur, wie man es um jede Ecke findet, das Personal in uniformem Rot, auf dem Rot der Schriftzug des Logos, er erinnert an den von Naturally 7, der coolen New Yorker a-capella-Band, nur dass es hier „October 7“ heißt. Der Schawarma-Laden, der jetzt in der zentral- jordanischen Stadt Al-Mazar al-Janubi mit einer fröhlichen Party  –  Videos finden sich auf Twitter oder auch hier  –  eröffnet hat, soll Name und Logo diversen SM-Berichten zufolge bereits wieder abgelegt haben. Was aber den Eindruck, bei der Fastfood-Feier des Schlachtfestes, das Hamas ausgerichtet hat, habe es sich um eine künstlerische Intervention gehandelt, nur verstärkt: Vor zwei Jahren hat Hamja Ahsan, Documenta15-Künstler aus London, genau dieses Szenario auf der Weltkunstausstellung in Kassel plakatiert:

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Laurie Anderson gibt Folkwang-Professur zurück

Folkwang Universität der Künste Essen_Kloster_Werden_Innenhof_2_2005 Wikipedia cc 3.0

Laurie Anderson gibt ihre Gast-Professur an der Folkwang Universität der Künste zurück, das habe die Hochschule heute bekannt gegeben, berichtet die Süddeutsche Zeitung: “Grund dafür ist eine umstrittene Unterschrift. Recherchiert hatte nicht die Hochschule, sondern, wie schon oft zu diesem Thema, die Ruhrbarone, ein Blog aus Bochum.” Der Rektor der Folkwang-Uni, Andreas Jacob, habe das Gespräch mit Anderson gesucht, für ihn habe sich, so die SZ, kein Grund ergeben, sie “auszuladen”  –  eine Forderung, die bisher allerdings noch gar nicht erhoben worden ist. Anderson, so zitiert die SZ den Rektor, sei “‘verstört’ gewesen, dass die Frage ihrer Gesinnung überhaupt Thema wurde”. Ein Hinweis, der Jörg Häntzschel in der SZ zu der Bemerkung verleitet, dass eine solche Reaktion “angesichts einer Unterschrift unter einem offenen Brief im Internet erstaunlich ist.”

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Folkwang-Uni: Ist Israel ein „einziges Apartheidsystem“, Professor Laurie Anderson?

Laurie Anderson performing at the Hirshhorn Museum Oct 2023 by Sdkb cc 4.0

Vor drei Jahren forderte Laurie Anderson, weltweit gefeierte Performance-Künstlerin, alle wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen mit Israel zu „kappen“, Israels Demokratie müsse mit „Sanktionen“ belegt werden, die Gründung des Staates habe ein „einziges Apartheidsystem“ geschaffen. Jetzt übernimmt Anderson die Pina Bausch-Professur an der Folkwang Universität der Künste. Finanziert wird die ambitionierte Gastprofessur mit Mitteln des Landes NRW.

International genießt Laurie Anderson enormes Renomee, ihre Berufung an die Folkwang-Uni hat weites Medienecho gefunden. Zu Recht, die multi-disziplinäre Performance-Künstlerin unterläuft die Erwartungen, die einzelne Disziplinen ausbilden, sie tut dies auf eine Weise, die nicht belehrt, sondern Wahrnehmen lehrt. „‘Doing art that’s about politics’“ sei das eine, erklärte sie im Mai 2017 der Irish Times, „‘doing politics in an artful way’” etwas anderes: „Aktivismus und Kunst haben sehr unterschiedliche Ziele: das eine ist, die Dinge zu verändern, das andere, die Dinge gut genug zu beschreiben, damit die Leute sich eine eigene Meinung bilden können.“ Sie selber, fügte sie an, „ich gehöre zur zweiten Kategorie.“ Ist das so?

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Grenze zur AfD schließen: Kirchen und Antifa rufen gemeinsam zur Demo auf

 

Duisburg 2024: Demo gegen AFD by Peter Ansmann

Die Evangelische Kirche in Bochum ist die Kirche von Hans Ehrenberg. In den 30er Jahren hat Ehrenberg eine schnurgerade Grenzlinie gezogen: hier die Kirche, dort die Nazis. Es ist dringend, eine ebenso gerade Grenze zu ziehen zur AfD. Und sich mit allen gut zu stellen, die – hier der Aufruf – neben einem stehen auf derselben Seite der Straße.

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