Brockes: Herzkammer der Industrie braucht ein Update für Investitionen und Wachstum

Dietmar Brockes , FDP-Landtagsabgeordneter in NRW
Dietmar Brockes , FDP-Landtagsabgeordneter in NRW

Nordrhein Westfalen ist Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum. Unser Gastautor Dietmar Brockes, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, sieht die Verantwortung dafür in der rot-grünen Landesregierung.

Um die wirtschaftliche Lage in Nordrhein-Westfalen ist es „nicht gut“ bestellt, um die Worte von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zu nutzen. Fakt ist: Während in ganz Deutschland die gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit zunimmt, stagniert sie in NRW. Und das nicht erst seit 2015. Das von den Statistikämtern von Bund und Ländern festgestellte Null-Wachstum in NRW stellt nur die bedrohliche Spitze des Eisbergs dar. Das Land leidet seit Jahren unter einer verfestigten Wachstumsschwäche. Ganz besonders bemerkbar macht sich das bei den Rahmenbedingungen für unsere nordrhein-westfälische Industrie. Dabei gilt gerade diese als Herzkammer der Wirtschaft in NRW, Deutschland und Europa. Auch in der Wirtschaftskrise hatte sich die Industrie als Stabilitätsanker für Wachstum und Beschäftigung erwiesen.

Vor den massiven Einbrüchen, die vor allem die auf den Dienstleistungssektor gestützten Volkwirtschaften getroffen haben, blieb Deutschland weitgehend verschont. Auch die mittelständische Struktur der Industrie trug zu diesem krisendämpfenden Effekt bei. Neben bedeutenden global tätigen Großunternehmen haben 94 Prozent der Industriebetriebe in NRW weniger als 250 Mitarbeiter. Die meisten davon sind dennoch global aufgestellt und nicht wenige Weltmarktführer in ihren Branchen. Die Exportquote über alle Unternehmen hinweg liegt bei über 43 Prozent.

Seit Jahren deuten allerdings wichtige Indikatoren zunehmend darauf hin, dass sich in Nordrhein-Westfalen eine Tendenz zur De-Industrialisierung verfestigt. Besorgniserregend ist dabei vor allem, dass sich im größten deutschen Bundesland eine erkennbar vom Bundestrend abgekoppelte Entwicklung zeigt. Das lässt darauf schließen, dass schlechte politische Rahmenbedingungen dazu beitragen, dass Investitionen des Verarbeitenden Gewerbes in den Standort NRW nicht nur im Vergleich mit dem Ausland, sondern auch im Vergleich mit anderen Bundesländern, unattraktiv sind.

Die rot-grüne Landesregierung darf die Augen daher nicht weiter vor der Erosion des Industriestandortes NRW verschließen. Die Zeit der Beschwichtigungen und des Ignorierens muss ein Ende haben. Die von der Ministerpräsidentin vorgeschobenen externen Faktoren wie Ölpreis, Russland-Sanktionen und weltweite Stahlproduktion oder die permanenten Hinweise auf den Strukturwandel können nicht über das schlechte Investitionsklima unter SPD und Grünen hinwegtäuschen.

 

Denn der Ölpreis in Bayern unterscheidet sich nicht vom Ölpreis in NRW. Die Russland-Sanktionen gelten für Unternehmen aus Baden-Württemberg und Hessen genauso wie für unsere Unternehmen hier im Land. Und mit einem Strukturwandel mussten sich auch andere Bundesländer in den vergangenen Jahren auseinandersetzen. Trotzdem hat etwa die Industrieproduktion in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen zugenommen, während sie in NRW abgenommen hat. Das zeigt, dass die Ursachen für die Wirtschaftskrise und das schlechte Investitionsklima zu einem Großteil hausgemacht sind.

Deshalb ist es höchste Zeit zu handeln. NRW benötigt eine Strategie für mehr Wachstum, mehr Wohlstand und mehr Beschäftigung. Dazu brauchen wir kräftige Entlastungsimpulse. Die FDP-Fraktion schlägt z.B. eine Grundsteuerbremse vor. Außerdem wollen wir die Gründungskultur und die wirtschaftliche Dynamik durch ein bürokratiefreies Jahr für Startups und einen konsequenten Bürokratieabbau durch die Schaffung einer modernen, effizienten, digitalen Verwaltung stärken. NRW benötigt verbesserte Kooperationsmöglichkeiten zwischen Hochschulen und Wirtschaft anstatt Gängelung durch das rot-grüne Hochschulgesetz. Vor allem müssen aber auch die teuren Sonderwege von Landes- und Bundesregierung in der Energie- und Klimapolitik endlich ein Ende haben.

Außerdem benötigen wir Investitionsimpulse und ein investitionsfreundliches politisches Klima. Die Landesregierung muss daher endlich einen Landesentwicklungsplan vorlegen, der sich zum Industriestandort Nordrhein-Westfalen bekennt und den Betrieben Entwicklungsmöglichkeiten schafft. Das gilt übrigens auch für unsere wichtigen Häfen und Flughäfen, die Rot-Grün in eine Art Zweiklassengesellschaft teilen will – was selbstverständlich zu zurückgehenden Investitionen in einen Teil dieser Infrastruktur führen wird.

Stichwort Infrastruktur: NRW benötigt hier dringend mehr Investitionen. Das gilt für Straßen, Schienen, Brücken oder Wasserwege genauso wie für die Breitbandversorgung. Wir brauchen hochleistungsfähige flächendeckende Glasfasernetze. Denn der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der nordrhein-westfälischen Industrie durch die zügige und kraftvolle Nutzung der Potentiale der Industrie 4.0 funktioniert nicht auf digitalen Buckelpisten.

Die FDP-Fraktion fordert ein Update für den Industriestandort. Ansonsten droht Nordrhein-Westfalen der industrielle Kollaps – auch wenn er durch den schleichenden Prozess nicht so offensichtlich wirkt. Eine einmal aufgegebene Produktionsanlage kehrt jedoch nicht so schnell zurück, wenn sie erst einmal ins europäische Ausland oder in die USA verlagert wurde.

Deshalb muss jetzt gegengesteuert werden. Unsere Industrie sichert Beschäftigung, Wachstum und Wohlstand. Sie ist das Fundament unserer diversifizierten Volkswirtschaft. Versiegen die Investitionen im Verarbeitenden Gewerbe in Nordrhein-Westfalen, werden über kurz oder lang auch alle anderen Wirtschaftsbereiche irreparabel beschädigt werden – und damit der gesamte Standort ins Abseits gestellt.

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kE
kE
8 Jahre zuvor

Frau Kraft wurde schon bei den letzten Wahlen mit für NRW katastrophalen SPD-Ergebnissen Ministerpräsidentin.
Die Bilanz kennen wir.

Aktuell, wie auch schon in den letzten Jahren gelingt es aber der Opposition nicht, diese Regierung zu stellen.

Ich bin zurzeit der Meinung, dass der NRWler bei der nächsten Wahl doch wieder auf die tröstende und im Hintergrund agierende Ministerpräsidentin zurückgreifen will. Dann gibt es evtl. eine große Koalition, weil man doch an den Posten hängt.

Robin Patzwaldt
Editor
8 Jahre zuvor

Stellt sich ja auch die Frage, ob es davor wirklich besser war:

http://stobbe.wtf/ruettgers-club-stuerzen/

😉

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