Welzers trübes Süppchen

Eine der Thesen in dem von Channel 4 gesendeten Film „ The Climate Warming Swindle" war: Die größten Propagandisten des Klimawandels seien die Atomindustrie und Altlinke, die nach dem Scheitern der sozialistischen Projekte dem Kapitalismus und der Demokratie nie verziehen haben, dass sie sich Ende des vergangenen Jahrhunderts so grandios durchgesetzt haben. Ich hielt das, obwohl ich den Film gut finde, für übertrieben. Ich mag keine Verschwörungstheorien.

Welzer – Lange Haare können schön sein – wenn sie gepflegt sind! Foto: Uni-Bielefeld

Nachdem ich heute allerdings das lange Interview des Soziologen Harald Welzer in der WAZ gelesen habe, stehe ich kurz davor, meine Aversion gegen Verschwörungstheorien zu revidieren, denn was Welzer da propagiert, ist nicht weniger als der Glaube an den großen Plan, der als einziges bleibt, um uns zu retten. Der Klimawandel, so seine These, sei die große Katastrophe, die in Zukunft dafür sorgen wird, das sowohl unsere blöde Demokratie noch unser lächerlicher Kapitalismus die Antwort finden werden. Welzer macht Fehler von unvorstellbarer Dummheit, kramt die  Argumente des Club of Rome aus den 70er hervor (Die Grenzen des Wachstums) und ignoriert jeden möglichen technischen und sozialen Fortschritt, der der Zukunft erst die Offenheit gibt, die sie nun einmal auszeichnet, sie erst zur Zukunft  macht.
Fröhlich reiht er Platitude an Platitude:

„Wenn es um Land, Wasser oder Nahrung geht, wird Gewalt als Möglichkeit der Problemlösung gesehen, zur Option schlechthin.“
Nach Jahrtausenden der Gewaltfreiheit tun sich da ja Abgründe auf…

„Es sind jetzt schon Gewichtsverschiebungen zu sehen. Je stärker die Schwellenländer wie Indien oder China werden, desto geringer wird der Einfluss der traditionell wichtigen Länder…“
Tja, das werden sich die Inder und Chinesen auch gedacht haben, als im Mittelalter die Langnasen mit ihren Schiffen vor ihren Küsten auftauchten. Die Machtverhältnisse auf der Welt sind nun einmal nicht statisch.

„ Es kann so nicht weitergehen.“
Das stimmt. Konnte es noch nie. Und wird es nicht. Es hat sich immer alles geändert. In meiner bescheidenen Lebensspanne gab es: Die bemannte Raumfahrt, das Ende der Sowjetunion, den wirtschaftlichen Aufschwung Chinas und Indiens, die Wiedervereinigung, den Siegeszug des Computers, die Gentechnik…. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass das Innovationstempo nachlassen wird.

„In einer endlichen Welt kann eine Ökonomie nicht funktionieren, die auf endloses Wachstum beruht.“
Oh, da haben wir aber die letzten Jahrzehnte tief geschlafen: Wer sagt denn, dass die Wirtschaft nicht auch phantastisch  mit neuen, effizienten Technologien wachsen kann? Dass  Autos, Computer etc. in 20 Jahren vielleicht ganz anders aussehen werden? Das reine Weiterschreiben des Ist-Zustandes führt natürlich zu Welzers Ergebnis – nur den kann man nicht fortschreiben.

„Wir müssen Abschied nehmen von der Illusion, dass Demokratie einen globalen Siegeszug antreten wird.“
Klar, in der Vergangenheit haben ja vor allem autoritäre Systeme gezeigt, dass sie gerade die großen Probleme viel besser lösen können als Demokratien. Der Fortschritt mag ja in China und Russland sehr langsam vorangehen – aber es gibt ihn. Blogger landen im Knast? Unter Mao wären sie erschossen worden. In Rußland sterben Journalisten? Unter Stalin gab es noch nicht einmal welche. Natürlich ist das, was in diesen Staaten geschieht, unerträglich, aber weltweit hat die Demokratie in den vergangenen Jahrzehnten eine fulminanten Siegeszug hingelegt: Polen, die DDR, Brasilien, Südkorea, Chile und und und – wieso soll man ausgerechnet heute von der Vorstellung Abschied nehmen, dass die Demokratie sich weiter durchsetzen wird, nur weil sie es bislang in China, Russland, Kuba und Nordkorea nicht geschafft hat? Übrigens: Auch in Europa vergingen zwischen dem Beginn der Aufklärung und den ersten freien Wahlen ein paar Jahre… . Ich mag Welzers Thesen nicht. Sie sind nicht nur undemokratisch, autoritär – sie sind bar jedes historischen Wissens und unendlich platt. Da versucht jemand, mit der Angst der Menschen ein ganz trübes Süppchen zu kochen. Ich will nicht in den Topf. Wir brauchen keine Ökodiktatur zur Rettung des Planeten. Wir brauchen noch nicht einmal Soziologen, die mit Angstmacherei ihre Bücher bewerben.  

2010 macht gaga

Was ist nur im Führungsteam der Kulturhauptstadt 2010 los? Erst drehte Fritz Pleitgen hohl, im Zeppelin will er über den Ruhrschnellweg und zigtausend Kölner Kegelschwestern, klick. Jetzt ist Karl-Heinz Petzinka nicht mehr zu halten, klack.

Foto: flickr buffel_de_be

Petzinka ist im normalen Leben Geschäftsführer der Treuhandstelle (THS) und dazu einer von vier  künstlerischen Direktoren von 2010. Was offenbar ziemlich ansteckend ist: Denn jetzt will auch Petzinka die A 40 ab 2010 jedes Jahr zur Volksfestmeile machen. "Love-Parade, Marathon oder eine Olympiade für Gehandicapte", schweben Petzinka vor. Eine "Olympiade für Gehandicapte". Tolle Idee, nur gibt es längst Paralympics, Special Olympics. Und ob die wirklich auf einer Autobahn stattfinden wollen? "Auf einmal wird sich zeigen, dass diese Straße bespielbar ist", sagt Petzinka der WAZ. Aber wieso sollte ein Asphaltstreifen nicht "bespielbar"sein? Sogar spielbar, man müsste nur die Autos weglassen.

Weiter. Natürlich soll die A 40 auch zur "Visitenkarte der Region" werden, mit Autos und mit Kunstwerken, die sie "aufwerten, markieren" und blabla-en: "Die Aufwertung der A40 ist definitiv eines der schönsten Projekte im Rahmen der Kulturhauptstadt", sagt Petzinka. Denn dass sich "zwölf Städte an einer Hauptstraße abbilden" (steht da so), "gibt es an keiner anderen Stelle der Erde". Stimmt schon, zwölf Städte "die sich an einer Straße abbilden", das gibt es nirgendwo, nicht einmal im Ruhrgebiet! Aber nur hier wird aus solchem Unfug auch noch eine Vision gebaut:  "Und wenn es zwölf von 53 Städten geschafft haben, darüber Einvernehmen zu erzielen, werden es bei anderen Projekten vielleicht bald 24 und dann 48 sein. Dann fehlen uns zur Einheit nur noch fünf." Immerhin Kopf-Rechnen geht noch.

Wo der gute Mann aus Gelsenkirchen schon einmal bei seinen Flausen ist, stellt er noch eine weitere vor: Am Sitz von THS will der oberste Zechenhausverwalter auf den Turm von Zeche Nordstern vier Stockwerke Glasbüro setzen und "als Clou" (WAZ) ganz oben drauf einen 18 Meter großen Herkules  – "als Zeichen für Kraft und Mut" …. und Großspurigkeit?

Mein Fazit: Wenn die anderen Kulturstadtdirektoren Dieter Gorny, Asli Sevindim, Steven Sloane dann auch noch durchgedreht sind, kann Oliver Scheytt endlich seine Arbeit machen.

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Stephan Tasch

Stephan Tasch, 1964 in Marl geboren, wohnt in Gelsenkirchen. Tasch studierte an der Folwang-Hochschule Kommunikationsdesign, arbeitet als Designer und stellte in verschiedenen Städten im Ruhrgebiet seine Bilder, Grafiken und Zeichnungen aus.

Kontakt: Tasch-Design

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Alternative Gitarrentage im FZW: The Styles – Hushpuppies – Blood Red Shoes

Die kommenden Abende beschert uns das FZW in Dortmund-West mal wieder hörenswerten alternativen Gitarrenrock querbeet aus Europa.

The Styles       Hushpuppies    Blood Red Shoes

Fotos: The Styles, Hushpuppies (F. Villemin/tasteofindie.com), Blood Red Shoes

Heute am Samstag, 26. April, geht’s italienisch los mit dem Trio The Styles: die sind schon mehr Pop als Rock, haben aber einige deutliche Punk-Einflüsse aufzuweisen. Das Vorprogramm bestreiten übrigens die Indie-Rocker Liquid Jam aus Bochum.
Gilt auch als warmer Tipp für alle NochNokianer, die sich gerade überlegen, heute abend der Gratis-Einladung von Olaf Lasso Henning in die Westfalenhalle zu folgen, selbst wenn sich die Zielgruppen eher diametral gegenüberstehen: vielleicht kann man euch ja mit Italo-Pop in den Dortmunder Westen locken?
Gespielt wird im kleinen Club (Keller). Einlass 20:00 Uhr. Tickets an der Abendkasse gibt’s für schlappe 8 EUR.
– In der Halle oben findet parallel ein Death- und Metalcore-Festival statt, präsentiert von ‚Horror Business Records‘, auf das ich hier nicht näher eingehen möchte -.

Morgen, Sonntag, 27. April, geht es gleich weiter in der Halle mit den HushPuppies aus Perpignan, die nach modseligen Garagen-Rock klingen, mit Einflüssen von den Kinks, The Who, Small Faces oder ähnlichen Bands. Doppelter Indie-Pop/Rock-Support wird geleistet von John Loves Mary aus Lennestadt und Auletta aus Mainz, wobei letztere eine tanzbarere Variante sind und ausnahmsweise mal deutsch texten.
Einlass 20:00 Uhr, VVK 10 EUR, Abendkasse 13 EUR.

Montag legt das FZW ne kurze Ruhepause ein, um dann Dienstag, 29. April mit den britischen Blood Red Shoes ein wirkliches Glanzlicht zu bieten: das gemischte Duo aus Brighton (Steven Ansell – Drums, Laura-Mary Carter – Saiteninstrumente) drescht vorzugsweise von Punk und Grunge inspirierte Gitarren. Erinnern mich an die Yeah Yeah Yeahs. Support wird es auch geben, ist aber noch unbekannt.
Einlass 20:00 Uhr, VVK 11 EUR, Abendkasse 14 EUR.

 

Kartell der Abkassierer

Der Mobilfunkmanager Stan Miller meidet die Öffentlichkeit. Interview-Anfragen lehnt er in der Regel ab und bei Veranstaltung drückt er sich eher mit grimmigem Blick am Rande rum. Dabei hat der Niederländer viel zu erzählen. Denn Miller ist Chef der KPN-Handysparte und damit auch Chef von E-Plus, dem drittgrößten Mobilfunkanbieter Deutschlands. Und damit hat er einen tiefen Einblick in die Branche, die im vergangenen Jahr in Deutschland 64 Milliarden Euro umsetzte.

Foto: Flickr/Labspics

In diesem Riesenmarkt geht es offenbar nicht immer mit rechten Dingen zu, argwöhnt Miller. Er hat daher das Kartellamt einschaltet, das nun untersucht, ob die Schwergewichte Telekom und Vodafone ihre Marktmacht auf Kosten von E-Plus und O2 ausnutzen.

Miller geht aber noch weiter: Der KPN-Manager sagte mir, es habe eine Absprache innerhalb der Branche gegeben, um die sogenannten Terminierungsentgelte hoch zu halten. Hinter dem sperrigen Wort verbirgt sich eine der wichtigsten Einnahmequellen der Handy-Konzerne. Diese Entgelte fallen für Anrufe in die jeweiligen Netze an und stellen den Hauptteil der Minutenpreise dar.

Sollte Miller also Recht haben und die Branche über Jahre hinweg Preisabsprachen getroffen haben, dann hätte dies die Kunden Milliarden gekostet.

Schaut man sich die Entwicklung der Handy-Tarife an, so kann man der Sicht von Miller was abgewinnen. Erst seit knapp zweieinhalb Jahren – dem Startschuss der E-Plus-Billigtochter Simyo – geben die Mobilfunkpreise spürbar nach. Die Angaben von Miller erhalten zudem dadurch Gewicht, dass er sich selbst belastet. Sein Unternehmen hat er nicht ausgeklammert. Es spricht also ein Insider – dazu noch einer, der sonst lieber im Verborgenen wirkt.