Stahl wird weich

Die IG Metall wird bescheiden. Mit einer Forderung von gerade mal 4,5 Prozent mehr Lohn zieht die Industriegewerkschaft in die Tarifrunde 2009, die natürlich im Zeichen der Wirtschaftslage steht. In den vergangenen zehn Jahren ging die größte Gewerkschaft der Welt nur einmal noch zurückhaltender in den Traifkampf: 2004 forderten die IG-Metaller nur vier Prozent – und bekamen immerhin 2,8.

Foto: Bruckhausen; ruhrbarone

Damals war allerdings keine Weltwirtschaftskrise und global weggebrochene Stahlkonjunktur das Problem: Die IG Metall leckte 2004 noch ihre Wunden nach dem desaströsen Scheitern ihrer Kampagne für die 35-Stundenwoche in den neuen Bundesländern. Nachzulesen ist das und die gesamte jüngere Geschichte der bundesdeutschen  Tarifauseinandersetzungen übrigens bei der Hans-Böckler-Stiftung. Eine Übersicht, die wenig zu wünschen übrig lässt: klick

 

 

Aus dem All besehen

Es bleibt zwar weiterhin eine unlösbare Aufgabe, jemandem von außerhalb zu erklären, wo und was das Ruhrgebiet ist. (Do you know Cologne?) Aber dafür geistert seit einigen Jahren dieser Beweis für die eigentlich unübersehbare kontinentale Großbedeutung des Ruhrgebiets durch Pressearbeit: Denn vom All aus gesehen ließen sich des Nachts überhaupt nur drei helle europäische Lichtpunkte erkennen: die Großräume von Paris und London, sowie das Ruhrgebiet. Und weil es ein ziemlich gutes Gefühl ist, zwar komplett unbekannt aber insgeheim doch wichtig zu sein wie Paris, London, bietet der Regionalverband Ruhrgebiet eine dieser Nachtaufnahmen Europas auch zum Download an. Etwas verräterisch firmiert die Aufnahme (oben links) dort als "Illustration" der "Ruhr.2010". Und Illustration trifft es gut. Man könnte auch böse sagen: Schönfärberei, Verdummung, Verfälschung.

Ausgerechnet eine Werbepostille, die "reiseWELT 01.2009" von Welt (Springer), CP-Compartner (Essen) und Bertelsmann (Gütersloh) belegt jetzt, wie sich Ruhr-Lobbyisten ihr Gebiet seit Jahren künstlich aufgeblasen haben. Eine Aufnahme der NASA (Abbildung rechts) zeigt auf Seite 7 nämlich nicht, wie es in der naiven Bildbeschriftung heißt, "die energetischen Brennpunkte Europas: London, Paris und die Metropole Ruhr", sondern ein mitteleuropäisches Lichtermeer.: Belgische Autobahnen und Brüssel, das gleißende Nordholland, leuchtendes Nordengland, Glasgow-Edinburgh, Stockholm. Berlin wurde hier wieder mal geteilt, nur ein Stück ist zu sehen, ganz zu schweigen von Moskau, Warschau, Rom…

Noch ein Wort zur "reiseWELT". Das Joint-Venture von Springer, Bertelsmann und der Essener Platzhirsch-Agentur mit besten Verbindungen zu Regionalverband Ruhrund vor allem zur Ruhr Tourismus GmbH ist ingesamt ziemlich  durchsichtig ausgefallen: Einer doppelseitigen Anzeige des NRW-Wirtschaftsministeriums folgt ein doppelseitiges Gespräch mit der Ministerin Christan Thoben. Anzeigen der Ruhr Tourismus GmbH und der Ruhr 2010 auf ein Vorwort von Fritz Pleitgen (2010) und Axel Biermann (RTG).  Die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Anzeigenschalter überwiegen deutlich – was an der Finanzkrise leigen mag oder doch an der etatistischen Tradition des Ruhrgebietes. Schwer staatstragend darf natürlich auch MP Rüttgers sein Grußwort abgeben und sich über das "spektakuläre Satellitenbild" freuen: "Im Herzen des Kontinents strahlen Millionen Lichter der Metropole Ruhr (…) Mehr als ein Foto (…) ein Symbol für die Veränderungen in der Region". Würd ma sagen: geht so.

 

 

Köln: Die Frage nach der Verantwortung

Der Kollege Dirk Graalmann nimmt heute in der Süddeutschen den Kölner Junior-Verleger Konstantin Neven DuMont als Kronzeugen für die Frage nach der politischen Verantwortung für die Kölner Katastrophe, deren Ausmass immer noch nicht zu überblicken ist. Mit der Suche nach den zwei Vermissten konnte bis heute morgen immer noch nicht begonnen werden. Mehrere weitere Häuser sind einsturzgefährdet. Die am Platz befindlichen Journalisten durften gestern in ein 27 Meter tiefes Loch gucken.

Die Verantwortung: ja, es ist wahr. Es war der gleiche Oberbürgermeister Schramma (CDU), der in diesen Tagen von einem Bedenklichkeitsanfall den U-Bahnbau betreffend übermannt wurde, der den U-Bahnbau einst stolz eröffnet hat, zusammen mit seinem heutigen rot-grünen Gegenkandidaten und damaligen Regierungspräsidenten Jürgen Roters (SPD). Und es hätten ihrer beiden Behörden sein müssen, die die geologischen Besonderheiten des Kölner Untergrunds wahrscheinlich besser etwas gründlicher geprüft hätten, als sie es getan haben. Der Kollege Dieter Bartetzko hat dazu in der FAZ einiges zusammengefasst, was kein Geheimwissen war, und nach dessen Lektüre man sich eher fragt, wie jemand auf die Idee kommen kann, da eine U-Bahn bauen zu wollen.

Doch kommen wir noch mal zur sehr grundsätzlich aufgeworfenen Verantwortungsfrage des Kölner Zeitungsverlegers zurück. Im Windschatten dieses Kölner Dramas dräut am Horizont ein anderes: die KölnBonner Sparkasse veranstaltet nächste Woche ihre Bilanzpressekonferenz. Einige hoffen, dass sie nun weniger Beachtung findet. Es ist die öffentliche Sparkasse, die bei spektakulären Kölner Immobilienprojekten Risiken übernommen hat, bei denen sich der private OppenheimEsch-Fond mit voluminösen Mietgarantien ausstatten liess. Und wer hat ein beachtliches Scherflein seines bescheidenen Vermögens in diesem Fond angelegt? U.a. eine Kölner Verlegerfamilie. So viel Verantwortungsbewußtsein!

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Rettet den Blätterwald (4) – Heute: Jungle World

"Rettet den Blätterwald" ist eine lose, aber inhaltlich recht stringente Serie, in der der Autor die Sinnhaftigkeit von Printmedien hinterfragt. So geschehen bisher mit Rolling Stone, SFT und StadtRevue. Dabei hieß es zu Beginn, der Autor würde im Anschluss an den Artikel die Publikation nie mehr kaufen, bis ihn einige Kommentatoren darauf aufmerksam machten, dass ohne eine gewisse Grundsympathie diese Artikel doch gar nicht zustande kommen würden. Hm. Jedenfalls ist nach der fünften Woche Jungle World Kauf am Donnerstag in Folge jetzt mal ebendiese an der Reihe.

Ein Wochenblatt, das inhaltliche Beschäftigung verlangt. Ein Artikel über dieses in einem Medium, das durchaus politisch verschieden ausgerichtete Leserinnen und Leser hat. Und damit ist man schon bei der Entstehungsgeschichte dieses Blattes, das in Abgrenzung zur Junge Welt entstand und heutzutage mehr denn je Position gegen allzu simple eurozentrische oder national orientierte anti-kapitalistische Positionen in Deutschland bezieht. Manche empfinden das als so auf eine deutsche Sonderstellung hin gedacht, dass es als "anti-deutsch" einsortiert wird. Und dieser Begriff flog bei den Ruhrbaronen allzu oft durch die Zeilen in letzter Zeit. Also in’s Blatt.

Editorial, große Karikatur, Inhalt und Briefe links, "Thema" direkt rechts auf Seite 3: Globalisierung und Protektionismus. In "Schuld sind immer die anderen" wird Deutschlands Politik als ein Teil Europas kritisiert, und zwar in Bezug auf z.B. die Senkung von Lohnnebenkosten als Sicherung eines Kostenvorteils für einheimische Unternehmen. Kein Land in Europa mute seinen Bürgern soviel zu wie dieses hier, um in punkto Export und innerhalb Europas vorne zu liegen. Dabei würde bereitwillig in Kauf genommen, gesamt-europäische Konjunkturprogramme zu gefährden, und auch Rettungspakete für Osteuropa.

Rainer Trampert analysiert denn auf den Folgeseiten auch gleich die Renationalisierung der Kapitalströme als globalen Trend und greift gegen Ende recht unbefangen Sahra Wagenknecht ("Es gibt genug Anreiz, wenn einer fünfmal soviel hat wie der andere.") von links an: "Lasst Opel pleite gehen und schüttet die Milliarden an die Kollegen aus. (…) Entweder kämpft man für die Beseitigung des Kapitalismus, um ihn durch ein solidarisches und demokratisches Plansystem zu ersetzen, oder man bleibt Spielball seiner Krisen…" Direkt darunter verkündet Attac denn auch gleich noch einmal, dass man sich nicht über Krisen freut, weil die Teil des sich selbst regulierenden Systems sind. Stimmig alles, aber etwas wenig konkret und recherchiert dies alles. Positionen, na okay.

Erstaunlich passend danach aber auch wieder Artikel über die Genügsamkeit der Deutschen, die einfach immer noch nicht ohne Befehl der Chefetage für ihre Rechte auf die Straße gehen wollen und ein Problem der Linken, dass die Bourgeoisie weniger etatistisch und liberaler als viele der Linken ist. Nach soviel schon fast kampf-protestantischer Selbsthinterfragung ein Auflockerer mit der Vorstellung von Partei-Jungstars im Superwahljahr. Na gut. Der Steinbach-Artikel zitiert zumindest Gesine Schwan ("Ich glaube nicht, dass Frau Steinbach ins Amt kommt.") den neuesten Entwicklungen hinterher – aber wieso sollte man das einem Wochenblatt übler nehmen als einer Tageszeitung? Stimmt, die liest man ja direkt nach dem Aufstehen und hat seit 17 Uhr am Vortag keine Medien mehr benutzt, haha.

Es folgen kleinere Artikel mit beispielhaftem lokalen Inhalt zu Antisemiten, Bürokraten und Arbeitsrecht, dann eine Reportage über Hindu-Nationalisten, die in Indien den Valentinstag und die Emanzipation bekämpfen. Womit man so langsam im Ausland ist, bei den Erwartungen an Obama, Neuem aus Guantánamo, der französischen Linken, spanischer (Nicht-)Migrationspolitik und dem Arbeitsmarkt in Mexico. Rechtzeitig danach wieder bunte Kurznachrichten, bevor die Allianz Junge Freiheit + Vatikan auf historische Kontinuitäten überprüft wird. Und damit ist man bei der Antifa (Dresden, Leipzig, Potsdam – mal nicht Duisburg) und dementsprechenden "Veranstaltungstipps". Auf der Rückseite denn mal wieder eine Abo-Bitte, dafür gibt es aber ja auch noch die Beilage "dschungel". Bisheriger Eindruck: Manches ließe sich auch kürzer sagen, Trampert nervt, Flow und Zusammenhänge passen diesmal sehr gut.

Also der Kulturteil: Warum das Deutsche Historische Museum die Sprache Deutsch nicht einfach nur vom Deutschen aus gedacht präsentieren sollte. Eine Geschichte über Enthüllungsjournalisten, die die Arbeit einer französische Enthüllungsjournalistenzeitung, sagen wir, an die Öffentlichkeit bringen. Eine alternative Biografie über Hildegard Knef, dann eine über die französische Regisseurin Claire Denis. Hier ist man kulturell der taz einfach so weit voraus, dass der Gedanke fast hinfällig ist. Und Werbung von Suhrkamp! Auf zwei der acht farbigen Seiten insgesamt, vorher gab es nur Kleinanzeigen (Preis der Zeitung: Euro 3,20). Dann wieder diverses: Kino, Musik, TV und Buch – immer etwas beliebig bis wie gewollt nebensächlich, dann ein Bericht über eine Dissertation zum Sportbegriff in der Nazizeit und einer über den Unterschied zwischen Extremismus-Begriffen, der Antifaschisten gegen die Denkweise von Extremismusforschung zu impfen sucht. Dies recht lang – wo sonst auch einmal eine Art "persönliche Erzählung" steht – dann vier Comicstrips und Schluss. Im Grunde das beste Wochenblatt des Landes, als Ersatz für die fehlende Sonntagszeitung. Schlimm genug. Ein Skandal, das Printwesen hierzulande!

Weltgeist in Wattenscheid: Ein Gespräch über Gerechtigkeit und Fanatismus

Foto: Inkyhack

Seit Jahrzehnten tritt Shirin Ebadi aus dem Iran als Rechtsanwältin für die Einhaltung der Menschenrechte ein. Nun war sie im Ruhrgebiet. Im Rahmen des Projekts "Herausforderung Zukunft" besuchte Shirin Ebadi am Freitag die Pestalozzi-Realschule in Bochum-Wattenscheid. Hier unterhielt sich die Friedensnobelpreisträgerin des Jahres 2003 mit Schülern der Klassen 9 und 10 über Freiheit, Unterdrückung und ihre schwierige Arbeit in Iran.

Während ihres Besuchs in Bochum-Wattenscheid wird Shirin Ebadi von mehreren schrankbreiten Sicherheitsleuten bewacht. Kurz bevor sie in die von einer Polizeieskorte begleitete Limousine einsteigt, lächelt sie und sagt: „Am wichtigsten ist nicht, welche Religion, Sprache oder Kultur man hat, sondern dass man an die Menschenrechte glaubt.“

Frau Ebadi, was ist Ihr Antrieb, sich unter Einsatz des eigenen Lebens für die Menschenrechte in Iran einzusetzen?

Jeder Mensch kommt mit besonderen Eigenschaften auf die Welt. Als ich klein war, mochte ich etwas, von dem ich nicht wusste wie es heißt: Gerechtigkeit. Ich beobachtete, dass sich Kinder stritten und ergriff Partei für die Schwächeren. In diesem Zusammenhang kam es vor, dass ich auch selber Prügel bezog. Dieser Umstand führte dazu, dass ich Rechtswissenschaften studierte und Richterin wurde. Als mir dann 1979 unmittelbar nach der islamischen Revolution gesagt wurde, dass ich nicht mehr das Richteramt bekleiden darf, dachte ich, dass ich mich als Rechtsanwalt für diejenigen Menschen einsetzen möchte, deren Menschenrechte verletzt werden. Dazu folgende Geschichte: Wenn Sie sich auf dem Feld der Menschenrechte engagieren möchten, müssen sie aber nicht unbedingt Jurist werden. Jeder Mensch und jeder Schüler hat besondere Neigungen und Fähigkeiten. Der eine mag Mathematik, der andere Literatur. Jeder sollte seine eigene berufliche Ausbildung so gestalten, wie es ihm zusagt. Das heißt aber nicht, dass man sich um die Situation anderer nicht mehr kümmert. Beispielsweise kann ein Fotograph mit einem gelungenen Foto, das Wesen des Hungers viel besser verdeutlichen als es ein Jurist oder ein Arzt vermag. Mit literarischen Mitteln, mit einer Geschichte kann man die Unterdrückung viel besser darstellen und auch bekämpfen als ein Jurist. Ich will sagen, der Einsatz für die Menschenrechte ist nicht beschränkt auf Juristen. Das kann jeder tun.

Wie war Ihre erste Reaktion als das Menschenrechtsbüro in Iran geschlossen wurde?

Wenn alle Voraussetzungen wegfallen, die einem helfen, wird es schwer. Der Einsatz für die Menschenrechte ist aber per se immer mit schwierigen Bedingungen verknüpft. Die iranische Regierung hat dieses Büro geschlossen. Aber das ist nicht wichtig. Zwar ist unsere Arbeit dadurch schwieriger geworden. Lassen sie mich aber sagen, dass die Kunst darin besteht, dass man die Schwierigkeiten bewältigt und sich seiner Arbeit widmet. Darauf kommt es an. Ein Beispiel: Wenn einem Schüler hier an der Schule erschwert wird, seine Ausbildung fortzusetzen, kommt es darauf an, sich dafür einzusetzen, dass dieser Schüler seine Ausbildung fortsetzen kann.

Wie hat es sich 1969 angefühlt, in Iran als erste Richterin tätig zu sein?

Ich war sehr stolz. Es war eine sehr große Ehre, einen Wunsch umgesetzt zu haben. Lassen Sie mich aber gestehen, dass ich eine schlechte Eigenschaft habe. Jedes Mal, wenn ein Wunsch von mir in Erfüllung geht, möchte ich sofort, dass ein weiterer, größerer Wunsch in Erfüllung geht. (Shirin Ebadi überlegt) Ich frage mich manchmal, wo das alles enden soll.

Was verstehen Sie unter Gerechtigkeit und wann ist dieses Ziel in einem Staat erreicht?

Ich darf Ihnen empfehlen, sich jeden Tag diese Frage zu stellen. Das Stellen dieser Frage gibt ihrem Leben eine neue Richtung. Wir leben in einer Welt voller Ungerechtigkeit. Schauen Sie, nach Angaben der Vereinten Nationen kann man mit der Menge an Lebensmitteln, die in Europas Restaurants weggeworfen wird, den gesamten Hunger auf dem afrikanischen Kontinent stillen. Sie und ich, wir leben in Gesellschaften, wo es normal ist, dass zu Hause zu jeder Zeit kaltes und warmes Wasser aus dem Wasserhahn läuft. Sie wissen sicherlich, dass viele Menschen auf der Welt keinen Zugang zu Trinkwasser haben. Die Armut auf der Welt breitet sich täglich weiter aus. Wir alle leben auf einer Erdkugel, aber es ist so, dass eine Minderheit durch Ihren großen Konsum erheblich zur Weltverschmutzung beiträt. All das sind Fragen, die man sich im Rahmen der Frage nach Gerechtigkeit stellen muss. Es ist, so denke ich, die Pflicht eines jeden Menschen gegen diese Ungerechtigkeit anzukämpfen.

In Iran sind Frauen und Mädchen stark benachteiligt, wie gehen Sie und andere Frauen in Iran mit dieser Benachteiligung um?

Über 65 Prozent der Studenten in Iran sind weiblich. In einigen Fachrichtungen wie Literatur und Jura ist der Prozentsatz noch höher. Das heißt: Was Ausbildung und Studium betrifft, gibt es keine Probleme für Mädchen und Frauen in Iran. Auch was die berufliche Tätigkeit betrifft gibt es keine Probleme. Schauen Sie: Nach dem Abschluss des Jura-Studiums war ich Dozentin an der Universität, Rechtsanwältin und Richterin. Auf allen diesen Feldern hatte ich keine Probleme als Frau. Die Probleme beginnen dann, wenn man sich für Menschenrechte und Gerechtigkeit einsetzt. Aber die Probleme haben auch meine männlichen Kollegen, die sich für Gerechtigkeit einsetzen. Ich werde ein Beispiel geben, um zu verdeutlichen, worum es sich handelt: Jede Frau in Iran, ob Muslima oder nicht Muslima, ob Iranerin oder nicht Iranerin, jede Frau muss die islamische Kleiderordnung einhalten. Tut sie das nicht, gibt es eine entsprechende Strafe. Beispielsweise kann ich so, wie ich hier vor Ihnen stehe, in Iran nicht auf die Straße treten. Ich müsste etwas auf dem Kopf tragen und meine Haut bedecken. Diese gesetzlichen Vorschriften schränken unsere Freiheit ein. Dagegen protestieren in Iran aber nicht nur Frauen, sondern auch Männer. Wenn ich zum Gericht gehe, muss ich natürlich die Kleiderordnung einhalten. Vor Gericht aber rede ich genauso wie meine männlichen Kollegen. Diese Vorschriften wurden den Frauen nach der islamischen Revolution aufgezwungen. Die Frauen sind eindeutig dagegen. In Iran gibt es eine sehr starke Bewegung gegen diese diskriminierenden gesetzlichen Vorschriften.

Was meinen Sie, wie sollte der Westen dem Iran begegnen?

Das Wichtigste ist, dass wir den Iran gut kennen lernen. In Iran lebt nicht nur Herr Ahmadinedschad, es leben dort auch andere Menschen. Deswegen sollte man, wenn man etwas aus dem Iran hört, was verwundert – beispielsweise das, was er über den Holocaust gesagt hat – beachten, dass es auch andere Stimmen gibt. Wenn man die iranische Geschichte eingehend studiert, wird man feststellen, dass der Iran immer ein sicherer Ort für die Juden gewesen ist, die dort ohne Probleme ihre heiligen Stätten gehabt haben. Man muss wissen, dass eine Vielzahl von Juden dort leben und es hat niemals Probleme zwischen Iranern und den dort lebenden Juden gegeben. Das ist heute nicht anders. Wenn Sie beispielsweise Sachen hören, dass in Iran Gliedmaßen abgehackt werden, müssen Sie wissen, dass das gesamte iranische Volk gegen diese Strafen ist und sich dagegen einsetzt. Meine Bitte an Sie ist, wenn Sie sich ein Bild von Iran machen wollen, nehmen Sie nicht das als Grundlage, was der Präsident des Iran sagt, sondern studieren Sie die iranische Literatur und Geschichte. Das sollte Ihr Maßstab für die Beurteilung sein.

Was glauben Sie, ist der Hauptgrund der Schwierigkeiten zwischen Iran und Israel?

Das Hauptproblem ist auf den Streit zwischen Israel und den Palästinenser zurückzuführen. Es gab vor Jahren in Oslo Friedensgespräche zwischen beiden Parteien. Wenn man diese Gespräche auf eine Formel bringen wollte, könnte man sagen: Land gegen Friede. Beide Seiten hatten akzeptiert, dass es zwei Staaten geben muss, die in Frieden nebeneinander leben sollen. Es wurde vereinbart, dass bis zum Erreichen dieses Ziels beide Seiten Frieden einhalten. Leider wurde dieser Prozess des Friedens unterbrochen und die Auseinandersetzungen wieder aufgenommen. Der Grund waren – auf beiden Seiten – extremistische Kräfte. Diese Stimmen wollten alles auf einmal. Die einzige Lösung für diese Problematik ist, dass der Vertrag von Oslo umgesetzt wird. Ich hoffe, dass die Extremisten auf beiden Seiten begreifen, dass es nun reicht mit Krieg und Blutvergießen. Die Problematik zwischen beiden Ländern wird auch von einigen Staaten missbraucht. Iran ist ein Land, dass keine gemeinsame Grenze zu Israel hat. Die jüdische Religion ist in Iran als offizielle Religion anerkannt. Ich hoffe, das beide Seiten zu einer friedlichen Lösung kommen. Dann hat man Extremisten auf beiden Seiten jeden Vorwand genommen. Warum ist der Iran nicht bereit, Religion und Staat voneinander zu trennen? Die Gesellschaft in Iran ist dazu ganz und gar bereit. Wer nicht bereit ist, ist die Regierung. (Shirin Ebadi lacht) Wir sind Muslime, genau so wie die meisten Schüler hier wohl Christen sind. Die Religion ist eine persönliche Angelegenheit, die Gesellschaft sollte durch demokratische Regeln geregelt werden. Das heißt, die Regierung muss fern jeder Religion und Ideologie sein.

Sie sind selbst praktizierende Musima. Welche Bedeutung hat der Islam für Sie persönlich?

Der Islam ist für mich etwas, woran ich glaube. Ich praktiziere den Islam. Aber zugleich bin ich der Überzeugung, dass es jedem Menschen möglich sein muss, selbst zu entscheiden, welcher Religion er angehören will. Im Moment ist der am meisten diskutierte Gegenstand in Iran das Verfahren gegen die Bahai-Religionsgemeinschaft, die nicht als solche anerkannt ist. Sieben ihrer höchsten Vertreter sind in Haft und ich bin ihre Verteidigerin. Wenn sie ein Mädchen oder eine Frau sehen, sollte man dieses Mädchen nicht ausstoßen. Alle Menschen sind gleich und haben dieselben Rechte – ungeachtet der Religion. Die Frage nach der Religion des anderen sollte irrelevant sein. Religion ist eine Herzensangelegenheit, man sollte die Frage nach der Religion des anderen erst gar nicht stellen.

Auf der Internetseite www.muslima.com waren Sie sowohl mit als auch ohne Kopftuch zu sehen. Es wurde gesagt, Sie seien deshalb eine verkommene Person. Was sagen Sie dazu?

Ich glaube, eine der schlechtesten Eigenschaften, die ein Mensch haben kann, ist, dass er fanatisch ist. Fanatismus bedeutet, dass man den Kopf zumauert und keinen neuen Gedanken reinlässt. Ich möchte sagen, dass das Phänomen des Fanatismus nicht ein spezifisch islamisches Phänomen ist. Das gibt es auch im Christentum. Sie erinnern sich vielleicht, dass Bush vor einigen Jahren gesagt hat, er habe von Gott den Auftrag erhalten, die Demokratie in den Nahen Osten zu bringen. Der Fanatismus war auch die Ursache für den Holocaust. Der Fanatismus hat bewirkt, dass das Leid über die Juden gebracht wurde. Fanatismus gibt es aber auch bei Juden. Wir haben gerade über die Verhandlungen von Oslo gesprochen. Der israelische Ministerpräsident, der diese Verträge unterschrieben hat, wurde leider von einem Fundamentalisten umgebracht. Man kann auch in Indien beobachten, wie fundamentalistische Hindus andere Religionen unterdrücken. Für den Fundamentalismus gibt es verschiedene Definitionen. Aber auf einen Nenner gebracht sagt der Fundamentalist: Jeder Mensch, der anders denkt als ich, ist irregeleitet. Es gibt viele muslimische Frauen auf der Welt, die die islamische Kleiderordnung einhalten – aber eben auch viele, die sie nicht einhalten. Das heißt: Diejenige Person, die mich als verkommen bezeichnet, muss eine fundamentalistische Person sein.

Gibt es so etwas wie einen Alltag für Sie? Wenn ja, wie sieht dieser aus?

Bei mir ist es so, dass ich in einem Jahr vorausplane. Die meiste Zeit aber bin ich in Iran. Ein normaler Tag dort sieht für mich folgendermaßen aus: Um 6:30 Uhr beginnt mein Tag – viermal die Woche – mit einer Sitzung mit anderen Rechtsanwälten. Sie stellen sich vermutlich die Frage, warum wir uns so früh treffen. Der Grund dafür liegt darin, dass die Gerichtsverhandlungen um neun Uhr beginnen. Deshalb müssen wir die Vorarbeit auf eine so frühe Uhrzeit legen. Um neun Uhr gehe ich dann zur Gerichtsverhandlung. Steht keine Gerichtsverhandlung an, widme ich mich meinen anderen Aufgaben. In der Regel ist es so, dass ich mich dann nach einem kleinen Mittagessen bis zu eine Stunde ausruhe. Dann gehe ich in meine Kanzlei. Dort arbeite ich bis ca. 20:30 Uhr. In dieser Zeit bis halb neun kommen meine Mandanten, oder auch Journalisten zu Besuch. Wenn ich dann zuhause bin, kappe ich alle Leitungen zur Außenwelt und koche. Dann werde ich zur Mutter und Hausfrau. Ich habe zwei Töchter, die erwachsen sind und nicht mehr zu Hause leben. Die eine promoviert in den Vereinigten Staaten, die andere ist Juristin und macht ein Praktikum am Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Das heißt, wenn ich koche, koche ich für meinen Mann und mich. Dann, um 23 Uhr etwa, fange ich mit dem Schreiben an. Ich habe bisher 14 Bücher geschrieben. Sie denken jetzt vielleicht, ich schreibe alle meine Bücher nach 23 Uhr. Das stimmt nur zu einem Teil. Der andere Teil wurde auf Flughäfen geschrieben. Wenn sie also irgendwo eine Verrückte sehen, die am Flughaffen schreibt – das bin ich!

Haben Ihre Töchter Nachteile durch Ihr Engagement in Iran?

Als ich Kinder bekam, habe ich meine Kanzlei in die Wohnung verlegt. Dadurch konnte ich zwischendurch zu meinen Kindern gehen, wenn sich kurz die Gelegenheit ergab. Glücklicherweise war ich so in der Lage, meiner Rolle als Mutter gerecht zu werden. Ich hatte das Glück, dass auch meine Eltern in diesem Haus lebten. Mittags war es so, dass nie abzusehen war, wann ich Pause hatte, so dass meine Kinder nach der Schule zu den Großeltern kamen und gegessen haben. Die Gefahren, denen ich ausgesetzt war, haben meine Familie nicht berührt – bis zum letzten Jahr. Da bekam meine jüngere Tochter nach und nach die Macht des Regimes zu spüren. An dem Tag als in den Zeitungen iranischer Regierungskreise meine Tochter als schlechte Musima beschimpft wurde, habe ich zur ihr gesagt: Willkommen in der Welt der Menschenrechte.

Frau Ebadi, was glauben Sie, wie sieht die Zukunft des Iran aus?

In Iran gib es viel Potential für Veränderung. Die iranische Bevölkerung ist sehr jung. Etwa 70 Prozent ist jünger als 30 Jahre alt. Das ist ein gutes Potential für Veränderung. Ich bin mir sicher, dass es Veränderung in Iran geben wird. Diese Veränderung wird eine Veränderung der Jugend sein. Es wird eine Gesellschaft sein, in der jeder frei ist, in der die Religionszugehörigkeit keine Rolle spielt. In der sich jeder anziehen darf wie er möchte. In der es keine Diskriminierung gibt. Es wird eine Gesellschaft sein, die demokratisch regiert ist. Eine Gesellschaft, in der der Abstand zwischen Arm und Reich klein ist. Gegenwärtig ist der Abstand sehr groß. 5 Prozent in Iran sind überaus reich, die anderen 95 Prozent werden Tag um Tag ärmer. Die Kluft darf nicht groß sein, alle Menschen sollen in relativem Wohlstand leben.

Zurüttgers in die Zukunft

"Wir sehen uns in der Zukunft", grüßt Zukunftsforscher Lars Thomsen auf seiner Webseite. Streng genommen könnte es am Freitag auf dem Petersberg bei Bonn so weit sein. Noch strenger genommen, sehen "wir" uns dort nicht direkt, sondern Thomsen – laut seiner Webseite "Europas Vor und Querdenker Nr. 1"  – tritt als einer der Diskutanten auf dem Zukunftskongress der NRW-Landesregierung auf, der so genannten "Petersberger Convention".

foto:ruhrbarone.de

Zukunftskongresse sind großartig. Dieser – immerhin geht es um die Zukunft des ganzen Bundeslandes – beschäftigt sich mit dem Jahr 2025 auf vier Foren namens "Innovation", "Beschäftigung", "Lebensqualität" und "Wissen". Thomsen, der im Forum "Beschäftigung" auftreten wird, betreibt die Zukunft als kleines Familienunternehmen. Sein Bruder Frank Thomsen ist zwar nicht "Top-Zukunftsforscher" und auch nicht auf dem Petersberg, aber immerhin ist es Franks "Stärke, die Analyse von menschheitsprägenden Entwicklungen und Themen der Vergangenheit und der Gegenwart, um Zusammenhänge zwischen einzelnen Entwicklungen und Themengebieten zu erkennen und daraus Prognosen für die Zukunft abzuleiten".

Wirklich schade, dass nur Lars am Freitag kommt. Denn worum soll es im Siebengebirge gehen, wenn nicht darum "menschheitsprägende Entwicklungen und Themen zu erkennen und daraus Prognosen abzuleiten?"

Aber immerhin kommen Deutschlands andere Chef-Erkenner wie Fritz Pleitgen, Peter Maffay, Jürgen Großmann (RWE) und René Obermann (Telefon). Und da man die Zukunft keinesfalls verplappern darf, ist das Programm eng gesteckt. Ein Vormittag muss genügen für die Zukunft. Und bereits um halb zwei will Gastgeber Jürgen Rüttgers der Presse vorstellen, wie sich NRW 2025 darstellen wird.

Ministerpräsident Rüttgers hat auch das Grußwort zum Zukunftskongress verfasst. Er zitiert einen "der großen amerikanischen Zukunftsforscher", der gefordert habe, nicht mehr aus der Vergangenheit zu lernen – "das könne jeder" – sondern aus der Zukunft. Sehr gelehrig hat Rüttgers deshalb schon einmal einen zeitlosen Begrüßungstext verfasst: "Wir stehen vor teilweise dramatischen Umwälzungen", schreibt Dr. Rüttgers, "die enorme Chancen, aber auch große Risiken bergen". Es gelte zu "reagieren" auf Globalisierung, "zweite industrielle Revolution" und umgestürzte "Bevölkerungspyramiden" und sich zu fragen, "wie wir unseren Wohlstand auch in Zukunft sichern können".

Die Weltwirtschaftskrise scheint in der Zukunft jedenfalls (noch?) nicht angekommen zu sein, was ja irgendwie ziemlich beruhigend ist. 

PS: Aus der Zukunft zu lernen, heißt siegen lernen, ist übrigens so etwas wie ein Motto fürs ganze Polit-Land NRW. Im vergangenen Jahr veranstalteten nicht nur nordrhein-westfälsche SPD, CDU und Grüne Partei ihre jeweiligen  "Zukunftskongresse", auch das Ruhrbistum und der Initiativkreis Ruhrgebiet luden zum futuristischen Gespräch.

Dr. House vs. Arthur Schopenhauer: Wer von beiden ist der größere Aphoristiker?

Foto Dr.House: grape vine Foto Schopenhauer: Sobibor

Auf den ersten Blick scheint es nicht viel zu geben, was der ausgesprochen unsympathische, aber nichtsdestoweniger ungemein populäre Protagonist der Fernsehsendung Dr. House und der Philosoph Arthur Schopenhauer gemeinsam haben. Und doch: Es ist der Pessimismus und die Abscheu vor Menschen, die diese beiden Figuren verbindet. Inwieweit Dr. House tatsächlich an Schopenhauers Weltsicht anknüpft, verdeutlicht diese vergleichende Übersicht.

Dr. House über einen Patienten, der vorgibt, Wunderheiler und ein Sprachrohr Gottes zu sein: „Ist das nicht interessant, religiöse Innbrunst und Wahnsinn sind sich so ähnlich, dass man sie kaum unterscheiden kann.“

Schopenhauer: „Im ganzen Verlaufe des beschriebenen Hergangs kannst du immer beobachten, daß Glauben und Wissen sich verhalten wie die zwei Schalen einer Waage: in dem Maaße, als die eine steigt, sinkt die andere.“

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Dr. House zu einem Patienten, der an Gott glaubt: „Der Glaube ist Schwachsinn.“ In einer anderen Folge heißt es zum selben Thema: „Glauben ist ein anderes Wort für Ignoranz, oder? Ich habe nie verstanden, wieso Leute stolz darauf sind an etwas zu glauben, wofür es keinen eindeutigen Beweis gibt.“

Schopenhauer: „Religionen sind Kinder der Unwissenheit, die ihre Mutter nicht lange überleben.“

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Ein Patient von Dr. House entschließt sich dazu, auf eine lebensnotwendige Behandlung zu verzichten und sagt: „Ich war lange genug Gefangener in diesem nutzlosen Körper. Es wäre schön endlich daraus auszuziehen.“ Daraufhin Dr. House, sichtlich entgeistert: „Auszuziehen? Und wohin? Glauben sie, ihnen wachsen Flügel, sie fliegen mit den anderen Engeln rum und trinken Mana? Wie blöd ist das denn, es gibt kein danach, nur das Jetzt.“

Schopenhauer: „Vor uns bleibt allerdings nur das Nichts.“

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Dr. House beim Anblick eines Patienten, der gerade verstorben ist: „Tut mir leid das zu sagen: Das ist das Ende.“

Schopenhauer: „Der Lebenslauf des Menschen besteht darin, dass er, von der Hoffnung genarrt, dem Tod in die Arme tanzt.“

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Dr. House’ Patient will Suizid begehen, da er die Schmerzen nicht mehr aushält. Dr. House: „Schmerzen sind besser als nichts.“ Daraufhin sagt Dr. Wilson: „Du kennst das Nichts nicht, du hast es selbst nie gesehen.“ Dr. House erwidert: „Ich muss nicht nach Detroit fahren, um zu wissen, dass es dort übel riecht.“

Schopenhauer: "Das Leben gleicht einem Kinderhemd: Es ist kurz und beschissen."

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Dr. Wilson über Dr. House: „Man sollte dir ein Monument setzen für deine Ich-Bezogenheit!“

Schopenhauer: „Ein Denkmal wird die Nachwelt mir errichten.“

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Dr. House zu seiner Patientin, die am CIPA-Syndrom leidet, im Gegensatz zu ihm also keine Schmerzen fühlen kann: „Du kannst keinen Schmerz spüren. Du kennst nur Freude und Genuss. Los, sag mir wie super das ist!“ Daraufhin sie: „Es ist ätzend.“ Dr. House: „Aber besser als immer Schmerzen!“  Etwas später sagt sein Mitarbeiter zu ihm: „Sie sind grantig!“ Daraufhin brüllt Dr. House: „Ich habe Schmerzen!“

Schopenhauer: „Neun zehntel unseres Glückes beruhen allein auf der Gesundheit. Mit ihr wird alles eine Quelle des Genusses, hingegen ohne sie kein äußeres, welcher Art es auch immer sei, genießbar.“

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Info: Dr. House läuft immer dienstags auf RTL um 21:15 Uhr. Nächste Woche Dienstag läuft die neue, fünfte Staffel an.

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Rettet den Blätterwald (3) – Heute: StadtRevue

In dieser Reihe wird beständig die Sinnhaftigkeit von Printpublikationen hinterfragt. Erste Opfer waren Rolling Stone und SFT. Und auch diesmal geht es wieder dahin, wo es weh tut. Nein, nicht nur nach Köln, sondern auch zu einem Stadtmagazin. Der Autor stand kurz vor einem Besuch in der Stadt und erinnerte sich an die Karnevalstradition, empfand also den Zeitpunkt für das Thema als gekommen. Es könnte jede andere Stadt sein, aber es trifft halt Köln – diese Art Magazin natürlich.

Dom, adrette junge Frau. "Ist Zukunft planbar?". Karneval. Fußball. Und noch zwei Herzensthemen auf dem Titel: Ein schließendes Bad und ein Museum im Umbau. Die erste Anzeige innen dann für die Philharmonie. War das nicht mal ein alternatives Stadtmagazin? Wieso dann all die offiziösen Themen? Und wie als Gegengewicht direkt ein Editorial, das "ganz Persönliches" von Redakteuren erzählt und dies mit dem Titelthema in Verbindung bringt. Fehlende Distanz? Berufsbedingte Überidentifikation? Marketingkniff? Man wird sehen. Rein ins Blatt.

Nach den Leserbriefen erst einmal weitere "Geburts- und Todesmeldungen". Club eröffnet, Zentrum schließt, Rheinuferstraßebäume in Gefahr, Schweinepest in Rösrath. Weitere Themen im Ticker: Nazis, Fußball, Drogen, Migranten, Arbeitsagentur, eine autofreie Siedlung, ein Anwohnerbeirat. Einzelne Stadtteile und Initiativen werden umarmt. Das ist natürlich für ein Monatsmagazin nett, wirkt aber irgendwie etwas pflichtbewusst und nur bedingt aktuell.

Es geht so weiter, sorry. Der Deutzer Hafen, Schüler beim Nachwuchsjournalistenwettbewerb. Nochmal Fußball und ein Gastkommentar des Geschäftsführers des Flüchtlingsrates, der seine Unschuld am Misslingen der Umsetzung eines Papiers zur Integration beteuern darf. Schwierig. Weiteres unter "Kommunal" – welch Rubrikenname! – ist dann Graffiti- und sonstige Jugendpolitik, bevor nach einer Seite Gastrotipps plötzlich die Redaktion in Karnevalskostümen dasteht. Daneben natürlich total alternative Tipps zur Sause. Und im Anschluss ein Bericht über ein Buch plus CD über Straßenmusiker von Mitte des 20. Jahrhunderts. Abtrünnige von Stockhausen haben das mal gemacht und resümieren im Schlussatz: "Dieses Kölsch ist mittlerweile historisch." Dann eine Fotostrecke über das sterbende Bad! Und die Titelstory zur Stadtplanung darüber wie die Nationalsozialisten die "drei Reiche" in der Stadt baulich repräsentiert wissen wollten, nach dem 2. Weltkrieg denn aber unkoordiniert Wiederaufbau betrieben worden sei und die neuesten Planungen irgendwie auch nur Schwammiges erwarten lassen. Durchaus lesenswert, aber inmitten von soviel Identifikationshuberei auch verstörend, denn nur sechs Seiten nach einem Foto von Hitler kommt dann eines von Clickclickdecker. Man ist nahtlos bei "Musik". Und findet auch gleich eine Beilage zur Reihe "Neue Musik Köln". Hängt ja auch alles bestimmt irgendwie zusammen.

Und im Kulturteil ist natürlich alles ordentlich, gute Themen und Kritiken, allerdings natürlich alles im Bewusstsein der Tatsache, dass es eher um stilsichere Alternativ-Unterhaltung geht. Anzeigen von Live-Clubs und sogar für CDs – die ersten nach einer Beilage für ausgerechnet einen Kurpark. Zielgruppe scheint tatsächlich 17 bis 70 zu sein. Man muss halt alles repräsentieren, Themen besetzen, etc. Kennt man ja. Wozu eigentlich nochmal? Hm.

Die Filmkritiken sortieren recht sezierend historisch ein, der Theaterteil bringt Porträts, Berichte und Kritik, "Kunst" ebenso, und bei "Literatur" geht es spätestens recht viel um Bücher, die wohl mit Bekannten oder Verlagspartnern zu tun haben – aber all das auf recht hohem Niveau. Da ist wirklich kaum zu meckern bevor der Kalender beginnt, die Kleinanzeigen kommen, dann Kolumne und Fotowitz (statt Comic) und schließlich Anzeigen des Verkehrsverbunds Rhein-Sieg und von Rheinenergie. Und da gibt es denn auch keinerlei Glaubwürdigkeitsprobleme, ist ja alles irgendwie kölsch. Und man mag nach Lektüre einfach die Filme nicht sehen, die Musik nicht hören, die Orte nicht besuchen und erst recht nicht mit einzelnen Stadtteilinitiativen in Berührung kommen. Weil das alles so fürchterich Alternativ-Boulevard ist. StadtRevue halt. Dass einem schummerig wird. Und das ist gar nicht mal Schwarz-Grün. Eher so eine abblätternde Kinderfarbenschicht von einem im Grunde grau-braunen Haus irgendwo in Deutz. Aber es könnte natürlich überall (in Deutschland) sein. Nur: Köln ist so entsetzlich offensichtlich.

?Wo warst du als,??? ? Musik für?s TV von Tim Bernhardt und Joachim Schaefer

Wenn ab kommenden Sonntag um 23.35 Uhr wöchentlich die ersten drei Folgen von „Wo warst du als,…?“ (Autor: Christian Dassel) in der ARD ausgestrahlt werden, dann stammt die Musik hierzu von zwei im Ruhrgebiet wohl bekannten Komponisten. In der Serie geht es um persönliche Erinnerungen an plötzliche historische Ereignisse (9/11, die Tsunami-Katastrophe, der Mauerfall), im Ruhrbarone-Gespräch mit Tim Bernhardt um Soundästhetik und das Arbeiten für verschiedene Medien.

Ruhrbarone ?: Das ist ja nun jetzt nicht die erste Arbeit von Yoshino und dir für’s Fernsehen, es gab ja zum Beispiel auch schon „Kriminalzeit“. Wie kommt es eigentlich zu so etwas? Per Ausschreibung?

Tim Bernhardt !:
Das sind natürlich Kontakte, die man sich über die Jahre erarbeitet hat. Es geht in erster Linie um Vertrauen, da kann nicht einfach ausgeschrieben und dann mal geguckt werden, ob das auch klappt. Die Leute brauchen innerhalb einer vorgegebenen Zeit und im Rahmen eines vorgegebenen Budgets Musik zu den Bildern, die sie im Kopf haben.

?: Bekommt man dann die gesamte Serie zu sehen oder passiert alles viel früher?

!: Das geht schon alles viel journalistischer zu. Die Leute schicken Drehbücher, Skripte zur Sendung, vielleicht auch ein paar Bilder. Es gibt zunächst die Zusage an die Autoren, dass eine Serie gemacht werden kann, und dann kommen immer mehr Ideen und Themen, die an uns weitergegeben werden, so dass wir uns immer aktuell auf den Stand der Dinge einstellen können.
?: Und wie konkret gibt man etwas ab? Gibt man einzelne Themen, Stücke ab, oder auch dezidiert zu einer Szene passende Musik?

!: Im Grunde beides. Es gibt eine Grundstimmung und eine Dramaturgie. Also entwickelt man ein Stück, das verschiedene Phasen hat. Abgegeben werden natürlich Dinge, die schon hörbar sind, weshalb die dann meist schon recht elaboriert sind. Und dann werden die Bälle noch dreimal hin und her gespielt, so á la „Das ist ja schon einmal nicht schlecht, aber an der Stelle brauche ich noch das und das.“ Die Leute in der Post-Produktion brauchen dann auch immer Klänge, auf die sie ihre Schnitte setzen können. Irgendwelche „zips“ und „zapps“ kommen da immer gut an. Also beginnt man manchmal sogar mal eher direkt mit so etwas.

?: Und inwiefern kann man sich vorher überhaupt mit der Bildästhetik auseinander setzen, um es stimmig zu bekommen?


!:
Fast gar nicht. Man ist halt günstigenfalls auf die Vorlieben der Macher eingestellt. An einer Stelle bei „Wo warst du als…?“ wollte Christian Dassel alles sehr dissonant haben, aber das kam nicht durch. Das war für alle Beteiligten schlecht, also haben wir daraus gelernt. Die Sendung an sich hat von der Umsetzung her eine gewisse Härte, so eine nüchterne Direktheit, und dazu passt es dann auch, dass wir teilweise eher Sounddesign machen. Wir haben also hin und wieder nur einzelne Spuren geschickt, und Christian Dassel bearbeitet die dann selbst und benutzt manchmal nur einzelne Elemente. Er produziert sonst auch „Hier und Heute“ und „Hart aber Fair“ und mag durchaus abgefahrene Themen, aber nicht unbedingt das Reißerische.

?: Ihr arbeitet ja zu zweit an dieser Sache, und Joachim Schaefer (Foto unten) ist ja auch noch Musiklehrer. Was macht ein Tim Bernhardt (Foto oben) sonst in diesem Bereich noch?

!: Zunächst einmal ist das ein großer Vorteil, zu zweit zu arbeiten. Oft kommt man halt alleine nicht weiter, verzweifelt fast, verliert sich in einem Detail… Aber weil Yoshino jetzt auch noch Familienvater ist, mache ich derzeit quasi die Geschäftsführung alleine. Ich arbeite sonst generell im Bereich der Film-, Funk- und Fernsehwerbung. Das hat zum Beispiel gegenüber der Spielebranche auch den Vorteil, dass man sich nicht groß über Tagessätze streiten muss. Das ist gar nicht mein Metier. Ich habe ein großes Soundarchiv das ich lizensiere, da brauche ich nicht immer zwingend etwas neues entwickeln. Ein aktuelles Beispiel wäre derzeit eine AOK-Homepage für Jugendliche, die dann für 15- bis 20-Jährige direkt mal alles von Indierock über HipHop bis Techno geliefert bekommen hat.

?: Besten Dank für das Gespräch.