Olympische Krieger

Ich boykottiere die Olympischen Spiele nicht. Ich glaube, es ist egal, ob ich mir um drei Uhr morgens den Wecker fürs Fernsehen stelle oder die Sache ignoriere. Ob ein bundesdeutscher Mediennutzer die Peking-Spiele Diktatur-Spiele sein lässt, global gesehen ist das ungefähr so wichtig, als wenn in China ein Sack Reis umfällt. Wie übersetzen sich das eigentlich die Chinesen? In Frankreich ein Sack Kartoffeln? In den USA ein Sack Mais? In Deutschland ein Fernseher?

Ich finde olympische Spiele, so staatsbefrachtet sie auch sein mögen, lehren Demut. Wie viele Menschen in der Welt die gleiche Sportart betreiben, wie jung und schön und gut gelaunt die sind, wie schnell, groß, geschickt, schlau. Und wie dumm der Beobachter bleibt, den nur interessiert, ob sein Land Bronze, Silber und Gold abräumt. Schön, dass es das digitale Fernsehen, dass es dafür Zattoo gibt, denn ZARDF zeigen wenigstens auf ihren digitalen Ablegern Wettkämpfe, ganz unabhängig davon ob nun ein deutscher Athlet dabei ist oder nicht.

Ohne das medienwissenschaftlich erhärten zu können, scheint es mir, dass es früher im kalten Krieg fairer zu ging. Da wurde moderner Fünfkampf gezeigt, obwohl immer ungarische Soldaten gewannen. Da lief Frauenturnen zur Primetime ohne FRA, oder Keirin ohne Brustring. Erst recht bei den Winterspielen, der DDR-Domäne. Die Welt mag globaler geworden sein, die Aufmerksamkeit hat sich verengt. Die USA haben mir das vorgemacht. Als ich dort in den Achtzigern ein Frühjahr verbrachte und wirklich sehr, sehr viel Fernsehen guckte, erinnere ich mich an zwei Meldungen aus Europa: eine Geiselnahme in einer Londoner Botschaft und einen Straßenlauf aus Paris, es siegte ein US-Amerikaner. Die einzigen beiden Deutschen, auf die ich angesprochen wurde, waren Hitler und "The Albatross" Michael Gross.

Demut lehrte dann auch die Eröffnungsfeier in Peking. Wie grandios die denken, wie anders, wie hypnotisierend und wie entlarvend die Trachtenkinder vorgeschickt wurden. Autokratische Systeme erkennt man an ihren Kindergesichtern. Immerhin, sie haben die Friedenstauben weggelassen. War es in Athen, als die Vögel in der olympischen Flamme geröstet wurden? Tauben waren gestern wirklich nicht angesagt. Ist es der erste vorolympische Krieg, der dort im Kaukasus, unweit des Austragungsortes der 22. Winterolympiade ausgebrochen ist?

Es ist natürlich kein Zufall, die Marschbefehle, Mobilmachungen, Maschinengewehrsalven ausgerechnet am Eröffnungstag. Es geht auch um Sotschi, um Putins-Gazproms-Olympiastadt 2014 an der Grenze zu Abchasien. Lang vor dem Krieg gab es in der Region ja schon einen Städtewettkampf. Georgien hatte sich mit Bordschomi auch um die Spiele 2014 beworben und war in der Vorschlussrunde ausgeschieden. Jetzt am 8.8.8 hat die georgische Regierung wohl darauf gesetzt, dass sich Russland als künftiger Gastgeber zurückhält, zurückhalten will oder muss; es galt ja mal Friedenspflicht, wenn das olympische Feuer brannte. Und Russland fördert die Separatisten von Südossetien, von Abchasien auf der anderen Seite der Grenze, auch weil es den Einfluss vergrößern würde, das Hinterland der Langlaufwettbewerbe.

Demut – und doch ein wenig Übermut: Warum Olympia auch Spaß macht? Im Ruhrgebiet? Wenn eine Fußballerin aus Wattenscheid für die ersten positiven Schlagzeilen sorgt. Wattenscheid, auch dass gibt es nur noch bei olympischen Spielen.

Eilig: Clement soll rausfliegen

Wie das ZDF Heute Journal gerade berichtet, plädiert die Schiedskommission der SPD-Landespartei dafür, Wolfgang Clement aus der SPD auszuschließen.

Das Blog der NRW-Sozialdemokraten bestätigt die Berichterstattung des Zweiten. klack Mehr soll morgen bekannt gegeben werden.

Der ehemalige NRW-Ministerpräsident und Bundesminister hatte das Verfahren der Landesschiedskommission selbst angestrengt. Die Düsseldorfer Kommission tagte über die Causa Clement – allerdings nur parteiöffentlich – am 12. Juli. Zuvor hatte eine Kommission des Unterbezirks Bochum entschieden, Clement eine Rüge wegen parteischädlichen Verhaltens auszusprechen. Der Ex-Superminister hatte die Entscheidung nicht akzeptiert.

Während des hessischen Landstagswahlkampf hatte Clement in einer Zeitungskolumne gegen die Energiepolitik seiner hessischen Parteifreunde gewettert und von einer Wahl der Hessen-SPD abgeraten. Es ist  – trotz des überraschenden Votums aus der Landeshauptstadt – davon auszugehen, dass der Ex-MP nun die Bundesschiedskommission anrufen wird.      

Ex-IOC-Präsi Samaranch ein Nazi?

Mein Vertrauen in das Internationalen Olympischen Komitee (IOC) war noch nie besonders groß. Leider. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass so einer wie Michael Vesper, Grüne, Ex-NRW-Bauminister da mit machen darf. Aber egal. Richtig schief hängt das Bild vom ehrlichen Verein erst, seit ich dieses Bild von Juan Antonio Samaranch beim Hitlergruß in Barcelona 1974 gesehen habe. Wow. Das ist ein Ding.

Samaranch ist der vierte von rechts in der ersten Reihe. Barcelona 74. Man achte auf die Hand an der Hosennaht.

Das Bild hat der BBC-Kollege Andrew Jennings besorgt. Ein verdammt guter Mann. Er hat auch das andere Samaranch-Bild unten beschafft. Mein Lieblingsspruch vom ihm war auf der Jahrestagung des Netzwerk Recherche: "Ich gehe jeden Morgen böse Männer jagen. Ich meine, wir reden hier von richtig bösen Männern, die muss man jagen."

Ansonsten hat das Netzwerk dem IOC noch die "Verschlossene Auster" verliehen. Und zwar, weil das IOC mit seiner Informationspolitik das Gegenteil von ‚fair play‘ betreibt. Stellvertretend ging die Auszeichnung an IOC-Vizepräsident Thomas Bach. Routiniert verbreitet der Mann Teilwahrheiten und heikle Themen werden dafür systematisch ausgeblendet. (Wahrscheinlich darf deswegen auch der Vesper da mittun – erinnert sich noch wer an das Olympische Dorf in Düsseldorf?)

Thomas Bach (Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb) Thomas Bach, Vizepräsident des IOC und Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes


So war das IOC war im Zusammenhang mit dem Tibet-Konflikt und der Austragung der Olympischen Spiele in Tibet in der Öffenlichkeit kritisiert worden, weil es sich nicht zu den politischen Ereignissen äußern wollte. "Olympische Spiele in einem politikfreien Raum waren immer eine Illusion", hatte etwa der Vorsitzende des Sportausschusses des Bundestags, Peter Danckert, im April gesagt. Die Regeln des IOC verbieten außerdem bei den Sportveranstaltungen den teilnehmenden Atlethen politischen Meinungsäußerungen.

Warum kann man sich denken, wenn man die Samaranch-Bilder sieht. Prima Spiele bei Freunde. In Peking, Russland und anderen lupenreinen Schröder-Demokratien.

Samarach ist der zweite von rechts in der ersten Reihe. Szene von 1954 in Barcelona.

Das Netzwerk Recherche, zu dem auch ich gehöre, beschuldigt das IOC außerdem, "seit vielen Jahren Korruption und Interessenkonflikte bei der Vergabe der Spiele" zu dulden. Das IOC versucht sich zu reformieren, aber tut zu wenig, um Hinweisen und Indizien für solche Vorfälle nachzugehen und sie aufzuklären. Genehme Journalisten würden zugleich von einzelnen Verantwortlichen bevorzugt bedient. (Das kenn ich doch von Vesper aus NRW?)

Das Netzwerk Recherche verleiht die "Auster" jedes Jahr an einen Menschen, ein Unternehmen oder eine Organisationen, die die Berichterstattung in den Medien behindert haben. In den Vorjahren haben wir das Ding an Bahn-Chef Hartmut Mehdron verliehen, meinen Lieblings-Bundesinnenminister Otto Schily, Ex-DFB-Chef Gerhard Mayer-Vorfelder und Russlands früherer Präsident Wladimir Putin.

Thomas Bach, herzlich willkommen im Kreis dieser Leuchttürme.

Gummipalmenrennen am Frankfurter Kreuz

Immer wieder gibt es Geschäftsideen, die schon auf den ersten Blick bestechen. Heute bin ich wieder auf eine gestossen.

Gumpalm2008: Auch am Internetauftritt wurde nicht gespart! Foto: Ruhrbarone

Die Sunrise GmbH aus Frankfurt/Main verfügt nicht nur über einen ausgesprochen schönen Namen, sondern steht einem Firmenimperium vor, dass auch in der pulsierenden Main-Metropole wohl einzigartig ist. Zu dem Konzern gehört ein Unternehmen, dass sich um  "die weltweite Vermarktung der in Eigenregie entwickelten Echtblatt-Dekopalmen" sorgt, ein Handel für Büromöbel und  der Vertrieb von formschönen, runden Weltkugeln . Nun steigt Sunrise in den Motorsport ein, wie mir das Unternehmen vertrauensvoll in einer Presseerklärung mitteilte:

GUMPALM 2008 – Das Autobahnkreuzrennen (Reichenrallye) für Millionäre am 8.8.8
 
Das spektakulärste Autorennen des Jahres findet am 8.8.8 in Frankfurt auf dem Autobahnkreuz statt. Die Firma Sunrise GmbH, bekannt durch die weltweite Vermarktung der in Eigenregie entwickelten Echtblatt-Dekopalmen, veranstaltet das GUMPALM 2008 Straßenrennen. Der Name spricht für sich, denn es soll auf dem Frankfurter Kreuz viel Gummi gelassen werden. Die Startgebühr beträgt 10.000,- Euro. Mitmachen dürfen gut betuchte Fahrer von Sportwagenboliden ab 420 PS. Es werden exotische Wagen aller Marken erwartet wie z.B. Ferrari, Pagani Zonda, Lamborghini, Mercedes SLR, Audi R8, De Tomaso, Maserati, Jaguar, Aston Martin, Porsche Carrera GT Im Gesamtwert von 30 Millionen Euro. Dem Gewinner winkt ein Preisgeld von 1 Million Euro! Wer mit zu den 150 Piloten gehören möchte meldet sich unter gumpalm.com an. Die Rennstrecke (das Frankfurter Kreuz) ist 2.54 Kilometer lang. Der Veranstalter hat schon auf der offiziellen Homepage die ersten Trainingsvideos eingestellt. Das Rennen geht über 120 Kurven. Pikant: Das Rennen wird während des normalen Straßenverkehrs gefahren, was aber aufgrund der 2-spurigen Beschaffenheit des neuen und für Autorennen geeigneten Autobahnkreuzes kein Problem darstellt. Es sind weitere Kreuzrennen geplant. Man darf auf ein aufregendes Spektakel gespannt sein, dass die Welt noch nicht gesehen hat!

Als Teilnehmer zugesagt hat wohl schon Prinz Marcus von Anhalt. Der Bordell- und Clubbesitzer hat sich von Frédéric von Anhalt adoptieren lassen. Nun sieht die Internetseite zum Gummipalmenrennen allerdings eher so aus, als ob sich am 8. August am Frankfurter Kreuz vor dem nächsten TÜV zitternde Fiestas, Kadetts und Golfs versammeln werden, aber man kann es ja mal versuchen. Mit der Idee, den Reichen das Geld aus der Tasche zu ziehen ist allerdings erst kürzlich das Magazin Rich gescheitert – aber ein Gummipalmenrennen ist ja eine ganz andere Liga. Vielleicht ist das aber auch alles eine lustige Titanic-Aktion und wir können in der kommenden Ausgabe lesen, welche Prominenten sich für das Rennen angemeldet haben: Franjo Pooth ("Ich brauch das jetzt zur Entspannung"), Barbara Herzsprung ("Ich komme mit einem geliehenen Wagen")  oder Willi Herren ("Geht auch ohne Fleppe, ne?") wollen sicher auch dieses Mal dazugehören, wenn es wieder darum geht, sich durch den kakaohaltigen Fett ziehen zu lassen.

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Konferenz will das Ende Israels

Zum 19. Todestag von Khomeini trafen sich Geistesgrößen aus der gesamten islamischen Welt um über ihr Lieblingsthema zu disputieren: Das Ende Israels und überhaupt des ganzen Westens. 

Das Ende von Khomeini war ja tragisch: Als er starb, schaffte er es noch nicht einmal als Hauptmeldung auf die BILD-Titelseite:  Der Zusammenbruch des wirklich nahen Ostens war einfach interessanter. Ob diese mediale Peinlichkeit den Teilnehmern einer Konferenz zum 19. Todestag Khomeinis bewußt war, ist eher unwahrscheinlich. Sie hatten auch andere Probleme: Die Vernichtung Israels, das nahe Ende des Westens und die Reislamisierung Europas waren ihre Lieblingsthemen. Alles sehr gut im Transatlantic-Forum nach zu lesen, einem Blog, der von dem Bochumer Michael Kreutz herausgegeben wird.

Duisburger Akzente – Wer beschäftigt hier wen?

Am 1. Juni gingen die 31. Duisburger Akzente zu Ende. Und es ist ein Kulturfestival das mit dem Rücken zur Wand steht, denn: Geld für Kultur auszugeben ist unpopulär, vor allem bei der Duisburger FDP, wie man hört. „Was uns beschäftigt“ heißt dann auch noch das diesjährige Motto, unter dem sich die Künstler schon einmal präventiv mit den (anderen) Arbeitslosen solidarisieren dürfen.

Festakt zur Eröffnung Mitte Mai, ein Freitag Abend. Die Presse sammelt sich um Alfred Biolek – sie kennt ihn wohl aus dem Fernsehen, und das merkt man den Artikeln am nächsten Tag auch an. Dabei könnte man die Hauptakteure des Kernstückes des Abends, „Ich sehe was, was du nicht siehst.“, auch kennen: Tim Isfort (musikalische Leitung), Eva Verena Müller (gekürt als „beste Schauspielerin NRWs“), Irm Hermann (bekannt aus Funk und Fernsehen), Uli Masuth (Kabarettist), Eva Kurowski(Sängerin), Trilok Gurtu (weltbekannter Percussionist), etc. Eigentlicher Star aber ist die Bühne, denn sie teilt das Publikum in A und B, also in eine Zweiklassengesellschaft auf. Mal kurz buchstabiert: A sieht nicht was B sieht, und umgekehrt. B hört aber was A macht, und umgekehrt. Das Stück spricht zu beiden Gruppen. Das kann (und soll) zu Irritationen führen, so am Eröffnungstag, als Zuschauerraum A tatsächlich die geladenen Gäste beherbergt und B diejenigen die für Kultur gerne auch mal selbst bezahlen. Viele aus A verstehen nicht, dass es B tatsächlich gibt, wie Tim Isfort bestätigt: „Es gab Fragen, ob das nicht etwas kühn gewesen wäre mit den Lautsprechern aus denen der Applaus kommt.“ Von B sind diesbezügliche Irrtümer übrigens nicht bekannt und auch vom zweiten Tag mit freier Platzwahl nicht. Ein weiteres Indiz dafür, dass die Kulturschickeria der Region (A!) sich mit Kultur gar nicht auskennt?

Zum Stück: Verschiedene Künstlergruppen haben ihre Ideen eingebracht bei „Ich sehe was,…“, und so ist eher ein „StückWerk“, eine „Collage“ (Isfort) entstanden, worin verschiedene Facetten der heutigen Arbeitswelt (und des Diskurses darüber) dargestellt werden – nein, nicht „beleuchtet werden“, beleuchtet wird die Bühne und teils auch das Publikum sehr fachgerecht, wie auch Klang und sonstige Bühnentechnik gut funktionieren – was keine einfache Angelegenheit ist bei einer zweiseitigen und mehrgeschossigen Bühne in der Kraftzentrale des Landschaftsparks. Ebenso komplex die Proben mit den Darstellern. „Es gab nur zwei Proben mit dem vollständigen Ensemble“, so Isfort, und erklärt zum Procedere vor der Geburt des Stückes: „Die Promis sind ein ergänzender Baustein, zum lobenswerten neuen Konzept des Festivalbüros, eine Mixtur aus lokalen / regionalen Kreativkräften und eben Publikum ziehenden Namen zu kombinieren. Natürlich ist das ein schmaler Grat: zwischen inhaltlich / politisch passend und hilfreich für die Besucherzahlen.“ Da muss dann anscheinend auch mal improvisiert werden (oder Biolek eingebaut) – und dabei die Kunst nicht vergessen.

 

Fest steht: Es ist kalt und unkomfortabel in diesen Hallen und die Grundvoraussetzungen für Kunst (jenseits von Selbstzweck) werden nach wie vor verschlechtert. Da kann sich auch ein ambitioniertes und vielschichtiges Stück wie „Ich sehe was…“ im Grunde nur bemühen potentiell alle Bevölkerungsschichten anzusprechen und trotzdem Inhalte zu vermitteln: Eine Kindertheatergruppe! Dann Paul Virilio! Dann Stangenakrobatik! Ein jazziger Chanson! Goethe und Aristoteles! HipHop! Mary Shelley! Hüsch! Eine Taxifahrer-Liebesgeschichte! Filme (von Frank Bergmann) auf der Leinwand! Exotische Instrumente! Ezra Pound! Komisch, gar keine Tiere, aber manchmal sieht man Tim Isfort wie einen Zirkusdirektor in all dem Getümmel und ärgert sich prompt, wenn die billigen Plätze mal wieder nur der Stangenakrobatik Szenenapplaus gewähren oder die teuren Plätze nur der mit dem schönsten Kleid. Aber eigentlich geht es hier doch nun mal um Unterhaltung, oder? Ja?

„Wir hatten auch überlegt, einmal Hartz IV Empfänger einzuladen“, so Isfort. „Vielleicht können wir das, wenn das Stück woanders neu aufgenommen wird. Es gibt sogar eine Idee, wie das in normal gebauten Stadttheatern funktionieren kann.“ Man wünscht ihm Glück für sein Füllhorn voller Ideen und Perspektiven, das die AusEinanderSetzung verdient die es thematisiert, dramatisiert und auch noch im Untertitel trägt.

 

Weg aus den leer stehenden Industriehallen ins behagliche Zentrum Duisburger Kultur, den Dellplatz, speziell das HundertMeister. Hier spielt das Musiktheaterstück „Die Wand“ von Anja Schöne und Thorsten Töpp nach Marlen Haushofer. Wieder mit Eva Müller in der tragenden Rolle, Tim Isfort diesmal nur am Kontrabass, Frank Bergmann am Saxophon. Die Stuhlreihen stehen hier etwas enger und es ist eher stickig, dafür ist die Vorstellung ausverkauft und es gibt weniger deplatzierte Lacher. Den besten bringt Eva Müller direkt selbst mitten im Stück und beherrscht Text und Publikum weitgehend einwandfrei, die Dramaturgie stimmt aber auch ebenso gut. Die Musiker – zu nennen noch Mirjam Hardenberg (Violoncello und Gesang) und Petra Kessler (Flöten) – stehen rechts, links und hinter dem Publikum und illustrieren, konterkarieren und unterbrechen gegebenenfalls den Monolog der Protagonistin. Das Bühnenbild besteht auf das Kargste aus einem Tisch, einer Leselampe, einer Flasche und dem Textheft, mit dem und ohne das das Ensemble dem Publikum die Geschichte eines Menschen nahe bringt, die je nach Interpretationsmöglichkeiten als Kriminalgeschichte, Fieberwahn, Annäherung an das Menschsein oder Provinzdrama gelesen werden kann. Vielleicht auch als das einer Emanzipation von stupider Arbeit durch Kultur. Und dagegen kann doch eigentlich keine bürgerliche Partei etwas haben…
Die (31.) Duisburger Akzente endeten am 1. Juni.

Fotos von Markus van Offern

 

Die Metropole der leeren Hallen

Ein zugespitztes Interview zur Konzertsituation im Ruhrgebiet mit Marcus Kalbitzer von der Kulturzentrale

Herr Kalbitzer, im Ruhrgebiet stehen so viele – wie es heißt – wunderschöne Hallen die meiste Zeit leer. Warum finden da eigentlich keine hochkarätigen Konzerte statt?

Wunderschöne Hallen sind nicht per se wunderschöne Konzertstätten. Manche dieser Orte liegen ungünstig oder ihnen fehlt eine regelmäßige Bespielung, um sie in der Wahrnehmung des potentiellen Publikums zu verankern. Andere wiederum sind infrastrukturell für eine Konzertsituation nicht ausgelegt oder es liegen keine ordnungsbehördlichen Genehmigungen vor, um dort entsprechende Veranstaltungen durchzuführen. Aber Fakt ist auch, da gebe ich Ihnen Recht, dass einige Veranstaltungsstätten programmatisch schlecht aufgestellt sind. Was fehlt, sind Konzepte, Visionen und vielleicht auch der Mut, diese Örtlichkeiten intelligent zu bespielen. Das ist sehr schade und für das Ruhrgebiet letztlich ein Problem.

Die Musikindustrie ruft in Zeiten schlechter Tonträgerverkäufe derzeit immer wieder das Mantra vom boomenden Konzertgeschäft vom Turm herab. Was ist daran Realität, was Imagekampagne?

Das Konzertgeschäft entwickelt sich zunehmend zu einer der Haupteinnahmequellen der Künstler und der Musikindustrie. Früher wurde eine Band auf Tour geschickt, um ein aktuelles Album zu promoten und zu verkaufen. Heute dient ein neuer Tonträger dazu, der Band die Möglichkeit zu geben, eine Tour zu planen, Konzerte zu spielen. Der musikalische Output eines Künstlers ist mittlerweile ja fast frei im Internet verfügbar, die Absatzzahlen von Tonträgern gehen immer weiter in den Keller. Daher hat dieses „Mantra“ seine Berechtigung. Doch auch hier gilt es zu unterscheiden. Was für den Mainstream gilt, muss sich in den Nischen nicht zwangsläufig widerspiegeln. Die kleinen, abseitigen Themen haben es heute insgesamt schwerer als früher. Das gilt sowohl für den Tonträgerverkauf als auch für das Konzertgeschäft.

Auch im Ruhrgebiet gibt es nach wie vor viele Opinionleader die es schaffen Publikum zu Trendveranstaltungen zu locken. Ist Lokalpatriotismus aber überhaupt nachhaltig trendfähig oder geht all der 2010-Hype eher an den mehr international orientierten Trendsettern vorbei? Oder anders gefragt: Braucht die Region jetzt einfach einen von Stefan Raab – oder besser MySpace – gebastelten Vorzeigestar von der Ruhr, damit´s noch klappt mit der Szeneanbindung?

Idealerweise findet beides statt. Um wettbewerbsfähig zu sein, müssen internationale und nationale Künstler im Ruhrgebiet veranstaltet werden. Das ist eine Frage des Standortmarketings. Nur wenn herausragende Events in dieser Region stattfinden, wird der Blick auch von außen auf das Ruhrgebiet gelenkt. Und nur dann können wir den Menschen hier vermitteln, dass ihr Umfeld, in dem sie leben und arbeiten, eine Wertigkeit besitzt. Es gibt etliche Künstler aus der Region, die nationale oder sogar internationale Relevanz besitzen, zu Hause aber kaum wahrgenommen werden. Das ist bisweilen sicherlich frustrierend. Man muss verhindern, dass diese kreativen Köpfe dem Ruhrgebiet den Rücken kehren, um anderswo erfolgreicher arbeiten zu können. Natürlich ist auch eine gehörige Portion Lokalpatriotismus notwendig. Sonst ist der Standort Ruhrgebiet nicht zukunftsfähig. Aber das gilt für Köln oder Hamburg genauso.

Der Standort „U“ in Dortmund kommt gerade mit einer Konzerthalle für Blues und Altherren-Garagenrock in die Medien. Müssen wir uns da auf einen weiteren Backlash einrichten bevor es auch nur eine tragfähige Band „von hier“ geschafft hat? Oder wird da einfach nur mutwillig eine weitere Provinz-Katastrophe produziert, damit einige Leute anschließend „nachhaltig“ etwas zu retten haben?

Vielleicht ist genau das die musikalische Zukunft des Ruhrgebietes, denn wir stehen doch vor einer problematischen Altersstruktur. Die Schätzungen der Sachverständigen gehen davon aus, dass das Ruhrgebiet bis zum Jahr 2015 ca. 370.000 Einwohner verlieren wird. Die Region ist „überaltert“. Aber im Ernst, genau diesen Trend gilt es doch zu stoppen, indem man sich als Standort attraktiv aufstellt und den Zuzug kreativer Menschen fördert bzw. ihren Wegzug aufhält. Ich hätte im Übrigen nichts dagegen, mir die Jon Spencer Blues Explosion in Dortmund anzuschauen. Dann müsste ich nicht nach Köln fahren.

Abschließend: Wer bucht eigentlich immer diese irrelevanten und unattraktiven Acts auf beinahe alle Großveranstaltungen der Region? Sind die Budgets zu knapp oder sind die meisten Konzertveranstalter geistig schon in der Rentnergeneration angekommen?

Schwer zu beurteilen. Vielleicht eine Mischung aus beidem. Ich bin jedenfalls nicht dafür verantwortlich.

Die Fragen stellte Jens Kobler, das Foto ist von Marcus Kalbitzer

dpa hat es raus

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Bush: Welt darf dem Iran Besitz von Nuklearwaffen nicht erlauben

Jerusalem (dpa) – Palästinenserpräsident George W. Bush hat amDonnerstag während einer Ansprache im israelischen Parlamenteindringlich vor einer atomaren Aufrüstung des Irans gewarnt. «Eswäre ein unverzeihlicher Verrat an künftigen Generationen, es demweltweit führenden Terrorsponsoren zu erlauben, die tödlichste Waffeder Welt zu besitzen», sagte Bush in seiner Ansprache zum 60.Jahrestag der Gründung Israels. «Im Interesse des Friedens darf dieWelt es dem Iran nicht erlauben, nukleare Waffen zu haben.»

dpa le xx n1 fi

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mit freundichen Dank an N.

 

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Oberhausener Kurzfilmtage, Teil 2: Vom Festival zum zeitgenössischen Museum? ? Eine Nachbetrachtung

Festivalleiter Dr. Lars Henrik Gass sagte es in seiner Eröffnungsrede der 54. Internationalen Kurzfilmtage deutlich: „Kaum ein Kurzfilm erzielt Einnahmen im Fernsehen oder Internet.“ Und: „Der Film als Ware braucht keine Festivals mehr; und das ist die historische Chance, dort endlich bessere Filme zu zeigen.“ Mutige Worte, natürlich den aktuellen Entwicklungen im Internet (und auch bei den DVDs) geschuldet, die selbst Hollywood nicht kalt lassen und bekanntermaßen schon zu Streiks in der amerikanischen Filmbranche führten. Und ein krasser Gegensatz zu den Plänen der Bundesregierung im Rahmen der Novellierung des Filmfördergesetzes. Wie aber stellt man sich die Zukunft einer nicht ausschließlich digital vernetzten Kurzfilmszene vor? Und: Was plant die Bundesregierung eigentlich mit dem Genre „Kurzfilm“?

„Wer also das Kino erhalten will, muss es zerstören, um seine soziale Funktion wiederzubeleben.“ Das könnte von Godard oder Debord sein, entstammt aber auch der oben zitierten Eröffnungsrede. Der Festivalleiter schlussfolgert: „1. Filmfestivals müssen künftig für die Verwertung von Filmen zahlen. 2. (…) Filmförderung aus öffentlichen Mitteln sollte künftig allein der Herstellung von künstlerisch relevanten Werken und ihrer Präsentation dienen. 3. (…) Das Kino wird nur als Museum überleben können, als ein Museum aber, das wir noch nicht kennen.“ Kein Geld also mehr für die Cannes- und Berlin-Schickeria und stattdessen für ein künstlerisch und kulturell wertvolles Programm? Ist das noch populär? Dr. Gass führt aus: „Vielleicht werden die Museen für zeitgenössische Kunst die Filmfestivals überflüssig machen. (…) Der Gegensatz zwischen hier Kunst und dort Film ist überholt. (…) Filmfestivals müssen Bücher und DVDs machen, Partys und Konferenzen, sie müssen das bessere Fernsehen sein und die bessere Universität.“

Oberhausen 2008 hat vor allem den Status Quo der Filmbranche deutlich gemacht: Viele, viele Screenings von Internetportalen, die sich als Filmarchive verstehen, stehen zahlenmäßig zumindest gleichberechtigt neben den guten, alten Wettbewerben auf dem Programm. Themen orientierte Reihen gibt es gerade mal zwei, aber sechs Künstler orientierte unter dem Titel „Profile“. Dazu an jedem Tag zumindest ein Podium sowie die Diskussionsrunden zu den Wettbewerben. Oberhausen funktioniert also eh als Präsentationsfläche, Service und Seminarangebot für die Kurzfilmszene, der der Austausch spürbar gut tut; einer Generation, die sich oft in virtuellen Welten wohler fühlt denn als „Chronisten der Gegenwart“ oder gar als Auftragsarbeiter der Werbeindustrie. Wie ein Filmportal-Betreiber aus NRW am Rande des Festivals sagt: „Manchmal ist es besser, die Leute gar nicht erst zu treffen mit denen man zusammenarbeitet.“ Bernd Neumann, Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien, hat allerdings anderes mit der Kurzfilmszene vor: „Das neue Filmförderungsgesetz soll dazu beitragen, dass der Kurzfilm auch das Kinopublikum wieder häufiger erreicht.“ Zurück ins sterbende Kino? Womöglich in Form von Werbespots oder anderen Blockbuster-Appetizern? Ein extrem zynisches Todesurteil. Bernd Neumann weiter: „Die Bundesmittel für Oberhausen waren und sind stets eine gut angelegte Investition in die Zukunft des Kinofilms.“ Der Staatsminister scheint geistig im Kino gefangen und in Zeiten als man Kurzfilme drehte, um sich "für die große Leinwand zu qualifizieren“. Besser zurück zur äußerst lebendigen Wirklichkeit des Genres und zu gelungenen Präsentationen eines „zeitgenössischen Museums für Kurzfilme“:

Der Film als Buch, das gab es des Öfteren, so im Werk des gelernten Schriftsetzers Jörg Petri, dessen Musikvideo zu „Dot“ von Michael Fakesch auch als überdimensioniertes Daumenkino erhältlich ist. Zum anderen im Rahmen einer „Book Launch Action“ mit Mike Sperlinger, Emily Wardill und Ian White zum Buch „Kinomuseum – Towards An Artist´s Cinema“ mitten im Oberhausener Hauptbahnhof. Bekannt gemacht wurde diese Aktion durch Flyer am Ende der Reihe „Wessen Geschichte“, die mit dem letzten Beitrag auch aufzeigte, wie sich Performance, Museum und Kurzfilm hervorragend ergänzen können: Die Kuratorin Sharon Hayes war nur fernmündlich anwesend und kommentierte die Auswahl in einer spontanen Telefonperformance mit Ian White über die Kinolautsprecher vor, nach und während der Filme, ließ sich auch mit Bekannten im Saal verbinden und fasste schließlich die gemeinsame Botschaft jeder (im Film gezeigten) Protestbewegung wie als Leitlinie für die Kinorevoluzzer des 21. Jahrhunderts am Ende so zusammen: „Now. Now! NOW!“ Es schien fast symptomatisch, dass diese Worte nur noch an die Mitglieder des „Artist´s Cinema“ gerichtet waren. Die “Endkonsumenten” hatten das Kino bereits verlassen.

Fazit? Der Autor war selbst Akteur, als bei der ersten großen Welle des Kinosterbens auch andere Veranstaltungsformen Einzug in die Lichtspielhäuser fanden. Nicht einmal die von der Szene eigentlich verhassten Multiplexe funktionieren im Grunde anders. Gleichzeitig definiert sich die Kurzfilmszene mehr denn je über weltweite Vernetzungen. Umso wichtiger sind Treffpunkte, offene Formen und eine moderne Kulturförderung, die auch in Deutschland endlich nicht mehr in Genregrenzen und auf die Verwertung in veralteten Strukturen hin denkt.