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Datteln IV: Grüne Interessenskollision

Sabine von der Beck Foto: Homepage

Sabine von der Beck ist die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Ruhrparlament und PR-Frau im Dienst der Energieindustrie. Parteiinterne Kritiker werfen ihr vor, auch deswegen nicht hart genug gegen den Bau des Kraftwerks Datteln zu kämpfen.

Am vergangenem Montag enttäuschten die Grünen im Ruhrgebiet zahlreiche ihrer Anhänger. Gemeinsam mit SPD, CDU und FDP stimmten die Grünen im Ruhrparlament für eine Fortführung des Regionalplanverfahrens am Kraftwerksstandort Datteln. Die Grüne Fraktionsvorsitzende Sabine von der Beck sagte während der Debatte, dass die Stimmen der Grünen kein Votum für das Kraftwerk seien, sondern das Ergebnis einer Koalitionsvereinbarung mit der SPD. Die Planungen, die jetzt kämen, seien ergebnisoffen.

Trotzdem könnte am Ende des Verfahrens der Bau des umstrittenen Eon-Kraftwerks Datteln IV stehen. CDU, FDP und SPD wollen das Kraftwerk. Pikant: Eon hat auf dieses Verfahren keinen Rechtsanspruch. Dass die Grünen den Weg für das 1000 Megawatt Kohlekraftwerk frei machen würden, hatten ihre Anhänger nicht erwartet. Noch im Landtagswahlkampf hatte die Partei das fast fertig gestellte Großkraftwerk als Schwarzbau gegeißelt. Jürgen Trittin, Chef der Bundestagsfraktion, tönte, dass jeder, der mit den Grünen koalieren wolle, sich darauf einstellen müsse „… dass dieses Investment nicht zu Ende gebaut wird.“

Für die Grünen in Waltrop und Datteln war klar: Kommt ihre Partei an die Macht, kann Eon die Bagger rufen und den 1,2 Milliarden Euro teuren Bau abreißen.

Von den vollmundigen Versprechungen Trittins ist nicht viel übrig geblieben. Sie waren wohl ohnehin eher darauf ausgerichtet, eine mögliche schwarz-grüne Koalition auf Landesebene zu erschweren, denn den Weiterbau des Kraftwerks zu blockieren. Nicht wenige Grüne in NRW sind deshalb auf Trittin nicht gut zu sprechen: Sie müssen sich jetzt an seinen Wahlkampfversprechen  messen lassen.

Die Grünen konnten das Aus für Datteln IV auf Landesebene nicht durchsetzen. Und auch im Ruhrparlament suchten sie nicht den Konflikt mit ihrem Koalitionspartner, der SPD, um Datteln zu verhindern, sondern machten sich abhängig  von dem Urteil des Münsteraner Gutachters Dr. Martin Kment – der die rechtliche Möglichkeit sah, Datteln doch noch zu genehmigen. Wie vereinbart stimmten die Grünen deshalb für eine neuen Chance für das ungeliebte Kohlekraftwerk.

Es gibt Grüne, die glauben, dass die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Ruhrparlament, Sabine von der Beck, nicht mit ganzem Herzen gegen Datteln kämpfte. Und auch schon in der Koalitionsvereinbarung nicht mit vollem Einsatz grüne Interessen vertrat. Die handelte sie nämlich quasi mit ihrem Chef aus: Dem Vorsitzenden der Ruhrgebiets-SPD, Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski. Denn Sabine von der Beck ist Inhaberin einer kleinen PR-Agentur in Gelsenkirchen. Einer ihrer wichtigsten Kunden: Der Wissenschaftspark, in dem sie auch ihr Büro hat. Und der gehört der Stadt.

Für Lars Holtkamp,  Fraktionsvorsitzender der Waltroper Grünen, sind die beruflichen Aktivitäten von der Becks ein Problem: „Sie hat damit nicht das Standing, grüne Wahlversprechen in Koalitionsverhandlungen mit Baranowski zu vertreten.“

In einer Mail an Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) und den Vorsitzenden der Landtagsfraktion der Grünen, Reiner Priggen, vom 17 Mai, die diesem  Blog vorliegt, werfen Grüne aus Datteln von der Beck sogar vor, für den Bau des Kraftwerks geworben zu haben: „Jene Sabine (von der Beck d. Verf) , die uns im Jahr 2005 hier in Datteln in einem internen Gespräch ihre Position zum „Referenzkraftwerk“ Datteln IV schmackhaft machen wollte. Eine krude Position über angebliche Exportnotwendigkeiten dieses Kraftwerkstyps, damit China „energiefreundliche“ Kohlekraftwerke baut.“

Sabine von der Beck weist die von ihren Parteifreunden erhobenen Vorwürfe weit von sich. Was alte Position zu Datteln IV betrifft, sagt von der Beck, sie ginge damals von einem kleinem Ersatzbau für das vorhandene Kraftwerk aus und nicht von so einem großen Bau, wie ihn Eon später umgesetzt hat. Auf Anfrage dieser Zeitung räumt sie ein, dass an Projekten, für die sie Öffentlichkeitsarbeit macht, Tochterunternehmen von Eon oder RWE finanziell beteiligt seien. Mit denen habe sie aber kaum zu tun: „Da ich die angenehme Rolle habe, „Erfolge zu verkünden“, bin ich an dem Zustandekommen der Projekte, ebenso wie an Verhandlungen mit Projektpartnern, Sponsoren oder Drittmittelgebern für Forschungsprojekte nicht beteiligt.“ Im Gegenteil, von der Beck ist stolz darauf, mit ihrer Arbeit die Geschichte der Energieerzeugung in die grüne Richtung gelenkt zu haben – zum Beispiel, in dem sie komplizierte, technische Vorgänge im Bereich dezentraler Energieversorgung so einfach erklärte, dass sie populär wurden: „ Dies ist – vielleicht zufällig – eine Maßnahme, mit der ich – im Nachhinein betrachtet –  die Energiewirtschaft in der Tat „maßgeblich“, aber genau nicht in Richtung zentraler Kohlekraftwerke, sondern in Richtung dezentraler verteilter Energiesysteme, beeinflussen konnte.“

Auch bei der Arbeit für den Wissenschaftspark sieht sie keine Probleme. Sie habe auch noch zahlreiche Kunden aus der Gesundheitswirtschaft – und der Kulturbranche: „Einen Interessenkonflikt zwischen meiner beruflichen und meiner politischen Arbeit sehe ich daher nicht.“

Das sieht Holtkamp anders: „Es gibt eine Interessenkollision, da Frau von der Beck beruflich sowohl vom Wissenschaftspark als von durch RWE und Eon  geförderte Projekte beruflich abhängig ist.“

Holtkamps größte Hoffnung Datteln IV doch noch zu stoppen ist jetzt Umweltminister Johannes Remmel. Er soll Datteln im Kabinett stoppen. Wahrscheinlicher ist, dass der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Thomas Eiskirch, recht behält: „Am Ende werden über Datteln die Gerichte entscheiden.“

Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag

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Robin Patzwaldt
Robin Patzwaldt
12 Jahre zuvor

Ich finde es unwürdig für die Grünen, wenn sich im gesamten RVR-Gebiet (ca. 5 Mio. Menschen) niemand geeigneteres für die Funktion der Fraktionssprecherin im RVR findet, als jemand der von berufswegen offenbar (für alle sichtbar) seit längerem ganz eng mit der Energiewirtschaft verknüpft ist, und der/die zudem auch noch ‚zufällig‘ einen führenden SPD-Mann, mit dem man verhandeln muss, als beruflichen Chef hat. Denn wie soll so jemand dann angemessen und unabhängig im Interesse der Grünen handeln und verhandeln? Ich sehe da die gleiche Problematik von der Lars Holtkamp in dem Artikel spricht. Und da ist es auch völlig uninteressant ob derjenige der kritisiert wird vielleicht nett und lieb ist, ich ihn seit Jahren persönlich gut kenne, oder nicht. Haben/hatten wir da in der Partei wirklich niemanden der geeigneter für den Posten ist, unsere Interessen in Sachen Kraftwerk Datteln standhafter und unabhängiger vertreten kann???
Das ist für die Funktion, aus meiner Sicht, schlicht unwürdig, nach aussen nicht vermittelbar, und aus meiner Sicht mehr als nur problematisch!
Ich wünschte mir diese bedeutende Funktion würde bei den Grünen von jemandem wahrgenommen der da beruflich unbelasteter ist und ein anderes Auftreten in der Öffentlichkeit hat! Sabines Auftritt am letzten Montag im RVR war fast eine Comedynummer! Tut mir leid, wenn ich das so deutlich sagen muss. Ich war in Essen live vor Ort und bin danach total geschockt und wütend wieder nach Hause gefahren. Da haben wir als Partei besseres Auftreten verdient, in jeder Weise!

Robin Patzwaldt
Einfaches Mitglied bei Bündnis 90 / Die Grünen OV Waltrop

Walter Stach
Walter Stach
12 Jahre zuvor

Für wen, in wessen Auftrag hat Frau v.d.Beck 2005 für einen Kraftwerksneubau in Datteln geworben?Im Auftrage der Grünen , im Auftrage von E.on ? Eine Antwort der Frau v.d.Beck auf diese Frage dürfte das Bekräftigen, wo von Prof.Holtkamp begründet ausgeht. Und dann gibt es noch „die Sache Tönnis“ -politische Positionen versus berufliche Karriere?Es gibt noch die Sache „Gutachter Kment“. Bis heute ist die Frage nicht beantwortet, warum Tönnis für alle überraschend seinerzeit im Planungsausschuß Dr.Kment als Gutachter vorgeschlagen hat -wer hat wann und warum gegenüber Tönnis den Gutachter Dr.Kment „ins Spiel gebracht“ -eine Frage, die nur Tönnis beantworten kann. Und nebenbei bemerkt: Mit der Kritik durch Prof.Holtkamp wird ‚mal wieder klar gemacht, wie wichtig es ist, als Politiker in der Kommune (aber auch in der Regione,im Land, im Bund ) beruflich unabhängig zu sein von einer Partei und von parteipolitischen Interssen.Zudem freue mich, daß die Kritik jetzt nicht von mir, von einem SPDler kommt, sondern durch den Fraktionsvor.von Bündnis90/Die Grünen im Stadtrat in Waltrop, Prof.Dr.Lars Holtkamp,vorgetragen wird.

Robin Patzwaldt
Robin Patzwaldt
12 Jahre zuvor

Ergänzend dazu, falls jemand es noch nicht gesehen hat:

https://www.derwesten.de/staedte/unser-vest/Zoff-bei-den-Gruenen-id4807436.html

allemachtdendrähten
allemachtdendrähten
12 Jahre zuvor

Ich hätte mir gewünscht auf den Ruhrbaronen neben Datteln auch etwas über den Grünen Parteitag vom 26. Juni und das wenn und aber dort zu zu lesen. Weil WAZ und Co. schreiben doch nur wieder langweilige Verlautbarungen. Aber was nicht ist , ist eben nicht.

Jens
12 Jahre zuvor

Also normalerweise werden Koalitionsverträge von Parteien unterzeichnet und nicht von Fraktionen. Sabine von der Beck war zwar beim Foto-Termin dabei, aber rechtlich dürfte eher die Unterschrift von Börje Wichert gewesen sein. Und Börje Wichert steht nicht in einem – imho eher aberwitzig konstruierten – Abhängigkeitsverhältnis zu Frank Baranowski.

Ich glaube das waren ein paar Datteln-Waltroper Nebelkerzen die da gezündet wurden, um sich zu erklären, was gemäß deren Lehre nicht sein kann…

… wie beispielsweise die Tatsache, dass ein Niedersachse im Vorfeld der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen versucht zu erklären was geht und was nicht.

Walter Stach
Walter Stach
12 Jahre zuvor

Ich bin gespannt, ob , wann , wie und durch wen meine Fragen -sh.2.)- beantwortet werden. Zum Grünen Parteitag: Als Mitglied der SPD kann ich nur neidvoll auf den Parteitag zurückblicken. Die Debattenkultur, das Engagement, die harte, aber faire Auseinandersetzung in der Sache waren vorbildlich für Parteitage/Delegiertenversammlung aller Parteien. Und zu einigen Berichten und Kommentaren in den heutigen Zeitungen, z.B. mit der Überschrift: Grünen billigen Merkels-Atomausstieg, kann ich nur sagen: dummreist, lächerlich. Die Grünen haben nicht den Atomausstieg von Merkel gebilligt, sondern Merkel und ihre CDU sind nach jahrzehntelangem Kampf für die Atomenergie, nach einer vor einigen Monaten beschlossenen Verlängerung der Laufzeit jetzt ohne wenn und aber auf den Ausstiegskurs der Grünen eingeschwenkt. Wie Trittin zurecht sagte, der kommende Donnerstag ist im Bundesstag der „Grün(e)-Donnerstag“. Ihren Triumpf über die Atomwirtschaft und die Atomlobby -auch in den Medien- sollten die Grünen genießen;nicht nur im stillen.l

Klaus Paulus
Klaus Paulus
12 Jahre zuvor

Wer den „Gut“-Achter Kment aus dem Hut zauberte, das halte ich für zweitrangig. Viel entscheidender ist für mich die Frage: Warum bestellte nicht der RVR das Papier, sondern der Stromkonzern selbst? Wer hat wie an dieser Schraube gedreht? Welche internen Absprachen oder Vereinbarungen gab es dazu beim RVR? Das „falsche“ Prozedere nur als „Versehen“ zu sehen, halte ich für zu grün- und gutgläubig. Welche Rolle spielte der ehemalige Fraktionsvorsitzende, der sich für ein biblisches Linsengericht verkaufte? Ich wage eine Prognose: Auf parlamentarisch-politischer Ebene wird es keinen Widerstand geben gegen Datteln IV.

Wie ganz anders reagierte die SPD 1984:
Im September 1984 stellte das OVG Münster gravierende Mängel fest im Planfeststellungsverfahren für den Bau der Negertalsperre im sauerländischen Brunskappel bei Meschede. Gegen die Nichtzulassung der Revision zog der Ruhrtalsperrenverein (RTV) vor das Bundesverwaltungsgericht und holte sich dort eine blutige Nase, auf die er fiel. Der Baustopp wurde rechtskräftig.

Die Dortmunder Rechtsanwältin Wiltrud Rülle-Hengesbach konnte nachweisen, die Talsperren sollen nur das einzuleitende Dreckwasser verdünnen. Mit dem Talsperrenwasser sollte die Qualität von Grund- und Fließwasser „verbessert“ werden. Die Industrie hättte ihre Abwasser weiterhin nicht klären müssen.

Soweit die Parallelen zu Datteln IV und E.ON.

Am 28.11.1984 setzte der Minister für Landwirtschaft und Forsten, Klaus Matthiesen (SPD) im Landeskabinett die Streichung der geplanten Talsperre aus dem LEP III durch, „damit niemand auf dumme Gedanken kommt.“ Am 31.11.übernahmen der Bezirksplanungsrat in Arnsberg und am 5.12.1984 der Kreistag des Hochsauerlandkreises den Kabinettsbeschluss.

Der RTV setzte 35 Mio. DM = 17,87 Mio € in den Sand.

Am 20. März 1991, sieben Jahre später, stoppte Arnsberg Regierungspräsidentin Raghilt Berve das laufende Planfeststellungsverfahren für einen überdimensionierten Trinkwasserspeicher von 18,5 Mio m³. Dazu hatte sie vom zuständigen rot-grünen/ grün-roten Minister Rückendeckung erhalten.

Der umweltbewußte Sozi Klaus Mathiesen aus Schleswig-Holsteiner war von MP Johannes Rau (SPD)an den Rhein geholt worden, um die kohleschwarze Färbung im Rot der SPD etwas aufzuhellen.

trackback
12 Jahre zuvor

Links anne Ruhr (28.06.2011)…

Duisburg (Loveparade 2010): Staatsanwalt hält Geheimakten für gerechtfertigt (DerWesten) – Dortmund: Überhitzte Busse machen Zwangspause (Ruhr Nachrichten) – Bochum: Riesige Facebook-Party mit 50.000 Menschen in Bochum a…

jens
jens
12 Jahre zuvor

@#5-StefanLaurin: Lieber Stefan … Du als alter SPDler, sei es mit oder ohne Parteibuch, hat von grüner Folklore so viel Ahnung wie ein Fisch als Fuchs. Du kannst den Augenblick aus der roten Erfahrungswelt bewerten, dass sollten alle wissen die deine Artikel lesen…aber das ist o.k…..

Walter Stach
Walter Stach
12 Jahre zuvor

Wenn jemand, der hier Beiträge schreibt oder kommentiert, sich als Mitglied einer Partei outen will, dann soll er das tun. Ich habe das als „alter“ SPDler getan. Das muß aber nicht sein, und eingefordert werden sollte es schon gar nicht. Und zudem erwarte ich, daß jedem, der hier Beiträge schreibt oder diese kommentiert,selbstverständlich zugestanden wird, eigenständig und unabhängig zu sein und zu schreiben und dieses ebenso selbstverständlich auch dann ist und das macht, wenn es nicht deckungsgleich ist mit dem Willen „seiner“ Partei.

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