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„Demonstrationsverbote für Kurden in Köln sind keine Ausnahme“

Tobias Huch Foto: Privat


Tobias Huch ist Nahost- und Kurdistan-Experte, Journalist und Publizist und engagiert sich seit Jahren für Kurdistan: Er sammelt Versorgungsgüter, Medikamente und Wasser für die Menschen. Er hat Kontakt zu zahlreichen kurdische Gruppen und ist als Liberaler kein Anhänger der marxistische  PKK.  Ihre Rolle beim Kampf gegen den Islamischen Staat stellt er trotzdem heraus. Die Verbote von kurdischen Demonstrationen unter anderem in Köln hält er für einen Skandal.

Ruhrbarone: Der kurdische Verband Nav-Dem darf in Köln nicht mehr demonstrieren. Ist das für Sie eine nachvollziehbare Entscheidung?

Tobias Huch:  Nein. Diese politische Entscheidung basiert auf keiner sachlichen Grundlage. Die genannten Gründe sind vorgeschoben. Es geht hier offenkundig um einen Kniefall vor dem türkischen Erdogan-Regime.

Man argumentiert mit Auflagenverstößen und Gewalt. Tatsache ist aber, dass die Auflagen in weiten Teilen reine Provokation sind. Z.B. wurden bei Versammlungen das Verteilen von Trinkwasser und Essen verboten. Dieses Verbot gab es auch für ein von NAV-DEM geplanten Festival, welches seit Jahren einen unglaublich friedlichen und integrierenden Charakter hatte.

Gleichzeit wurde die Polizei angewiesen gegen kleinste Verstöße – wie z.B. eine Öcalan-Flagge – mit harter Polizeigewalt vorzugehen. Damit will man nicht einen angeblichen Auflagenverstoß bekämpfen, sondern man will – auch das ist offensichtlich – Gewalt erzeugen.

Bei der letzten Demo in Köln gab es 1.000 Polizisten, die teils schwer bewaffnet waren. Harmlose Flaggen wurden verboten und provokante Auflagen wurden gestellt. Die Polizei ist hart vorgegangen, obwohl es sich um friedliche Kurden handelte und nicht um einen Aufzug türkischer Faschisten. Zur gleichen Zeit fand in London eine gleichartige Kurdendemo statt. Dort waren alle Flaggen erlaubt, es gab weniger als 20 Polizisten (unbewaffnet). Es gab keine Gewalt, sondern eine friedliche Demo, mit der jeder zufrieden war.

Ruhrbarone: Erdogan führt Krieg gegen die Kurden und versucht die Stadt Afrin einzunehmen, Was bedeutet es für Kurden, dagegen nicht einmal demonstrieren zu können?

Tobias Huch: Es ist eine unglaubliche Beleidigung für alle in Deutschland lebende Kurden. Deutschland ist den Kurden zu unglaublichem Dank verpflichtet, weil es die Kurden waren, die den IS zerstört haben. Der IS wäre jetzt in unseren Städten aktiv, wenn die Kurden, also die Peshmerga, die YPG, die YPJ und auch die PKK, ihn nicht quasi im Alleingang zerstört hätten.

Jetzt greift der türkische Despot Erdogan gemeinsam mit IS- und AlQaida-nahen Dschihadisten die demokratische Enklave Afrin an und der Westen schaut weg. Zivilisten, Frauen und Kinder, werden bombardiert und ermordet, aber es regt sich kein Protest. Afrin war bisher vom Krieg verschont geblieben und die Kurden boten dort hunderttausenden Flüchtlingen guten Schutz, aber jetzt bringt Erdogan den Krieg zu ihnen.

Die türkische Armee bekämpft mit deutschen Waffen diese kleine demokratische Insel. Das muss man laut aussprechen dürfen – gerade auf Demonstrationen.

Ruhrbarone: Ist Köln eine Ausnahme oder gibt es ein solches Verbot in mehreren Städten?

Tobias Huch: Leider ist Köln keine Ausnahme. In Mainz gab es schon vor dem skandalösen Verbot der kurdischen Flaggen durch das BMI ein Verbot dieser Symbole. Rein willkürlich durch das Ordnungsamt und basierend auf erkennbarer Kurdenfeindlichkeit.

Ruhrbarone: Wer übt den Druck aus, damit es zu solchen Verboten komm?

Tobias Huch: Es ist leider auch Fakt, dass die türkisch-faschistische Lobby sehr großen Einfluss in Deutschland auf allen Ebenen hat. Beispielsweise sind viele Integrationsräte der Kommunen mehrheitlich mit konservativen und islamistischen Vertretern besetzt. Und auch die Integrationsbeauftragt der Bundesregierung fördert lieber intolerante und umstrittene Vereine, als säkulare und liberale.

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der, der auszog
der, der auszog
6 Jahre zuvor

Es ist schon bizarr, dass auf Pro-Erdogan Demonstrationen in Köln, Oberhausen und anderen Orten der Republik fanatische Türken und osmanen lautstark nach der Todesstrafe rufen dürfen, ohne dass die deutsche Politik oder die Polizei dazwischen grätscht, aber das dumme Konterfei von Abdullah Öcalan auf Fahnen offensichtlich ausreicht, um eine Kurdendemo im Keim zu ersticken.

Mich wundert allerdings, mein lieber Tobias Huch, dass einem bei solchen Veranstaltungen zwar Massenhaft Politiker der Linken, besonders viele der MLPD und ein paar versprengte Grüne über den Weg laufen, aber niemand von der FDP… weder Sie noch irgendwelche Lindners oder Buschmänner. Als jemand, der bei den letzten Wahlen gerne FDP gewählt hat, weil er von einer liberalen (Menschenrechts-)Partei träumt, wie es sie vor Ewigkeiten einmal gegeben hat, finde ich das Engagement der Liberalen in Deutschland bei diesem Thema bislang extrem dürftig,

Kann es vielleicht sein, dass nicht nur die beiden großen Volksparteien im Zusammenhang mit den Konflikten mit, in und hinter der Türkei derzeit lieber die Klappe halten, sondern auch Ihr Liberale?

Klaus W.
Klaus W.
6 Jahre zuvor

Die PKK gilt in der EU als Terrororganisation und APO als deren Symbolfigur . Insofern ist es logisch, dass das Zeigen bestimmter Symbole der PKK nunmal bei Demonstrationen verboten ist. Daran kann ich nun nichts Ungewöhnliches erkennen, zumal dies auch für andere Gruppierungen gilt.

Wenn Demonstrionsanmelder sich in dieser Hinsicht dann in der Vergangenheit als unzuverlässig und sich in den Kooperationsgesprächen mit den Behörden im Vorfeld der Demonstration unkooperativ in Bezug auf Auflagen zeigten, ist ein Verbot auf rechtsstaatlicher Grundlage logisch.

Es ist auch überhaupt nicht so, dass die Kurden den Daesh im Alleingang, sondern mit vielfältiger Unterstützung, seien es US-Luftangriffe oder Waffenlieferungen aus Deutschland in den von Kurden mehrheitlich bewohnten und daran angrenzenden Gebieten besiegt haben. Der Daesh war und ist immer noch auch in anderen Regionen Syriens und des Irak aktiv, in denen die Kurden nicht aktiv waren und wird dort anderweitig bekämpft.

Es ist auch so, dass die Proklamierung eines eigenen Staates der zudem zum Teil untereinander zerstrittenen Kurden international keine Unterstützung findet und auch keine weiteren Eskalationen zwischen den hier in Deutschland lebenden Türken und Kurden gewünscht werden.

Was mich aber immer wieder verwundert, ist die ambivalente Haltung von Stefan Laurin – -bspw. zu palästinensischen -Widerstandsbewegungen.

Die PKK als eine der mächtigsten militanten Kurdenorganisationen ist kein Gesangsverein und gilt gemeinhin weniger als demokratisch denn als streng stalinistisch, geht mit Abweichlern nicht zimperlich um und soll sich zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes – wie viele andere militante Organisationen .wie beispielsweise auch die Hezbollah- auch fragwürdiger Methoden wie Schutzgelderpressung unter Kurden im Ausland und Drogenhandel bedienen.

In diesem Interview mit einem Experten wäre sicherlich auch ein wenig Nachfragen zu innerkurdischen Konflikten, zur Strategie des bewaffneten Widerstandes. zur Frage und strategischen Bewertung der Proklamierung eines Kurdenstaates, zu den militärischen Chancen für die Kurden in der aktuellen Situation, zum Verhöltnis zwischen Kurden und Türken hierzulande , sicher ausgesprochen informativ gewesen .

Aber- das wäre dann ja richtiger Journalismus gewesen….

Helmut Junge
Helmut Junge
6 Jahre zuvor

dda, "Es ist schon bizarr, dass auf Pro-Erdogan Demonstrationen in Köln, Oberhausen und anderen @Orten der Republik fanatische Türken und osmanen lautstark nach der Todesstrafe rufen dürfen, ohne dass die deutsche Politik oder die Polizei dazwischen grätscht, aber das dumme Konterfei von Abdullah Öcalan auf Fahnen offensichtlich ausreicht, um eine Kurdendemo im Keim zu ersticken. "
Ja, das ist bizarr. Eigentlich kann das nur verstehen, wer davon ausgeht, daß ein langer Arm (natürlich mit Sprechorgan ) aus Ankara, hier bereits direkt oder indirekt das Sagen hat. Wer das nicht glaubt, kann nur nachdenklich den Kopf schütteln.

nussknacker56
nussknacker56
6 Jahre zuvor

Mit dem Thema PKK werde ich auch ab und zu konfrontiert. Hier wäre es für mich sehr interessant gewesen, von Tobias Huch eine ausführlichere Einschätzung der PKK zu bekommen. Inwieweit hat sich diese von ihrer früheren Position, die sie als Mischung zwischen Terrororganisation und krimineller Organisation auswies, wegbewegt? Öcalan scheint sich von seiner ehemaligen Haltung distanziert zu haben. Wie ist das einzuschätzen?

@Klaus W. #2
Mit palästinensischen „Widerstandsbewegungen“ meinen Sie die entsprechenden Killergruppen, für die Sie offensichtlich Sympathien hegen. Die PKK scheint mir im Vergleich dazu, selbst in ihrer übelsten Phase (und ich habe da keine Illusionen), noch manierlich zu sein. Zumindest habe ich nie vernommen, dass diese ihre Anschläge z.B. gezielt gegen Zivilisten richtet.

Klaus W.
Klaus W.
6 Jahre zuvor

@Nussknacker

Es ist angesichts Ihres Beitrages schon bemerkenswert, dass ausgerechnet Sie immer wieder den Vorwurf "doppelter Standards " erheben.

Sie finden es also angezeigt, den Begriff " manierlich " für Anschläge der PKK oder der TAK zu verwenden, weil diese sich – so behaupten PKK und TAK zumindest – gegen Polizisten wie bspw. vor zwei Jahren vor einem Fussballstadion richten und zivile Opfer zwar nach eigener Aussage leider unvermeidlich seien, aber man sich dafür entschuldige und seine Mitglieder für Terroranschläge demnächst besser schulen will, damit zivile -das eigene Image wohl störende- Opfer dann etwas besser vermieden werden könnten?

Finden Sie nicht auch, dass es ein Unterschied ist, ob man Soldaten in Kampfhandlungen tötet oder Polizisten, die zur Sicherung eines Fusssballspieles einfach nur "normale Polizeiarbeit" verrichten, inmitten einer Menschenmenge in die Luft jagt?

Finden Sie Ihre -auch nur vergleichsweise zur Abgrenzung dienende – Verwendung des Begriffes "manierlich" in diesem Zusammenhang nicht vollkommen deplatziert ?

Sie finden offensichtlich das Töten von Uniformierten – auch außerhalb von direkten Kampfhandlungen oder militärstrategischen Operationen, also bei Terroranschlägen, bei denen zudem auch arglose Zivilisten gefährdet werden – nicht ganz so schlimm und "manierlich" – jedenfalls dann , wenn die Opfer Türken und die Täter keine Palästinenser sind.

Werter Herr, mit dieser Haltung liegen Sie reichlich unmanierlich daneben und disqualifizieren sich für jegliche weitere Diskussion.

Insbesondere empfehle ich Ihnen, sich bei den Themen Moral , "doppelte Standards" und Manieren Zurückhaltung aufzuerlegen.

nussknacker56
nussknacker56
6 Jahre zuvor

Klaus W. #5
Zur Erinnerung: Das Thema des Artikels war „Verbote von kurdischen Demonstrationen“. Sie benutzen in Ihrer Einlassung #2 die Konstruktion „palästinensische Widerstandsgruppen“. [Vermutlich würden Sie es sich auch beim Thema Küchenrezepte nicht verkneifen können, Ihre speziellen Obsessionen unterzubringen.]

In meinem Post steht unzweideutig „Die PKK scheint mir im Vergleich dazu …“. Ihre komplette Antwort auf meine Reaktion besteht nun darin, diese entscheidende Einleitung zu unterschlagen um mir – mangels anderweitiger Substanz – etwas unterstellen zu können. Sie reißen meine Worte aus dem Zusammenhang und malen dann bis zum Geht-nicht-mehr ein Szenario aus, das ausschließlich in Ihrer Fantasie existiert.

Finden Sie das nicht ziemlich lächerlich?

Klaus W.
Klaus W.
6 Jahre zuvor

@Nissknacker -Aber selbstverständlich würde ich auch bei einer Diskussion über Küchenrezepte auf die großsrtige palästinensische Küche hinweisen. Danke für
dieses Stichwort. ?

Zur Sache, Nussknscker : ich habe Ihre Aussage sehr wohl passend wiedergegeben.

Ich habe- wenn Sie es bitte zur Kenntnis nehmen wollen, was Sie natürlich haben, geschrieben:
"Finden Sie Ihre -auch nur vergleichsweise zur Abgrenzung dienende – Verwendung des Begriffes "manierlich" in diesem Zusammenhang nicht vollkommen deplatziert ?"

Ihr Versuche, nun den Kopf aus der selbst geknüpften Schlinge zu ziehen und Ihre eigene Aussage nicht zurückzunehmen, sondern zu leugnen, sind da schon in die Kategorie "dürftig bis peinlich" einzuordnen- oder, um es – mit Verlaub- mit Ihren Worten zu sagen: lächerlich.

ke
ke
6 Jahre zuvor

Es ist erstaunlich, dass die aktuellen Kampfhandlungen in Nordsyrien kaum in der Presse erscheinen. Über die Zerstörung von wichtigen Kulturgütern wurde in den letzten Jahren immer sehr wirksam berichtet. Dass u.a. der "Tempel von Ain Dara" wahrscheinlich Opfer der Luftangriffe wurde, hatte ich erst dieses Wochenende mitbekommen.
http://www.sueddeutsche.de/kultur/krieg-in-nordsyrien-kulturgut-zerstoert-1.3846685

In Deutschland gibt es einen Rechtsstaat. Gegen Demos und ihre Auflagen kann geklagt werden. Ebenso gegen andere Entscheidungen.

Es geht hier um Symbole (Flaggen, etc. ). Es muss jeder für sich entscheiden, ob er sich an die Auflagen hält und sein Anliegen vorträgt oder nicht.

nussknacker56
nussknacker56
6 Jahre zuvor

Klaus W. #7
Wer mit Ihnen mehr als einmal kommuniziert, darf sich nicht hinterher über mangelnde Auffassungsgabe des Gegenübers beschweren. Insofern bin ich selber schuld und nehme das Ganze auf meine Kappe.

Nuri
Nuri
6 Jahre zuvor

Mensch Laurin, da scheinst du dich mit dem Thema aber beschäftigt zu haben. Kleine Anmerkung: Der Marxismus-Leninismus wurde vor knapp zwei Jahrzehnten durch den demokratischen Konföderalismus ersetzt, u.a. sei die Doktrin des "real existierenden Sozialismus" einer der größten Fehler gewesen sein. Weiter wird auch keinen Wert auf einen eigenständigen Nationalstaat gelegt.
Warum die Friedensgespräche und der Waffenstillstand damals einseitig aufgekündigt wurde, lässt sich vllt. heute erahnen…
Die Informationslage ist tatsächlich mehr als dürftig und nur selten als "objektiv" zu betrachten. Trotzdem verwundert es auch mich, warum sich auf auf nur ganz wenigen Quellen gestützt wird, die wiederum selbst sich auf andere Quellen stützen, wobei diese auch nicht unparteilich sind, doch wird dieses nur selten erwähnt. Selbst(?) dpa, reuters und Co. beziehen ihre Infos häufig von syrische organisation für menschenrechte- ein ein-Mann-Betrieb aus UK, der wiederum -angeblich- in Verbindung zur sogenannten Opposition stehen soll. Alles recht einseitig und verwunderlich.

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