Der Martin, der Siggi, die Medien und das Chaos

Verkündung der Wahl zum Parteivorsitzenden der SPD am 19. März 2017 in Berlin. Sigmar Gabriel gratuliert Martin Schulz Foto: Olaf Kosinsky Lizenz: CC BY-SA 3.0 de

Ihr erinnert euch noch wie es anfing. Als der Siggi von den Medien runtergeschrieben worden war und sie ihm keine Chance gegen Angela einräumten. Weil er nicht zuverlässig, nicht gradlinig und vor allem zu trickreich war. Wie der Siggi darauf hin seinem Freund Martin ganz großzügig die Kanzlerkandidatur der SPD überlassen hatte. Im Interesse der Partei natürlich und um sich mehr um seine Familie zu kümmern.

Wie die Presse das als tollen Coup von Siggi verkaufte und die SPD ihren Martin mit 100% Rückendeckung in den Wahlkampf schickte. Wie er gleich am Anfang des Wahlkampfes von den Medien so groß geschrieben wurde, dass er es selber zu glauben anfing, dass er wirklich ein Riese sei. Und die SPD das auch glaubte, weil der letzte Riese in ihrer Partei schon so lange tot und dringend ein neuer fällig war. Mit einem Riesenwahlerfolg in seiner Zaubertasche.

Aber Martin konnte nicht zaubern sondern nur plaudern, und als das die Medien entdeckten schrieben sie ihn wieder so klein wie er wirklich war. Was wiederum Siggi sehr freute, denn nur so   konnte er in die Kanzlerarena zurück, ohne selbst ein chancenloser Verlier gewesen zu sein. Und zwar dann, wenn die ewige Angela aufs Altenteil gegangen sein würde. So half er der Presse noch mal kräftig nach, um seinen Freund Martin n o c h kleiner zu machen, als er wirklich war.

Der wollte aber nach seiner riesigen Niederlage nicht einfach in einem Erdloch verschwinden, sondern als Erneuerer der Partei wieder ein Riese werden. Zumindest aber so groß, wie er sich selber wünschte. Und die Partei wollte nicht schon wieder einen neuen falschen Riesen wählen. Was war da besser als eine riesige Opposition auszurufen. Was natürlich dem Siggi ganz und gar nicht gefiel.

Der war nämlich in der Zwischenzeit als Außenminister wieder aufgetaucht und immer beliebter geworden, weil ihn die Presse auf einmal ganz zuverlässig, gradlinig und superdiplomatisch fand. Siggi war überall und am allerwenigsten bei seiner Familie. Er  las der ganzen Welt als neuer deutscher Superstar die Leviten obwohl er nie wirklich etwas Kluges sagte, und das führt nun mal fast automatisch zu höheren Umfragewerten.

Wie schön war es da für ihn, dass Jamaika auf einmal platze, weil sich der Christian nicht darum scherte, wie klein ihn die Medien danach schreiben würden. Viel wichtiger für Siggi war aber,  dass sie im selben Atemzug die Gefahr einer Minderheitenregierung riesengroß darstellten und Siggis Parteikumpel im Präsidentenamt sofort diese Bedrohung begriff. Im Interesse aller Bürger natürlich, die er zugleich vor Neuwahlen schützen musste, was die Medien wiederum als staatstragend feierten.

Das mussten dann Martin und seine SPD auch werden, nur dass die Medien dafür Martin nicht feierten sondern noch kleiner schrieben. Auf einmal galt Er als das, als was Siggi früher galt: unzuverlässig, wankelmütig und wendehalsig.  Siggi und Martin hatten in und durch die Medien die Rollen getauscht. Für Siggi ging es immer weiter nach oben und für Martin immer weiter nach unten. Der wechselseitige Antrieb von Medienmache und Meinungsforschung lief eindeutig für Siggi.

Er konnte einfach nur abwarten. Kein entscheidendes Wort von ihm auf dem Sonderparteitag, auf dem sein Freund Martin sich für die Groko-Verhandlungen, die er nie wollte, abrackerte und der trotzdem nur äußerst knapp die Koalitionsverhandlungen beschließt. Er steigt erst wieder ein, als diese äußerst erfolgreich abgeschlossen sind. Und zwar genau da,  wo es um seinen Posten geht. Den will nämlich jetzt der Martin haben, und er hat eigentlich auch allen Grund dazu.

Nicht Siggi sondern er hatte den Wahlkampf durchgezogen. Nicht Siggi sondern er hatte die Partei in die Sondierung und dann in die Koalitionsverhandlungen geprügelt. Nicht Siggi sondern er hatte dabei mehr rausgeholt als alle erwartet hatten. Was war da fairer, als das er nach der ganzen Maloche wenigstens ein Stück vom Ministerkuchen abbekommen würde. Siggi hatte sich doch auch nie darum geschert, was er gestern gesagt hatte. Warum sollte das nicht auch für ihn gelten.

Nur, dass das nicht in Siggis Plan passte.  Noch schlimmer, der Obertrickser Siggi fühlte sich selbst ausgetrickst, und das ist das was er nun wirklich nicht leiden kann. Sein Freund Martin wollte einfach nicht in die zweite Reihe zurück treten, nachdem er seine Arbeit für ihn getan hatte. Und, welch Zufall,  tönen die Medien unisono und immer lauter, das er auch der viel bessere und viel beliebtere  Außenminister ist.  Sie lassen sogar zu, dass er seine kleine Tochter als politische Lobbyisten für sich und gegen den hinterhältigen Martin einsetzt.

Dass das die SPD endgültig ins Chaos treiben würde, war Siggi völlig egal. Denn er wusste von Anfang an, dass sein Freund Martin eins nicht kann: Gegen massiven Widerstand seinen Willen durchsetzen. Martin, die Lusche, und Siggi, der Trickser, waren von Anfang nicht nur ein sehr ungleiches Paar, sondern zugleich der zentrale Ausdruck des sozialdemokratischen Führungsdilemmas. Für die  SPD ist es deswegen besser, wenn sie beide auf das Altenteil schickt und sich ganz auf die inhaltliche Diskussion des Koalitionspapiers konzentriert. Schlimmer kann es sowieso nicht mehr werden.

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Werntreu Golmeran
Werntreu Golmeran
6 Jahre zuvor

Lieber Herr Voss,

ich verfolge diesen Blog ja schon seit längerem und hätte nie geglaubt, dass die Ruhrbarone einmal auf den "Lügenpresse-Zug" aufspringen würden. Ich halte nichts von dem Begriff "Lügenpresse" aber halte, anders als viele hier im Blog in der Vergangenheit, die Manipulationsmacht einiger weniger Medienmogul/Innen und ihrer Netzwerke seit langem für eine Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Interessant finde ich, dass die Erleuchtung bei einigen gerade bei einem Thema kommt, bei dem ich es nicht gedacht hätte, dem kollektiven Selbstmord einer Partei namens SPD. Was die Parteiführung gerade als Posse vorführt, erinnert mich schwer an den legendären Film "Das Grosse Fressen" ("La Grande Bouffe") von Marco Ferreri. Die machthungrige Parteispitze berauscht sich bis zum Anschlag an ihrer Spielchen, Ihren Pöstchen und ihren Intrigen, bis sie stirbt:

https://www.youtube.com/watch?v=uZz3Nh2pJfs

Einfach nur ekelhaft!

Werntreu Golmeran
Werntreu Golmeran
6 Jahre zuvor

PS.:

Einfach nur ekelhaft, aber irgendwie auch faszinierend zu beobachten!

Der Mensch ist nun einmal ein Voyeur.

Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

Arnold,
danke für die klaren, die sehr klaren Worte!!!

Konsequenzen für den politisch interessierten und engagierten Bürger, unabhängig von seinen parteipolitischen Präferenzen?
Ein Kommentar wie der von Dir und entsprechende Beiträge dazu hier bei den Ruhrbaronen könnten der Beginn eines wirksamen Widerstandes in der "Gesamtgesellschaft" gegen diese Art von "Politik-Mache" durch einen großen Teil der Medien sein -hoffentlich!!!

Für mich ist es jedenfalls unbegreiflich, daß Gabriel ohne jeglichen medialen Widerspruch sich als d e r -unersetzbare- deutsche Außenminister, daß Gabriel sich mittels der Medien als der von seinen Genossen in der SPD-Führung bösartig Hintergangene darstellen kann und daß diese Medien dabei sind, alles, aber auch alles zu unternehmen, Gabriel zu unterstützen, damit der weiterhin Außenminster bleiben kann. Sind die Journalisten, die in unverschämter Weise dieses Gabriel-Geschäft betreiben, allesamt irre?

4 weitere Merkel Jahre und 4 weitere Jahre mit einem Außenminister Gabriel?
"Unserem " Land und seinen Menschen scheint nichts erspart zu bleiben ; und mir als SPD-Mitglied wird mehr zugemutet, als dauerhaft zu ertragen ist -durch den Parteivorstand, durch Gabriel im besonderen und durch das insofern irre Medienspektakel.

Helmut Junge
6 Jahre zuvor

@Werntreu Golmeran, ja Voyeur. Die Parteimitglieder, die sich untereinander duzen und Genossen nennen, haben es über 150 Jahre lang geschafft, sich nicht in der Öffentlichkeit gegenseitig zu beharken. Vor einem guten Jahr hat mir eine ehemalige Stadträtin der SPD gesagt, daß sich in dieser Partei die Beziehung untereinander extrem verschlechtert hat. Jetzt sehe ich das auch von Außen so. Genau dasselbe Verhalten, wie in anderen Parteien. Die Steigerung von Feind ist Parteifreund (jetzt Genosse).
Und ich glaube eher, daß die Medien sich in dieser Frage nach der Stimmung in der Bevölkerung richten, als daß sie sie prägen. Nur ist das eigentlich egal, weil kein "Parteifeind" so schlimm sein kann, wie der interne Führungszirkel. Niemand kann diese Partei besser runtermachen, als diese Typen vom Vorstand selber. Und jetzt müssen sie ihre Mitglieder befragen. Das sind Leute, die in ihren Wohnungen, ohne Hilfestellung ein Kreuzchen machen können, jedes Mitglied für sich. Da hätte ich an Stelle des Vorstands auch Bammel vor.

Ronald Milewski
Ronald Milewski
6 Jahre zuvor

Lieber Arnold, liest sich ganz flüssig und macht einen schlüssigen Eindruck deine Geschichte: Das Ende einer vermeintlichen Männerfreundschaft aus einem individualpsychologischen Blickwinkel. Eingängioger Plot, nur tust Du genau das, was Du kritisierst. Du wählst wahllos Personen aus einem komplexen Geschehen aus, unterstellst Idiesen Charakterzüge und böse oder lautere Motive, schreibst gleichfalls den Einen hoch und den Anderen runter. Ok immer noch besser als die Habecksche Personalisierung der Politik, die vorgeblich "Freundschaften kaputt machen kann". Immerhin ist dieser Betrachtungsweise jedoch die Chance immanent, deine individualpsychologische Betrachtungsweise zu verlassen und bspw. das System SPD-Führung zu betrachten. Wenn wir Andrea und Olaf in unserer Betrachtung dazu nehmen, besteht z. B. die Möglichkeit einer systemischen Prozessanalyse in Hinblick auf die möglichen Triaden. Dies sind bei vier Personen immerhin vier Triaden unterschiedlicher Stabilität und Pervertiertheit. Eine solche systemischen Betrachtungsweise ist jedoch durch und durch kontraintuitiv, weil der tagtäglichen Denkpraxis in individualpsychologischen Kategorien diametral entgegengesetzt. Darin haben Journalisten und deren Kritiker üblicher Weise keine Übung. Folgerichtig sind systemische Narrative sperrig und lesen sich nicht flüssig. Plots dagegen nach dem Motto "Hosianna" vs. "kreuziget ihn" haben eine lange Tradition und sind gängige Alltagspraxis.

discipulussenecae
discipulussenecae
6 Jahre zuvor

Mir fallen da zwei abgelutsche Witze ein:

Wie steigert mann Feind? Feind – Todfeind – Parteifreund.

Und der andere: Hast Du einen Opa, schick ihn nach Europa …

Daß abgehalfterte, versorgungsbedürftige, resteverwertete und überhaupt unfähige Politiker es einfach nicht hinkriegen, hat der Martin mal wieder eindrucksvoll bewiesen …

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