Die höchste Brandmauer hat die AfD selbst errichtet

Alice Weidel und Tino Chrupalla Bild: Sandro Halank, Wikimedia Commons Steffen Prößdorf Lizenz: CC BY 4.0


Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft nach einem Gutachten die AfD als gesichert rechtsextrem ein. Die Betonierung ihres Paria-Status hat sich die Partei selbst zuzuschreiben. Sie hat die  höchste Brandmauer  selbst errichtet.

Seit heute gilt die AfD als gesichert rechtsextrem und kann nun deutlich leichter als bisher nachrichtendienstlich überwacht werden. Der Verfassungsschutz kam nach einem schon seit Monaten fertiggestellten Gutachten zu diesem Ergebnis. Hauptgrund ist das völkische Denken, das die Partei prägt: „Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar. Es zielt darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen“, heißt es in der Presseerklärung der Verfassungsschützer. Die AfD sieht sich kriminalisiert – was natürlich Unsinn ist, denn gegen die Verfassung zu sein, ist in Deutschland keine Straftat. Die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla haben rechtliche Schritte angekündigt und sehen nicht nur sich, sondern gleich die Demokratie als Opfer: „Die heutige Entscheidung des Verfassungsschutzes ist ein schwerer Schlag gegen die bundesdeutsche Demokratie: In aktuellen Umfragen führt die AfD als stärkste Kraft.“

Das völkische Denken bildet eine der Grundlagen der Identitätspolitik – übrigens ebenso von links wie von rechts: Menschen werden durch ihre ethnische Herkunft qua Geburt unveränderliche Eigenschaften angedichtet. Sie werden nicht als Individuen gesehen, sondern nur als Teil von Gruppen – und somit ohne jede Chance, Teil anderer Gesellschaften zu werden Das völkische Denken ist kein neues Phänomen – und seine Überwindung hat eine lange Geschichte. Schon im 5. Jahrhundert vor Christus stellte der griechische Philosoph Isokrates im Streit um die Frage, wer Athener ist und wer nicht, fest: „Unsere Stadt hat die ganze Menschheit im Denken und Sprechen so weit übertroffen, dass ihre Schüler zu Lehrern der anderen geworden sind; sie hat bewirkt, dass der Name der Griechen nicht mehr im Sinne von Verwandtschaft, sondern im Sinne einer Denkweise verstanden wird und dass Menschen als Griechen bezeichnet werden, wenn sie unser Erziehungssystem, nicht aber eine gemeinsame Abstammung teilen.“

Im Gegensatz zur AfD war Isokrates von Athen und seinen Werten überzeugt. Die AfD indes kann mit der Bundesrepublik nicht viel anfangen – es ist nicht ihr Land. Marcus Bensmann bringt es in seinem Buch Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst auf den Punkt:
Die liberalkonservative Publizistin Liane Bednarz definierte nach dem Aufstieg der AfD den Unterschied zwischen bürgerlich-konservativ und rechtsradikal. Der Unterschied basiere auf „den Säulen Antipluralismus, Antiliberalismus und Ethnopluralismus“, so Bednarz am 21. Januar 2020 in der Neuen Zürcher Zeitung.
Der Autor möchte noch zwei Säulen hinzufügen, nämlich den Anti-Atlantismus und den Anti-Globalismus. Diese Abgrenzung gilt bis heute. Wobei gerade der Anti-Globalismus und das Wettern gegen „globale Eliten“ kaum den antisemitischen Kern verbergen können, der darin ebenfalls angelegt ist. Es sei in Erinnerung gerufen: Die Nazipropaganda diffamierte die Juden in Deutschland als „vaterlandslose Kosmopoliten“. Für die AfD ist das ideale Deutschland eines, in dem nur die Nachkommen germanischer Stämme hausen. Sie hat mit der westlichen Zivilisation und ihren antiken Wurzeln nichts im Sinn.

Der Beschluss des Verfassungsschutzes wird die Brandmauer-Diskussion verändern. Die AfD hat sich nicht, wie andere Rechtsparteien in Europa, gemäßigt, sondern immer weiter radikalisiert. Selbst Marine Le Pen (Rassemblement National) will mit ihr nichts zu tun haben. Ihren Paria-Status hat sich die Partei hart und redlich erarbeitet. Mit einer Partei, die die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik zerstören will, kann keine demokratische Partei zusammenarbeiten.

Doch so eindeutig die Verantwortung der AfD für ihre Radikalisierung ist – ebenso eindeutig ist das Versäumnis der demokratischen Mitte, die offenen Flanken nicht zu schließen: Die Verlagerung politischer Entscheidungen auf die suprastaatliche Ebene zum Beispiel, die der Politikwissenschaftler Philip Manow als Beispiel für Entdemokratisierung sieht, weil diese Entscheidungen kaum noch verändert und diskutiert werden können. Auch eine Klimapolitik, die kaum noch Wirtschaftswachstum ermöglicht und das Leben der Menschen immer teurer und komplizierter werden lässt, sowie eine Migrationspolitik, die dazu führt, dass nicht nur Menschen, die in dieser Gesellschaft leben wollen und ihre Werte teilen, im Land bleiben, sondern auch Clan-Kriminelle.

Nur wenn die zahlreichen Probleme gelöst werden, die dafür sorgten, dass die AfD über das rechtsradikale Milieu hinauswachsen konnte, besteht die Chance auf eine Stabilisierung der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Ein Verbot der AfD, über das nun wieder verstärkt diskutiert werden wird, wird allein keine Lösung sein.

 

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