Farewell, Michael Lorant

Michael Lorant war Autor und Journalist – und im Hauptberuf Sozialarbeiter | Foto: Peter Hesse

Am vergangenen Mittwoch ist der langjährige Metal Hammer– und eclipsed-Autor Michael Lorant im Alter von 64 Jahren verstorben. Er war ein regelmäßiger Leser der Ruhrbarone und kam am 23. April mit einer Gehirnblutung in die Notaufnahme. Dort ist er nicht mehr aufgewacht. Ein Nachruf.

Als der Uriah-Heep-Keyboarder Ken Hensley im November 2020 starb, schrieb Michael Lorant in seinem Nachruf, dass dessen Tod „überraschend“ kam. Für uns – den großen Freundes- und Bekanntenkreis des Musikliebhabers – fühlt sich Michaels Tod wie ein Rätsel an. Es ist kaum zu begreifen, dass der Fan von Rot-Weiß Essen und zahlreichen Hardrockbands der 1970er Jahre nicht mehr da sein soll. Ich selbst lernte ihn in den frühen 1990er Jahren beim Dortmunder Stadtmagazin Kaleidoskop kennen, wo wir gemeinsam für den Musikteil verantwortlich waren: Konzertvorankündigungen, Bandfeatures oder Plattenkritiken – mit Michael an der Seite war das ein leichtes Unterfangen. Selbst kurz vor Redaktionsschluss konnte man noch schnell ein Interview in die Tasten hauen – an der Seite von Michael, gab es kein Problem, was man nicht mit ein paar guten Worten und einem Kaltgetränk lösen konnte.

Michael kam aus Hamm und schrieb zunächst für das Musikmagazin Stage Time, bevor ihn Uwe Deese im Jahr 1988 zur Dortmunder Rock-Heft Shark holte. Mit seinen guten Kontakten verhalf er auch mir zur freien Mitarbeit beim Metal Hammer, wo ich 1994 meinen ersten Artikel veröffentlichen konnte – eine dreiseitige Reportage über Busfahrer im Rock’n’Roll-Business. Oft arbeiteten wir als eingespieltes Zweierteam zusammen, und Michael scheute keine kontroversen Themen. 1995 nahm er das Angebot an, Stefan Weidner von den Böhsen Onkelz zu interviewen – das führten wir dann gemeinsam durch. Die Idee, ihn nicht mit der Nazi-Vergangenheit der Band zu konfrontieren, sondern Weidner durch seine eigene Eitelkeit zu entlarven, ging auf. Wir stellten ihm 20 Fragen im Yellow Press-Stil – und Weidner gab genau die Fatzke-Antworten, die ihn als geltungssüchtigen Macker entlarvten: „Ich wäre gerne eine Art John Travolta – wie im Film Pulp Fiction von Quentin Tarantino“, sagte der Onkelz-Hauptsongwriter, als wir ihn fragten, welche Rolle er gern mal als Schauspieler übernehmen wolle.

Frech – aber mit goldenem Herzen

An Michaels Seite wurde man nicht selten zum Erlebnismillionär. Als wir im August 1996 ein Rainbow-Konzert in der Schmallenberger Schützenhalle besuchten, durften wir dank guter Kontakte zum Tourleiter Rainer Hänsel nach der Show zur persönlichen Audienz mit Ritchie Blackmore. Der wollte wissen, wie uns die Show gefallen habe. „Ganz okay“, sagte Michael trocken in seiner westfälischen Art – und fügte direkt hinzu, dass sich die Jungs von der Freiwilligen Feuerwehr, die an dem Abend den Sanitätsdienst übernommen hatten, beschwert hätten, sie bekämen nichts zu trinken. Sofort drehte sich Blackmore um, suchte einen seiner Roadies und schickte ihn zum Bierstand, um sich um die durstigen Kollegen zu kümmern. Michael konnte auch frech und unverfroren auftrumpfen. Die junge Doro Pesch konfrontierte er einst im Interview mit der Startfrage: „Wie fühlt man sich eigentlich, wenn man von 80 Prozent aller Metal-Fans nur als ‚Wichsvorlage‘ wahrgenommen wird?“ Unglaublich, aber wahr. Bei einer Metal Hammer-Party in München ging er zu Accept-Sänger Udo Dirkschneider (der kurz vorher eine Bypass Operation hatte) an den Tisch und forderte ihn auf, mit ihm eine Runde tanzen zu gehen. „Oder hast du Schiss, wieder einen Herzinfarkt zu bekommen?“ – und als Axel Rudi Pell ihn fragte, ob er nicht mal wieder eine Show besuchen wolle, raunzte Michael nur: „Wieso? Du besuchst mich ja auch nicht auf der Arbeit!“

Michael Lorant (ganz rechts) beim Treffen des Ritchie-Blackmore-Stammtisches in Bochum | Foto: Peter Hesse

Anekdoten dieser Art gab es unzählige – und nicht selten baten diverse Musik-Managements darum, dass ihr Künstler bitte nicht von Michael Lorant interviewt werde. Über seine langjährigen Kontakte, besonders den guten Draht zu Black Sabbath-Bassist Geezer Butler, kam Michael im Jahr 2013 etwa an die Info, dass Ozzy Osbourne während der Aufnahmen zum Album „13“ wieder mit Drogen in Kontakt gekommen sei. Die Sessions fanden in Birmingham statt, weil Gitarrist Tony Iommi aufgrund einer Krebstherapie nicht in die USA reisen konnte. So kehrte Ozzy in seine Heimatstadt zurück, traf dort auf alte Dealer und Koksnasen – und war für mehrere Tage unauffindbar. Michael schrieb diese Geschichte in allen Einzelheiten auf. Viele andere Journalisten haben dieses Privileg nicht gehabt.

Eine andere große Leidenschaft von Michael war der Fußball. Ich erinnere mich an ein Spiel von Eintracht Braunschweig gegen Wehen Wiesbaden im August 2010, zu dem wir mit Braunschweiger Kumpels fuhren und uns dafür am Hauptbahnhof in Hamm trafen. Auf der Rückfahrt wurden wir von feindlich gesinnten Hannover-96-Fans attackiert. Michael ging in die Offensive – mit einer unglaublichen Münchhausen-Geschichte: „Habt ihr schon gehört, dass Dietrich Mateschitz uns ärgern will und mit Red Bull Peine eine weitere Dependance seines Brause-Imperiums plant?“ Die Hannoveraner schüttelten ungläubig den Kopf – diese angeblich geheime Info war im Zug noch nicht zu googeln. Wir waren froh, ohne Schläge davonzukommen, denn die Hannover-Fans ließen uns in Ruhe, und wir kamen unbeschadet nach Hause. Aber bepackt mit einer unglaublichen Anekdote, die schon sehr oft nacherzählt wurde.

Nun hat Michael seine letzte Reise angetreten. Er kam mit einer Gehirnblutung – einem Aneurysma – am 23. April ins Krankenhaus und war die letzten Tage nicht bei Bewusstsein. Sein Bruder Momo saß noch vor wenigen Tagen an seinem Bett und spielte ihm ein Lieblingsalbum von Rainbow vor. Doch auch das half nicht. Und so sitzen wir nun ratlos hier – und wissen nicht so recht, wie wir ohne Michael künftig Konzerte, Kneipen oder Fußballspiele besuchen sollen. Er wird fehlen – mir ganz besonders.

 

 

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