
Der Siegeszug der Rechtspopulisten, vor dem Europa zittert, ist aufhaltsam. Die Nachbarn machen es vor. Sie weisen den Ausländer- und Europafeind Wilders in die Schranken und machen die Linksliberalen zu Überrraschungsgewinnern. Ist daraus etwas zu lernen? Aber Ja!
Die Niederländer waren bei politischen Entwicklungen bereits häufig Trendsetter. Der Niedergang der auch im Nachbarland lange dominierenden Christ- und Sozialdemokraten begann dort früh. Das Parteiensystem ist schon lange zersplittert. Und auch der Aufstieg rechter Populisten vollzog sich nach dem Mord an dem Filmemacher Theo van Gogh durch einen Islamisten – Fanal für das bis dahin liberale, weltoffene Land – erst mit Pim Fortuyn, dann mit Geert Wilders zeitiger als anderswo. Beginnt nun dort auch sein Ende?
Sicherlich ist das Beispiel der Niederlande nicht ohne weiteres auf Deutschland und andere Länder übertragbar. Bemerkenswert ist aber doch, dass Wilders mit seiner rechtsextremen, islamfeindlichen Einmannpartei bei der vorigen Wahl noch der klare Sieger war, er die daraufhin mühsam gebildete Mitterechtsregierung beherrschte, die er wegen seines Extremismus jedoch nicht führen durfte, er sie wohl auch deshalb nach kurzer Zeit im Streit um die von ihm geforderte radikale Migrationswende sprengte. Und ihn die Wähler dafür nun kräftig abstraften.
Wollen westeuropäische Bürger am Ende also doch keine autoritären Führer, die sie durch eine Null-Einwanderungspolitik und Rüchzug aus der EU von allem Bösen zu befreien versprechen, ähnlich wie Le Pen in Frankreich, Farage in Großbritannien und die AfD? Und ist es vielleicht doch nicht verkehrt, solche Politiker und Parteien vorübergehend an der Regierung zu beteiligen, damit sie sich selbst als Scharlatane entlarven?
Eine politische Kehrtwende
Beide Schlüsse könnte man ziehen. Jedenfalls haben diesmal alle anderen größeren Parteien nach den abschreckenden Erfahrungen geschworen, nicht mit Wilders zusammenzuarbeiten. Das könnte etliche Wähler abgehalten haben, ihm wieder ihre Stimme zu geben. Und leitete womöglich eine entscheidende politische Kehrwende ein: die Rückkehr zur Mitte.
Die Rechtsliberalen, die lange den Ministerpräsidenten gestellt und nach der vorigen Wahl Wilders die Regierungsbeteiligung ermöglicht hatten, kamen mit einem blauen Auge davon. Das linke Bündnis von Sozialdemokraten und Grünen musste dagegen ebenfalls deutliche Verluste einstecken. Sein Anführer Frans Timmermanns trat noch am Wahlabend zurück. Die Christdemokraten erholten sich zwar, nachdem sie 2023 stark an die Neugründung Neuer Gesellschaftsvertrag, die jetzt aus dem Parlament flog, und die Bauerpartei verloren hatten. Aber vom Ziel, den Regierungschef stellen zu können, blieben sie weit entfernt.
Die Regierungsbildung wird auch diesmal schwierig werden. Doch es besteht die Hoffnung, dass sich ein Bündnis gemäßigter Kräfte findet: Links- und Rechtsliberale mit den Christdemokraten und Linksgrün oder anderen kleineren Parteien.
Keine Angst vor den Demokratiefeinden
Die Mitteparteien haben also durchaus Chancen, wenn sie nicht in Angst vor Demokratiefeinden erstarren, ihnen nachlaufen oder sie nur ausgrenzen und verteufeln, sondern selbstbewusst ihre eigene Politik vertreten. Der Vorsitzende der Linksliberalen, Rob Jetten, hat es gezeigt. Zehn Tage vor der Wahl lag seine Partei D66 noch hinten. Durch einen starken Auftritt in der Fernsehrunde der Spitzenkandidaten führte er sie an die Spitze und könnte nun Ministerpräsident werden.
Zugute kam ihm und seiner Partei, dass er weit weniger polarisierte als Wilders und dessen Kontrahent Timmermanns. In der Not scheinen die Wähler auf moderate Kräfte zu setzen.
Die Aufgabe, die Ursachen zu beseitigen, die den rechten Volksverführern den Aufstieg ermöglichten, bleibt indes: eine verfehlte Migrationspolitik, auch für die Niederländer Thema Nummer eins, Wohnungsbau, Gesundheitsversorgung, Energie- und Wirtschaftsprobleme. Wenn die neue Regierung dafür keine Lösungen findet, könnte es bei der nächsten Wahl schon wieder anders aussehen. Das gilt, in ähnlicher Weise, auch für Deutschland und andere Länder.
Veel succes!
