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Es fällt immer schwerer, sich mit diesem BVB zu identifizieren

Das Stadion des BVB in Dortmund. Foto: Robin Patzwaldt

Ein weiteres Kalenderjahr neigt sich mit großen Schritten seinem Ende zu. Traditionell sind die Tage Ende Dezember hierzulande (profi-)fußballfrei. Sie bieten daher immer eine schöne Gelegenheit, kurz inne zu halten und ein Fazit der vergangenen Monate zu ziehen.

Im Jahre 2022 ist mir der Sinn in diesen Stunden nach vielem, aber irgendwie so gar nicht nach Fußball. Und das liegt, so denke ich, auch nur zu einem geringen Anteil an der ungewohnt langen Pause, die die Fußball-Bundesliga aktuell schon hinter sich hat.

Bedingt durch die unsägliche FIFA WM 2022 in Katar, ruht der Spielbetrieb in der Liga bekanntlich schon seit Mitte November. Und während ich in der Vergangenheit das Ende solcher Spielpausen immer mit großer Ungeduld herbeisehnte, ist das dieses Mal völlig anders. Bis Ende Januar müssen wir Fans noch auf Auftritte unserer Lieblingsmannschaft verzichten. Und im Falle ‚Meines‘ BVB fällt mir das derzeit gar nicht schwer. Das erschreckt mich selber.

Für meine stetig nachlassende Fußballleidenschaft sehe ich unterschiedliche Gründe. Natürlich wird man älter, die Schwerpunkte im Leben verändern sich. Es erscheint nur natürlich, dass man mit Anfang Fünfzig nicht mehr ganz so schnell von etwas zu begeistern ist, wie das vielleicht noch als Teenager der Fall war. Man durchblickt vieles besser. Jugendliche Naivität weicht einer gewissen Reife. Das ging offenkundig auch vorherigen Generationen von Fußballfans schon so. Spricht man mit Verwandten und älteren Freunden, erging es ihnen im Laufe ihres Lebens häufig ähnlich.

Im konkreten Falle des BVB kommen aktuell aber noch viele andere Faktoren ins Spiel, die es einem als langjährigen Anhänger immer schwerer machen, die gleiche Leidenschaft für die Mannschaft zu entwickeln, wie das vor wenigen Jahren noch der Fall war.

Obwohl der Verein auch in diesen Tagen noch zu den ‚Großen‘ des deutschen Fußballs gehört, lässt die Leidenschaft vieler Fans in Bezug auf die Schwarzgelben nach, weil die Identifikation vieler Spieler mit dem Klub gefühlt auf ein nie gekanntes Niveau abgesackt zu sein scheint. Viele Aktive nutzten den Verein scheinbar nur noch als Sprungbrett zu vermeintlich höheren ‚Weihen‘.

Egal ob Bellingham, Moukoko, Haaland, Sancho, Dembele, Pulisic oder auch Aubameyang, sobald die eigene Karriere in Dortmund so richtig in Gang kam, verließen sie Dortmund. Und hat(te) ein Fan einen dieser sportlich herausragenden Spieler erst einmal so richtig ins Herz geschlossen, war dieser zuletzt häufig schon wieder weg.

Die Zeiten zu Beginn der Ära eines Jürgen Klopp in Dortmund, als dieser als Trainer eine mittelmäßige Bundesligamannschaft zu einer Meistermannschaft formen konnte, sie sind in Dortmund längst vorbei. Auch dank einer seither veränderten Personalpolitik.

Die Verantwortlichen haben es sich zu ihrer Aufgabe gemacht, junge Top-Talente nach Dortmund zu holen, nur um sie dann wenig später mit ‚Gewinn‘ weiterzureichen. Diese Durchlauferhitzer-Taktik mag finanziell erfolgreich sein, in Sachen Identifikation mit der Mannschaft ist sie es das nicht. Die Fluktuation im Kader ist inzwischen deutlich zu groß. Das Ergebnis: Selten war mir ein Kader der Schwarzgelben so egal, wie der aktuelle…

Überhaupt stellt man sich als Beobachter ja die Frage, wer von den Profis aktuell eigentlich noch für den BVB steht. Gab es in früheren Jahren regelmäßig große Fan-Lieblinge, die es den Fans leicht machten sie leidenschaftlich zu unterstützen, gibt es solche im aktuellen Kader kaum noch.

Marco Reus und Mats Hummels stehen sicherlich noch für den Verein, doch haben beide ihre besten Tage längst hinter sich. Der Rest des Kaders erscheint austauschbar und findet nur vergleichsweise wenig Rückhalt in der Anhängerschaft. Kurzzeithelden wie Haaland, Bellingham oder Sancho waren oder sind auf den Sprung. Identifikation mit ihnen ist, wenn überhaupt, nur über kurze Zeit möglich. Heldenstatus wie ihn eins Spieler in Dortmund erhielten, ist ihnen daher nicht vergönnt.

Und auch die ständigen Wechsel auf der Trainerbank machen es der Anhängerschaft immer schwerer, sich mit der Borussia zu identifizieren. Der Wechsel zurück zum vermeintlichen ‚Ur-Dortmunder‘ Edin Terzic mag auf den ersten Blick eine Entscheidung in eine diesbezüglich bessere Zukunft gewesen sein, nur fehlt es dem bekennenden BVB-Fan an der notwendigen Erfahrung, was man an  der sportlich enttäuschenden Hinrunde erkennen konnte. Rang sechs hätte der Klub sicherlich auch mit Marco Rose, Lucien Favre oder Peter Stöger erreichen können. Auch in dieser Frage scheint der BVB inzwischen jede Art von Plan verloren zu haben.

Es sind zu viele Gebiete, auf denen sich der BVB in den vergangenen Jahren nicht mehr verbessert hat. Und es ist ja nicht so, als würde die Anhängerschaft in Dortmund immer nur Siege und Titel anerkennen.

Ich selber bin in den 1980er-Jahren in einer Zeit groß geworden, in der der BVB alles andere als eine Spitzenmannschaft war. Trotzdem war die Identifikation mit Team und Verein damals viel größer. Ehrliche Arbeit und Leidenschaft haben Durchschnittspielern einst gereicht, um uns zufriedenzustellen.

Klar, mit den Erfolgen wachsen auch die Ansprüche, aber dass mich die Borussia am Ende des Jahres 2022 so wenig begeistert, das liegt nicht an Rang sechs in der Tabelle, sondern an dem Gefühl, dass sich die Beteiligten deutlich weniger mit Stadt und Region identifizieren als früher der Fall war und sie direkt bei der erstbesten Gelegenheit mit einem Wechsel liebäugeln…

 

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