Goldenes M trifft graue Provinz – Waltrop und sein Burger-Dilemma

Ein Burger. Foto: McDonald’s

Während der Kollege Stefan Laurin hier im Blog jüngst über einen möglichen Bürgerentscheid zu Olympischen Spielen philosophiert hat – also über die ganz große Bühne – spielt sich bei mir vor der Haustür gerade ein Ratsbürgerentscheid der eher handfesten, kulinarischen Sorte ab.

In Waltrop, der kleinen und chronisch klammen Stadt zwischen Ruhrgebiet und Münsterland, geht es in den kommenden Tagen (bis zum 28. November 2025) um nichts Geringeres als die Ansiedlung einer McDonald’s-Filiale.

Was auf den ersten Blick nach einer Randnotiz klingt, hat sich in den letzten Wochen zu einer erstaunlich emotional geführten Debatte entwickelt. Vieles deutete auf ein klares ‚Ja‘ hin, nachdem Bürgermeister Marcel Mittelbach die Idee klar befürwortete, bis sich einige Anwohner aus der betroffenen Gegend lautstark zu Wort meldeten und durch ihren Egoismus eine Debatte quer durch die Stadt und alle Parteien lostraten.

Sie fürchten mehr Verkehr, Müll, Lärm – und überhaupt den „Charmeverlust“ ihres Viertels. Selbst die Tatsache, dass ‚lokale Arbeitsplätze‘ doch schöner wären, wurde von ihnen angeführt. Die Reaktion der Politik? Anstatt selbst Verantwortung zu übernehmen, wurde die Entscheidung kurzerhand an die Bürgerschaft weitergereicht. Ein klassisches Beispiel für politisches Durchtauchen: Lieber den Schwarzen Peter weiterreichen, als Haltung zu zeigen.

Nun also sollen wir hier alle entscheiden, ob wir in Zukunft einen McDonald’s in Waltrop wollen oder nicht. Ein demokratisches Verfahren, gewiss – aber eines, das wohl nur eine kleine Minderheit tatsächlich mobilisieren dürfte. Denn seien wir ehrlich: Wie viele Waltroper würden das neue Restaurant denn regelmäßig nutzen, wie viele dafür ihren sprichwörtlichen Hintern aus dem Sessel emporheben? Wohl nur wenige, im Vergleich zu anderen Fragen.

Dabei wäre ein Blick über die eigenen Gartenzäune durchaus angebracht. Natürlich hat niemand Lust auf zusätzlichen Autoverkehr oder auf die unvermeidlichen Verpackungsreste, die in so manchem Gebüsch landen werden. Aber auf der anderen Seite steht eine Generation Jugendlicher, die in Waltrop seit Jahren kaum noch Freizeitangebote findet. Die Eisdiele schließt im Winter, das Jugendzentrum hat begrenzte Öffnungszeiten – und sonst? Viele Kneipen sind inzwischen geschlossen, eine Disco oder ein Kino gibt es nicht (mehr). Viel bleibt da nicht. Für viele junge Leute wäre ein McDonald’s schlicht ein Ort, an dem man sich treffen kann.

Wäre das also wirklich so schlimm? Ein moderner McDonald’s ist längst kein heruntergekommenes Schnellrestaurant mehr, sondern eher ein familienfreundlicher Treffpunkt. Kostenloses WLAN, Kaffee, Sitzplätze – all das, was eine Stadt wie Waltrop ihren jungen Menschen sonst kaum bietet.

Natürlich kann man darüber streiten, ob ein globaler Fast-Food-Konzern die richtige Antwort auf lokale Bedürfnisse ist. Man kann mit guten Gründen auf Gesundheitsaspekte, auf Arbeitsbedingungen oder auf das Thema Nachhaltigkeit verweisen. Aber man sollte eben auch sehen, dass viele Jugendliche hier keine große Auswahl haben. Wer ihnen diesen Treffpunkt verweigert, ohne Alternativen anzubieten, handelt aus einer Position des Wohlstands und der Bequemlichkeit heraus.

Vielleicht ist es also gar nicht die Frage, ob Waltrop einen McDonald’s „braucht“. Sondern eher, was diese Debatte über unsere Stadt aussagt. Sie zeigt, wie schwer wir uns tun, Veränderung zuzulassen. Wie schnell wir in Abwehrhaltung verfallen, wenn etwas Neues droht, das nicht perfekt ins eigene Weltbild passt.

Am Ende könnte der Bürgerentscheid – egal, wie er ausgeht – zu einem Lehrstück werden. Über kommunale Verantwortung, über politische Feigheit und über die Kluft zwischen Jung und Alt. Vielleicht wird Waltrop in ein paar Monaten also entweder eine goldene M-Säule am Ortseingang stehen haben – oder das Gefühl, etwas verhindert zu haben. Beides sagt mehr über uns aus, als es ein Burger jemals könnte.

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ParagrafenPapagei
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1 Monat zuvor

Man muss nicht über McDonald‘s begeistert sein. Wirklich nicht. Aber eine Stadt wie Waltrop, mit recht großem Schuldenberg und einer kreisweiten Arbeitslosigkeit von über 8% sollte froh sein, wenn dort investiert wird.

Müllberge lassen sich durch Auflagen, wie eine gewisse Anzahl an Mülleimern und Vorgaben zur Leerung zumindest ein wenig reduzieren. Das löst das Problem nicht, aber reduziert es wenigstens.

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