
Weder der Ukraine noch Israel gegenüber hält Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), was er vor der Wahl versprochen hat.
Wir wissen nicht, was der englische König Heinrich V. zu seinen Truppen vor der Schlacht von Azincourt am 25. Oktober 1415 sagte, die ein Triumph seines Expeditionsheeres werden sollte. Was wir aber wissen, ist, was William Shakespeare dem König in seinem Stück Henry V. sagen ließ. In der berühmten „Rede zum St. Crispianus-Tag“ sagt der König zu seinen Truppen, dass, wer zu einem schwachen Magen für den Kampf hat, die Truppe verlassen und nach Hause reisen darf:
„That he which hath no stomach to this fight,
let him depart.“
Schon nach wenigen Wochen im Amt drängt sich der Eindruck auf, dass Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) mit einem solchen „schwachen Magen“ ausgestattet ist: Im Wahlkampf kündigte Merz an, der Ukraine Taurus-Marschflugkörper zu liefern, wenn Russland weiterhin ukrainische Städte angreifen würde. Ukrainische Städte werden weiterhin angegriffen, aber Taurus mag Merz nicht mehr liefern.
Auch was Israel betrifft, hat der Sauerländer seinen Kurs radikal geändert. In einer viel beachteten außenpolitischen Grundsatzrede beim Körber Global Leaders Dialogue im Januar sagte er:
„Eine von mir geführte Bundesregierung wird auch unsere Beziehungen zu Israel festigen. Ich werde das faktische Exportembargo der amtierenden Bundesregierung umgehend beenden. Künftig wird gelten: Was Israel zur Ausübung seines Selbstverteidigungsrechts benötigt, wird Israel auch bekommen. Der Begriff ‚Staatsräson‘ wird sich wieder an Taten und nicht nur an Worten messen. Es muss wieder unmissverständlich klar werden: Deutschland steht nicht zwischen den Stühlen, sondern Deutschland steht fest an der Seite Israels. Daran wird es künftig keinerlei Zweifel mehr geben.“
Geblieben ist davon nichts. Außenminister Johann Wadephul kündigt die Überprüfung der ohnehin marginalen deutschen Waffenexporte an Israel an, und Merz ändert nach einem Bericht des Spiegel seinen Kurs gegenüber Israel nach der Lektüre eines Zeitungsartikels Mitte Mai. In seiner Regierungserklärung sagte er, dass die Regierung Nachrichten erreicht hätten, dass eine akute Hungersnot in Gaza drohen könnte. Es sei eine humanitäre Verpflichtung aller Beteiligten – und ich betone: aller Beteiligten –, dass eine Hungersnot in der Region schnellstmöglich abgewendet wird. „Merz stand da unter dem Eindruck eines Berichts der New York Times, in dem israelische Offiziere vor einer Hungersnot warnten. Am Morgen hatte er seinen Mitarbeitern klargemacht, dass er schärfere Formulierungen in seiner Regierungserklärung möchte“, ordnet der Spiegel in seiner aktuelle Ausgabe den Sinneswandel ein.
Merz ignoriert, dass die Hamas mit dem Verkauf von beschlagnahmten Hilfsgütern ihre Truppen finanziert. Vor einem Monat meldete das Wall Street Journal, die Hamas habe Probleme, ihre Kämpfer zu bezahlen. Ein Grund sei die Beschränkung von Hilfslieferungen durch Israel, da die Hamas diese Güter nicht mehr beschlagnahmen und dann verkaufen könne.
Merz hat einen schwachen Magen. Dafür kann er nichts, so etwas kommt vor und macht ihn nicht zu einem schlechten Menschen. Allerdings macht es ihn zu einem schlechten Kanzler in einer Zeit, in der sich mit Israel und der Ukraine zwei westliche Staaten in Verteidigungskriegen mit Feinden befinden, die weit davon entfernt sind, aufzugeben – und die Hamas die Bevölkerung im Gazastreifen leiden lässt und ihre Not zu Propagandazwecken nutzt. Sowohl der islamistische Terrorismus als auch Russlands Expansionsstreben bedrohen die Bundesrepublik. Das Land braucht in dieser Situation einen Kanzler, der an der Seite der westlichen Partner steht und dem bewusst ist, dass ihre Kämpfe auch die Kämpfe der Bundesrepublik sind – einen Kanzler, der nicht nach der Lektüre eines Zeitungsartikels seine Politik ändert. Wer wie Merz einen schwachen Magen hat, ist in Zeiten wie diesen eine Fehlbesetzung.