
Politisch Untote wie Ralf Stegner bevölkern weiter die Medienlandschaft, als hätte sich die Welt nicht grundlegend gewandelt. Gibt es keine zeitgemäßen Linken, die zur heutigen Lage tatsächlich etwas zu sagen haben?
Dieser Tage begegnete mir im Deutschlandfunk ein besonderes Fossil: Rudolf Hickel, Bremer Polit-Ökonom, mittlerweile 83, aber aus Sicht der Redaktion offenbar immer noch geeignet, die Weltwirtschaft, hier: Trumps Zollpolitik, in linker Weise auszulegen. Vor einem halben Jahrhundert, als ich begann, Volkswirtschaft zu studieren, gab er mit Geistesverwandten das erste linkskeynesianische Jahres-Memorandum heraus – als „Alternative“ (so der Titel der AG) zur vorherrschenden Wirtschaftspolitik. Damals war das angesagt. Aber 50 Jahre später im Zeitalter der Tech-Konzerne, KI und einer vielfältig gestörten Globalisierung: Gäbe es da nicht Andere, Jüngere, die darauf wirklich Antworten hätten?
Der Vorteil von Altlinken wie Hickel, Stegner, Mützenich und wie sie alle heißen aus Sicht der jeweiligen oft selbst linken Redakteure: Was sie sagen, ist bekannt und erwartbar. Es droht keine Überraschung, die das Weltbild der Sendenden oder Schreibenden und ihrer Zuhörer, Zuschauer und Leser*Innen stören könnte. Sie haben es ja schon Tausend Mal gesagt, nichts ist passiert. Und sie haben zu so ziemlich Allem etwas zu sagen. Oder auch nichts.
Alles üble Kapitalisten
Na klar, Trump ist ein böser, faschistischer Kapitalist, der Politik für seine Milliardär-Kumpel macht. Dass er mit seinen grotesken Zöllen und anderen Verrücktheiten die reale Ökonomie und die Finanzmärkte in gewaltige Turbulenzen stürzt und der US-Wirtschaft am meisten schadet: geschenkt. Es geht ja gegen die neoliberalen Raubritter und Blutsauger in einer immer ungerechteren Welt. Da kommt es auf Einzelheiten nicht an. Es reicht, dass Elon Musk, der weltweit reichste, böseste aller Kapitalisten, sich wie andere Tech-Giganten mit Trump verbündet hat, um zu belegen, dass dessen Politik nur von übel sein kann.
Dass es Argentinien unter Musks anarcho-kapitalistischem Kettensägen-Vorbild Milei nach Jahrzehnten der Misswirtschaft besser geht, selbst Ärmeren: Wen interessiert das schon? Auch sonst lassen sich Altlinke durch komplizierte Entwicklungen ungern aus ihrem spätmarxistischen Konzept bringen. Russland als Erbe der realsozialistisch gescheiterten Sowjetunion nebst DDR ist ihnen immer noch lieb. Weshalb die Stegners, Mützenichs und Mierschs wie noch Linkere die von ihrem eigenen neuen Kanzler Merz in Aussicht gestellten weitreichenden Waffen für die Ukraine doof finden, da sie ihrer durch nichts zu erschütternden Weltsicht widersprechen, dass Putin-Russland eigentlich gar nichts dafür kann, dass es Krieg gegen den Nachbarn, Europa und den Westen führen muss, weil ja die USA/Nato an allem schuld sind und man doch bitteschön auch die Interessen Moskaus sehen müsse. Und man deshalb alles zu unterlassen habe zu eskalieren. Als gäben nicht Putin und sein Regime jeden Tag Beweis, dass sie an Frieden Null Interesse haben.
Solches dürfen auch z.B. der SED-Rechtsnachfolger Gregor Gysi und der abgehalfterte Ex-Fraktionschef der Linken Bartsch von sich geben, dessen junge Nachfolgerin und Social-Media-Masseninfluencerin Reichinnek von einer Rückkehr des Sozialismus träumt. Und zu diesem Zweck fern jeder Ahnung eine Verstaatlichung der bundeseigenen Bahn fordert. Oder in intellektuellerer, verquaster Form Albrecht von Lucke, Redakteur der einst aus Ostberlin gesponserten „Blätter für deutsche und internationale Politik“, in denen auch Hickel bis heute schreibt, und linker Welterklärer für dieses und jenes. Auch er taucht regelmäßig in den Medien auf, wenn es eine „linke Stimme“ braucht, ohne dass jemand in den Redaktionen fragt, für wen er eigentlich spricht außer für sich selbst.
Wagenknecht, Lauterbach und Neugebauer nun seltener
Karl Lauterbach würde wohl ebenfalls weiter in den Talkshows hocken, wenn er nicht zwischenzeitlich wenig erfolgreicher Gesundheitsminister gewesen wäre. Oder Kevin Kühnert, einstige linke Nervensäge für Olaf Scholz u.a. und dann eine Weile SPD-Generalsekretär, wenn er nicht der Politik gesundheitsbedingt Lebewohl gesagt hätte und darüber zu neuen, überraschenden Erkenntnissen gekommen wäre. Wie auch die frühere linke Grünen-Co-Vorsitzende Ricarda Lang.
Sarah Wagenknecht, Rosa-Luxemburg-Epigonin mit Zweitwohnsitz in den Talkshowstudios und sonstigen Medien, wird nun seltener gebucht, seit sie mit ihrem Putin-treuen Bündnis bei der Bundestagswahl knapp gescheitert ist. Luisa Neugebauer, lange Zeit als Postergirl der allseits gehypten Fridays-For-Future-Bewegung gleichfalls gerne genommen, teilt dieses Schicksal, weil Klima im Moment nicht mehr so hipp ist angesichts von Krieg und anderen Katastrophen.
Sonst aber hat sich wenig geändert. Nachdem selbst der konservative Kanzler und CDU-Vorsitzende Israels militärisches Vorgehen in Gaza gerügt hatte, fühlen sich alle, vor allem alle, die sich links wähnen, Medien inclusive, erst recht befleißigt, ebenfalls den jüdischen demokratischen Staat mit seiner je nach Lesart rechtsextremen, ultranationalistischen Regierung zu geißeln. Als stünde nicht in Wahrheit die Hamas in Nazi-Tradition und ist das Streben arabischer Palästinenser nach einem judenreinen Staat vom Fluss bis zum Meer hypernationalistisch und genozidal.
Aber wie gesagt: Warum sollten sich Altlinke und ihnen geneigte Medien und Journalisten von bewährten Feindbildern verabschieden, wenn sie so schön in vertrauter Symbiose leben können? Für Mediennutzer, die nach echter Erkenntnis lechzen, ist das allerdings schlicht öde.
Also als die DBAG noch Bundesbahn hieß, lief einiges besser, in meiner Kindheit und Jugend hieß es noch „pünktlich wie die Bundesbahn.“ Den Schnellverkehr, den wir heute haben, also in der Theorie, wurde in eher miefigen Amtsstuben erdacht und entwickelt. Das Problem der Bahn war seit Adolf Nazi, dass sie staatlicherseits nur als 5. Rad am Wagen des Individualverkehrs betrachtet wurde. Und wer hat die Autobahnen mitgebaut und mitfinanziert? Die DRG, die auch zuvor die Reparationen des Versailler Vertrages erwirtschaftet hatte.Bis zur Privatisierung der Bundesbahn war diese das größte Verkehrsunternehmen der freien Welt.Auch ihre Vorgänger DRG bzw.DR lagen weltweit an der Spitze, ebenso wie zuvor die Preußisch-Hessische Staatsbahn bis zur Verreichlichung der Länderbahnen 1920 und war weltweit für ihre Effizienz und Wirtschaftlichkeit hoch angesehen. Auch die diversen Länderbahnen waren erfolgreiche Staatsunternehmen in den diversen deutschen Monarchien und Großherzogtümern. Und das, obwohl die sich in Sachen Eisenbahn anfangs nicht immer grün waren, wenn es um Planung und Bau der Strecken ging, denn jeder wollte ein möglichst großes Stück vom schönen neuen Verkehrskuchen abhaben.Wobei die ersten Jahrzehnte noch von privaten Verkehrsunternehmen geprägt waren wie bspw durch die CME, die ja sogar bis Hamburg baute.
Das ändert nichts daran, dass die Forderung nach Verstaatlichung eines staatlichen Unternehmens Gaga ist. Was will die Powerfrau der Linken noch verstaatlichen? Die Bundesbank? Da hat ja selbst Alice Weidel mehr drauf – und das will was heißen.
.@ Ludwig Greven Offensicht halten sie die Privatisierung der Bahn für eine Erfolgsgeschichte.Wenn ich nur an den Deutschlandtakt denke oder an den gescheiterten Börsengang, der dafür sorgte, dass u.a. die Berliner S-Bahn mehr als ein Jahr am Stock ging bzw eher selten planmäßig fuhr. Dann wäre da Stuttgart 21.Und im Gegensatz zu heute litt die DB eher nicht an fehlendem Personal. Ob sich das heuer durch eine Verstaatlichung ändern würde, muss offen bleiben. Die grundlegenden Fehler haben Kohl und v.a. Schröder gemacht.Mit der Einführung des IC-Verkehrs(71 erste Klasse, ab 76 dann schrittweise zweiklassig) war die (bundes)deutsche Bahn ebenfalls ganz vorne zu finden und wurde weltweit beachtet. So war ebenfallsdie DRG/DR mit ihren „fliegenden Zügen“ Vorbild für viele andere Bahnen. Auch wenn diese Züge erstmals 1933 zwischen Berlin und Hamburg „flogen“, waren sie keine Errungenschaft der Nazis, sondern wurden in den Jahren zuvor geplant und die Strecken neu signalisiert, denn nun waren bei den hohen Tempie längere Bremswege einzuplanen und die Triebwagen mussten ja auch erst gebaut werden. Lange Rede kurzer Sinn: die deutschen Staatsbahnen waren eine Erfolgsgeschichte.
Ich halte die von der Kohl-Regierung geplante Privatisierung wie Sie für eine Katastrophe. Aber die DB gehört weiterhin dem Bund, auch wenn sie als AG geführt wird. Die schwarz-rote Koaltion und der neue Verkehrsministern wollen den Vorstand umbauen und den Vorstandschef ablösen. Das wird aber nicht reichen. Wohl anders als Sie fände ich mehr Wettbewerb durch private Bahnen wie bei der Telekommunikation und bei den anderen Versorgern hilfreich – allerdings auf einem weiter in Staatshand befindlichen Gleisnetz.
@ Ludwig Greven Auch wenn die Bahn im Bundeseigentum ist, so wird sie privatwirtschaftlich geführt.
Das war und ist ein Grundfehler. Mehdorn hat als Privatisierungs-Beauftragter die DB zugrunde gerichtet. Darunter leidet sie bis heute. Aber verstaatlichen kann man ein staatliches Unternehmen gleichwohl nicht. Darum geht es.