intensiv erklärt (3)


Auch in Deutschland werden mittlerweile viele Patienten wegen Covid-19 auf einer Intensivstation behandelt. Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) verzeichnet in ihrem Intensivregister mit dem Stand vom 19.04.2020 um 9:15Uhr 2889 intensivmedizinisch behandelte „Corona-Patienten“. Da nicht alle Kliniken in Deutschland an dieses Register melden, ist diese Zahl nicht absolut.
Doch was bedeutet das überhaupt? Warum müssen Covid-19-Patienten auf die Intensivstation? Was ist maschinelle Beatmung? Wie funktioniert ein Beatmungsgerät? Wie sieht die Behandlung eines Covid-19-Patienten auf einer Intensivstation aus? Warum liegen die Patienten alle auf dem Bauch? Wer arbeitet auf einer Intensivstation?
Diese und weitere Fragen wollen wir in unserer neuen Rubrik „intensiv erklärt“ für Laien verständlich beantworten.

Im ersten Teil haben wir erklärt, was ein Beatmungsbett ist und wie ein Beatmungsgerät überhaupt funktioniert. Im zweiten Teil, warum manche Patienten überhaupt künstlich beatmet werden müssen. In Teil drei geht es nochmal genauer um das schwere Lungenversagen, welches offenbar auch durch Covid-19 ausgelöst werden kann und warum diese Patienten häufig auf dem Bauch liegen.

Wir wissen bereits, dass Covid-19 bei manchen Patienten eine schwere Lungenentzündung und scheinbar dadurch ein Lungenversagen auslösen kann. Ob und wie genau Covid-19 nun ein Lungenversagen auslösen kann, ist aktuell Gegenstand wisschenschaftlicher Diskussion. Die Patienten, die schwer an Covid-19 erkranken, präsentieren sich jedoch ähnlich, wie wir es von Patienten kennen, die ein schweres Lungenversagen haben. Das Lungenversagen kann in verschiedenen Schweregrade eingeteilt werden und es kann durch mannigfaltige Ursachen ausgelöst werden.

Lungenversagen – was ist das?

Das akute Lungenversagen wird im Fachjargon Acute Respiratory Distress Syndrome oder abgekürzt ARDS genannt. Um aber zu verstehen, was ein Lungenversagen genau ist, müssen wir uns die Lunge etwas genauer ansehen. Wir können uns die Lunge vorstellen wie einen Schwamm. Sie besteht aus ganz vielen – bis zu 300 Millionen – kleinen luftgefüllten Bläschen, den Lungenbläschen, die wir bereits aus Teil eins und zwei kennen. Zwischen den Lungenbläschen ist das Lungengewebe. Bei einer gesunden Lunge ist wenig Wasser im Lungengewebe, die Lunge ist sehr flexibel und dehnbar – genau wie ein Schwamm.

Wie entsteht nun das Lungenversagen?

Wenn die Lunge nun geschädigt wird, z.B. durch eine Entzündung, das Einatmen von schädlichen Gasen oder Flüssigkeiten oder auch durch eine Verletzung des Brustkorbs, entsteht in der Lunge eine Entzündungsreaktion. Wir wissen ja bereits: Wo eine Entzündung ist, da ist Wasser. Im Lungengewebe zwischen den Lungenbläschen sammelt sich Wasser an und dieses Wasser drückt auf die Lungenbläschen. Dadurch verringert sich einerseits das Volumen der Lungenbläschen, andererseits wird der Weg für den Gasaustausch länger. Das kennen wir auch bereits aus einem der vorherigen Teile. Wenn wir wieder an den Schwamm denken und diesen ganz nass machen, ist er deutlich schwerer und drückt die Luftlöcher, die sich in ihm befinden, zusammen, der Schwerkraft wegen insbesondere die weiter unten liegenden.
Neben dem zusätzlichen Wasser verändert sich durch die Entzündungsreaktion das Lungengewebe. Das ist so, als würden wir den Schwamm fünf Jahre lang in der Sonne liegen lassen. Dann verliert er seine Elastizität und wird spröde. Das passiert mit dem Lungengewebe ebenfalls, es ist weniger elastisch und die Lunge weniger flexibel und dehnbar. Dadurch wird sie anfälliger für Verletzungen, die aus unserer künstlichen Beatmung resultieren können, insbesondere dann, wenn wir die Luft mit hohem Druck in die Lunge pumpen müssen. Um ausreichend Luft in eine weniger flexible Lunge pumpen zu können, benötigen wir aber höheren Druck. Ein Dilemma.

Putzschwamm, Schwerkraft – was hat das mit Medizin zu tun?

Eine Maßnahme bei Patienten mit schwerem Lungenversagen ist, sie auf den Bauch zu legen. Dadurch verbessert sich die Verteilung der Luft in der Lunge, und Bereiche der Lunge, in denen sich weniger Wasser gesammelt hat, werden besser von der Atemluft erreicht. Wir denken wieder an unseren Schwamm. Der triefend nasse Schwamm ist voller Wasser – wie unsere Lunge. Allerdings ist im Schwamm unten mehr Wasser als oben. In unserer Lunge ist es genauso. Wenn wir auf dem Rücken liegen, ist in den rückseitigen Bereichen der Lunge mehr Wasser als in den zur Brust gelegenen Bereichen. Das liegt an der Schwerkraft – genau wie beim Schwamm. Der Schwerkraft geschuldet ist aber auch, dass die Bereiche der Lunge, die unten liegen, besser durchblutet werden als die oberen. Wir haben also viele rote Blutkörperchen, die Sauerstoff aufnehmen wollen, in den Bereichen der Lunge, in die die Atemluft nicht gut  gelangt, weil dort viel Wasser ist, und in denen wegen dieses Wassers der Weg aus dem Lungenbläschen ins Blut sehr lang ist. Deshalb drehen wir den Patienten um.

Bauchschläfer wider Willen

Wenn wir nun den triefend nassen Schwamm umdrehen, haben wir die deutlich nassere Seite oben liegen und unten liegt die Seite des Schwammes mit weniger Wasser. Und so ist es bei der Lunge dann ebenfalls. Plötzlich ist der „nasse“ Bereich, in den die Atemluft schlechter gelangt und in der das Gasaustausch schwieriger ist, oben, und unten, wo viele rote sauerstoffaufnahmewillige Blutkörperchen sind, da ist der Bereich mit weniger Wasser, in dem der Gasaustausch leichter stattfinden kann. Beim Schwamm sackt das Wasser relativ schnell nach unten durch, in der Lunge braucht es etwas länger. Deshalb drehen wir Patienten mit schwerem Lungenversagen für 16 Stunden auf den Bauch, dann ist das Wasser wieder „unten“ angekommen und wir drehen sie für acht Stunden zurück auf den Rücken. Nach diesen acht Stunden geht es dann erneut für 16 Stunden auf den Bauch, und immer so weiter, bis sich die Funktion der Lunge erholt hat, häufig über mehrere Tage hinweg.

Ist das alles?

Natürlich ist dies nicht die alleinige Therapie eines schweren Lungenversagens und auch die Bauchlagerung ist hier deutlich verkürzt und vereinfacht dargestellt, aber es soll erklären, warum in den Medien bei Berichten über schwer an Covid-19 erkrankte Patienten häufig Bilder aus Intensivstationen zu sehen sind, in denen die Patienten auf dem Bauch liegen.

Im nächsten Teil erklären wir, wer überhaupt auf einer Intensivstation arbeitet und warum es gerade deshalb so schwierig ist – wie in Teil 1 angedeutet – die Beatmungskapazität in Deutschland zu erhöhen.
Gibt es weitere Fragen, die wir klären sollen, oder gibt es Unklarheiten zu bereits thematisierten Dingen? Einfach als Kommentar unter diesen Artikel, wir versuchen dann, Klarheit zu schaffen.

Unser Autor Simon Ilger ist Krankenpfleger und arbeitet seit vielen Jahren auf der Intensivstation.

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