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Iran am Scheideweg – Bürgerkrieg oder Neuwahlen

Am dritten Tag nach der Wahl erwacht im Iran der Leviathan. Der Drachen des Chaos und des Todes. Bislang war er kontrolliert vom gemeinsamen Willen aller in Frieden zu leben, gebändigt vom gemeinsamen Glauben an eine Nation, gezähmt vom Bewusstsein der Fairness und der Herrschaft des Gesetzes.

Der Hoffnung folgte die Angst. Nun ist der Drachen erwacht. Er wird gefüttert von der Gewalt der unrechtmäßigen, zügellosen Brutalität. Der Drache zerreißt alles im Frieden erschaffene. Durch die Straßen Teherans und Isfahan hetzen Schlägerbanden. Es folgen Mörder und Tyrannen. Ihnen kann man nicht glauben. Schon gar nicht, dass sie die freie Wahlen gewonnen haben.

Je mehr die Unrechtmäßigen versuchen das Recht zu unterdrücken, desto stärker wird der Hunger des Drachen. Ihre Gewalt hat nicht die Macht, den Drachen zu bändigen. Im Gegenteil. Jedes abgeschaltete Handy, jede abgefangene SMS, jede geschlossene Internetseite, jeder gestörte Sender, jedes gestürmte Haus, jeder Zusammengeschlagene,  jeder Gefoltere, jeder Ermordete macht den Menschen im Iran klar, dass sie betrogen wurden von der Herrschaft.

Um den maximalen Schaden nun zu verhindern, muss der Herrscher sehr frei nach Thomas Hobbes zurück ins Recht gesetzt werden. Nur dann, wenn der wahre Gewinner der Wahlen im Iran seine Gerechtigkeit bekommt, kann er als von allen anerkannter Träger des Monopols auf Gewalt den Souverän, das Volk, vertreten und die Willkür-Herrschaft der Unrechtmäßigen beenden. Und damit den Drachen wieder bändigen.

Es gibt deshalb nur zwei Möglichkeiten. Mir Hussein Mussawi muss als Wahlsieger anerkannt werden, oder die Wahlen müssen wiederholt werden. Ohne Betrug. Nur so kann ein Bürgerkrieg im Iran verhindert werden. Mussawi ruft zu weiteren Protesten auf. Er kann nur siegen.

Die Gewalt des unrechtmäßigen Herrschers Mahmud Ahmadinejad sorgt nur für Gegengewalt – sonst ist sie zu nichts nutze. Sie kann nicht die Autorität des Souverän ersetzen, der sich in Wahlen seinen Herrscher ausgesucht hat.

Sollte Ahmadinejad seine Diktatur durchsetzen wollen, werden die Straßenkämpfen in Teheran zum Flammenmeer am persischen Golf.

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Arnold Voß
Arnold Voß
14 Jahre zuvor

David, wer soll den dieses Regime zu Neuwahlen zwingen können? Es wird vor keinem noch so brutalen Mittel der Unterdrückung zurückschrecken. Dagegen sind die Oppositionellen im Iran zu machtlos.Von Innen gibt es keine Veränderung im Iran. Das ist das fürchterliche Dilemma.

Und alle werden wieder zuschauen und lamentieren. Und die Europäer werden nicht mal in der Lage sein, eine einheitliche Position zu beziehen. Und Putin wird erst recht nichts tun, um das Regime unter Druck zu setzen. Und China schon gar nicht. Und dein Freund Franz Kollege wird ausführlich und wohlmöglich unter Lebensgefahr berichten und natürlich auch nichts ändern können.

Und die Iraner, die für die Demokratie zu kämpfen bereit sind, werden wieder einmal von der restlichen Welt im Stich gelassen.

thomas
thomas
14 Jahre zuvor

Was soll der Pathos?

Es sieht sehr nach der dritten Möglichkeit aus: Die chinesische Lösung!

Den Weg dorthin, mit Woodstock feeling, Entkräftung der Protestanten, Scheindiplomatie des Wächterates und gewaltsamen durchgreifen der Schergen kann man im Internet bequem verfolgen.
Z.B. auf https://tehranlive.org

Und solange nicht geklärt ist mit wem man morgen redet, lehnt sich keiner aus dem Fenster.

Ich wünsch dann mal den Demonstranten viel Erfolg …
oder besser viel Glück

Torti
Torti
14 Jahre zuvor

Waren die Wahlen denn gefälscht?

Wenn man sich die Berichte und den Blog von Antonia Rados mal anschaut kann die Wahl Ahmadinedschad auch ohne Wahlbetrug durchaus möglich sein.
Und übrigens ist auch Mussawi ein Mann des Regimes und alles andere als ein lupenreiner Demokrat.

Ich betrachte die gegenwärtige Berichterstattung mit einer Mischung aus Abscheu ( wegen der Gewalt ) und Faszination. Die Bilder aus dem Iran waren seit dem Sturz des Schahs eigentlich immer gleich. Vermummte Frauen skandieren Hasstiraden während fanatisierte Männer die amerikanische oder israelische Fahne verbrannten.

Ich gebe es, lange seit habe ich gedacht, das in islamischen Länder so etwas wie eine Bewegung für bürgerliche Freiheiten gar nicht entstehen kann.

Denn das ist doch das faszinierende, das ausgerechnet im Kernland eines radikalen Islamismus Menschen für bürgerliche Freiheiten auf die Strasse gehen. Ob Mussawi diese Hoffnung hätte erfüllen können weiss ich nicht aber er ist doch mindestens die Projektionsfläche dieser Hoffnung.

Vielleicht sind diese Tage ja der Anfang einer Gegenbewegung und der Anfang vom Ende des fundmentalen Islamismus als Staatsform. Es bleibt ein langer Weg, aber vielleicht hat er dieser Tage begonnen.

Jens König
14 Jahre zuvor

Nur haben Ahmedinedschad & co. und Logik nicht unbedingt viel miteinander zu tun.

Als Indiz, David, kann man das vielleicht werten, aber nicht als Beweis.

Arnold Voß
Arnold Voß
14 Jahre zuvor

@Jens
Die offiziell angegeben äußerst niedrigen %-Zahlen für die Opposition sind , was die Meinung der neutralen Lagebeobachter vor Ort betrifft, absolut unwahrscheinlich.

Offizielle Beweise für einen Wahlbetrug wird es allerdings in einem solchen System sowieso nie geben.Eine Kontrolle durch unabhängige Gremien werden die Verantwortlichen gar nicht erst zulassen.

Der Indizienbeweis ist also der einzig mögliche.

Franz Kollege
14 Jahre zuvor

David, wir sollten erst mal abwarten, bis wir mehr über das Geschehen vor allem außerhalb Tehrans wissen. Von Bürgerkrieg, Drachen und einem Flammenmeer am Persischen Golf kann noch keine Rede sein.

Du hast Recht, die Einsätze sind gewaltig gestiegen, weil breite Massen unheimlich frustriert sind. Aber wir sollten uns von Bildern auch nicht zu sehr beeindrucken lassen. Der Iran hat trotz aller autoritären Züge noch Institutionen, über die die politischen Kräfte verhandeln können. Das ist kein Land, in dem eine Diktatur nach 50 Jahren nur noch Mob übrig gelassen hat.

Arnold, pauschal zu behaupten, dass es von innen keine Veränderung in einem Land geben kann, halte ich für eine typisch resignierte Bemerkung eines westlichen Beobachters über den Orient. Ein Vorurteil. Der Iran ist ein komplexes Land, das sich natürlich verändert.

Torti
Torti
14 Jahre zuvor

Geht es denn wirklich um Wahlbetrug ?

Also ich will nicht behaupten das ich mehr weiss, ich stützte meine Fragen lediglich auf die Berichte in verschiedenen Medien und meine Schlüssen daraus.

Aber für mich sieht es so aus, das ein grosser Teil der Anhänger von Mussawi eigentlich die Systemfrage stellen.
Man erinnere sich an die Berichte von Korrespondenten vor der Wahl, die alle übereinstimmend berichteten wie überrascht sie vom den Ausbrüchen eines Freiheitsdrang auf den Veranstaltungen Pro Mussawi waren. Frauen die ihre Kopftücher ablegten, Paare die Hand in Hand gingen ohne das die sonst allgegenwärtigen Sittenwächter eingeriffen habe. Schon damals hörte ich in vielen Berichten die Frage ob im Falle einer Niederlage Mussawis sich dieser Geist wieder in die Flasche wird drängen lassen.

In vielen Berichte wurde ein tiefer Riss beschrieben zwischen den Menschen in der Stadt und der fundamentalistischen Landbevölkerung, die schon für den ersten Wahlsieg Ahmadinedschad gesorgt hat.

Insofern ist der jetzige Konflikt unvermeindlich, denn er stellt die Systemfrage. Und egal wer die Wahl an der Urne gewonnen hat, die unterlegene Partei hätte das Ergebnis nie aktzeptiert. Oder glaubt jemand wirklich die Revolutionsgarden hätte eine Abwahl eines ihrer ehemaligen Offiziere klaglos akzeptiert ?

Was mich bei David Schraven etwas irritiert ist sein unkritisches Bild von Mussawi. Der Mann ist ein Vertreter des Regimes und ein blutiger Schlächter. In seiner Zeit als Ministerpräsident fallen hundere Todesurteile und das verheizen von Kindersoldaten als Minensucher mit Plastikschlüssel zum Paradies um den Hals.

Ich gönne es den Iranern das Mussawi für sie ein Stück Hoffnung auf Wandel darstellt. Aber er ist Teil des Leviathans und verdient keinen Pathos eines aufrechten Demokraten.

Die Iraner auf der Strasse haben allerdings jeden Respekt verdient.

Arnold Voß
Arnold Voß
14 Jahre zuvor

@Franz Kollege

Tut mir leid Kollege Franz, mein „westliches Vorurteil“ teilen auch ein Menge Leute im Iran.Sonst gäbe es nicht diesen so tief frustrierten Aufschrei derer, die dort unter allergrößter persönlicher Bedrohung gegen das Wahlergebnis rebellieren.

Mit „von Innen“ meine ich natürlich eine Veränderung durch Wahlen und friedliche Mittel des Protestes.Aber selbst wenn man einen Bürgerkrieg als Option mit einbezieht, dann wird dieser Weg nicht von Erfolg gekrönt sein bzw. soviele Opfer fordern, dass selbst ein „Sieg“ ein äußerst fragwürdiges Ergebnis wäre.

Wenn man allerdings eine beliebig lange Zeitschiene in seine Betrachtungen einbaut (und das auch kann, weil man selber nicht Betroffener ist), dann lasse ich deine Aussage gelten. Irgendwann ändert sich natürlich irgendwie alles. Und natürlich auch der Iran.

Diese Aussage ist allerdings so richtig wie banal. So ähnlich wie der Satz, dass der Iran ein komplexes Land ist.

P.S.: Und noch ein kleiner persönlicher Tip: Jemandem ein „frustriertes westliches Vorurteil“ zu unterstellen könnte selbst ein Vorurteil sein.

David Schraven
14 Jahre zuvor

@ Franz,

ich glaub nicht, dass es mehr Auswahl gibt, als nur zwischen Bürgerkrieg oder Neuwahl. Oder zwischen Flammenmeer und Mussawi. Das glaube ich übrigens gerade, weil das Land revolutionäre Erfahrungen hat – eben den Rausschmiss des korrupten Schah. Und eine lange Erfahrung mit Wahlen. Die lassen sich nicht bescheissen. Eben weil es kein Mob ist. Mob kann man unterdrücken. Selbstbewusste Bürger nicht.

Aber Du hast Recht. Es ist komplex. Richtig komplex. Es kommt am Ende darauf an, wie sich die Basaris und die Ölleute verhalten. Die Wirtschaft unter Amhadinejad ist schlecht. Das muss sich ändern. Ahmadinejad wird das nciht ändern. Er kann das Land nicht aus der Ölfalle befreien. Und er kann die Basaris nicht befreien.

Von einem bürgerlichen Freiheitsgedanken ist da noch gar nicht die Rede. Wenn in Isfahan die jungen Mullah-Lehrlinge auf die Straße gehen. Das ist übrigens das spannende. Bei den 1,5 Mio Leuten ist kaum Mob dabei. Aber eben die Säulen der wirtschaftlichen Entwicklung. Und fast wichtiger noch, offensichtlich sind auch die Bauern dabei.

@ Torti

Mussawi ist kein Heiliger. Er ist einfach der Mann der Hoffnung. Chatami war auch kein Heiliger. Aber ein Reformer. Ein konservativer Reformer. Der Iran ist aber auch ein extrem konservatives Land. Deutschland war unter Adenauer auch kein Spaß für freie Geister.

Das ist auch schon mal was. Wenn Mussawi mehr Luft zum Atmen lässt, kann sich mehr Freiheit entwickeln. Der Rest ist Hoffnung auf Aufklärung.

Franz Kollege
14 Jahre zuvor

Arnold, und eben dieser Aufschrei zeigt doch, dass sich das Land auch kurzfristig verändern will und kann.

Allgemein: Die Kombination aus Regime (Khameini) und Führer mit populärer Basis (Ahmadenijad) dürfte ziemlich solide sein. Das hat zum Beispiel seit Nasser kein arabisches Regime mehr geschafft.

Ich frage mich, wogegen die Leute vor allem protestieren. Ahmadenijad und sein Isolationskurs und die von ihm betriebene Inflation? Oder gegen die repressiven Verhältnisse insgesamt?

Davon (oder der Wahrnehmung dessen) könnte abhängen, ob sich Khameini angesichts der massiven Proteste vielleicht auf Kompromisse oder einen Wechsel der Koalitionen einläßt. Wenn es nur gegen Ahmadenijad geht, wird er vielleicht irgendwann umschwenken, um das Establishment zu sichern. Seine früheren Dispute mit Moussavi würden letzteres aber belasten.

In den nächsten Tagen wissen wir hoffentlich mehr. Meine Lehre bisher: ich werde in den nächsten Jahren jedes Buch zum Iran lesen, das ich in die Hände bekomme, damit ich bei den nächsten Wahlen weiß, worum es geht! 😉

Arnold Voß
Arnold Voß
14 Jahre zuvor

Dieser Aufschrei zeigt (leider) nur, dass sich dieses Land verändern will! Ob es das kann, wage ich nachwievor zu bezweifeln. Eben weil die von dir genannten zwei Säulen des Systems so fest gebaut sind und vor allem weil die damit verbundene Elite im Ernstfall über alle Mittel,Techniken und Abstufungen der Unterdrückung verfügt und sie auch einsetzten wird.

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