
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) ist dagegen, staatliche Gelder weiter nach Himmelsrichtung zu verteilen, und fordert einen Wiederaufbau West. Damit stellt sie sich zurecht gegen Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD), der angekündigt hat, bei der Verteilung der Infrastrukturmilliarden den Fokus auf den Osten zu legen.
In einem Gastbeitrag in der FAZ hat NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) einen Wiederaufbau West gefordert:
„Während für den Aufbau Ost zu Recht Milliarden geflossen sind, wurden viele Städte und Regionen im Westen über Jahrzehnte vernachlässigt. Besonders in Nordrhein-Westfalen erleben wir die Folgen hautnah: bröckelnde Brücken, kaputte Schulen, sanierungsbedürftige Stadtzentren, ein öffentlicher Nahverkehr, der an seine Grenzen stößt – und Kommunen, die nicht mehr in der Lage sind, das Notwendige aus eigener Kraft zu stemmen.“
In den vergangenen 30 Jahren hätten die Städte und Gemeinden in NRW weniger investieren können als in anderen Ländern. Neubaur hat recht, auch wenn sie einen der Gründe, warum dem so war und ist, nicht nennt: 14,8 Milliarden Euro haben die NRW-Städte für den Aufbau Ost gezahlt, die Ruhrgebietsstädte waren daran mit vier Milliarden Euro beteiligt. Die Infrastruktur im Osten ist im Durchschnitt besser als im Westen, viele Gebäude wurden aufwendig saniert, während hierzulande die Innenstädte verfallen.
Ein Blick auf die Bahnhöfe der Parnerstädte Bitterfeld-Wolfen und Marl zeigt den Unterschied deutlich:


Bahnhof Bitterfeld in Bitterfeld-Wolfen Foto: A.Savin Lizenz: FAL
Bei der Kommunalwahl 2020 kam die AfD in Marl auf 7.9 Prozent der Stimmen. Bei der Wahl zum Rat von Bitterfeld-Wolfen wurde sie 2024 mit 36,1 Prozent mit Abstand stärkste Partei.
Die 14,8 Milliarden Euro, die in den Osten flossen, fehlen nicht nur. Sie belasten auch nach Ende der Zahlungen die Haushalte der Kommunen und engen ihren finanziellen Bewegungsspielraum ein, da sie zu einem großen Teil über Schulden finanziert wurden. Der Aufbau Ost war faktisch ein Abriss West. Dass Neubaur nun Geld für den Wiederaufbau des Westens fordert, ist vernünftig.
Dass sich Teile der Bundesgrünen sofort gegen sie stellen und der Vorsitzende der Landesgruppe Ost in der Grünen-Bundestagsfraktion, Michael Kellner, Neubaurs Vorschlag als spalterisch empfindet, sollte Neubaur nicht stören. Denn Deutschland muss nicht gespalten werden – politisch ist es das längst: Während in allen westdeutschen Bundesländern die demokratischen Parteien CDU, CSU, SPD, Grüne und FDP bei der Bundestagswahl im Februar locker in die Mehrheit der Stimmen bekamen, sind sie im Osten in der Minderheit. In allen Ostländern bekamen AfD, BSW und Linke mehr Stimmen als die Demokraten. Billionen an Geldern für den Aufbau Ost haben die ehemalige DDR nicht demokratisiert – im Gegenteil: Die Zahl der Bürger, die Demokratiefeinde wählen, steigt seit der Wiedervereinigung 1990 an.
Es gibt viele gute Gründe, warum weitere Investitionen in den Osten, wie sie auch Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) angekündigt hat, falsch wären. Der Osten verliert Einwohner und überaltert stärker als der Westen. Er ist keine Zukunftsregion. Die hohen Stimmanteile für die AfD und die weit verbreitete Ausländerfeindlichkeit schrecken zudem qualifizierte Einwanderer ab. Investitionen in den Osten lohnen sich schlicht nicht. In den Ballungsgebieten und den meist ländlichen Industrieregionen Westdeutschlands versprechen Investitionen eine deutlich höhere Rendite und bringen wirtschaftlich mehr.
Und sie bringen auch politische Rendite: In allen neuen Bundesländern leben zusammen weniger Menschen als in Nordrhein-Westfalen. Will die Politik den Vormarsch der AfD verhindern, macht es mehr Sinn, dafür zu sorgen, dass die Bürger in NRW, Bayern, Hessen und Niedersachsen zufriedener sind und optimistischer in die Zukunft schauen als die den Westen verachtenden, rechts- oder linksradikal wählenden Ostdeutschen. Hier leben einfach mehr Wähler. Ob die Demokratie in Deutschland stabil bleibt, entscheidet sich im Westen. Und damit ist auch die politische Rendite von Investitionen im Westen deutlich höher.
Der Bund sollte nicht aus Gerechtigkeitsgründen in den Westen investieren, sondern weil es vernünftig ist und eine höhere politische und wirtschaftliche Rendite bringt. Der Osten hatte seine Chance – er hat sie vertan.
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Mehr Geld für Ostdeutschland bringt keine politische Rendite
Richtig ist der Satz, dass Deutschland nicht gespalten werden muss, weil es schon immer gespalten war. Wobei anzumerken ist, dass sich das eigentliche Deutschland im Westen befindet und der Osten gar nicht dazugehört. (vgl. James Hawes: Die kürzeste Geschichte Deutschlands)