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Marco Bülow: „GroKo verhindern“

Marco Bülow Foto: SPD Bndestagsfraktion CC BY 3.0


Die Große Koalition ist eindeutig abgewählt worden. Union und SPD haben im Herbst 13,8 Prozent an Stimmen verloren. ‚Wir werden auf keinen Fall in eine neue GroKo gehen‘, so die einhellige Aussage der gesamten Parteispitze nach der Bundestagswahl. Aus dem klaren Nein wurde ein Jein und nun ein klares Ja. Rechtfertigen müssen sich aber hauptsächlich diejenigen, dir bei ihrem Nein zur GroKo geblieben sind. Unser Gastautor Marco Bülow ist Sozialdemokrat und direkt gewählter Bundestagsabgeordneter aus Dortmund.

Präsentiert wird uns ein blasses Sondierungspapier, in der grundlegende Reformen nicht angepackt werden. Vieles, was gut klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen aber als Mogelpackung, wie z. B. die angekündigte Abschaffung des Solidarzuschlags für untere und mittlere Einkommen. In Wirklichkeit gibt es hier keine zusätzliche Entlastung für die weniger betuchten, da diese den Soli auch heute schon nicht zahlen.

Auch die Festschreibung des Rentenniveaus auf 45% bis 2025 ist nichts anderes als eine Zustandsbeschreibung, keine deutliche Verbesserung. Zudem wurde ganz sicher nicht ergebnisoffen verhandelt. Es ging keine Minute um Alternativen, wie zum Beispiel eine Minderheitsregierung. Jetzt auch noch den Jusos oder Kritiker*innen der GroKo Verantwortungslosigkeit vorzuwerfen, ist abstrus.
Natürlich können Befürworter*innen für die Aufnahme von Koalitionsgespräche werben. Doch es ist spannend, dass der Riss nicht mitten durch die Partei geht, sondern zwischen „oben“ und „unten“. Offensichtlich misstraut die aktive Basis einer Neuauflage der GroKo grundsätzlich, glaubt nicht daran, dass es diesmal besser wird. Zu Recht, denn die Startvoraussetzungen sind schlechter als vor vier Jahren und die Probleme einer Großen  Koalition sind vielfältig:
Mit der CDU/CSU sind tiefgreifende Reformen oder ein Systemwechsel, bspw. beim Thema Ungleichheit oder in der Gesundheitspolitik nicht möglich. Die langjährige Umverteilung von unten nach oben, werden wir so nicht korrigieren. Dabei warnen etliche Wirtschaftswissenschaftler*innen vor der zunehmenden Ungleichheit.

Wir schauen aber lieber nur zu und gefährden so die ökonomische Zukunft und den sozialen Frieden in diesem Land. Und warum? Weil diejenigen, die dagegen Maßnahmen ergreifen könnten oder müssten, aufgrund ihrer privilegierten Situation von den negativen Folgen der Ungleichheit nicht betroffen sind. In den jetzt stattfindenden Koalitionsverhandlungen wird es keine Einigung auf eine Bürgerversicherung geben, keine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, kein Lobbyregister, keine Abkehr von Hartz-IV, keine Reform der Sozialsysteme, keine andere Finanzpolitik (Stichwort Cum-ex) oder das Aufgeben der fatalen Austeritätspolitik, keine andere Verteidigungs- und Rüstungspolitik. Dafür ist unter anderem CETA in dem Papier. Wir werden wieder nur mit einigen Pflastern abgespeist.

Mit einer Großen Koalition werden wir auch die Politikverdrossenheit weiter befördern und die extremen Ränder stärken. Die Menschen sehen den Unterschied zwischen SPD und Union nicht mehr. Die Unterschiede verschwimmen und für immer mehr Menschen ist es egal, wen von den Etablierten sie wählen. Damit stärken wir vor allem rechte und extreme Kräfte, die sich als einzige wirkliche Alternative verkaufen. Statt Visionen und klaren Vorstellungen, wird die Alternativlosigkeit von Merkel und der Union unser Leitmotiv.

Ein ganz entscheidender Punkt für mich, die GroKo abzulehnen, ist meine Überzeugung, dass die dringend notwendige Erneuerung der SPD so nicht möglich ist. Wie soll eine inhaltliche Neuaufstellung glaubwürdig stattfinden, wenn wir gleichzeitig in der Realpolitik anders handeln? Wie soll es eine personelle Erneuerung geben, wenn das Spitzenpersonal in Regierungsverantwortung ist und nicht „beschädigt“ werden darf?

Wir können aber nicht ein drittes Mal sehenden Auges in den Abgrund steuern. Denn das droht der SPD – man muss sich nur mal die Entwicklung bei anderen sozialdemokratischen Parteien in Europa ansehen. Deswegen werde ich mich klar weiter gegen die GroKo engagieren und hoffe, dass jetzt viele in der SPD den Mut haben, diese zu stoppen. Dafür muss die Basis mobilisiert werden. Wir brauchen einen wirklichen Aufbruch, keinen Stillstand.

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Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
6 Jahre zuvor

Das kommt sehr einfach gestrickt rüber.
Wieviele der letzten Jahre ist die SPD an der Regierung beteiligt?
Wieso sollte die SPD eine BESSERE Alternative sein?
– Weil sie eine kompetentere Wirtschaftspolitik betreibt? Wer hat den TTIP-Kritiker als "hysterisch" bezeichnet?
– Weil sie ein Bürgerversicherung vorschlägt? Kaum. Um das als Wähler entscheiden zu können, müßte ich wissen, welche Bügerversicherung geplant ist? Das GB-Modell könnte mich aus leicht überpüfbaren Gründen nicht überzeugen. Oder etwa weil der Personalschlüssel in Krankenhäusern SPD-regierter Länder schlechter ist als bei denen der CDU-regierten?
– Weil sie ein Partei für die unten ist? Indem sie aus einer bewährten Altersversorung in eine schlecht verdeckte Subvention für eine Finanzindustrie ohne tragfähiges Geschäftsmodell verwandelt hat?
– Weil sie für Bildung steht? Und beständig dadurch auffällt, Länder am unteren Rand der Bildungsvergleichstest zu regieren? Was natürlich auch daran liegen könnte, daß der Partei nahe stehende Bildungswissenschaftler behaupten kleinere Klassen würden nichts bringen. Eine Erkenntnis die leider den Defiziten des Wissenschaftlers geschuldet sind der nicht weiß ob 18 <, = oder > 28 ist. Dabei ist interessant zu sehen, wie sich wer gegenseitig stützt, nur was das mit Bildung zu tun hat, erschließt sich dem Publikum nicht. Der SPD allerdings auch nicht, deswegen dreht sie sich bildungspolitisch seit 40 Jahren im Kreis.
– Weil sie für Familien da ist? Und darum zuverlässig in "ihren" Städen die höchsten KiGa und Ganztagsgebühren erheben läßt?
– Weil Sie besser nörgelt? Mehr als Nörgelei ist dieser Beitrag nicht. Wenn sich die Null-Bock-auf-Regierung-SPDler als kompetentere Alternative vorstellen wollen, werden sie schon etwas mehr liefern müssen, als ihre Sorge weitere Stimmprozente zu verlieren. Mehr scheint mir dieser Artikel jenseits der Schlagworte nicht zu sein.

Helmut Junge
Helmut Junge
6 Jahre zuvor

Aber Wolfram, er sagt doch,
"Ein ganz entscheidender Punkt für mich, die GroKo abzulehnen, ist meine Überzeugung, dass die dringend notwendige Erneuerung der SPD so nicht möglich ist. Wie soll eine inhaltliche Neuaufstellung glaubwürdig stattfinden, wenn wir gleichzeitig in der Realpolitik anders handeln? Wie soll es eine personelle Erneuerung geben, wenn das Spitzenpersonal in Regierungsverantwortung ist und nicht „beschädigt“ werden darf?"
All die Punkte, die du zu Recht aufgezählt hast, können auch meiner Meinung nach, nur neu gedacht werden, wenn die gesamte Partei darüber neu nachdenken kann. Und das kann überhaupt nur geschehen, wenn es nicht die erzwungene "Ruhe ist die erste Bürgerpflicht"- Solidarität mit der Regierung gibt.
Das wäre vielleicht so, wenn die SPD jetzt in der Opposition wäre.
Allerdings hat es in den vergangenen Oppositionsjahren, die gab es ja schließlich auch, nie eine Neuorientierung gegeben, obwohl etliche Probleme, die du aufgezeigt hast, schon seit Jahrzehnten vielen Bürgern und Bürgerinnen richtig weh tun, Diese in der Verganheit liegenden Oppositionsjahre sind nie genutzt worden, weshalb ich auch eigentlich eher nicht an eine Erneuerung glaube. Für eine Erneuerung ist es echt etwas spät.
Erneuern sich denn die anderen sozialistischen Parteien in der EU eigentlich?
Vorbilder gibt es ja mittlerweile genügend. Das ist ja vielleicht auch der Grund, warum Jean-Luc Mélenchon in Frankreich so erfolgreich ist und warum Frau Wagenknecht ihm nacheifern möchte.
Da die SPD aber heute bei Forsa mit 18% gehandelt wird, und die mögliche Tendenz mit der derzeitigen Spitzenbesetzung eher nach unten geht, wird sie so oder so bald eine Kleinpartei sein. Und dann verliere ich kein Wort mehr über sie.

Robin Patzwaldt
Editor
6 Jahre zuvor

Die SPD macht seit Jahren eigentlich alles falsch, was sie nur falsch machen kann. Ich sage nur 'Hartz4'. Schon alleine ein Spitzenkandidat Schulz sagt über den Zustand der Partei fast alles aus. Persönlichkeiten und starke Meinungen wie früher…. Fehlanzeige! Ein einziges Trauerspiel. Und daher eben für immer mehr Leute unwählbar. Auch für mich persönlich. Linke Volkspartei, das war vielleicht früher mal.

Aquii
6 Jahre zuvor

Warum immer noch von GroKo gesprochen wird ist mir auch nicht klar. Beide zusammen haben gerade einmal 53% und so wie es aussieht, steht die Partei mit dem unberechtigten "S" weitere vier Jahre als Abnicker zur Verfügung. Neue Konzepte vermisse ich schon lange, das klein wenig Stabilisierung der Renten als großen Wurf zu verkünden ist mehr als frech.

Wenn ich mir die Aussagen des Parteivorsitzenden in den letzten sechs Monaten vor Augen führe ist es von "Ich werde Budeskanzler", über "keine erneute Koalition" und "für eine Regierungsbildung stehen wird nicht zur Verfügung" bis zu "Sondieren können wir ja mal" hin zu "Groko ist toll und wirr machen jetzt so weiter" mutiert. Das ist doch wirklich nur noch den zu 100% Verblendeten zu verkaufen, der Rest von den ohnehin noch spärlichen Wählern muss doch in Scharen davonlaufen. Bei einer erneuten Regierungsbeteiligung werden die Umfragen abstürzen, 15% wäre da noch ein Traumwert. Für das Ruhrgebiet wird es bei der nächsten BTW bedeuten, dass die SPD anfängt in der ihr letzten, verbliebenen Hochburg Direktmandate verlieren wird, durch diesen ganzen Hick Hack.

Bedacht werden sollte, dass die Abstimmung mit Ja oder Nein zur erneuten Regierungsbeteiligung für Nahles & Co nicht zwingend bindend ist. Sollte das zum Nein seitens der Mitglieder kommen, traue ich es den ehemals Sozialen zu, sich darüber hinwegzusetzen und ihre Posten und Pöstchen zum Wohl des Landes natürlich nur, annehmen…

Michael
Michael
6 Jahre zuvor

Nicht eine GroKo – die SPD gilt es zu verhindern. Außer dem Kapital braucht keiner die SPD. Sie hat Millionen von Menschen in die Armut (HIV, Rentenniveau, Mindestlohn, etc.) getrieben. Sie pflegt freundschaftliche Kontakte mit den Feinden Israels, wie dem faschistischen Mullahregime im Iran oder dem Racketleader Abbas im Westjordanlans. Das sind nur zwei Punkte einer beliebig zu verlängernden Negativliste. Die SPD ist seit 150 Jahren das Problem – nicht die Lösung.

SPD – es muss endlich Schluss sein. Austreten, nicht mehr wählen.

Davbub
Davbub
6 Jahre zuvor

Die Sozis, die sich "in der Opposition erneuern wollen", sollten Ihre Mandate an Menschen abtreten, für die der Bundestag keine Fünf-Sterne-de-Luxe-Xtra-special-Reha-Einrichtung ist.

Volker Weise
Volker Weise
6 Jahre zuvor

Die SPD macht leider keine Politik für die kleinen Leute, sondern nur noch Politik für die, die sich angeblich um die kleinen Leute kümmern wollen.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
6 Jahre zuvor

Who the f.ck is Marco Bülow? Ist das nicht dieser "Nein-zu-Allem"-Sager, der eigentlich schon längst bei den Piraten und danach bei den Grünen sein bequemes Mandats-Quartier aufschlagen wollte?

ke
ke
6 Jahre zuvor

Ich bin eigentlich erstaunt, dass heftige Kritiker des politischen Systems und auch der aktuellen SPD Politik, die ja keine Überraschung ist, immer noch für sie antreten, um in den Bundestag zu kommen.

Ist die SPD nicht die falsche Partei?

Die Kritiker haben auch keine wirklichen Visionen. Sie schreiben meistens von "Ungerechtigkeiten", " zu wenig Geld", obwohl der Staat schon eine gigantische Umverteilungsmaschine ist und die Sozialausgaben immer höher werden.
Irgendwer muss das Geld auch erarbeiten.
Dass die Kritiker der Verhandlungsergebnisse von einer Erneuerung reden, zeigt doch eher wie weit sie auf ihrem linken Elfenbeinturm (der ist direkt neben dem der Eurokraten) von den Arbeitern entfernt sind. Wenn "*innen"-Formulierungen wichtig sind, zeigt das eigentlich schon welche Nebensächlichkeiten/Kleinstgruppen in den letzten Jahren insbesondere Aufmerksamkeit bekommen haben. Der kleine Mann und seine kleine Frau waren es nicht.

Es wird auch immer von vielen angeblichen Ungerechtigkeiten gesprochen, ohne sie zu konkretisieren. Wenn ich die Leistungen von älteren Bürgern betrachte, erkenne ich insbesondere eine Ungerechtigkeit im Rentensystem. Daran traut sich keiner. Partei will ja die vielen Wähler nicht verärgern und die Arbeitnehmer schreien noch nicht laut genug.

Ich bin auch im potenziellen Wählerprofil der SPD. Nur möchte ich mein Leben selber bestimmen und wenig Einfluss des Staates. So kommen wir nicht zusammen. Außerdem hat die SPD, wo sie an der Macht ist, immer schlechte Bilanzen. Als Dortmunder ,der seine Lebenssituation nicht mit GE und DU vergleicht, sondern auch mal den Pott verlässt erkenne ich, welche Chancen hier fehlen.

EinLipper
EinLipper
6 Jahre zuvor

Soso, Erneuerung der Partei und Realpolitik sind unvereinbare Gegensätze, das zeigt in einem Satz das Problem der SPD bzw ihrer gegenwärtigen Funktionärsgeneration.

Daniel
Daniel
6 Jahre zuvor

Genau. Die SPD sollte die Inhalte der Linken übernehmen. Die sind ja auch wahnsinnig erfolgreich, ? macht wirklich Spaß, den Genossen bei der Selbstzerstörung zuzuschauen.

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
6 Jahre zuvor

@ Helmut
Er schreibt vor allem, was SPD'ler immer erzählen. Wo ist denn das Neue? Allein vom Sprücheklopfen in der Opposition wird man nicht besser, da vergammelt man dann auch nur.
Aber es stimmt, ich hätte nicht DIE SPD schreiben sollen, sondern DIESE.

Arnold Voss
6 Jahre zuvor

@ einLipper + Daniel
Die sogenannte Reapolitik der SPD war allerdings die letzten Jahre beim Wähler auch nicht sehr erfolgreich.

juergen
juergen
6 Jahre zuvor

Seit Jahrzehnten kann man SPD nicht mit Sozialdemokratie übersetzen, sondern mit Neoliberal.

Es ist die Frage zu stellen,
ob man sehenden Auges in den weiteren Absturz der SPD führt

oder ob sie nicht derart neoliberal unterwandert ist die Sozialdemokratie bewußt zu zuerstören ?!

mfg juergen

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